Suche

Nutzen Sie die Schnellsuche, um nach den neuesten Urteilen in unserer Datenbank zu suchen!

Bundessozialgericht
Beschl. v. 25.04.2023, Az.: B 7 AS 117/22 B
Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde im sozialgerichtlichen Verfahren; Bezeichnung eines Verfahrensmangels; Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör im Hinblick auf die Ermöglichung der Teilnahme an der mündlichen Verhandlung; Beruhen Urteils auf dem Verfahrensmangel
Gericht: BSG
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 25.04.2023
Referenz: JurionRS 2023, 30527
Aktenzeichen: B 7 AS 117/22 B
ECLI: ECLI:DE:BSG:2023:250423BB7AS11722B0

Verfahrensgang:

vorgehend:

LSG Mecklenburg-Vorpommern - 16.09.2021 - AZ: L 10 AS 30/19

SG Schwerin - 15.12.2018 - AZ: S 26 AS 794/18

BSG, 25.04.2023 - B 7 AS 117/22 B

Redaktioneller Leitsatz:

Ein zur Revisionszulassung oder zur Aufhebung und Zurückverweisung führender Verfahrensmangel liegt nicht vor, wenn der Kläger nicht hinreichend dargelegt hat, dass das Urteil des LSG auf dem geltend gemachten Verfahrensfehler beruhen kann – hier im Falle seiner Rüge, um das Recht auf eine mündliche Verhandlung in einem Rechtsstreit über die Rechtmäßigkeit eines Eingliederungsverwaltungsakts nach dem SGB II gebracht worden zu sein.

in dem Rechtsstreit
BSG Az.: B 7 AS 117/22 B
LSG Mecklenburg-Vorpommern 16.09.2021 - L 10 AS 30/19
SG Schwerin 15.12.2018 - S 26 AS 794/18
…………………………………,
Kläger und Beschwerdeführer,
Prozessbevollmächtigter: ……………………………..,
g e g e n
Jobcenter Ludwigslust-Parchim,
Widerspruchsstelle,
Grandweg 10, 19288 Ludwigslust,
Beklagter und Beschwerdegegner.
Der 7. Senat des Bundessozialgerichts hat am 25. April 2023 durch
die Vorsitzende Richterin K n i c k r e h m , die Richterin S i e f e r t und den Richter Dr. H a r i c h
beschlossen:

Tenor:

Dem Kläger wird Wiedereinsetzung in die Fristen zur Einlegung und zur Begründung der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Landessozialgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 16. September 2021 - L 10 AS 30/19 - gewährt.

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in der genannten Entscheidung wird als unzulässig verworfen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe

1

Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in der bezeichneten Entscheidung des LSG ist zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 iVm § 169 Satz 2 SGG). Ungeachtet des Umstands, dass dem Kläger wegen der versäumten Frist zur Einlegung und Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde durch einen zugelassenen Prozessbevollmächtigten (§ 73 Abs 4 SGG) Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren war, ist die Nichtzulassungsbeschwerde unzulässig. Anders als in den Parallelverfahren (B 7 AS 112/22 B bis B 7 AS 116/22 B, B 7 AS 119/22 B, B 7 AS 120/22 B) hat der Kläger die zur Begründung seiner Beschwerde geltend gemachten Zulassungsgründe nicht hinreichend dargelegt (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG).

2

1. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 Satz 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

3

Der Kläger macht geltend, das LSG habe seinen Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art 103 Abs 1 GG, § 62 SGG) verletzt, indem es seinen Antrag auf Bewilligung eines Reisekostenvorschusses übergangen habe. Ein zur Revisionszulassung oder zur Aufhebung und Zurückverweisung führender Verfahrensmangel liegt schon deshalb nicht vor, weil der Kläger nicht hinreichend dargelegt hat, dass das Urteil des LSG auf dem geltend gemachten Verfahrensfehler beruhen kann. Grundsätzlich bedarf es keines vertieften Vortrags zum "Beruhen-Können" der angegriffenen Entscheidung auf dem Verfahrensfehler, wenn ein Kläger - wie vorliegend behauptet, um sein Recht auf eine mündliche Verhandlung gebracht worden zu sein; wegen der besonderen Wertigkeit der mündlichen Verhandlung als Kernstück des sozialgerichtlichen Verfahrens genügt es, dass eine andere Entscheidung nicht auszuschließen ist, wenn der Betroffene Gelegenheit gehabt hätte, in der mündlichen Verhandlung vorzutragen (vgl nur BSG vom 19.12.2017 - B 1 KR 38/17 B - RdNr 8 mwN).

4

Der anwaltlich nicht vertretene Kläger hat vor dem SG und dem LSG sinngemäß die Feststellung begehrt, dass der Bescheid vom 11.4.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8.8.2018, mit dem das beklagte Jobcenter den Eingliederungsverwaltungsakt vom 25.8.2017 aufgehoben hat, rechtswidrig war. In der Beschwerdebegründung trägt der Kläger zum Beruhen-Können des Verfahrensfehlers vor, seine Klage habe sich gegen das falsche Angriffsziel, nämlich den Aufhebungsbescheid, gerichtet. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung hätte er seinen Klageantrag sachdienlich auf die Feststellung der Rechtswidrigkeit des Erlasses "von Eingliederungsverwaltungsakten" umgestellt.

5

Auf der Grundlage des Beschwerdevorbringens ist ausgeschlossen, dass eine solche Klage zulässig wäre und deshalb eine andere Entscheidung als das vorliegend ergangene Prozessurteil ergehen könnte. Dies folgt bereits aus dem Umstand, dass der Kläger nach seinem eigenen Vortrag gegen den Eingliederungsverwaltungsakt vom 25.8.2017 seinerseits ein Klageverfahren geführt hat (S 11 AS 1167/17), in dessen Rahmen er ein fortbestehendes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit des Bescheids geltend gemacht hat, woraufhin der Beklagte ein Anerkenntnis erklärt hat, das der Kläger angenommen hat. Für ein gleichwohl anerkennenswertes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit des Eingliederungsverwaltungsakts vom 25.8.2017 im vorliegenden Verfahren ist nichts ersichtlich. Ebenfalls ist nicht ersichtlich, auf welcher Grundlage der Kläger verlangen könnte, vorbeugend die Rechtswidrigkeit des Erlasses von Eingliederungsverwaltungsakten festzustellen.

6

2. Der Kläger hat des Weiteren eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) nicht hinreichend dargelegt. Dies erfordert die Formulierung einer bestimmten abstrakten Rechtsfrage, der in dem Rechtsstreit eine grundsätzliche, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung beigemessen wird (vgl BSG vom 22.8.1975 - 11 BA 8/75 - BSGE 40, 158 = SozR 1500 § 160a Nr 11). Es ist aufzuzeigen, dass die Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und die Klärung durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (vgl BSG vom 16.12.1993 - 7 BAr 126/93 - SozR 3-1500 § 160a Nr 16 S 27).

7

Diesen Darlegungsanforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht. Als grundsätzlich klärungsbedürftig erachtet der Kläger die Frage, "ob eine richterliche Entscheidung über die Bewilligung der Reisekosten zu ergehen hat, und zwar als Akt der Rechtsprechung in entsprechender Anwendung der Vorschriften über die Prozesskostenhilfe". Der Kläger hat nicht hinreichend dargelegt, dass diese Frage in einem durchzuführenden Revisionsverfahren klärungsfähig wäre. Sein Vortrag beschränkt sich insoweit zu begründen, warum er zur Gewährung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör auf einen Fahrtkostenvorschuss angewiesen war. Warum dies nur durch einen "Akt der Rechtsprechung in entsprechender Anwendung der Vorschriften über die Prozesskostenhilfe" möglich gewesen sein soll, ergibt sich aus der Beschwerdebegründung nicht (vgl hierzu im Einzelnen die Beschlüsse des Senats vom heutigen Tag in den Parallelverfahren B 7 AS 112/22 B bis B 7 AS 116/22 B, B 7 AS 119/22 B, B 7 AS 120/22 B ).

8

Die Verwerfung der Beschwerde erfolgt in entsprechender Anwendung des § 169 Satz 3 SGG ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.

9

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung der §§ 183, 193 SGG.

Knickrehm

Siefert

Dr. Harich

Hinweis: Das Dokument wurde redaktionell aufgearbeitet und unterliegt in dieser Form einem besonderen urheberrechtlichen Schutz. Eine Nutzung über die Vertragsbedingungen der Nutzungsvereinbarung hinaus - insbesondere eine gewerbliche Weiterverarbeitung außerhalb der Grenzen der Vertragsbedingungen - ist nicht gestattet.