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Bundesverwaltungsgericht
Urt. v. 01.12.1982, Az.: BVerwG 2 C 59.81

Beamter auf Probe; Fristlose Kündigung; Personalrat; Unterbliebene Anhörung; Nachholbarkeit

Bibliographie

Gericht
BVerwG
Datum
01.12.1982
Aktenzeichen
BVerwG 2 C 59.81
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1982, 11617
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG Köln - 12.04.1978 - AZ: 3 K 2114/77
OVG Münster - 04.02.1980 - AZ: 6 A 1352/78

Fundstellen

  • BVerwGE 66, 291 - 298
  • DVBl 1983, 509-511 (Volltext mit amtl. LS)
  • NJW 1983, 2516-2517 (Volltext mit amtl. LS)
  • NVwZ 1983, 741 (amtl. Leitsatz)

Amtlicher Leitsatz

Die unterbliebene Anhörung des Personalrats vor einer fristlosen Entlassung eines Beamten auf Probe kann nicht im Widerspruchsverfahren nachgeholt werden.

Der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts hat
am 1. Dezember 1982
durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Niedermaier
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Franke und
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Lemhöfer
Sommer und Dr. Müller
ohne mündliche Verhandlung
fürRecht erkannt:

Tenor:

Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 4. Februar 1980 und das auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 12. April 1978 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Köln werden aufgehoben.

Die Entlassungsverfügung des Oberkreisdirektors des Rheinisch-Bergischen Kreises vom 3. Februar 1977 und der Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidenten Köln vom 24. Juni 1977 werden aufgehoben.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

1

I.

Der Kläger trat im September 1973 in den Polizeidienst des beklagten Landes ein. Am 26. September 1974 wurde er unter Verleihung der Eigenschaft eines Beamten auf Probe zum Polizeioberwachtmeister ernannt. Das Amtsgericht Remscheid-Lennep verurteilte ihn am 9. Juni 1975 wegen fahrlässiger Trunkenheit am Steuer zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 35 DM. Nach den strafgerichtlichen Feststellungen hatte der Kläger am 8. März 1975 außerhalb seines Dienstes bei einem Blutalkoholwert von über 1,3 Promille mit seinem PKW am Straßenverkehr teilgenommen. Die gegen dieses Urteil zunächst eingelegte Berufung nahm der Kläger später zurück. Der Oberkreisdirektor in Bergisch-Gladbach entließ den Kläger nach Durchführung eines Untersuchungsverfahrens durch Verfügung vom 3. Februar 1977 gemäß § 34 Abs. 1 Nr. 1 des Beamtengesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen (LBG) mit Wirkung zum 28. Februar 1977 aus dem Beamtenverhältnis auf Probe und ordnete die sofortige Vollziehung dieser Maßnahme an. Der Regierungspräsident Köln wies den Widerspruch des Klägers durch Bescheid vom 24. Juni 1977 zurück.

2

Das Verwaltungsgericht Köln hat die hiergegen erhobene Anfechtungsklage abgewiesen. Die Berufung des Klägers hat das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen zurückgewiesen, im wesentlichen aus folgenden Gründen:

3

Die Entlassung sei rechtmäßig. Die gemäß § 74 des Landespersonalvertretungsgesetzes (LPVG) vor einer fristlosen Entlassung erforderliche Anhörung des Personalrats sei erfolgt. Die Entlassung sei bei Abfassung eines Vermerks vom 25. Januar 1977 mit dem Vorsitzenden des Personalrats besprochen und am 15. Februar 1977, dem Tag ihrer Zustellung an den Kläger, dem Personalrat in Abschrift mitgeteilt worden; dieser habe sich dazu am 17. März 1977 - wenn auch ablehnend - geäußert. Aufgrund dieses Gesamtvorgangs sei ein etwaiger ursprünglicher Verfahrensfehler geheilt. Dies werde durch§ 45 Abs. 1 und 2 des Verwaltungsverfahrensgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen (VwVfG NW) bestätigt. - Die Feststellungen im Strafgerichtlichen Urteil seien für das Entlassungsverfahren gemäß § 18 Abs. 1 der Disziplinarordnung des Landes Nordrhein-Westfalen (DO NW) bindend. Sie stellten sich auch bei Berücksichtigung des Vorbringens des Klägers nicht als unzureichend, in sich widerspruchsvoll, gegen die Denkgesetze verstoßend oder sonst unschlüssig dar. Eine nochmalige Nachprüfung gemäß § 18 Abs. 1 Satz 2 DO NW komme nicht in Betracht. Die außerdienstliche Trunkenheitsfahrt sei ein schwerwiegendes Dienstvergehen. Der Kläger habe im Kernbereich seiner Dienstpflichten als Polizeibeamter versagt. Nach der Rechtsprechung der Disziplinargerichte werde eine solche Verfehlung bei einem Polizeibeamten auf Lebenszeit in aller Regel mindestens mit einer Gehaltskürzung geahndet. Dies rechtfertige nach§ 34 Abs. 1 Nr. 1 LBG die Entlassung aus dem Beamtenverhältnis auf Probe. Der Kläger sei zudem auf die Pflicht, eine Teilnahme am Straßenverkehr unter Alkoholeinfluß strikt zu meiden, durch den ihm bekanntgegebenenen Trunkenheitserlaß des Innenministers vom 5. Juni 1967 noch besonders hingewiesen worden. Die Zeitdauer zwischen der Verfehlung im März 1975 und der Entlassung mit Ablauf des Monats Februar 1977 rechtfertige trotz der weiteren Dienstleistung für sich allein keine andere Beurteilung. Aufgrund des Verfahrensablaufs nach rechtskräftigem Abschluß des Strafverfahrens sei für den Kläger deutlich erkennbar gewesen, daß der Dienstherr seine Entlassung aus dem Polizeibeamtenverhältnis beabsichtigte.

4

Gegen dieses Urteil hat der Kläger die vom erkennenden Senat zugelassene Revision eingelegt. Er rügt die Verletzung materieller Rechts und beantragt sinngemäß,

unter Aufhebung der Urteile der Vorinstanzen die Entlassungsverfügung des Oberkreisdirektors des Rheinisch-Bergischen-Kreises vom 3. Februar 1977 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Regierungspräsidenten Köln vom 24. Juni 1977 aufzuheben.

5

Der Beklagte läßt sich im Revisionsverfahren nicht vertreten.

6

Der Oberbundesanwalt beim Bundesverwaltungsgericht beteiligt sich am Verfahren.

7

Die Beteiligten haben auf mündliche Verhandlung verzichtet.

8

II.

Aufgrund des Einverständnisses der Beteiligten kann der Senat ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§ 141,§ 125 Abs. 1, § 101 Abs. 2 VwGO). Der Verzicht auf mündliche Verhandlung durch den Revisionsbeklagten unterliegt nicht dem Anwaltszwang (ständige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts).

9

Die Revision des Klägers hat Erfolg. Das Urteil des Berufungsgerichts beruht auf der Verletzung revisiblen Rechts. Es erweist sich auch nicht aus anderen Gründen im Ergebnis als richtig. Die Klage ist begründet. Die Entlassung des Klägers aus dem Beamtenverhältnis auf Probe ist wegen fehlender vorheriger Anhörung des Personalrats rechtswidrig. Sie ist deshalb unter Aufhebung der Urteile der Vorinstanzen aufzuheben.

10

Der Kläger ist durch die Verfügung vom 3. Februar 1977 mit Wirkung zum 28. Februar 1977 gemäß § 34 Abs. 1 Nr. 1 Abs. 4 des Beamtengesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen in der Fassung vom 6. Mai 1970 (GV. NW. S. 344) - LBG - ohne Einhaltung einer Frist entlassen worden. An der rechtlichen Qualifikation der Verfügung als fristlose Entlassung im Sinne des§ 34 Abs. 4 LBG ändert die Einräumung einer Frist bis zum Ende des laufenden Monats nichts. Die ausdrückliche Bezeichnung als "fristlose Entlassung" oder als "Entlassung ohne Einhaltung einer Frist" ist nicht erforderlich. Es ist - auch für den Kläger - hinreichend erkennbar, daß die Entlassung vom Beklagten als eine solche "ohne Einhaltung einer Frist" gewollt war (vgl. Urteile - vom 22. Juni 1982 - BVerwG 2 C 46.80 und 2 C 77.81 -). Denn die Entlassung ist ausdrücklich auf § 34 Abs. 1 Nr. 1 LBG gestützt und die in § 34 Abs. 3 LBG vorgesehene Entlassungsfrist ist offensichtlich nicht eingehalten worden. Zudem hat der Beklagte am Schluß der Begründung seiner Verfügung ausdrücklich ausgeführt, daß die Entlassung "mit sofortiger Wirkung" ausgesprochen werde.

11

Entlassungen von Beamten unterliegen unterschiedlichen Beteiligungsrechten der zuständigen Personalvertretung. Nach§ 72 Abs. 1 Nr. 7 des Personalvertretungsgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen vom 3. Dezember 1974 (GV. NW. S. 1514) - LPVG - hat der Personalrat in Personalangelegenheiten mitzubestimmen bei der Entlassung eines Beamten auf Probe oder auf Widerruf. Gemäß § 74 Satz 1 LPVG ist der Personalrat unter anderem vor Entlassungen ohne Einhaltung einer Frist anzuhören.

12

Insoweit betrifft diese Vorschrift ebenfalls Beamte auf Probe und auf Widerruf (vgl. Fürst GKÖD V, Teil 2, K § 79 Rz. 21; Dietz-Richardi, Bundespersonalvertretungsgesetz [2. Auflage 1978], Band 2, § 79 RdNr. 145).

13

Soweit sich Vorschriften der Landespersonalvertretungsgesetze auf die Beteiligung des Personalrats an beamtenrechtlichen Maßnahmen beziehen, sind sie materiell dem Landesbeamtenrecht zuzuordnen; ihre Auslegung und Anwendung unterliegt daher gemäß § 127 Nr. 2 BRRG der revisionsgerichtlichen Prüfung (vgl. Beschlüsse vom 10. Juni 1977 - BVerwG 2 B 15.77 - [Buchholz 230§ 127 BRRG Nr. 34] und vom 27. Dezember 1979 - BVerwG 2 CB 45.78 - [Buchholz 237.1 Art. 42 BayBG Nr. 4]). Diese ergibt nach der Systematik und dem Sinnzusammenhang des Gesetzes, daß die in § 74 LPVG speziell für fristlose Entlassungen vorgeschriebene Anhörung des Personalrats als schwächere Beteiligungsform den Vorrang vor dem in § 72 Abs. 1 Nr. 7 LPVG geregelten, für Entlassungen generell geltenden Mitbestimmungstatbestand hat (ebenso Havers, Landespersonalvertretungsgesetz Nordrhein-Westfalen [4. Auflage 1979], § 72 Anm. 16 und§ 74 Anm. 1,2).

14

Der für den Kläger zuständige Personalrat ist vor dem Ausspruch der Entlassung durch die Verfügung vom 3. Februar 1977 nicht angehört worden. Nach den für das Revisionsverfahren gemäß § 137 Abs. 2 VwGO bindenden tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts, das insoweit auf das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln und auf seinen Beschluß im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes vom 6. Juni 1977 (OVG 6 B 848/77) Bezug genommen hat, ist bei Abfassung eines der Entlassungsverfügung vorausgegangenen Vermerk vom 25. Januar 1977 die Sache mit dem Vorsitzenden des Personalrats besprochen worden. Die Verfügung selbst wurde dem Personalrat am 15. Februar 1977, dem Tag ihrer Zustellung an den Kläger, abschriftlich mitgeteilt. Dies stellt keine Anhörung des Personalrats vor der Entlassung dar. "Anhörung" bedeutet nämlich, daß die Dienststelle dem Personalrat Gelegenheit geben muß, als Gremium zu der beabsichtigten Maßnahme Stellung zu nehmen (vgl. Dietz-Richardi a.a.O., § 78 RdNrn. 81, 86 und§ 79 RdNr. 155). Ob sich der Personalrat mit der beabsichtigten Maßnahme tatsächlich befaßt hat, entzieht sich zwar als interner Vorgang der Willensbildung des beteiligten Personalrats dem Einfluß und der Kontrolle des Dienstherrn (vgl. BVerwGE 21, 240 [246]; Urteil vom 27. September 1962 - BVerwG 2 C 164.61 - [ZBR 1963, 213], insoweit in BVerwGE 15, 39 ff. [BVerwG 27.09.1962 - BVerwG II C 164.61] nicht abgedruckt). Dieser kann deshalb seine Mitteilung, mit der er den Personalrat über die beabsichtigte Entlassung unterrichtet, grundsätzlich gegenüber dem Personalratsvorsitzenden abgeben (vgl. Dietz-Richardi a.a.O., § 79 RdNr. 156). Dies muß aber mit dem Ziel einer ausreichenden Information des Gremiums geschehen. Dieses muß in die Lage versetzt werden, zu der Maßnahme Stellung nehmen und so die Willensbildung des Dienstherrn beeinflussen zu können. Bestehen hieran Zweifel, so hat der Dienstherr dem nachzugehen. Insoweit ist ihm die Beachtung der Vorschriften über die Beteiligung des Personalrats aufgegeben (vgl. BVerwGE 21, 240 [247]). Im vorliegenden Fall ist nach den vom Berufungsgericht getroffenen tatsächlichen Feststellungen mit dem Personalratsvorsitzenden fernmündlich die Frage erörtert worden, welches Beteiligungsrecht des Personalrats in Betracht zu ziehen war. Der Vorsitzende hat seine Auffassung noch am selben Tage mitgeteilt. Hiernach ist schon zweifelhaft, ob wenigstens der Personalratsvorsitzende ausreichend auch über den Sachverhalt unterrichtet war, der zur fristlosen Entlassung Anlaß gab. Der Personalrat als Gremium hatte jedenfalls nicht die Möglichkeit, sich zu der beabsichtigten Entlassung vor deren Ausspruch und Zustellung an den Kläger unverzüglich, spätestens innerhalb der hierfür in§ 74 Satz 3 LPVG eingeräumten Frist von drei Arbeitstagen zu äußern (vgl. hierzu auch BAG, Urteil vom 14. März 1979 - 4 AZR 538/77 - [NJW 1980, 200]). Eine Anhörung mit diesem Ziel hat der Dienstherr mit der Besprechung nicht in die Wege geleitet. Über die Befragung und Meinungsäußerung des Personalratsvorsitzenden hinaus ist der Personalrat mit der Entlassung bis zu ihrer Bekanntgabe an den Kläger auch in anderer Weise nicht befaßt gewesen. Dies wird dadurch bestätigt, daß der Personalrat nach den Feststellungen des Berufungsgerichts erst am 17. März 1977 zu der Maßnahme - ablehnend - Stellung genommen hat, nachdem sie ihm am 15. Februar 1977 in Abschrift mitgeteilt worden war.

15

Die Anhörung des Personalrats ist für die Entlassung von Beamten zwar - anders als für die außerordentliche Kündigung eines Arbeitnehmers (vgl. BAG, Urteil vom 14. März 1979 - 4 AZR 538/77 - [a.a.O.] und § 79 Abs. 4,§ 108 Abs. 2 des Bundespersonalvertretungsgesetzes vom 15. März 1974, BGBl. I S. 693) - keine Wirksamkeitsvoraussetzung (vgl. GKÖD V, Teil 2. K § 79 Rz. 23). Die Entlassungsverfügung ist wegen des aufgezeigten Mangels also nicht nichtig. Sie ist aber wegen des Mangels der vorgeschriebenen Beteiligung fehlerhaft und auf fristgerechte Anfechtung durch den betroffenen Beamten aufzuheben (vgl. Urteile vom 28. März 1963 - BVerwG 2 C 167.61 - [Buchholz 237.7 § 45 LBG Nordrhein-Westfalen Nr. 1], vom 30. April 1964 - BVerwG 2 C 108.61 - [Buchholz 231§ 61 DBG Nr. 9 = DÖD 1964, 171] und vom 13. Mai 1976 - BVerwG 2 C 26.74 - [Buchholz 237.4 § 35 HambBG Nr. 1, S. 14]).

16

Die vor dem Ausspruch und der Bekanntgabe der Entlassung unterbliebene Anhörung des Personalrats konnte nicht mit heilender Wirkung nachgeholt werden. Zwar hatte der Personalrat hier ausreichende Gelegenheit, sich zu der ihm bekanntgegebenen Maßnahme des Dienstherrn bis zum Abschluß des Widerspruchsverfahrens durch Bescheid des Beklagten vom 24. Juni 1977 zu äußern. Der erkennende Senat ist aber inÜbereinstimmung mit dem Oberbundesanwalt der Auffassung, daß der Mangel der vorherigen Anhörung hierdurch nicht geheilt worden ist (so jetzt auch OVG Münster, NJW 1982, 1663). Deshalb kann offenbleiben, ob die bloße Mitteilung einer Entlassungsverfügung in Abschrift an den Personalrat als Ingangsetzen eines Anhörungsverfahrens seitens des Dienstherrn anzusehen wäre.

17

Die Möglichkeit, eine unterbliebene Anhörung des Personalrats zur fristlosen Entlassung bis zum Abschluß des Widerspruchsverfahrens mit heilender Wirkung nachzuholen, ergibt sich nicht aus den Bestimmungen des Verwaltungsverfahrensgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen vom 21. Dezember 1976 (GV. NW. S. 438) - VwVfG NW -. Nach dessen § 45 Abs. 1 und 2, der mit § 45 Abs. 1 und 2 des Verwaltungsverfahrensgesetzes des Bundes wörtlichübereinstimmt und deshalb revisibel ist (§ 137 Abs. 1 Nr. 2 VwGO), ist eine Verletzung von Verfahrens- und Formvorschriften, die den Verwaltungsakt nicht nichtig (§ 44 VwVfG NW) macht, zwar unter bestimmten Voraussetzungen unbeachtlich. Der Personalrat ist aber keine Behörde im Sinne des§ 45 Abs. 1 Nr. 5 VwVfG NW. Er ist ferner auch kein Beteiligter im Sinne des § 45 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG NW. Er ist aufgrund besonderer gesetzlicher Vorschriften des Personalvertretungsrechts zu beteiligen (hier: anzuhören). Dadurch wird er nicht Beteiligter im Sinne des Verwaltungsverfahrensrechts (§ 13 Abs. 1 und 3 VwVfG NW). Ob der Personalrat ein Ausschuß (§ 88 VwVfG NW) im Sinne des § 45 Abs. 1 Nr. 4 VwVfG NW ist und ob die in § 74 LPVG vorgeschriebene bloße Anhörung noch als eine für den Erlaß des Verwaltungsakts erforderliche "Mitwirkung" angesehen werden könnte, kann offenbleiben. Ebenso bedarf keiner abschließenden Entscheidung, ob für eine wirksame Nachholung der Anhörung des Personalrats bis zum Abschluß des Widerspruchsverfahrens einer der genannten Tatbestände des § 45 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 VwVfG NW an sich jedenfalls in entsprechender Anwendung herangezogen werden könnte. Eine Heilung des Verfahrensfehlers einer unterbliebenen Mitwirkung (Anhörung) bis zum Abschluß des Widerspruchsverfahrens kommt jedenfalls dann nicht in Betracht, wenn die Mitwirkung (Anhörung) den besonderen Sinn und Zweck, der ihr nach der jeweiligen spezialgesetzlichen (vgl. auch § 1 Abs. 1 VwVfG NW) Regelung beigegeben ist, nur dadurch erfüllen kann, daß sie vorher erfolgt (vgl. Kopp, Verwaltungsverfahrensgesetz [2. Auflage 1980],§ 45 RdNrn. 8, 30; Stelkens-Bonk-Leonhardt, Verwaltungsverfahrensgesetz [1978], § 45 RdNr. 16; Meyer-Borgs, Verwaltungsverfahrensgesetz [2. Auflage 1982],§ 45 RdNr. 14). So liegen die Dinge hier.

18

Auszugehen ist vom Wortlaut des § 74 Satz 1 LPVG. Hiernach ist der Personalrat vor Entlassungen ohne Einhaltung einer Frist anzuhören. Schon diese klar und eindeutig auf den Zeitpunkt der Anhörung abstellende Wortfassung spricht dafür, daß eine nachgeholte Anhörung nicht ausreichend ist (vgl. auch BVerwGE 9, 69 [70 f.]; 11, 195 [204 f.]; 17, 279 [283]; 34, 133 [138] sowie BVerwGE 54, 276 [279]). Der erkennende Senat hat in seinem Urteil vom 17. September 1981 - BVerwG 2 C 4.79 - (Buchholz 232§ 32 BBG Nr. 29 = DVBl. 1982, 582) bestätigt, daß die unter anderem bei der Entlassung eines schwerbehinderten Beamten auf Widerruf gesetzlich vorgeschriebene vorherige Anhörung der Hauptfürsorgestelle und des Vertrauensmannes der Schwerbehinderten (§ 47 Abs. 2 des Schwerbehindertengesetzes, jetzt anzuwenden in der Fassung vom 8. Oktober 1979, BGBl. I S. 1649) im Widerspruchsverfahren grundsätzlich nicht mit Heilungswirkung nachgeholt werden kann (vgl. auch Urteil vom 17. September 1981 - BVerwG 2 C 12.80 - [RiA 1982, 170]). Entsprechendes gilt auch für die hier vorgeschriebene Anhörung des Personalrats. Dies folgt aus Sinn und Zweck des Anhörungserfordernisses, seiner Funktion im Entlassungsverfahren und seiner Stellung im Gesamtzusammenhang der Beteiligungsrechte der Personalvertretung:

19

§ 74 Satz 1 LPVG nimmt aus der allgemeinen Regelung des § 72 Abs. 1 Nr. 7 LPVG (Mitbestimmung bei Entlassung eines Beamten auf Probe oder auf Widerruf) die Entlassungen ohne Einhaltung einer Frist heraus und statuiert für sie ein bloßes Anhörungsrecht. Gemäß § 74 Satz 2 LPVG hat der Dienststellenleiter die beabsichtigte Maßnahme zu begründen. Hat der Personalrat Bedenken gegen die fristlose Entlassung, so hat er sie unter Angabe der Gründe dem Leiter der Dienststelle unverzüglich, spätestens innerhalb von drei Arbeitstagen nach der Anhörung, schriftlich mitzuteilen (§ 74 Satz 3 LPVG). Mit dieser speziellen Regelung wird zum einen der in der Regel gegebenen besonderen Eilbedürftigkeit von fristlosen Entlassungen Rechnung getragen. Zum anderen wird dem besonderen Gewicht der Vorfälle, die zu einer fristlosen Entlassung Anlaß geben, in der Regel auch ein gegenüber dem Normalfall der Entlassung engerer Kreis von denkbaren Einwendungen des Personalrats entsprechen; diese können auch bei einer Anhörung ausreichend zur Geltung gebracht werden. Den in Fällen der fristlosen Entlassung regelmäßig gegebenen besonderen Verhältnissen wäre die Durchführung des Mitbestimmungsverfahren (§ 69 ff. LPVG) oder Mitwirkungsverfahrens (§ 69 LPVG) nicht angemessen. Auch das Anhörungsgebot soll aber ein Mindestmaß an Entlassungsschutz gewährleisten und den Beamten im begrenzten Umfang vorübereilten Entscheidungen sichern. Der Personalrat hat als Repräsentant aller Bediensteten durch die Wahrnehmung der ihm eingeräumten Befugnisse die Beteiligung der Bediensteten an der Regelung des Dienstes und der Dienst- und Arbeitsverhältnisse zu verwirklichen und insoweit die Interessen der Bediensteten in der Dienststelle zu vertreten (vgl. BVerfGE 28, 314 [322 f.]; 51, 43 [58]). Hiervon ausgehend soll er von der fristlosen Entlassung nicht nur Kenntnis erhalten. Er soll auch Gelegenheit haben, zu dem Entlassungsvorhaben Stellung zu nehmen und die Bedenken, die sich aus den Verhältnissen in der Dienststelle im allgemeinen oder aus der Person des einzelnen Beamten und der Beurteilung seines zur Entlassung führenden Verhaltens ergeben, beim Dienstherrn vor dessen Entschließung hinreichend geltend zu machen. Diese der Anhörung zugedachte Funktion könnte nicht mehr oder nur noch entscheidend geschwächt zum Tragen kommen, wenn sie erst erfolgt und der Personalrat sich erst äußern kann, nachdem die fristlose Entlassung schon verfügt worden ist. Es kommt hinzu, daß eine im Widerspruchsverfahren nachgeholte Anhörung sich häufig - und so auch hier - insbesondere wegen der angeordneten sofortigen Vollziehung der fristlosen Entlassung auf bereits vollendete Tatsachen beziehen würde. Ist aber der Beamte bereits fristlos entlassen und sogar aus dem Dienst ausgeschieden, so werden nachträglich geäußerte Bedenken des Personalrats die bereits getroffene Entscheidung des Dienstherrn nur schwerlich noch beeinflussen können. Auf der anderen Seite muß der Dienstherr nach der Unterrichtung des Personalrats über die beabsichtigte fristlose Entlassung lediglich drei Arbeitstage abwarten, ob und welche Bedenken der Personalrat vorbringen will. Die strikte Beachtung dieses Gebots ist ihm in aller Regel zuzumuten.

20

Die dargelegte Auffassung stimmt übrigens auch mit der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zum Erfordernis der Anhörung des Betriebsrats vor Kündigungen durch den Arbeitgeber gemäß § 102 des Betriebsverfassungsgesetzes vom 15. Januar 1972 (BGBl. I. S. 13) überein (vgl. BAGE 26, 27 ff [BAG 28.02.1974 - 2 AZR 455/73]; 27, 273 ff [BAG 18.09.1975 - 2 AZR 594/74]; vgl. auch BAG, Urteil vom 16. Juni 1976 - 3 AZR 36/75 - [AP Nr. 57 zu § 4 TVG Ausschlußfristen]). Das Urteil des 6. Senats des Bundesverwaltungsgerichts vom 24. Juni 1965 - BVerwG 6 C 176.61 - (BVerwGE 21, 240 [249 ff.]) steht nicht entgegen. Es betrifft eine andere Fallgestaltung und hat im übrigen die dort behandelte Frage, ob die vorgeschriebene Mitwirkung des Personalrats im Widerspruchsverfahren nachgeholt werden könne, nicht abschließend entschieden.

21

Besondere Umstände, die es möglicherweise rechtfertigen könnten, in dem "Gesamtvorgang" der Einschaltung des Personalratsvorsitzenden und des nachträglichen Inkenntnissetzens des Personalrats eine wirksame Anhörung zu sehen, liegen hier jedenfalls nicht vor: Der Beklagte hat durch die fernmündliche Besprechung der Sache mit dem Personalratsvorsitzenden kein dem § 74 LPVG entsprechendes Anhörungsverfahren in die Wege geleitet; der Personalrat hat nachträglich der fristlosen Entlassung ausdrücklich nicht zugestimmt.

22

Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens beruht auf§ 154 Abs. 1 VwGO.

Streitwertbeschluss:

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren und das Beschwerdeverfahren (BVerwG 2 B 34.80) auf je 8.800 DM festgesetzt (§ 13 Abs. 1 Satz 1 GKG).

Niedermaier
Dr. Franke
Dr. Lemhöfer
Sommer
Dr. Müller