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Bundessozialgericht
Beschl. v. 25.04.2023, Az.: B 7 AS 118/22 B
Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde im sozialgerichtlichen Verfahren; Bezeichnung eines Verfahrensmangels; Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör im Hinblick auf die Ermöglichung der Teilnahme an der mündlichen Verhandlung; Beruhen Urteils auf dem Verfahrensmangel
Gericht: BSG
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 25.04.2023
Referenz: JurionRS 2023, 30528
Aktenzeichen: B 7 AS 118/22 B
ECLI: ECLI:DE:BSG:2023:250423BB7AS11822B0

Verfahrensgang:

vorgehend:

LSG Mecklenburg-Vorpommern - 16.09.2021 - AZ: L 10 AS 145/19

SG Schwerin - 03.03.2019 - AZ: S 13 AS 51/19

BSG, 25.04.2023 - B 7 AS 118/22 B

Redaktioneller Leitsatz:

Ein zur Revisionszulassung oder zur Aufhebung und Zurückverweisung führender Verfahrensmangel liegt nicht vor, wenn der Kläger nicht hinreichend dargelegt hat, dass das Urteil des LSG auf dem geltend gemachten Verfahrensfehler beruhen kann – hier im Falle seiner Rüge, um das Recht auf eine mündliche Verhandlung gebracht worden zu sein, in der ein Interesse an der Rechtswidrigkeit von Verwaltungsakten des Jobcenters festgestellt werden soll, nachdem die Behörde eingelegten Widersprüchen in vollem Umfang abgeholfen hat.

in dem Rechtsstreit
BSG Az.: B 7 AS 118/22 B
LSG Mecklenburg-Vorpommern 16.09.2021 - L 10 AS 145/19
SG Schwerin 03.03.2019 - S 13 AS 51/19
……………………………….,
Kläger und Beschwerdeführer,
Prozessbevollmächtigter: ………………………………….,
g e g e n
Jobcenter Ludwigslust-Parchim,
Widerspruchsstelle,
Grandweg 10, 19288 Ludwigslust,
Beklagter und Beschwerdegegner.
Der 7. Senat des Bundessozialgerichts hat am 25. April 2023 durch
die Vorsitzende Richterin K n i c k r e h m , die Richterin S i e f e r t und den Richter Dr. H a r i c h
beschlossen:

Tenor:

Dem Kläger wird Wiedereinsetzung in die Fristen zur Einlegung und zur Begründung der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Landessozialgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 16. September 2021 - L 10 AS 145/19 - gewährt.

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in der genannten Entscheidung wird als unzulässig verworfen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe

1

Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in der bezeichneten Entscheidung des LSG ist zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 iVm § 169 Satz 2 SGG). Ungeachtet des Umstands, dass dem Kläger wegen der versäumten Frist zur Einlegung und Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde durch einen zugelassenen Prozessbevollmächtigten (§ 73 Abs 4 SGG) Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren war, ist die Nichtzulassungsbeschwerde unzulässig. Anders als in den Parallelverfahren (B 7 AS 112/22 B bis B 7 AS 116/22 B, B 7 AS 119/22 B, B 7 AS 120/22 B) hat der Kläger die zur Begründung seiner Beschwerde geltend gemachten Zulassungsgründe nicht hinreichend dargelegt (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG).

2

1. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 Satz 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

3

Der Kläger macht geltend, das LSG habe seinen Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art 103 Abs 1 GG, § 62 SGG) verletzt, indem es seinen Antrag auf Bewilligung eines Reisekostenvorschusses übergangen habe. Ein zur Revisionszulassung oder zur Aufhebung und Zurückverweisung führender Verfahrensmangel liegt schon deshalb nicht vor, weil der Kläger nicht hinreichend dargelegt hat, dass das Urteil des LSG auf dem geltend gemachten Verfahrensfehler beruhen kann. Grundsätzlich bedarf es keines vertieften Vortrags zum "Beruhen-Können" der angegriffenen Entscheidung auf dem Verfahrensfehler, wenn ein Kläger - wie vorliegend behauptet, um sein Recht auf eine mündliche Verhandlung gebracht worden zu sein; wegen der besonderen Wertigkeit der mündlichen Verhandlung als Kernstück des sozialgerichtlichen Verfahrens genügt es, dass eine andere Entscheidung nicht auszuschließen ist, wenn der Betroffene Gelegenheit gehabt hätte, in der mündlichen Verhandlung vorzutragen (vgl nur BSG vom 19.12.2017 - B 1 KR 38/17 B - RdNr 8 mwN).

4

Vorliegend bestand Anlass, zu einem möglichen Beruhen weiter vorzutragen. Der Kläger wendet sich mit seiner Anfechtungsklage ausweislich der Beschwerdebegründung gegen drei Bescheide, mit denen das beklagte Jobcenter Widersprüchen des Klägers in vollem Umfang abhalf und sich zur Erstattung der notwendigen Kosten des Widerspruchsverfahrens verpflichtete. In der Beschwerdebegründung trägt der Kläger zum Beruhen-Können des Verfahrensfehlers vor, das Berufungsgericht hätte ihn in der mündlichen Verhandlung darauf hinweisen müssen, dass er sein Ziel, die Rechtswidrigkeit der Ausgangsverwaltungsakte festzustellen, mit einem Feststellungsantrag bzw Fortsetzungsfeststellungsantrag hätte verfolgen müssen, woraufhin er ein Feststellungsinteresse in der Form einer Wiederholungsgefahr hätte darlegen können.

5

Auf der Grundlage des Beschwerdevorbringens ist nicht ersichtlich, warum der Kläger ein anerkennenswertes Interesse daran haben könnte, vom Gericht verlangen zu können, die Rechtswidrigkeit von Verwaltungsakten festzustellen, nachdem der Beklagte den Widersprüchen des Klägers bereits abgeholfen hat. Dies würde etwa voraussetzen, dass die Abhilfen nicht (ebenfalls) aufgrund der Rechtswidrigkeit (sondern zB aus Gründen der Zweckmäßigkeit) erfolgt sind (vgl zusammenfassend zum Fortsetzungsfeststellungsinteresse nach Erledigung durch Rücknahme BVerwG vom 18.12.2014 - 8 B 47.14 - juris RdNr 13 mwN; Wolff in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl 2018, § 113 RdNr 268 mwN). Hierzu trägt der Kläger nichts vor.

6

2. Der Kläger hat des Weiteren eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) nicht hinreichend dargelegt. Dies erfordert die Formulierung einer bestimmten abstrakten Rechtsfrage, der in dem Rechtsstreit eine grundsätzliche, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung beigemessen wird (vgl BSG vom 22.8.1975 - 11 BA 8/75 - BSGE 40, 158 = SozR 1500 § 160a Nr 11). Es ist aufzuzeigen, dass die Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und die Klärung durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (vgl BSG vom 16.12.1993 - 7 BAr 126/93 - SozR 3-1500 § 160a Nr 16 S 27).

7

Diesen Darlegungsanforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht. Als grundsätzlich klärungsbedürftig erachtet der Kläger die Frage, "ob eine richterliche Entscheidung über die Bewilligung der Reisekosten zu ergehen hat, und zwar als Akt der Rechtsprechung in entsprechender Anwendung der Vorschriften über die Prozesskostenhilfe". Der Kläger hat nicht hinreichend dargelegt, dass diese Frage in einem durchzuführenden Revisionsverfahren klärungsfähig wäre. Sein Vortrag beschränkt sich insoweit zu begründen, warum er zur Gewährung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör auf einen Fahrtkostenvorschuss angewiesen war. Warum dies nur durch einen "Akt der Rechtsprechung in entsprechender Anwendung der Vorschriften über die Prozesskostenhilfe" möglich gewesen sein soll, ergibt sich aus der Beschwerdebegründung nicht (vgl hierzu im Einzelnen die Beschlüsse des Senats vom heutigen Tag in den Parallelverfahren B 7 AS 112/22 B bis B 7 AS 116/22 B, B 7 AS 119/22 B, B 7 AS 120/22 B ).

8

Die Verwerfung der Beschwerde erfolgt in entsprechender Anwendung des § 169 Satz 3 SGG ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.

9

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung der §§ 183, 193 SGG.

Knickrehm

Siefert

Dr. Harich

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