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Bundessozialgericht
Beschl. v. 10.05.2022, Az.: B 2 U 134/21 B
Anerkennung von Kniebeschwerden als Berufskrankheit; Verfahrensrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren
Gericht: BSG
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 10.05.2022
Referenz: JurionRS 2022, 30754
Aktenzeichen: B 2 U 134/21 B
ECLI: ECLI:DE:BSG:2022:100522BB2U13421B0

Verfahrensgang:

vorgehend:

LSG Baden-Württemberg - 05.07.2021 - AZ: L 1 U 1404/21

SG Konstanz - 16.03.2021 - AZ: S 6 U 2844/18

BSG, 10.05.2022 - B 2 U 134/21 B

in dem Rechtsstreit
BSG Az.: B 2 U 134/21 B
LSG Baden-Württemberg 05.07.2021 - L 1 U 1404/21
SG Konstanz 16.03.2021 - S 6 U 2844/18
……………………………..,
Kläger und Beschwerdeführer,
Prozessbevollmächtigte: ………………………………….,
g e g e n
Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft,
Hildegardstraße 29/30, 10715 Berlin,
Beklagte und Beschwerdegegnerin.
Der 2. Senat des Bundessozialgerichts hat am 10. Mai 2022 durch
die Vorsitzende Richterin Dr. R o o s sowie den Richter K a r m a n s k i und die Richterin Dr. K a r l
beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 5. Juli 2021 wird als unzulässig verworfen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe

I

1

Die Beteiligten streiten in dem der Beschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit darüber, ob beim Kläger Kniebeschwerden als Berufskrankheit (BK) nach Nr 2102 der Anlage 1 der Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) anzuerkennen sind.

2

Die Beklagte lehnte die Anerkennung ab. Das SG hat nach Einholung eines orthopädischen Sachverständigengutachtens die auch auf die Anerkennung einer BK nach Nr 2112 der Anlage 1 der BKV gerichtete Klage insgesamt abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 16.3.2021). Das LSG hat die nur noch auf Anerkennung der BK nach Nr 2102 gerichtete Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 5.7.2021).

3

Mit seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG rügt der Kläger das Vorliegen eines Verfahrensmangels wegen Verstoßes gegen die Sachaufklärungspflicht.

II

4

Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist unzulässig. Die Begründung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen, weil der geltend gemachte Zulassungsgrund des Verfahrensmangels nicht ordnungsgemäß bezeichnet worden ist (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG).

5

1. Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 1 SGG), so müssen bei der Bezeichnung des Verfahrensmangels zunächst die diesen vermeintlich begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht auf dem Mangel beruhen kann, dass also die Möglichkeit einer Beeinflussung der Entscheidung besteht. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel allerdings nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 Satz 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

6

Konkret erfordert die Rüge eines Verstoßes gegen die Sachaufklärungspflicht (§ 103 SGG), dass die Beschwerdebegründung (1.) einen für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbaren, bis zuletzt aufrechterhaltenen oder im Urteil wiedergegebenen Beweisantrag bezeichnet, dem das LSG nicht gefolgt ist, (2.) die Rechtsauffassung des LSG wiedergibt, auf deren Grundlage bestimmte Tatfragen klärungsbedürftig hätten erscheinen müssen, (3.) die von dem Beweisantrag betroffenen tatsächlichen Umstände aufzeigt, die zur weiteren Sachaufklärung Anlass gegeben hätten, (4.) das voraussichtliche Ergebnis der unterbliebenen Beweisaufnahme angibt und (5.) erläutert, weshalb die Entscheidung des LSG auf der unterlassenen Beweiserhebung beruhen kann (stRspr; zB BSG Beschluss vom 16.3.2022 - B 2 U 164/21 B; BSG Beschluss vom 11.3.2021 - B 9 SB 51/20 B - juris RdNr 9; BSG Beschluss vom 12.12.2003 - B 13 RJ 179/03 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 5 mwN). Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung des Klägers nicht gerecht.

7

Es wird bereits kein formeller Beweisantrag bezeichnet, der den Erfordernissen des § 118 Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 403 ZPO genügt. Die Beschwerdebegründung gibt Ersuchen auf Einholung "medizinischer Sachverständigengutachten" wieder. Dies ist jedoch für die Bezeichnung einer mangelhaften Sachaufklärung nach § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG nicht ausreichend, die zumindest die Benennung eines geeigneten Sachverständigen seiner medizinischen Ausrichtung nach erfordert (BSG Beschluss vom 25.11.2020 - B 6 KA 6/20 B - juris RdNr 21 mwN; Karmanski in Roos/Wahrendorf/Müller, SGG, 2. Aufl 2021, § 160 RdNr 73).

8

Ferner zeigt die Beschwerdebegründung nicht auf, warum das LSG sich aus seiner sachlichrechtlichen Sicht heraus zu weiteren Ermittlungen hätte gedrängt fühlen müssen. § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist im Hinblick auf das Erfordernis "ohne hinreichende Begründung" nicht formell, sondern materiell im Sinne von "ohne hinreichenden Grund" zu verstehen. Ohne "hinreichenden" Grund bedeutet in diesem Zusammenhang, ohne einen Grund, der hinreichend für die Annahme ist, dass das LSG sich nicht hätte gedrängt fühlen müssen, den beantragten Beweis zu erheben (BSG Beschluss vom 27.1.2021 - B 13 R 77/20 B - juris RdNr 7 mwN; BSG Beschluss vom 31.7.1975 - 5 BJ 28/75 - SozR 1500 § 160 Nr 5 S 6). Entscheidend ist, ob sich das LSG von seinem sachlich-rechtlichen Standpunkt aus hätte gedrängt fühlen müssen, den beantragten Beweis zu erheben, weil nach den dem LSG vorliegenden Beweismitteln Fragen zum tatsächlichen Sachverhalt aus seiner rechtlichen Sicht erkennbar offengeblieben sind, damit zu einer weiteren Aufklärung des Sachverhalts zwingende Veranlassung bestanden hat und die so zu ermittelnden Tatsachen nach der Rechtsauffassung des LSG entscheidungserheblich sind. Vor diesem Hintergrund besteht eine verfahrensrechtliche Pflicht zur Einholung weiterer Sachverständigengutachten nur dann, wenn vorhandene Gutachten iS von § 118 Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 412 Abs 1 ZPO ungenügend sind, weil sie grobe Mängel oder unlösbare Widersprüche enthalten oder von unzutreffenden sachlichen Voraussetzungen ausgehen oder Anlass zu Zweifeln an der Sachkunde des Gutachters geben (vgl BSG Beschluss vom 14.12.1999 - B 2 U 311/99 B - juris RdNr 6; BSG Beschluss vom 27.1.2021 - B 13 R 77/20 B - juris RdNr 7 mwN; BSG Beschluss vom 12.12.2003 - B 13 RJ 179/03 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 9). Hierzu enthält die Beschwerdebegründung keinerlei Vortrag, sodass die Beschwerde auch aus diesem Grund unzulässig ist. Vorliegend nicht maßgeblich ist, ob das LSG - wie vorgetragen - Beweisanträge des Klägers im Urteil überhaupt formell beschieden hat oder nicht. Wie dargelegt, ist "ohne hinreichende Begründung" materiell zu verstehen. Ebenso nicht entscheidend ist, ob der Kläger aus seiner Sicht weiteren Aufklärungsbedarf annimmt.

9

Der Kläger wendet sich mit seinem Vortrag im Wesentlichen allein gegen die Beweiswürdigung des LSG nach § 128 Abs 1 Satz 1 SGG. Diese ist einer Verfahrensrüge jedoch ausdrücklich nicht zugänglich (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG).

10

Auch dass der Kläger die Entscheidung der Vorinstanz für falsch hält, vermag als im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren unbeachtliche Rüge eines bloßen Rechtsanwendungsfehlers die Zulassung der Revision nicht zu begründen (zB BSG Beschluss vom 23.3.2022 - B 2 U 197/21 B; BSG Beschluss vom 25.5.2020 - B 9 V 3/20 B - juris RdNr 6).

11

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).

12

Die Beschwerde ist somit ohne Zuziehung ehrenamtlicher Richter zu verwerfen (§§ 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2, 169 Satz 2 und 3 SGG).

13

2. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung der §§ 183, 193 SGG.

Dr. Roos

Karmanski

Dr. Karl

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