Bundesverwaltungsgericht
Urt. v. 23.08.1996, Az.: BVerwG 8 C 34/94
Zinslose Stundung eines Erschließungsbeitrags; Landwirtschaftlicher Betrieb; Landwirtschaftlich genutzte und Wohnzwecken dienende Flächen eines Grundstücks
Bibliographie
- Gericht
- BVerwG
- Datum
- 23.08.1996
- Aktenzeichen
- BVerwG 8 C 34/94
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1996, 12841
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- I. VG Würzburg 20.03.1990 - VG W 4 K 90/316
- II. VGH München 21.07.1994 - VGH 6 B 90/1415
Rechtsgrundlagen
Fundstellen
- BVerwGE 101, 382 - 390
- DVBl 1996, 1327-1329 (Volltext mit amtl. LS)
- DÖV 1997, 296-298 (Volltext mit amtl. LS)
- KStZ 1998, 113-116
- NVwZ 1998, 295-297 (Volltext mit amtl. LS)
- ZfBR 1997, 41-44 (Volltext mit amtl. LS)
Amtlicher Leitsatz
1. Die durch § 135 Abs. 4 Satz 1 BauGB angeordnete Stundungspflicht erfaßt auch bebaute landwirtschaftlich genutzte Grundstücke.
2. Der Erschließungsbeitrag für ein landwirtschaftlich genutztes Grundstück ist gemäß § 135 Abs. 4 Satz 1 BauGB bei Vorliegen der übrigen gesetzlichen Voraussetzungen selbst dann in vollem Umfang (zinslos) zu stunden, wenn das Grundstück außer mit landwirtschaftlichen Betriebsgebäuden teilweise auch mit Wohngebäuden bebaut ist, d.h. Teilflächen des Grundstücks nicht landwirtschaftlich genutzt werden.
Tenor:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 21. Juli 1994 unter Zurückweisung der Anschlußrevision der Beklagten aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zurückverwiesen.
Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Schlußentscheidung vorbehalten.
Gründe
I.
Der Kläger begehrt die zinslose Stundung des von der Beklagten für die Kosten der erstmaligen Herstellung des Weinbergwegs verlangten Erschließungsbeitrags. Er bewirtschaftete bis Juni 1989 im Vollerwerb einen landwirtschaftlichen Betrieb mit ca. 180 ha, den seine beiden Söhne aufgrund eines Übergabevertrags seit Juni 1989 weiterführen.
Mit Bescheid vom 7. Juni 1985 zog die Beklagte den Kläger als damaligen Eigentümer des 3 242 qm großen, insgesamt innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils gelegenen Grundstücks Flurstück Nr. 935 zu einem Erschließungsbeitrag von 21 771,49 DM heran. Dieses Flurstück dient als Hofstelle des nunmehr von den Söhnen des Klägers geführten landwirtschaftlichen Betriebs. Es ist außer mit landwirtschaftlichen Betriebsgebäuden mit einem im Jahre 1989 - nach Abbruch des alten Wohnhauses - errichteten Doppelhaus bebaut. Die westliche Wohnhaushälfte befindet sich auf dem 381 qm großen, aus dem Flurstück 935 herausgemessenen selbständigen Grundstück Flurstück 935/1.
Auf die gegen den Heranziehungsbescheid vom 7. Juni 1985 gerichtete Anfechtungsklage hat das Verwaltungsgericht mit rechtskräftig gewordenem Urteil vom 20. März 1990 den Erschließungsbeitrag auf 20 878,48 DM reduziert.
Mit Schreiben vom 4. Juli 1985 beantragte der Kläger erstmals die Stundung des geforderten Beitrags "bis zum Herbst 1986". Nachdem die Beklagte diesen Antrag abgelehnt hatte, beantragte der Kläger mit Schreiben vom 10. Juni 1986 erneut - diesmal unbefristet - eine Stundung. Über diesen Antrag hat die Beklagte nicht entschieden. Auf die vom Kläger erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht durch Urteil vom 20. März 1990 die Beklagte verpflichtet, den für das Grundstück Flurstück Nr. 935 geforderten Erschließungsbeitrag so lange zinslos zu stunden, wie dieses Grundstück zur Erhaltung der Wirtschaftlichkeit des landwirtschaftlichen Betriebs vom Kläger oder von Familienangehörigen im Sinne des § 15 AO genutzt werden müsse. Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht nach Einholung eines Sachverständigengutachtens und Einnahme eines Augenscheins durch Urteil vom 21. Juli 1994 unter teilweiser Änderung der erstinstanzlichen Entscheidung und teilweiser Zurückweisung der Berufung erkannt, die als Untätigkeitsklage zulässige Verpflichtungsklage sei teilweise begründet; die Beklagte sei verpflichtet, von dem rechtskräftig festgestellten Erschließungsbeitrag für das Grundstück Flurstück Nr. 935 den über 7 602,50 DM hinausgehenden Betrag nach Maßgabe des § 135 Abs. 4 Satz 1 BauGB zinslos zu stunden.
Zur Begründung hat das Berufungsgericht im wesentlichen ausgeführt: Das Stundungsbegehren des Klägers sei nach § 135 Abs. 4 des am 1. Juli 1987 in Kraft getretenen Baugesetzbuchs zu beurteilen. Zwar habe die Beklagte über den ersten, auf den Zeitraum "bis Herbst 1986" beschränkten Stundungsantrag vom 4. Juli 1985 vor Inkrafttreten des Baugesetzbuchs unanfechtbar entschieden, nicht aber auch über den weitergehenden, einen unbegrenzten Zeitraum umfassenden Antrag vom 10. Juni 1986. Da somit im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Baugesetzbuchsüber einen zuvor gestellten Stundungsantrag noch nicht entschieden gewesen sei, richte sich die Begründetheit dieses Antrags ausschließlich nach § 135 Abs. 4 BauGB. Diese Bestimmung erfasse nicht nur unbebaute, sondern auch bebaute landwirtschaftlich genutzte Grundstücke, und zwar selbst dann, wenn sie teilweise mit Wohngebäuden bebaut seien. Die Stundungspflicht beziehe sich allerdings in einem solchen Fall lediglich auf den Beitrag, der auf unmittelbar und ausschließlich landwirtschaftlich genutzte Teilflächen entfalle. Das ergebe sich aus folgenden Überlegungen:
Durch § 135 Abs. 4 BauGB solle vermieden werden, daß der zu leistende Erschließungsbeitrag die Inhaber landwirtschaftlicher Betriebe zu einer Trennung von Grundstücken aus dem Betrieb veranlasse, die zur Erhaltung seiner Wirtschaftlichkeit notwendig seien. Es solle also gewährleistet werden, daß die Erschließungsbeitragspflicht die Wirtschaftlichkeit und Existenz rentabler landwirtschaftlicher Betriebe nicht beeinträchtige. Aus diesem vom Gesetzgeber mit der Regelung des § 135 Abs. 4 BauGB angestrebten Ziel folge einerseits, daß für unmittelbar und ausschließlich landwirtschaftlich genutzte Teilflächen anteilig eine Stundung zu gewähren sei, und andererseits die Teilflächen, die entsprechend ihrer Qualität als Bauland mit Wohnhäusern bebaut bzw. deren Nutzung untergeordnet seien, als stundungsfeindlich einzustufen seien. Denn insoweit sei der Erschließungsvorteil bereits in vollem Umfang realisiert. § 135 Abs. 4 BauGB sei eng auszulegen und das führe weiter dazu, daß sog. gemischt genutzte Flächen, d.h. Flächen, die sowohl der Wohnnutzung als auch dem landwirtschaftlichen Betrieb zuzurechnen seien, für eine Stundung nicht in Betracht kämen.
Vor diesem Hintergrund sei auf der Grundlage der überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen in seinem schriftlichen Gutachten vom 5. Dezember 1992 davon auszugehen, daß die Herausnahme des Grundstücks Flurstück Nr. 935 aus dem landwirtschaftlichen Betrieb eine nachhaltige Belastung der Wirtschaftlichkeit des Betriebs darstelle. Jedoch seien die Flächen der beiden Wohnhäuser, unabhängig davon, inwieweit in ihnen einzelne für den landwirtschaftlichen Betrieb notwendige Räume lägen, insgesamt von der Stundung auszuklammern. Das gleiche gelte für den an der Süd-West-Seite gelegenen Hausgarten. Eine abschließende Würdigung der örtlichen Verhältnisse aufgrund des Augenscheins ergebe ferner, daß die sowohl den Wohnhäusern als auch dem landwirtschaftlichen Betriebsgebäude vorgelagerte Hoffläche nicht unmittelbar und ausschließlich der reinen landwirtschaftlichen Nutzung zugeordnet werden könne. Es handele sich dabei vielmehr um eine Fläche, die aufgrund ihrer engen räumlichen und funktionalen Verbindung zum Umgriff der beiden Wohnhäuser zu rechnen sei. Angesichts dessen sei eine Teilfläche von insgesamt 1 180 qm mit der Folge als stundungsfeindlich zu behandeln, daß ein Teilbeitrag von 7 602,50 DM nicht der Stundung unterliege.
Gegen diese Entscheidung richten sich die Revision des Klägers und die Anschlußrevision der Beklagten, mit denen sie die Verletzung von Bundesrecht rügen und unter Zurückweisung der Revision der Gegenseite sowie Änderung des angefochtenen Urteils die Zurückweisung der Berufung der Beklagten bzw. die Aufhebung der erstinstanzlichen Entscheidung und Abweisung der Klage begehren.
Der Oberbundesanwalt beim Bundesverwaltungsgericht sowie die Landesanwaltschaft Bayern als Vertreter des öffentlichen Interesses beteiligen sich am Verfahren.
II.
Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Die Revision des Klägers ist dagegen begründet; sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht (§ 144 Abs. 3 Nr. 2 VwGO). Das Berufungsurteil beruht auf einer Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Die abschließende Beurteilung erfordert weitere tatsächliche Feststellungen; das nötigt zur Zurückverweisung.
1. Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, die Beurteilung des vom Kläger am 10. Juni 1986 gestellten Antrags, den durch Bescheid vom 7. Juni 1985 für das seinerzeit ihm gehörende, mit einem Wohnhaus und landwirtschaftlichen Betriebsgebäuden bebaute und im übrigen als Hausgarten und Hoffläche genutzte, 3 242 qm große Grundstück Flurstück Nr. 935 verlangten Erschließungsbeitrag zu stunden, richte sich nach § 135 Abs. 4 Sätze 1 und 2 des am 1. Juli 1987 in Kraft getretenen Baugesetzbuchs i.d.F. der Bekanntmachung vom 8. Dezember 1986 (BGBl I S. 2253 - BauGB -). Denn nach den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts war über diesen Antrag im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Baugesetzbuchs noch nicht entschieden. Entgegen der Ansicht der Beklagten ist in diesem Zusammenhang unbeachtlich, daß sie bereits zuvor mit dem bestandskräftig gewordenen Bescheid vom 6. November 1985 den Stundungsantrag des Klägers vom 4. Juli 1985 abschlägig beschieden hat. Denn dieser letzte Antrag, mit dem der Kläger lediglich eine Stundung "bis zum Herbst 1986" erstrebt hat, ist offensichtlich nicht identisch mit dem Stundungsantrag vom 10. Juni 1986, der Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist.
2. Das Berufungsgericht meint, das Begehren des Klägers, den rechtskräftig festgesetzten Erschließungsbeitrag von 20 878,48 DM zinslos zu stunden, sei gemäß § 135 Abs. 4 Sätze 1 und 2 BauGBüberwiegend, nämlich hinsichtlich des 7 602,50 DM übersteigenden Betrags begründet. Es nimmt an, der Kläger sei seinerzeit Inhaber eines landwirtschaftlichen Betriebs gewesen, den seine beiden Söhne aufgrund eines Übergabevertrags seit Juni 1989 fortführten. Dieser Betrieb, zu dem auch das zum Erschließungsbeitrag veranlagte, insgesamt im unbeplanten Innenbereich gelegene Grundstück Flurstück Nr. 935 zähle, sei wirtschaftlich (rentabel) und die Wirtschaftlichkeit dieses Betriebs gerate in Gefahr, wenn das Grundstück - seiner Qualität als Bauland im Sinne des § 133 Abs. 1 BauGB entsprechend - der landwirtschaftlichen Nutzung entzogen würde. Das alles wird von den Beteiligten nicht angezweifelt und begegnet auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts keinen Bedenken. Vor diesem Hintergrund führt das Berufungsgericht aus, die durch § 135 Abs. 4 Satz 1 BauGB angeordnete (zinslose) Stundungspflicht erfasse nicht nur unbebaute, sondern - wie hier - auch bebaute landwirtschaftlich genutzte Grundstücke. Dagegen ist ebenfalls nichts zu erinnern. Dieses vom Wortlaut des § 135 Abs. 4 Satz 1 BauGB, der keine Einschränkungen bezüglich bebauter landwirtschaftlich genutzter Grundstücke vornimmt, nahegelegte Ergebnis wird bestätigt durch die Entstehungsgeschichte der "Vorgängerin" dieser Vorschrift, nämlich des § 135 Abs. 4 BBauG. Danach sollte die durch diese Bestimmung bewirkte Regelung zunächst auf erwerbsgärtnerisch genutzte Grundstücke beschränkt werden und erfolgte eine Erweiterung auf landwirtschaftlich genutzte Grundstücke erst im Laufe der parlamentarischen Beratungen (vgl. Verhandlungen des Deutschen Bundestags, 3. Wahlperiode, 116. Sitzung, S. 6646 f.). Erwerbsgärtnerisch genutzte Grundstücke im unbeplanten Innenbereich aber sind typischerweise zumindest teilweise z.B. mit Treibhäusern überbaut (vgl. etwa Ernst in Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, § 135 Rn. 16 und Rudisile in Baurecht 1986, 497 (498)). Im übrigen hat der Gesetzgeber § 135 Abs. 4 BauGB durch Art. 2 des Gesetzes zur Änderung des Bundeskleingartengesetzes vom 8. April 1994 (BGBl I S. 766) einen neuen Satz 3 angefügt, wonach der Erschließungsbeitrag auch zinslos zu stunden ist, solange Grundstücke als Kleingärten im Sinne des Bundeskleingartengesetzes genutzt werden. Da derartige Grundstücke nach Maßgabe des § 3 Abs. 2 BKleingG bebaut werden dürfen, erlaubt diese Regelung ebenfalls den Schluß, daß die tatsächliche Bebauung eines Grundstücks eine Stundung des auf dieses Grundstück entfallenden Erschließungsbeitrags nicht ausschließen soll.
3. Sodann legt das Berufungsgericht dar, der Erschließungsbeitrag für ein landwirtschaftlich genutztes Grundstück sei zwar auch zu stunden, wenn das Grundstück außer mit landwirtschaftlichen Betriebsgebäuden teilweise auch mit Wohngebäuden bebaut sei. Doch beziehe sich in einer solchen Konstellation die Stundungspflicht lediglich auf den Teil einer Erschließungsbeitragsforderung, der auf unmittelbar und ausschließlich landwirtschaftlich genutzte Teilflächen dieses Grundstücks entfalle. Aus diesem Grunde scheide eine Stundung nicht nur für den Teil eines Erschließungsbeitrags aus, der der mit einem Wohngebäude bebauten Teilfläche des Grundstücks zuzuordnen sei, sondern überdies für den Teil des Erschließungsbeitrags, der einer gemischt genutzten Teilfläche des Grundstücks, d.h. einer sowohl der Wohnnutzung als auch dem landwirtschaftlichen Betrieb dienenden Fläche, zuzurechnen sei. Diese auf die Aufteilung eines Grundstücks in stundungspflichtige und stundungsfreie Teilflächen abzielende Ansicht des Berufungsgerichts ist nicht mit Bundesrecht vereinbar. Das ergibt sich aus folgenden Erwägungen:
a) § 135 Abs. 4 Satz 1 BauGB stellt nach seinem Wortlaut für die Pflicht zur zinslosen Stundung einer Erschließungsbeitragsforderung darauf ab, daß das entsprechende Grundstück (tatsächlich) landwirtschaftlich genutzt wird, und zwar unabhängig davon, in welchem Umfang dies geschieht. Sofern die sonstigen Voraussetzungen erfüllt sind, also das der Beitragspflicht unterliegende Grundstück - wie nach den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts hier - zu einem rentablen landwirtschaftlichen Betrieb gehört und es zur Erhaltung der Wirtschaftlichkeit dieses Betriebs weiterhin wie bisher genutzt werden muß, verzichtet § 135 Abs. 4 Satz 1 BauGB darauf, die Stundungspflicht auf Fälle zu beschränken, in denen ein Grundstück ganz oder jedenfalls überwiegend landwirtschaftlich genutzt wird, und er verzichtet folgerichtig ferner darauf, die Stundungspflicht auf den Teil einer entstandenen Erschließungsbeitragsforderung zu beschränken, der auf eine tatsächlich ausschließlich landwirtschaftlich genutzte Teilfläche entfällt.
b) Überdies spricht der Umstand, daß der Gesetzgeber in § 135 Abs. 4 Satz 1 BauGB nicht auf landwirtschaftlich genutzte Flächen, sondern (eben) auf landwirtschaftlich genutzte "Grundstücke" abhebt, gegen die vom Berufungsgericht für richtig gehaltene Differenzierung. Mit dem Begriff "Grundstücke" hat der Gesetzgeber nämlich den gleichen Begriff wie in § 133 Abs. 1 BauGB gewählt. Schon das drängt die Annahme auf, der Begriff "Grundstücke" hier decke sich inhaltlich mit dem Begriff dort. Diese inhaltliche Identität leuchtet auch der Sache nach ein. Denn die Stundungsregelung des § 135 Abs. 4 Satz 1 BauGB knüpft an § 133 Abs. 1 BauGB an; sie setzt voraus, daß die jeweiligen Grundstücke gemäß § 133 Abs. 1 BauGB einer Erschließungsbeitragspflicht unterliegen, d.h. es muß sich bei den jeweiligen Grundstücken um baulich oder beitragsrechtlich vergleichbar nutzbare Grundstücke im Sinne des § 133 Abs. 1 BauGB handeln, die jedoch gegenwärtig - ungeachtet ihrer Baulandqualität - tatsächlich (jedenfalls teilweise) landwirtschaftlich genutzt werden. Die Erschließungsbeitragspflicht, die auf ein ihr gemäß § 133 Abs. 1 BauGB unterliegendes Grundstück entfällt, soll - sofern die dafür nach § 135 Abs. 4 Satz 1 BauGB erforderlichen Voraussetzungen erfüllt sind - zinslos gestundet werden.
Einzuräumen ist dem Berufungsgericht allerdings, daß der Begriff des Grundstücks in den §§ 133 Abs. 1 und 135 Abs. 4 Satz 1 BauGB inhaltlich nicht stets identisch ist mit dem des Grundstücks im Sinne des Grundbuchrechts. Vielmehr erfaßt ein Grundstück im Sinne der §§ 133 Abs. 1 und 135 Abs. 4 Satz 1 BauGB von Fall zu Fall nur eine Teilfläche eines Grundstücks im Sinne des Grundbuchrechts. Das trifft zu, wenn und soweit ausschließlich die Teilfläche eines Buchgrundstücks als im Sinne des § 131 Abs. 1 Satz 1 BauGB erschlossen an der Aufwandsverteilung teilnimmt, und ist eine Folge des Verhältnisses zwischen § 131 Abs. 1 Satz 1 BauGB einerseits und § 133 Abs. 1 BauGB andererseits, gibt aber nichts für die weitergehende Annahme des Berufungsgerichts her, für die Stundung nach § 135 Abs. 4 Satz 1 BauGB könne im Einzelfall auf die Teilfläche eines Grundstücks im Sinne des § 133 Abs. 1 BauGB abzustellen sein.
Grundstück im Sinne des § 133 Abs. 1 BauGB (und in der Folge im Sinne des § 135 Abs. 4 Satz 1 BauGB) ist immer dann lediglich die Teilfläche eines Buchgrundstücks, wenn nur diese Teilfläche im Sinne des § 131 Abs. 1 Satz 1 BauGB erschlossen ist. Denn einer Beitragspflicht nach § 133 Abs. 1 BauGB können ausschließlich solche Grundstücksflächen unterliegen, die gemäß § 131 Abs. 1 Satz 1 BauGB erschlossen sind; ohne ein Erschlossensein im Sinne des § 131 Abs. 1 Satz 1 BauGB und damit eine Teilnahme an der Aufwandsverteilung kann sich die Frage nach der Erfüllung des § 133 Abs. 1 BauGB nicht stellen (vgl. u.a. Urteil vom 26. September 1983 - BVerwG 8 C 86.81 - BVerwGE 68, 41 (43) [BVerwG 26.09.1983 - 8 C 86/81]).
Zwar ist für die Beantwortung der Frage, ob und ggf. in welchem Umfang eine bestimmte Grundstücksfläche gemäß § 131 Abs. 1 Satz 1 BauGB an der Aufwandsverteilung teilnimmt, im Tatbestandsmerkmal "Grundstück" auf das sog. Buchgrundstück abzustellen. Dennoch ergeben sich von Fall zu Fall gewisse räumliche Eingrenzungen aus dem - davon unabhängigen - Tatbestandsmerkmal "erschlossen" (vgl. u.a. Urteil vom 27. Juni 1985 - BVerwG 8 C 30.84 - BVerwGE 71, 363 (364) [BVerwG 27.06.1985 - 8 C 30/84]). Das trifft zu - erstens - bei besonders tiefen (namentlich landwirtschaftlich genutzten) Grundstücken in unbeplanten Gebieten (vgl. zur Zulässigkeit einer sog. Tiefenbegrenzung u.a. Urteil vom 4. Mai 1979 - BVerwG 4 C 54.76 - Buchholz 406.11 § 131 BBauG Nr. 29 S. 53) oder beplanten Gebieten, die von einer bestimmten Tiefe an nicht mehr der abzurechnenden Anbaustraße wegen bebaubar (vgl. dazu Urteil vom 4. Oktober 1990 - BVerwG 8 C 1.89 - Buchholz 406.11 § 131 BBauG/BauGB Nr. 83 S. 51 (54 f.)) oder erschließungsbeitragsrechtlich vergleichbar nutzbar sind, sowie - zweitens - auf Fälle, in denen sich bei einer durch Anbaustraßen bewirkten Mehrfacherschließung die Erschließungswirkung einer Anbaustraße erkennbar eindeutig auf eine Teilfläche beschränkt (vgl. u.a. Urteil vom 27. Juni 1985 - BVerwG 8 C 30.84 - a.a.O. S. 366 f.). Etwas ähnliches steht in Frage, wenn eine Wohnbebauung im Wege einer Ausnahme auf einem in einem Gewerbegebiet gelegenen Grundstück zugelassen worden ist, dessen plangemäße Erschließung eine Erreichbarkeit in Form des Herauffahrenkönnens erfordert, auf das aber von der abzurechnenden Anbaustraße wegen eines im Bebauungsplan angeordneten Zu- und Abfahrverbots nicht gefahren werden darf (vgl. Urteil vom 17. Juni 1994 - BVerwG 8 C 24.92 - BVerwGE 96, 116 (124 ff.) [BVerwG 17.06.1994 - 8 C 24/92]), und wenn ein Teil eines (Buch-)Grundstücks etwa infolge seiner Ausweisung im Bebauungsplan als öffentliche Grünfläche jeder erschließungsbeitragsrechtlich relevanten Ausnutzbarkeit entzogen ist (vgl. Urteil vom 25. Februar 1977 - BVerwG IV C 35.74 - Buchholz 406.11 § 133 BBauG Nr. 60 S. 28 (30)). In derartigen und vergleichbaren Konstellationen ist erschlossen im Sinne des § 131 Abs. 1 Satz 1 BauGB jeweils nur die betreffende Teilfläche des Buchgrundstücks und ist folglich Grundstück im Sinne der §§ 133 Abs. 1 und 135 Abs. 4 Satz 1 BauGB ebenfalls lediglich diese Teilfläche.
c) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts läßt sich selbst aus dem mit der Stundungsregelung des § 135 Abs. 4 Satz 1 BauGB verfolgten Zweck nichts zugunsten seiner Ansicht herleiten. Durch diese Regelung soll vermieden werden, daß der Erschließungsbeitrag den Inhaber eines rentablen landwirtschaftlichen Betriebs zu einer Trennung von einem der Erschließungsbeitragspflicht unterliegenden Grundstück aus dem Betrieb veranlaßt, das zur Erhaltung seiner Wirtschaftlichkeit notwendig ist; damit soll gewährleistet werden, daß die Erschließungsbeitragspflicht Wirtschaftlichkeit und Existenz rentabler landwirtschaftlicher Betriebe nicht beeinträchtigt (vgl. Urteil vom 24. Oktober 1980 - BVerwG 4 C 93.77 - BVerwGE 61, 124 (126) [BVerwG 24.10.1980 - 4 C 93/77]). Für die Verfolgung dieses Gesetzeszwecks ist es ohne Belang, ob das jeweils der Erschließungsbeitragspflicht unterliegende, für die Erhaltung der Wirtschaftlichkeit des landwirtschaftlichen Betriebs gebrauchte Grundstück in vollem Umfang oder nur zu einem Teil ausschließlich landwirtschaftlich genutzt wird. Sofern das der Beitragspflicht unterliegende Grundstück jedenfalls auch landwirtschaftlich genutzt wird und die Erhaltung der Wirtschaftlichkeit des betreffenden landwirtschaftlichen Betriebs - wie nach den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts im vorliegenden Fall - von der Aufrechterhaltung dieser landwirtschaftlichen Nutzung auf dem Grundstück abhängt, ist die zinslose Stundung des gesamten Erschließungsbeitrags unabhängig davon vom Gesetzeszweck gedeckt, daß auf einer Teilfläche des Grundstücks keine oder jedenfalls keine ausschließlich landwirtschaftliche Nutzung stattfindet.
Richtig ist, daß die Schonung landwirtschaftlicher Betriebe grundsätzlich sowohl dem Interesse der Gemeinden, den ihnen entstandenen Erschließungsaufwand alsbald durch die Einziehung von Erschließungsbeiträgen zu decken, als auch der bodenpolitischen Funktion der Beitragspflicht, auf eine Bebauung baureifer Grundstücke hinzuwirken (vgl. dazu u.a. Urteil vom 24. Oktober 1980 - BVerwG 4 C 93.77 - a.a.O. S. 125 f.), entgegensteht. Es ist nicht zu leugnen, daß es angesichts dessen der Sache nach nicht als unangemessen hätte angesehen werden können, wenn der Gesetzgeber die Stundungspflicht auf die Teile einer entstandenen Erschließungsbeitragsforderung beschränkt hätte, die auf überwiegend oder ausschließlich landwirtschaftlich genutzte Teilflächen des dieser Beitragspflicht unterliegenden Grundstücks entfallen. Indes zwingt das noch nicht zu der vom Berufungsgericht vertretenen Auffassung. Vielmehr weisen der Wortlaut des § 135 Abs. 4 Satz 1 BauGB und der mit ihm verfolgte Zweck darauf hin, der Gesetzgeber habe den aufgezeigten Interessenkonflikt prinzipiell zugunsten der Schonung landwirtschaftlicher Betriebe gelöst (vgl. in diesem Zusammenhang Urteil vom 1. April 1981 - BVerwG 8 C 11.81 - BVerwGE 62, 125 (127) [BVerwG 01.04.1981 - 8 C 11/81]). Das wird durch die Gesetzesmaterialien bestätigt (vgl. im einzelnen Verhandlungen des Deutschen Bundestags, 3. Wahlperiode, 114. und 116. Sitzung, S. 6 470 f. und S. 6 646 f.).
d) Schließlich streitet der im Abgabenrecht allgemein und insbesondere im Erschließungsbeitragsrecht bedeutsame Gesichtspunkt der Verwaltungspraktikabilität gegen die Auffassung des Berufungsgerichts. Sie auferlegt nämlich den Gemeinden die jedenfalls nicht in jedem Einzelfall ohne weiteres lösbare Aufgabe, mit Blick auf den maßgeblichen Zeitpunkt des Entstehens der sachlichen Beitragspflichten (§ 133 Abs. 2 BauGB) sozusagen zentimetergenau die nicht (ausschließlich) landwirtschaftlich genutzten Teilflächen der erschlossenen Grundstücksfläche zu ermitteln. Das stößt namentlich bei mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücken auf Schwierigkeiten, weil insoweit - nach welchen Kriterien immer - über die überbauten Teilflächen hinaus Teilflächen ermittelt werden müssen, die der "Nutzung (als Wohnhaus) untergeordnet sind" (Berufungsurteil S. 12), die "aufgrund ihrer engen räumlichen und funktionalen Verbindung zum Umgriff" des jeweiligen Wohnhauses "zu rechnen" sind (Berufungsurteil S. 13).
4. Das Stundungsbegehren des Klägers ist somit dem Grunde nach mit der Folge begründet, daß die Revision der Beklagten keinen Erfolg haben kann. Offen ist hingegen, ob das Stundungsbegehren auch der Höhe nach begründet ist, d.h. ob der Kläger einen Anspruch auf eine zinslose Stundung des gesamten noch von ihm geforderten Erschließungsbeitrags hat. Diese Frage läßt sich auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts aus einem mit dem Grundstück Flurstück Nr. 935/1 zusammenhängenden Grunde gegenwärtig nicht abschließend beurteilen.
Das Berufungsgericht teilt eingangs mit, durch Bescheid vom 7. Juni 1985 sei das 3 242 qm große Grundstück Flurstück Nr. 935 zu einem Erschließungsbeitrag veranlagt worden. Aus diesem Grundstück sei das Flurstück 935/1 herausgemessen worden. Wann das geschehen ist, läßt sich den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts nicht entnehmen. Sollte es vor der Veranlagung des Flurstücks 935 durch Bescheid vom 7. Juni 1985 geschehen sein, wäre das für den vorliegenden Fall ohne Bedeutung. Dann nämlich wäre auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts davon auszugehen, daß der gesamte, von der Beklagten für das 3 242 qm große Flurstück Nr. 935 geforderte Erschließungsbeitrag gestundet werden müßte. Sollte dagegen die Verselbständigung des Flurstücks Nr. 935/1 später erfolgt sein, hätte der Kläger jedenfalls dann keinen Anspruch auf Stundung des auf das neue Grundstück Nr. 935/1 entfallenden Anteils am geforderten Erschließungsbeitrag (mehr), wenn mit Blick auf dieses Grundstück nicht die Voraussetzungen des § 135 Abs. 4 Satz 1 BauGB erfüllt sein sollten. Träfe das zu, müßte die Verpflichtungsklage, für deren Erfolg oder Mißerfolg auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Entscheidung der letzten Tatsacheninstanz abzustellen ist (vgl. u.a. Urteil vom 17. Dezember 1976 - BVerwG VII C 69.74 - BVerwGE 52, 1 (3) [BVerwG 17.12.1976 - VII C 69/74]), jedenfalls hinsichtlich des auf das Grundstück Nr. 935/1 mit einer Größe von 381 qm entfallenden Anteils am geforderten Erschließungsbeitrag erfolglos bleiben.
Dr. Kleinvogel
Prof. Dr. Driehaus
Dr. Silberkuhl
Dr. Honnacker
Sailer