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Bundesverwaltungsgericht
Urt. v. 25.01.1985, Az.: BVerwG 8 C 106.83

Rechtmäßigkeit der Erhebung von Beitragserschließungskosten für eine Straße; Abgrenzung zwischen erschließungsrechtlich selbstständigen und unselbstständigen Verkehrsanlagen; Sackgasse als Bestandteil einer beitragsfähigen Anbaustraße; Behinderung der Ausschöpfung des zulässigen Nutzungsmaßes durch (öffentlich-rechtliche) Baubeschränkungen; Auswirkungen einer Behinderung auf die Aufwandsverteilung

Bibliographie

Gericht
BVerwG
Datum
25.01.1985
Aktenzeichen
BVerwG 8 C 106.83
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1985, 12505
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG Köln - 21.12.1981 - AZ: 7 K 5560/80
OVG Nordrhein-Westfalen - 13.04.1983 - AZ: 3 A 1169/82

Fundstellen

  • BRS 43, 49 - 54
  • BauR 1985, 678
  • DVBl 1985, 621-622 (Volltext mit amtl. LS)
  • NVwZ 1985, 753-754 (Volltext mit amtl. LS)
  • ZMR 1985, 243-245
  • ZfBR 1985, 151-152

Redaktioneller Leitsatz

Eine ca.100 m lange, nichtverzweigte Sackgasse, die für das Befahren von Fahrzeugen aller Art vorgesehen ist (Stichstraße), ist keine Selbständige Erschließungsanlage.

Der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts hat
auf die mündliche Verhandlung vom 25. Januar 1985
durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Weyreuther und
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. David, Dr. Kleinvogel, Dr. Driehaus und Dr. Silberkuhl
für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 13. April 1983 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen.

Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Schlußentscheidung vorbehalten.

Gründe

1

I.

Die Klägerin ist Eigentümerin des 1.271 qm großen, an den Hauptzug der Straße "An der Engelsfuhr" grenzenden Grundstücks Gemarkung C. Flur 1 Flurstück 13.... Dieser Hauptzug verläuft von der Odenthaler Straße zunächst auf einer Länge von rund 550 m nach Westen und mündet nach einer Linkskurve in die südlich gelegene Jägerstraße. In Höhe der Kurve zweigt von dem Hauptzug nach Westen eine ca. 80 m lange, ebenfalls als "An der Engelsfuhr" bezeichnete Sackgasse ab, die etwa die gleiche Breite sowie die gleichen Teileinrichtungen aufweist wie der Hauptzug selbst und in einem Wendehammer endet.

2

Die gesamte, aus dem Hauptzug und der Sackgasse bestehende Straße "An der Engelsfuhr" wurde in den Jahren 1973 bis 1977 ausgebaut. Der Rat der Stadt faßte am 13. September 1979 den Beschluß, für die Kosten der technischen Herstellung der gesamten Straße Beiträge im Wege der Kostenspaltung zu erheben. Dementsprechend zog der Beklagte die Klägerin mit Bescheid vom 27. März 1980 zu einem Erschließungsteilbeitrag in Höhe von 6.918,50 DM heran, der auf ihren Widerspruch auf 6.654,30 DM ermäßigt wurde.

3

Mit ihrer Anfechtungsklage hat die Klägerin im ersten und zweiten Rechtszug im wesentlichen vorgetragen: Der Beklagte habe bei ihrem Grundstück (und bei anderen Grundstücken) der Aufwandsverteilung zu Unrecht die volle Grundstücksfläche zugrunde gelegt. Die zulässige Nutzung der Grundstücke in dem hier maßgeblichen Abrechnungsgebiet werde durch Baugrenzen, die Geschoßzahl, die Grundflächen- und die Geschoßflächenzahl, die Bauweise sowie durch textliche Ergänzungen im Bebauungsplan festgesetzt. In ihrem Falle betrage die innerhalb der Baugrenzen liegende Fläche abzüglich der - wegen der Festsetzung "offene Bauweise" - zu beiden Seiten einzuhaltenden Bauwiche 262,5 qm und sei somit wesentlich kleiner als - entsprechend der im Bebauungsplan festgesetzten Grundflächenzahl von 0,4-40 vom Hundert der gesamten Grundstücksgröße. Dementsprechend dürfe nur die entsprechend reduzierte Fläche mit dem Faktor für die im Bebauungsplan festgelegte zweigeschossige Bauweise, also 1,25, multipliziert werden, so daß die für ihr Grundstück anzurechnende Grundstücksfläche 656,25 qm betrage. Überdies habe der Beklagte den Erschließungsaufwand unzutreffend ermittelt und bei der Aufwandsverteilung zu Unrecht das als Kinderspielplatz ausgebaute Flurstück 2874 unberücksichtigt gelassen. Schließlich sei das Schulgrundstück an der Odenthaler Straße nur als dreigeschossig behandelt worden, obwohl es nach den textlichen Festsetzungen des Bebauungsplans viergeschossig bebaubar sei.

4

Durch Urteil vom 21. Dezember 1981 hat das Verwaltungsgericht der Klage mit der Begründung stattgegeben, die Sackgasse und der Hauptzug der Straße "An der Engelsfuhr" stellten jeweils selbständige Erschließungsanlagen dar, die der Beklagte nur nach einer entsprechenden Zusammenfassungsentscheidung gemäß § 130 Abs. 2 Satz 2 BBauG habe gemeinsam abrechnen dürfen; eine solche Entscheidung sei bisher nicht getroffen worden.

5

Mit der gegen dieses Urteil eingelegten Berufung hat der Beklagte geltend gemacht, der Beitragsbescheid sei nunmehr rechtmäßig, da der Rat der Stadt am 13. Juli 1982 die Zusammenfassungsentscheidung nachgeholt habe. Durch Urteil vom 13. April 1983 hat das Berufungsgericht die Klage mit der Maßgabe abgewiesen, daß der nach zwischenzeitlich erfolgten Reduzierungen noch streitige Beitrag in Höhe von 6.391,38 DM am 13. August 1982 fällig geworden sei. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt:

6

Grundsätzlich seien sämtliche Voraussetzungen für eine Teilbeitragspflicht erfüllt. Allerdings sei diese Pflicht nicht schon mit dem Ausspruch der Kostenspaltung durch den Ratsbeschluß vom 13. September 1979, sondern erst mit dem Zusammenfassungsbeschluß vom 13. Juli 1982 und damit nach Erlaß des angefochtenen Heranziehungsbescheids entstanden. Erst zu diesem Zeitpunkt habe die erforderliche Voraussetzung für die gemeinsame Abrechnung des Hauptzugs der Straße "An der Engelsfuhr" mit der westlich abzweigenden Sackgasse vorgelegen. Denn das Verwaltungsgericht habe zutreffend dargelegt, daß es sich bei der vom Beklagten einheitlich abgerechneten Straße im Rechtssinne um zwei selbständige Erschließungsanlagen handele, nämlich zum einen um die Sackgasse mit einer Gesamtlänge von rund 80 m zuzüglich Wendehammer und zum anderen um den übrigen Straßenzug. Das Entstehen der Teilbeitragspflicht nach Erlaß des Heranziehungsbescheids erst während des Berufungsverfahrens berühre die Rechtmäßigkeit der Heranziehung nicht, habe allerdings zur Folge, daß die Beitragspflicht in sinnentsprechender Anwendung des § 135 Abs. 1 BBauG einen Monat nach dem Eintritt des die Heilung des ursprünglich rechtswidrigen Beitragsbescheids bewirkenden Ereignisses (hier: Zusammenfassungsentscheidung) fällig geworden sei.

7

Die Einwendungen der Klägerin gegen die Höhe des vom Beklagten noch geforderten Beitrags seien nicht gerechtfertigt. Der Beklagte habe den beitragsfähigen Erschließungsaufwand zutreffend ermittelt. Dies gelte auch für die Kosten der Erstellung des Regenwasserkanals. Ferner habe der Beklagte bei der Aufwandsverteilung alle beitragspflichtigen Grundstücke berücksichtigt. Entgegen dem Vorbringen der Klägerin sei das Schulgrundstück an der Odenthaler Straße, das einschließlich der Zuwegung, die von dem Hauptzug der Straße "An der Engelsfuhr" abzweige, wohl durch diesen Hauptzug erschlossen werde, zutreffend als dreigeschossig mit dem Nutzungsfaktor 1,5 belastet worden.

8

Schließlich sei auch der Einwand der Klägerin, der Beklagte habe bei der Aufwandsverteilung für ihr Grundstück zu Unrecht die gesamte Grundstücksfläche von 1.271 qm vervielfältigt mit dem für zweigeschossige Bebauung geltenden Nutzungsfaktor 1,25 angesetzt, nicht begründet. Zwar könne infolge der angeordneten Baugrenzen und der einzuhaltenden Bauwiche auf dem Grundstück der Klägerin das nach dem Bebauungsplan zugelassene Maß der Nutzung nicht annähernd verwirklicht werden, doch sei das im vorliegenden Fall aus zwei Gründen unbeachtlich. Zum einen sei nach der hier einschlägigen Erschließungsbeitragssatzung nicht der das Maß (und die Art) der baulichen Nutzung genauer erfassende Geschoßflächenmaßstab, sondern der gröbere Vollgeschoßmaßstab anzuwenden, der die unterschiedliche Ausnutzbarkeit ohnehin stark vernachlässige. Und zum anderen stelle die Berücksichtigung der gesamten Grundstücksfläche im Falle des klägerischen Grundstücks keine Besonderheit im Verhältnis zur Belastung der übrigen in die Verteilung einbezogenen Grundstücke dar. Denn bei dem größten Teil dieser Grundstücke seien ebenfalls wie bei dem Grundstück der Klägerin die gleiche Geschoßzahl (2) sowie die gleiche Grundflächen- (0,4) und Geschoßflächenzahl (0,8) festgesetzt und seien aufgrund der Festlegung "offene Bauweise" sowie der Festsetzung von Baugrenzen erheblich weniger als 40 vom Hundert der Grundstücksfläche bebaubar. Deshalb gebiete hier § 135 Abs. 5 BBauG nicht den Ansatz nur einer eingeschränkten Grundstücksfläche.

9

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der Klägerin, mit der sie die Verletzung materiellen Bundesrechts rügt.

10

Der Beklagte tritt der Revision entgegen.

11

II.

Die Revision der Klägerin führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Mit dem Bundesrecht unvereinbar ist erstens die Annahme des Berufungsgerichts, die vom Hauptzug der Straße "An der Engelsfuhr" abzweigende Sackgasse gleichen Namens sei eine selbständige Erschließungsanlage im Sinne des § 127 Abs. 2 Nr. 1 BBauG (vgl. § 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Dieser Mangel wirkt sich allerdings - von der Festsetzung eines abweichenden Fälligkeitstermins abgesehen - im Ergebnis nicht aus, weil er die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides letztlich nicht berührt (vgl. § 144 Abs. 4 VwGO). Mit dem Bundesrecht unvereinbar ist jedoch zweitens auch die Annahme des Berufungsgerichts, daß das Grundstück der Klägerin durch die Straße "An der Engelsfuhr" gemäß § 131 Abs. 1 BBauG in vollem Umfang erschlossen werde. Insoweit erfordert die abschließende Beurteilung des Falles weitere tatsächliche Feststellungen; das nötigt zur Zurückverweisung der Sache (§ 144 Abs. 3 Nr. 2 VwGO).

12

Das Berufungsgericht hat angenommen, die vom Hauptzug der Straße "An der Engelsfuhr" abzweigende, ohne den Wendehammer ca. 80 m lange, in ihrer Breite und ihren Teileinrichtungen im wesentlichen dem Hauptzug entsprechende, dem öffentlichen Verkehr gewidmete Sackgasse sei ebenso wie der Hauptzug eine selbständige beitragsfähige Anbaustraße im Sinne des § 127 Abs. 2 Nr. 1 BBauG, so daß - da der Beklagte erkennbar die "Absicht" gehabt habe, sie gemeinsam abzurechnen - nach § 130 Abs. 2 Satz 2 BBauG eine Erschließungsteilbeitragspflicht für diese beiden "einzelne(n) Erschließungsanlage(n)" (§ 130 Abs. 2 Satz 1 BBauG) erst mit der am 13. Juli 1982 gefaßten Zusammenfassungsentscheidung entstanden sei. Diese Auffassung des Berufungsgerichts ist deshalb nicht mit Bundesrecht vereinbar, weil die in Rede stehende Sackgasse eine erschließungsrechtlich unselbständige Verkehrsanlage und als solche Bestandteil der aus ihr und dem Hauptzug bestehenden beitragsfähigen Erschließungsanlage "An der Engelsfuhr" ist. Für die Kosten der im Jahre 1977 abgeschlossenen technischen Herstellung dieser Erschließungsanlage ist daher bereits mit dem Ausspruch der Kostenspaltung durch den Rat der Stadt am 13. September 1979 gemäß § 133 Abs. 2 Satz 1 BBauG eine Erschließungsteilbeitragspflicht der Klägerin entstanden.

13

Wie das Bundesverwaltungsgericht bereits mehrfach, zuletztmit Urteil vom 9. November 1984 - BVerwG 8 C 77.83 - (UA S. 8 ff.), entschieden hat, kommt es für die Beantwortung der Frage, ob eine Verkehrsanlage erschließungsrechtlich selbständig oder unselbständig ist, auf den Gesamteindruck an, den die tatsächlichen Verhältnisse einem unbefangenen Beobachter vermitteln; besondere Bedeutung kommt ihrer Ausdehnung und ferner ihrer Beschaffenheit, der Zahl der durch sie erschlossenen Grundstücke sowie vor allem dem Maß der Abhängigkeit zwischen ihr und der Straße zu, in die sie einmündet (vgl. u.a.Urteil vom 23. März 1984 - BVerwG 8 C 65.82 - Buchholz 406.11 § 127 BBauG Nr. 42 S. 19 [23 f.] m.weit.Nachw.). Das Maß der Abhängigkeit ist deshalb von erheblichem Gewicht, weil eine Verkehrsanlage ohne Verbindungsfunktion ("Stichweg") ausschließlich auf die Straße angewiesen ist, von der sie abzweigt, sie darin einer (unselbständigen) Zufahrt ähnelt und deshalb der Eindruck der Unselbständigkeit häufig noch bei einer Ausdehnung erhalten bleibt, bei der eine Anlage mit Verbindungsfunktion schon den Eindruck der Selbständigkeit vermittelt. Im Hinblick auf diese Kriterien hat der erkennende Senat in dem genannten Urteil vom 9. November 1984 zum Ausdruck gebracht, es könne davon ausgegangen werden, daß eine öffentliche, für das Befahren mit Kraftfahrzeugen aller Art vorgesehene, etwa 100 m lange und nicht verzweigte Sackgasse (Stichstraße), die eine ihrer Ausdehnung angemessene Anzahl von Grundstücken erschließt und im zeitlichen Zusammenhang mit der Anbaustraße endgültig hergestellt worden ist, in die sie einmündet, regelmäßig als erschließungsrechtlich unselbständig zu qualifizieren ist. Daran ist festzuhalten. Nach den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts sind hier alle vorbezeichneten Merkmale erfüllt. Das rechtfertigt die Annahme, die Sackgasse sei mit der Folge ein Bestandteil der beitragsfähigen Anbaustraße "An der Engelsfuhr", daß für eine Zusammenfassung des Hauptzugs dieser Anlage und der Sackgasse zur gemeinsamen Aufwandsermittlung gemäß § 130 Abs. 2 Satz 2 BBauG kein Raum und die Erschließungsteilbeitragspflicht für die von dem Beklagten abgerechneten Kosten der technischen Herstellung mit Ausspruch der Kostenspaltung entstanden ist.

14

Für die Aufhebung des angefochtenen Urteils und die Notwendigkeit der Zurückverweisung ausschlaggebend ist - wie gesagt -, daß dem Berufungsgericht auch darin nicht gefolgt werden kann, daß das 1.271 qm große Grundstück der Klägerin durch die Straße "An der Engelsfuhr" in vollem Umfang im Sinne des § 131 Abs. 1 BBauG erschlossen sein soll, obwohl die Klägerin durch festgesetzte Baugrenzen (§ 23 Abs. 3 BauNVO) sowie durch die wegen der Festsetzung "offene Bauweise" einzuhaltenden seitlichen Grenzabstände (§ 22 Abs. 2 BauNVO) gehindert ist, das im Bebauungsplan zugelassene Maß der Nutzung (Zahl der Vollgeschosse 2, Grundflächenzahl 0,4 und Geschoßflächenzahl 0,8) in allen seinen Teilen auszuschöpfen. Das Berufungsgericht meint zu Unrecht, seine abweichende Auffassung darauf stützen zu können, daß bei der hier angeordneten Verteilung des umlagefähigen Erschließungsaufwands nach dem (im Vergleich zum sogenannten Geschoßflächenmaßstab "gröberen") sogenannten Vollgeschoßmaßstab die unterschiedliche Ausnutzbarkeit der Grundstücke ohnehin stark vernachlässigt werde. Darauf abzuheben, verwechselt § 131 Abs. 1 BBauG mit § 131 Abs. 3 BBauG: § 131 Abs. 3 BBauG hat die Aufgabe, der den Gemeinden durch § 131 Abs. 2 in Verbindung mit § 132 Nr. 2 BBauG erteilten Ermächtigung der Entscheidung über den Verteilungsmaßstab Grenzen zu setzen. Ob dies mehr oder weniger "großzügig" geschieht, läßt in Richtung auf § 131 Abs. 1 BBauG keinerlei Schlüsse zu. § 131 Abs. 1 BBauG verhält sich - allen Fragen zum Verteilungsmaßstab und dazu ("sodann") erteilten Ermächtigungen vorausliegend - zur Verteilung als solcher. Seine Tatbestandsmerkmale - hier das Merkmal des erschlossenen Grundstücks - sind nicht deshalb mit einer bestimmten Tendenz auszulegen, weil diese Tendenz bei § 131 Abs. 3 BBauG angezeigt sein mag.

15

Richtig ist: § 131 Abs. 1 BBauG ordnet an, daß der beitragsfähige Erschließungsaufwand auf die durch die Anlage "erschlossenen Grundstücke" verteilt werden soll. Erschlossen in diesem Sinne ist bei Grundstücken in - wie hier - (qualifiziert) beplanten Gebieten grundsätzlich die gesamte beplante Fläche, so daß sie insgesamt nach Maßgabe eines (auch) auf die Größe der erschlossenen Grundstücksflächen abhebenden Verteilungsmaßstabs (wie z.B. sowohl des Geschoßflächen- als auch des Vollgeschoßmaßstabs) an der Verteilung des umlagefähigen Aufwands teilnimmt. Die Erstreckung auf die gesamte Grundstücksfläche rechtfertigt sich, obgleich so gut wie niemals diese gesamte Fläche der baulichen (oder sonstwie beitragsrechtlich relevanten) Nutzung zugeführt werden darf, obgleich also auf diese Weise auch nicht bzw. nicht relevant nutzbare Flächenteile als "erschlossen" behandelt werden. Denn der Erschließungsbegriff in § 131 Abs. 1 BBauG kann nicht an der Rechtstatsache vorbeigehen, daß das Baurecht fast nie die volle Überbauung eines Baugrundstücks zuläßt, sondern die Zulässigkeit einer Bebauung meist die Freihaltung erheblicher Grundstücksteile voraussetzt, mithin für die Ausführbarkeit eines Bauvorhabens durchweg mehr an Fläche zur Verfügung stehen muß als für die bauliche Anlage als solche benötigt wird (s. dazu im einzelnen die §§ 16 ff. BauNVO). Mit Rücksicht auf diesen Zusammenhang zwischen dem Bau- und dem Erschließungsbeitragsrecht ist es auf den Umfang der im Sinne des § 131 Abs. 1 BBauG erschlossenen Fläche grundsätzlich auch ohne Einfluß, wenn Grundstücksteile aufgrund von Vorschriften freigehalten werden müssen, die als solche nicht das Maß der zulässigen baulichen Nutzung regeln, wenn also beispielsweise durch die Festsetzung von Baulinien, Baugrenzen oder Bebauungstiefen gemäß § 23 BauNVO oder durch Abstands- und Anbauverbotsvorschriften etwa gemäß § 9 Abs. 1 und 2 FStrG die überbaubare Fläche eines beplanten Baugrundstücks beschränkt ist. Regelungen dieser Art sollen nach ihrer Zielsetzung nicht auf das Maß der baulichen Nutzung, sondern auf den Standort der baulichen Anlagen Einfluß nehmen. Soweit sich ihre Wirkung darauf beschränkt, sie also das Maß der baulichen Ausnutzbarkeit eines Grundstücks nicht (zusätzlich) beschränken, ist im Sinne des § 131 Abs. 1 BBauG die gesamte Fläche erschlossen und dementsprechend bei der Aufwandsverteilung nach Maßgabe einer unter anderem auf die erschlossene Grundstücksfläche abhebenden Verteilungsregelung zu berücksichtigen (vgl.Beschluß vom 5. September 1980 - BVerwG 4 B 113.80 - Abdruck S. 5).

16

Anders liegt es hingegen, wenn - wie nach den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts hier - Festsetzungen im Bebauungsplan, die als solche nicht über das Maß der zulässigen baulichen Nutzung (sondern z.B. über die überbaubare Grundstücksfläche [§ 23 BauNVO]) bestimmen, zur Konsequenz haben, daß das im Bebauungsplan für ein Grundstück zugelassene Maß der baulichen Nutzung nicht ausgeschöpft werden kann, wenn sich - mit anderen Worten - das Maß der im Bebauungsplan zugelassenen baulichen Nutzung aus "maß-fremden Hinderungsgründen" nicht verwirklichen läßt und infolgedessen das durch den Bebauungsplan weitergehend zugelassene Nutzungsmaß sozusagen nur "auf dem Papier" steht. Soweit das der Fall ist, nimmt das davon betroffene Grundstück kraft des § 131 Abs. 1 BBauG und mit Bindung für jede von der Gemeinde erlassene Verteilungsregelung, die auf die erschlossene Grundstücksfläche abstellt, an der Aufwandsverteilung nur mit der Fläche teil, die für die verminderte bauliche Ausnutzung "erforderlich" ist. Das hat der erkennende Senat in seinemUrteil vom 9. Dezember 1983 - BVerwG 8 C 112.82 - (BVerwGE 68, 249 [263 ff.]) ausgesprochen und dort im einzelnen wie folgt begründet:

"Nach § 131 Abs. 1 BBauG ist der beitragsfähige Erschließungsaufwand 'auf die ... erschlossenen Grundstücke zu verteilen'. Diese Bestimmung legt mit bindender Auswirkung auf § 131 Abs. 2 BBauG nicht allein den Erschließungs- und den Grundstücksbegriff fest - die Satzungsregelung darf beispielsweise für die 'Grundstücksflachen' (§ 131 Abs. 2 Nr. 2 BBauG) eine Multiplikation oder Division anordnen, aber ihr ist verwehrt, den Grundstücksbegriff als solchen zu modifizieren (vgl.Urteil vom 30. Juli 1976 - BVerwG 4 C 65 und 66.74 - Buchholz 406.11 § 131 BBauG Nr. 15 S. 7 [9]) -, sondern auch den Zusammenhang zwischen dem Grundstücksbegriff und dem Erschlossensein: Erschlossene Grundstücke sind kraft des § 131 Abs. 1 BBauG 'mit ihren von der Erschließung nicht mehr betroffenen Teilen an der Verteilung des beitragsfähigen Erschließungsaufwands nicht beteiligt'; daran kann die Erschließungsbeitragssatzung nichts ändern (s. BVerwGE 62, 308 [315]). Daraus ergeben sich unmittelbar kraft Gesetzes sog. Tiefenbegrenzungen (s. BVerwGE 62, 308 [315]). Etwas ähnliches steht in Frage, wenn ein Grundstück wegen eines rechtlichen Hindernisses baulich (oder in erschließungsbeitragsrechtlich sonstwie beachtlicher Weise) nicht in dem Ausmaß genutzt werden darf, wie ihm dies der einschlägige (qualifizierte) Bebauungsplan zubilligt. Auch in einem solchen Fall kann sich nämlich ergeben, daß das Grundstück als nur teilweise erschlossen zu behandeln ist und dem bei der Verteilung des beitragsfähigen Erschließungsaufwands Rechnung getragen werden muß.

Ein im Sinne des § 30 BBauG qualifizierter Bebauungsplan liegt nur vor, wenn auch 'Festsetzungen über ... das Maß der baulichen Nutzung' getroffen sind. Das Maß der zulässigen baulichen Nutzung kann durch die Größe der zugelassenen Grundfläche (bzw. eine Grundflächenzahl), durch die Größe der zugelassenen Geschoßfläche (bzw. eine Geschoßflächenzahl), durch die zugelassene Baumasse (bzw. eine Baumassenzahl) und durch die Zahl der zugelassenen Vollgeschosse ausgedrückt werden (vgl. § 16 Abs. 2 Satz 2 BauNVO). Ein qualifizierter Bebauungsplan soll im Grundsatz alle diese Maßfestsetzungen enthalten (vgl. § 16 Abs. 4 Satz 1 BauNVO). Er kann jedoch auf einige verzichten, wenn bereits die anderen 'ausreichen' (§ 16 Abs. 4 Satz 1 BauNVO), und er muß sogar auf sie verzichten, soweit eine weitergehende Festsetzung nicht erforderlich ist (vgl. § 9 Abs. 1 BBauG und dazu BVerwGE 29, 49 [51]). Macht ein Bebauungsplan von der Möglichkeit Gebrauch, das zugelassene Maß der baulichen Nutzung nicht absolut (z.B. 'Baumasse'; § 21 Abs. 1 BauNVO), sondern - wie es üblicherweise geschieht - durch eine relativierende. Zahl (z.B. die Baumassenzahl) zu bezeichnen, dann wird damit an die 'Fläche des [jeweiligen] Baugrundstücks' angeknüpft (s. §§ 19 Abs. 1, 20 Abs. 1 und 21 Abs. 1 in Verbindung mit § 19 Abs. 3 Satz 1 BauNVO); das zugelassene Maß der baulichen Nutzung errechnet sich bei einer derartigen Festsetzungsweise durch Multiplikation der Baugrundstücksfläche mit der im Bebauungsplan festgesetzten (z.B. Baumassen-)Zahl. Die Größe des Baugrundstücks ist dann zwar nicht - was auch unstatthaft wäre (vgl. § 9 Abs. 1 Nr. 3 BBauG) - als solche Gegenstand bauplanerischer Festsetzung. Sie wird jedoch vorausgesetzt und dadurch zum Schlüssel für die Errechnung des (absoluten) Maßes der zugelassenen baulichen Nutzung gemacht. Bei Maßfestsetzungen durch Grundflächen-, Geschoßflächen- oder Baumassenzahlen korrespondiert folglich dem zugelassenen Nutzungsmaß eine bestimmte Größe des Baugrundstücks. Daraus ist zu schließen: Läßt sich im Einzelfall das für das gesamte Baugrundstück gedachte Maß der baulichen Nutzung nicht (voll) verwirklichen, weil dies an irgendwelchen rechtlichen Schranken scheitert, die (wie z.B. die Festsetzung der überbaubaren Grundstücksfläche; vgl. § 23 BauNVO) zwar als solche nicht das Maß der zugelassenen baulichen Nutzung angeben, sich darauf jedoch (hindernd) auswirken können, dann entspricht dem reduzierten Nutzungsmaß ein (rechnerisch) kleineres Baugrundstück. Wird - anders ausgedrückt - der in der Maßfestsetzung zum Ausdruck gelangende Planungswille folgerichtig weitergedacht, gebietet sich als Konsequenz die Annahme, daß für eine gegenüber der Maßfestsetzung verminderte Ausnutzung nur ein kleineres Baugrundstück 'erforderlich' ist. Nur die so verminderte Grundstücksfläche kann dann als im Sinne des § 131 Abs. 1 BBauG erschlossen angesehen werden. Das löst die oben hervorgehobene Sperrwirkung des § 131 Abs. 1 BBauG aus und führt dazu, daß die Satzung mit ihrer Verteilungsregelung - sowohl mit dem (etwa) für maßgebend erklärten Kriterium der Grundstücksfläche als auch mit dem der Geschoßfläche - nur auf die verminderte Grundstücksfläche abstellen darf."

17

Daran ist festzuhalten. Zu den Baubeschränkungen, die in beplanten Gebieten den von § 131 Abs. 1 BBauG ausgehenden "Verminderungszwang" auslösen, gehören neben bauplanungsrechtlichen Festsetzungen der überbaubaren Grundstücksfläche gemäß § 23 BauNVO und Abstandsgeboten gemäß § 22 BauNVO auch die in den Landesbauordnungen enthaltenen (bauordnungsrechtlichen) Abstandsgebote. Dabei sind Abstandsgebote der einen wie der anderen Art bei der Ermittlung der erschlossenen Grundstücksfläche nach Maßgabe der allgemein geltenden Regel zu berücksichtigen, d.h. unabhängig davon, ob sie im Einzelfall unter bestimmten Voraussetzungen ausräumbar oder gar - durch Zulassung einer abweichenden Bebauung - ausgeräumt worden sind. Denn insoweit ist - wie namentlich im Zusammenhang mit § 131 Abs. 1 BBauG auch sonst - eine typisierende Betrachtung geboten (vgl. etwaBeschluß vom 23. November 1982 - BVerwG 8 B 126.82 - Buchholz 406.11 § 131 BBauG Nr. 52 S. 64 [65]).

18

Nach den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts setzt im vorliegenden Fall der Bebauungsplan das Nutzungsmaß der zulässigen Grundfläche für das Grundstück der Klägerin insofern "überhöht" fest, als er das festgesetzte Maß selbst durch andere Festsetzungen - nämlich die Festsetzung von Baugrenzen und die Festsetzung "offene Bauweise" mit der Folge, daß seitliche Grenzabstände einzuhalten sind - gleichsam wieder zurücknimmt. Das führt kraft des § 131 Abs. 1 BBauG dazu, daß die für die verminderte Ausnutzung "erforderliche" (Bau-)Grundstücksfläche ermittelt werden muß. Im Rahmen der erneuten Verhandlung und Entscheidung wird das Berufungsgericht daher zunächst zu prüfen haben, in welchem Umfang das Grundstück der Klägerin überbaubar ist, d.h. wie groß die unter Berücksichtigung der hier gegebenen Ausnutzungsbehinderungen zur Verfügung stehende Grundfläche im Sinne des § 19 Abs. 1 BauNVO ist. Ausgehend von dieser Grundfläche ist sodann unter Heranziehung der Formel des § 19 Abs. 1 BauNVO nach Maßgabe der im Bebauungsplan festgesetzten Grundflächenzahl die ihr korrespondierende Größe der "erforderlichen" (Bau-)Grundstücksfläche zu errechnen und diese als im Sinne des § 131 Abs. 1 BBauG erschlossen der Verteilung des umlagefähigen Erschließungsaufwands für das Grundstück der Klägerin zugrunde zu legen.

19

Die bisherigen tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts lassen erkennen, daß von dem Grundstück der Klägerin nur eine Teilfläche bei der Aufwandsverteilung nach Maßgabe des sogenannten Vollgeschoßmaßstabs berücksichtigt werden darf. Das muß nicht zwangsläufig zu einem (teilweisen) Erfolg der Klage führen. Es tut dies vermutlich schon dann nicht, wenn die vom Berufungsgericht bisher nicht entschiedene Frage, ob auch das Schulgrundstück an der Odenthaler Straße durch die Straße "An der Engelsfuhr" erschlossen ist, im verneinenden Sinne zu beantworten sein sollte. In diesem Falle könnte sich herausstellen, daß die vom Beklagten noch geltend gemachte Beitragsforderung im Ergebnis der Höhe nach gerechtfertigt ist (vgl. in diesem ZusammenhangUrteil vom 27. Januar 1982 - BVerwG 8 C 12.81 - BVerwGE 64, 356 [357 ff.]).

Streitwertbeschluss:

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren auf 6.391,38 DM festgesetzt.

Prof. Dr. Weyreuther
Dr. David
Dr. Kleinvogel
Dr. Driehaus
Dr. Silberkuhl