AG München: Keine Änderung der Rechtsprechung in Filesharing-Verfahren

Abmahnung Filesharing
30.04.2013541 Mal gelesen
Das Amtsgericht München ist mit Urteil vom 17.04.2013 (Az.: 161 C 17341/11) seiner bisherigen rechteinhaberfreundlichen Rechtsprechung im Bereich Filesharing treu geblieben und hat einen Anschlussinhaber wegen des Anbietens zweier Musikalben über eine Internet-Tauschbörse zur Zahlung von Schadensersatz sowie Erstattung von Anwaltskosten verurteilt.

Neben Fragen der Anschlussermittlung bzw. Zuordnung von IP-Adressen enthält die Entscheidung insbesondere auch interessante Ausführungen zur sekundären Darlegungslast des Anschlussinhabers.

Gutachten eines IT- Sachverständigen bestätigt Korrektheit der Ermittlungen

Das Gericht holte ein Gutachten eines IT-Sachverständigen ein, um zu klären, ob die technische Ermittlung des Anschlussinhabers durch die Ermittlungsfirma fehlerfrei erfolgte. Der Sachverständige kam dabei zu dem Ergebnis, dass die technische Ermittlung fehlerfrei erfolgte; trotz der unstreitigen Tatsache, dass die aufgezeichneten Netzwerkdaten nicht ausreichend signiert waren. Hierzu führte der Sachverständige aus, dass die Aufbewahrung des kompletten Schlüsselpaars der digitalen Signatur bei der Ermittlungsfirma selbst theoretisch die technische Möglichkeit einer nachträglichen Manipulation des Netzwerkverkehrs zwar ermögliche. Jedoch sei vorliegend eine solche Manipulation praktisch ausgeschlossen. Er erklärte, dass für ihn bei der Untersuchung des Netzwerkverkehrs keinerlei Anhaltspunkte für eine Manipulation erkennbar waren.

Kein Zuordnungsfehler bei mehrfacher Ermittlung mit verschiedenen IP-Adressen

Das Gericht ist zudem der Auffassung, dass Zuordnungsfehler aufgrund der mehrmaligen Ermittlung über zwei unterschiedlichen IP-Adressen so fernliegend seien, dass keine Zweifel an der Richtigkeit der Zuordnung bestehen. Daher sei ein Sachverständigengutachten zur korrekten Zuordnung der ermittelten IP-Adresse zum Beklagten als Anschlussinhaber auch nicht erforderlich. Diese Auffassung hat sich mittlerweile an nahezu allen Gerichtsstandorten durchgesetzt, die sich regelmäßig mit Filesharing-Verfahren befassen.

Sekundäre Darlegungslast des Anschlussinhabers

Am kritikwürdigsten ist das Urteil im Hinblick auf die Ausführungen des Gerichts zu den Anforderungen an den Sachvortrag des Anschlussinhabers im Rahmen seiner sekundären Darlegungslast.

Der Beklagte trug zunächst vor, er sei über weite Teile des Tages, an dem der Verstoß stattgefunden haben soll, gar nicht zu Hause gewesen. Diesen Vortrag hielt das Gericht jedoch für unbeachtlich, da die Teilnahme bzw. Rechtsverletzung über ein Filesharing-Netzwerk nicht die durchgehende körperliche Anwesenheit des Täters voraussetze.

Diese Beurteilung mag grundsätzlich plausibel sein. Das Gericht hat an dieser Stelle jedoch nicht berücksichtigt, dass die Ermittlungsfirma Verstöße zu 6 unterschiedlichen Zeitpunkten mit zwei unterschiedlichen IP-Adressen festgestellt hat, was dafür spricht, dass es wohl zwischendurch zu einer Verbindungsunterbrechung und  Verbindungsneuaufbau gekommen ist.

Auch der Vortrag des Beklagten, seine Ehefrau und die beiden Söhne hätten auch Zugriff zum Internetzugang und deshalb prinzipiell auch als Verletzer in Betracht kommen, war aus Sicht des Gerichts unbeachtlich. Der Beklagte konnte nach Ansicht des Gerichts damit im Rahmen der ihm obliegenden sekundären Darlegungslast die tatsächliche Vermutung seiner täterschaftlichen Haftung als Anschlussinhaber nicht entkräften, da sich aus diesem Sachvortrag nicht die ernsthafte Möglichkeit ergebe, dass allein ein Dritter und nicht auch der Anschlussinhaber den Internetzugang für die behauptete Rechtsverletzung genutzt habe. Daher sei von der persönlichen Verantwortlichkeit des Beklagten als Anschlussinhaber auszugehen.

Das Gericht ist insofern der Auffassung, der Beklagte hätte jedenfalls vortragen müssen, dass die Familienangehörigen zu den fraglichen Zeiträumen zu Hause waren und das Internet auch genutzt haben. Damit verlangt es nicht nur einen kaum zu erbringenden Sachvortrag, es führt auch seine eigenen Ausführungen zur Notwendigkeit der körperlichen Anwesenheit des Täters ad absurdum.

Bewertung der Entscheidung

Grundsätzlich ist die sekundäre Darlegungslast als erfüllt anzusehen, wenn vorgetragen wird, dass auch andere Haushaltsmitglieder Zugriff auf den Internetanschluss hatten und somit theoretisch als Täter in Betracht kommen. Dabei ist konkret anzugeben ist, um welche Personen es sich handelt. Da die Möglichkeit eines alternativen Geschehensablaufs dargelegt ist, ist bereits hierdurch die tatsächliche Vermutung entkräftet, der Anschlussinhaber selbst habe die Urheberrechtsverletzung begangen. Will die Klägerseite ihre Ansprüche nun weiterhin auf eine täterschaftliche Haftung stützen, muss sie wiederum beweisen, dass der Anschlussinhaber eben doch Täter war.

In der Entscheidung wird dem in Anspruch genommenen Anschlussinhaber letztlich faktisch die Beweislast für die Behauptung aufgebürdet, er selbst habe die Rechtsverletzung nicht begangen. Dies widerspricht jedoch nicht nur den Grundsätzen des deutschen Zivilprozesses, sondern auch den in der "Sommer unseres Lebens"-Entscheidung aufgestellten Beweislastregeln des Bundesgerichtshofs.

Das Urteil zeigt also, dass die Erfolgsaussichten für in Anspruch genommene Anschlussinhaber beim Amtsgericht München weiterhin gering sind. Es bleibt jedoch zu hoffen, dass solche Verfahren in die nächste Instanz gehen, da die Bestätigung einer derart überspannten Auslegung der sekundären Darlegungslast nach den letzten Urteilen auf landgerichtlicher Ebene nicht zu erwarten sein dürfte.

Sicherlich ist der folgende Beitrag ebenfalls interessant: