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Bundessozialgericht
Beschl. v. 12.04.2023, Az.: B 5 R 43/23 B
Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde im sozialgerichtlichen Verfahren; Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache; Vereinbarkeit der §§ 71 Abs. 2 bzw. § 88 Abs. 1 Satz 2 SGB VI mit Art. 3 Abs. 1 GG
Gericht: BSG
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 12.04.2023
Referenz: JurionRS 2023, 24043
Aktenzeichen: B 5 R 43/23 B
ECLI: ECLI:DE:BSG:2023:120423BB5R4323B0

Verfahrensgang:

vorgehend:

SG Gelsenkirchen - 11.08.2020 - AZ: S 10 R 1050/18

LSG Nordrhein-Westfalen - 13.09.2022 - AZ: L 18 R 734/20

BSG, 12.04.2023 - B 5 R 43/23 B

Redaktioneller Leitsatz:

Zur ordnungsgemäßen Bezeichnung des Revisionszulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache muss der Beschwerdeführer eine Rechtsfrage benennen und zudem deren (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (sog. Breitenwirkung) darlegen – hier verneint für Rechtsfragen zur Vereinbarkeit der §§ 71 Abs. 2 bzw. § 88 Abs. 1 Satz 2 SGB VI mit Art. 3 Abs. 1 GG in einem Rechtsstreit zur Gewährung höherer Altersrente für schwerbehinderte Menschen nach der Umwandlung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung.

in dem Rechtsstreit
BSG Az.: B 5 R 43/23 B
LSG Nordrhein-Westfalen 13.09.2022 - L 18 R 734/20
SG Gelsenkirchen 11.08.2020 - S 10 R 1050/18
…………………………..,
Kläger und Beschwerdeführer,
Prozessbevollmächtigte: ………………………………….,
g e g e n
Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See,
Pieperstraße 14 - 28, 44789 Bochum,
Beklagte und Beschwerdegegnerin.
Der 5. Senat des Bundessozialgerichts hat am 12. April 2023 durch
die Vorsitzende Richterin Dr. D ü r i n g sowie den Richter G a s s e r und die Richterin Prof. Dr. K ö r n e r
beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 13. September 2022 wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine Kosten zu erstatten.

Gründe

I

1

Die Beteiligten streiten darüber, ob dem Kläger eine höhere Altersrente für schwerbehinderte Menschen zusteht.

2

Der im Mai 1954 geborene Kläger erhielt ab Juli 2000 eine Rente wegen Berufsunfähigkeit bei Ausübung einer knappschaftlich versicherten Beschäftigung. Ab Januar 2001 bezog er eine Rente wegen Berufsunfähigkeit nach Aufgabe der knappschaftlichen Beschäftigung, die ab Juli 2017 als Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung nach Aufgabe der knappschaftlichen Beschäftigung geleistet wurde. Ab Februar 2018 bewilligte ihm der beklagte Rentenversicherungsträger anstelle dieser Rente eine Altersrente für schwerbehinderte Menschen. Bei deren Berechnung ergaben sich 3,1652 persönliche Entgeltpunkte (EP) aus der allgemeinen Rentenversicherung und 39,8381 EP aus der knappschaftlichen Rentenversicherung. Da die EP, die der bisher geleisteten Rente zugrunde lagen (1,2505 EP aus der allgemeinen, 43,2963 EP aus der knappschaftlichen Rentenversicherung), zu einer insgesamt höheren Rentenleistung führten, legte die Beklagte die bisherigen EP der weiteren Berechnung der Altersrente zugrunde (Bescheid vom 13.12.2017). Den Widerspruch des Klägers, der beanstandete, dass die von ihm nach Beginn der Berufsunfähigkeitsrente noch geleisteten Rentenversicherungsbeiträge nicht berücksichtigt worden seien, wies die Beklagte zurück (Widerspruchsbescheid vom 23.10.2018).

3

Klage und Berufung sind ohne Erfolg geblieben (Gerichtsbescheid des SG vom 11.8.2020, LSG-Urteil vom 13.9.2022). Das LSG hat unter Hinweis auf zwei Entscheidungen des BSG ausgeführt, die Beklagte habe die Besitzschutzregelung in § 88 Abs 1 Satz 2 SGB VI zutreffend angewandt. Besitzgeschützt seien nur die bisherigen EP in ihrer Gesamtheit, nicht aber diejenigen für einzelne Zeiträume. Die gesetzliche Regelung solle lediglich verhindern, dass eine Folgerente aufgrund von zwischenzeitlicher Rechtsänderung in ihrer Gesamthöhe niedriger sei als die zuvor geleistete Rente. Auch den EP des Rentenanteils aus der knappschaftlichen Versicherung komme kein isolierter Besitzschutz zu. Zwar sei zutreffend, dass sich die vom Kläger während des Bezugs der Rente wegen Berufsunfähigkeit geleisteten Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung auf die Höhe seiner Altersrente nicht rentensteigernd auswirkten. Das beruhe aber darauf, dass nach § 71 Abs 2 SGB VI für beitragsgeminderte Zeiten die aus einer Beschäftigung erzielten EP um einen Zuschlag nur insoweit erhöht würden, dass sie mindestens den Wert erreichen, den sie als beitragsfreie Zeit hätten. Die während des Rentenbezugs durch Beschäftigung und Beitragszahlung erworbenen EP könnten sich deshalb nur dann rentensteigernd auswirken, wenn sie den Durchschnittswert an EP überschritten, der sich im Rahmen der Gesamtleistungsbewertung ergebe. Das sei beim Kläger nicht der Fall gewesen. Eine gesetzliche Regelung, die vorsehe, dass die in beitragsgeminderten Zeiten durch tatsächliche Beitragszahlung erworbenen EP stets zu den nach Maßgabe der Gesamtleistungsbewertung ermittelten EP hinzuzurechnen seien, existiere nicht.

4

Gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG hat der Kläger beim BSG Beschwerde eingelegt. Er macht eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend.

II

5

Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist unzulässig. Ihre Begründung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen. Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (Revisionszulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 Nr 1 SGG) ist nicht in der nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG erforderlichen Weise dargelegt. Die Beschwerde ist daher gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 iVm § 169 SGG zu verwerfen.

6

Eine Rechtssache hat nur dann iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine Rechtsfrage zu revisiblem Recht (§ 162 SGG) aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Zur ordnungsgemäßen Bezeichnung dieses Revisionszulassungsgrundes (vgl § 160a Abs 2 Satz 3 SGG) muss der Beschwerdeführer daher eine Rechtsfrage benennen und zudem deren (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) darlegen (stRspr; zB BSG Beschluss vom 31.7.2017 - B 1 KR 47/16 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 30 RdNr 4 mwN; s auch Meßling in Krasney/Udsching/Groth/Meßling, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 8. Aufl 2022, Kap IX RdNr 283 ff). Daran fehlt es hier.

7

Der Kläger formuliert zunächst die Frage,

"wie sind die vergeblich wirkungslos geleisteten Beiträge zu behandeln, etwaig zurückzuerstatten bzw. hätten von Seiten der Bekl. frühzeitig Hinweise noch während der Beitragsleistung erfolgen müssen"?

8

Er führt aus, dass er "die nicht berücksichtigten Rentenzahlungen somit vergeblich aufgewandt" hätte und die Beklagte "insoweit bereichert" wäre, wenn die Entscheidung des LSG richtig wäre. Das SG habe jedoch seine Klage zu Unrecht abgewiesen und ihn in seinen Rechten verletzt. Die EP aus der ihm bis Dezember 2017 gewährten Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit seien isoliert besitzgeschützt; zu diesen seien die nach dem früheren Leistungsfall entrichteten Beiträge hinzuzuaddieren oder zumindest anderweitig steigernd zu berücksichtigen. Es liege "mit der Nichtberücksichtigung eine Gleichbehandlung vor, die nicht gerechtfertigt ist".

9

Diesem Vorbringen ist keine Rechtsfrage iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit einer konkret bezeichneten Vorschrift des revisiblen Rechts zu entnehmen. Die von ihm formulierte Frage zielt losgelöst von einzelnen Rechtsvorschriften auf Möglichkeiten für eine Beitragserstattung und thematisiert darüber hinaus eine eventuelle Verletzung von Beratungspflichten durch die Beklagte im Kontext (wohl) eines Schadensersatzanspruchs. Hingegen führt der Kläger in der weiteren Begründung aus, die Vorinstanzen hätten falsch entschieden und die "Nichtberücksichtigung" seiner weiteren Beitragszahlungen nach Beginn der Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit bei der Berechnung der Altersrente verstoße gegen den Gleichheitsgrundsatz.

10

Selbst wenn dem Vortrag des Klägers eine Rechtsfrage zur Vereinbarkeit der Regelungen in § 71 Abs 2 bzw § 88 Abs 1 Satz 2 SGB VI mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz des Art 3 Abs 1 GG in Konstellationen der Entrichtung weiterer Beiträge aus Beschäftigung nach dem Beginn einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit zu entnehmen wäre, hätte er einen hierzu noch bestehenden höchstrichterlichen Klärungsbedarf nicht aufgezeigt. Der Kläger setzt sich nicht damit auseinander, ob sich den vom LSG zitierten Entscheidungen des BSG hinreichende Anhaltspunkte für eine Antwort entnehmen lassen. Mit deren Inhalt befasst er sich nicht. Das BSG hat aber bereits entschieden, dass § 88 SGB VI nach seinem eindeutigen Wortlaut "nur die bisherigen EP in ihrer Gesamtheit, nicht diejenigen für einzelne Zeiten" schützt. Anderenfalls würde die Vorschrift über den beabsichtigten Besitzschutz hinausgehen und einer Art Meistbegünstigungsklausel gleichkommen; das würde jedoch der Regelungsabsicht des Gesetzgebers widersprechen (vgl BSG Urteil vom 22.10.1996 - 13/4 RA 111/94 - SozR 3-2600 § 88 Nr 2 S 5 = juris RdNr 19). Ein Verstoß gegen Art 3 Abs 1 GG liege darin selbst dann nicht, wenn bei der Folgerente erstmals zu berücksichtigende EP für Kindererziehungszeiten zum Ausgleich anderweitiger Einbußen führten, ehe der Bestandsschutz nach § 88 SGB VI wirksam werde (BSG aaO S 7 ff = juris RdNr 25 ff). Der erkennende 5. Senat hat diese Aussagen des 13. Senats bekräftigt und dabei ebenfalls keine verfassungsrechtlichen Bedenken im Hinblick auf Art 3 Abs 1 GG gesehen (vgl BSG Urteil vom 11.6.2003 - B 5 RJ 24/02 R - SozR 4-2600 § 88 Nr 1 RdNr 6 ff, 10 ff).

11

Im Hinblick darauf reicht die pauschale Behauptung, es werde Ungleiches "ungerechtfertigt gleich behandelt", nicht aus, um einen ernsthaft bestehenden weiteren Klärungsbedarf zur Frage der Vereinbarkeit der genannten Vorschriften des SGB VI mit Art 3 Abs 1 GG aufzuzeigen (zur erforderlichen Auseinandersetzung auch mit einschlägiger Rechtsprechung des BVerfG vgl zB BSG Beschluss vom 22.12.2022 - B 5 R 119/22 B - zur Veröffentlichung in SozR 4-1500 § 160a Nr 42 vorgesehen - juris RdNr 7 mwN). Es fehlt vor allem an einer nachvollziehbaren Begründung, weshalb es im Lichte des Gleichbehandlungsgrundsatzes geboten sein könnte, im Rahmen einer Besitzschutzregelung einen späteren Erwerb weiterer EP rentensteigernd zu berücksichtigen (zur Verwirklichung sozialer Sicherheit als eigenständiger Aufgabe vgl § 1 Abs 1 Satz 1 SGB I). Der Vortrag, eine "Berücksichtigung, die hier die Einzelzeiten schützt", sei "keine Meistbegünstigungsklausel, sondern berücksichtigt und honoriert den Fleiß des Einzelnen, auf dessen Kosten nicht die Rentenversicherung konsolidiert werden darf, der vom Gesetzgeber zahlreiche versicherungsfremde Leistungen ohne Gegenleistungen auferlegt (werden) zB Fremdrentengesetz", vermag dies nicht hinreichend zu verdeutlichen.

12

Soweit der Kläger ausführt, seine - des Berufungsklägers - Rechtsauffassung sei nicht zu beanstanden, dass für seine Beitragszeiten während des Rentenbezugs nach § 162 Nr 2 SGB VI zumindest 80 vom Hundert der Bezugsgröße zugrunde gelegt werden müssten, hat er eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung ebenfalls nicht ausreichend dargetan. Der pauschale Hinweis, die in der angefochtenen Entscheidung vom LSG angeführten Gegenargumente überzeugten ihn nicht, vermag einen hierzu bestehenden weiteren Klärungsbedarf nicht zu untermauern. Im Übrigen hat der Kläger die Entscheidungserheblichkeit dieser Frage in seinem Rechtsstreit nicht aufgezeigt. Aus der Beschwerdebegründung wird nicht ansatzweise erkennbar, inwiefern der Kläger im Fall einer Anwendung der genannten Regelung auf seine Beschäftigungszeiten nach Beginn der Rente wegen Berufsunfähigkeit bei der Berechnung seiner Altersrente EP in einem Umfang erlangen würde, die über die von der Beklagten zugrunde gelegten EP aus der Erwerbsminderungsrente hinausgehen (vgl § 88 Abs 1 Satz 2 SGB VI).

13

Schließlich ist die pauschale Bezugnahme auf den im Berufungsverfahren vom Kläger persönlich erstellten Schriftsatz vom 11.7.2021 nicht geeignet, die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Beschwerdebegründung durch einen vor dem BSG zugelassenen Prozessbevollmächtigten (vgl § 73 Abs 4 SGG) zu erfüllen (s dazu BSG Beschluss vom 13.8.2019 - B 14 AS 187/19 B - juris RdNr 4; s auch Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl 2020, § 160a RdNr 13a mwN).

14

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl § 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).

15

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 183 Satz 1 iVm § 193 Abs 1 und 4 SGG.

Dr. Düring

Gasser

Prof. Dr. Körner

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