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Bundesgerichtshof
Urt. v. 05.12.1996, Az.: IX ZR 53/96

Absonderung; Konkurseröffnung; Zinsansprüche

Bibliographie

Gericht
BGH
Datum
05.12.1996
Aktenzeichen
IX ZR 53/96
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1996, 14183
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Fundstellen

  • BGHZ 134, 195 - 201
  • BB 1997, 282 (Volltext mit amtl. LS)
  • DB 1997, 422-423 (Volltext mit amtl. LS)
  • EWiR 1997, 227 (Volltext mit amtl. LS u. Anm.)
  • MDR 1997, 250-251 (Volltext mit amtl. LS)
  • NJW 1997, 522-524 (Volltext mit amtl. LS)
  • Rpfleger 1997, 228-229 (Volltext mit amtl. LS)
  • WM 1997, 136-138 (Volltext mit amtl. LS)
  • ZBB 1997, 179
  • ZIP 1997, 120-121 (Volltext mit amtl. LS)
  • ZIP 1997, A3 (Kurzinformation)

Amtlicher Leitsatz

Das Recht auf abgesonderte Befriedigung erstreckt sich auch auf die Zinsansprüche, die nach Konkurseröffnung bis zur Verwertung entstanden sind; diese Wirkung ist zugleich für die Berechnung der Ausfallforderung maßgebend.

Tatbestand:

1

Der Beklagte ist Verwalter in dem am 28. März 1991 eröffneten Konkurs über das Vermögen der J. F. A. AG. Das klagende Kreditinstitut meldete eine Forderung von 1.022.628,28 DM an, die zur Konkurstabelle festgestellt wurde.

2

Am 26. Mai 1992 erhielt die Klägerin aus abgesonderter Befriedigung einen Erlös von 215.000 DM. Diesen Betrag will sie zunächst mit dem in der Zeit vom 29. März 1991 bis zum 26. Mai 1992 entstandenen Zinsanspruch in Höhe von 131.305,47 DM verrechnen und lediglich den Rest von der angemeldeten Hauptforderung in Abzug bringen. Demgegenüber ist der Beklagte der Auffassung, der Absonderungsgläubiger dürfe den Erlös aus der Sicherheitenverwertung nicht zur Tilgung der nach Konkurseröffnung entstandenen Zinsansprüche verwenden. Das Konkursgericht hat deshalb die Forderung der Klägerin nur mit 807.628,28 DM im Schlußverzeichnis vermerkt.

3

Das Landgericht hat die Klage auf Feststellung, daß der Ausfall der Klägerin mit 938.933,75 DM in das Schlußverzeichnis aufzunehmen ist, abgewiesen; das Berufungsgericht hat ihr stattgegeben. Mit der zugelassenen Revision begehrt der Beklagte die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.

Entscheidungsgründe

4

Die Revision hat keinen Erfolg.

5

Nach Auffassung des Berufungsgerichts erstreckt sich das Sicherungsrecht der Klägerin auch auf die nach Konkurseröffnung angefallenen Zinsen, weil die abgesonderte Befriedigung gemäß § 4 Abs. 2 KO unabhängig vom Konkursverfahren erfolge und deshalb die Vorschrift des § 63 Nr. 1 KO nicht anwendbar sei. Das angefochtene Urteil hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

6

1. Das Berufungsgericht hat die der Sicherungsübereignung zugrundeliegende Vereinbarung der Klägerin mit der Gemeinschuldnerin rechtsfehlerfrei in dem Sinne ausgelegt, daß die Sicherheit für sämtliche im Zeitpunkt der Verwertung bestehenden Zinsansprüche haften sollte, auch diejenigen, die erst nach Konkurseröffnung entstanden sind. Es entspricht grundsätzlich dem wohlverstandenen, für den Kunden erkennbaren Interesse des Kreditgebers, daß die der Bank gewährten Sicherheiten alle Forderungen aus dem zugrundeliegenden Kausalgeschäft decken sollen (vgl. BGH, Urt. v. 8. Mai 1956 - I ZR 63/55, NJW 1956, 1594, 1595). Entgegen der Meinung des Beklagten ist eine solche Abrede weder unwirksam noch anfechtbar.

7

Der mit der Sicherungsübereignung üblicherweise verfolgte Zweck, dem Kreditgeber eine Befriedigungsmöglichkeit für den Fall zu verschaffen, daß der Darlehensnehmer seinen vertraglichen Verpflichtungen nicht nachkommt, umfaßt insbesondere das Insolvenzrisiko. Da die Klägerin die Rechte mit Abschluß der Vereinbarung und nicht erst bezogen auf den Zeitpunkt der Zahlungseinstellung des Kreditnehmers erworben hat (vgl. dazu BGH, Urt. v. 18. Februar 1993 IX ZR 129/92, ZIP 1993, 521, 522), ist kein Anfechtungstatbestand nach der Konkursordnung erfüllt.

8

2. Das Sicherungseigentum gewährt dem Sicherungsnehmer im Konkurs ein Recht auf abgesonderte Befriedigung (BGHZ 72, 141, 146 f). Dieses deckt, entsprechend der Reihenfolge des § 367 Abs. 1 BGB, zunächst die Kosten, dann die Zinsen und zuletzt das Kapital (§ 48 KO). Nach § 4 Abs. 2 KO erfolgt die abgesonderte Befriedigung unabhängig vom Konkursverfahren. Die verfahrensrechtlichen Vorschriften über die Geltendmachung von Konkursforderungen finden also keine Anwendung. Nach in Rechtsprechung und Literatur einhelliger Meinung bezieht sich deshalb die Norm des § 63 Nr. 1 KO, wonach die seit der Eröffnung laufenden Zinsen im Konkursverfahren nicht geltend gemacht werden können, nicht auf Absonderungsrechte (RGZ 92, 181, 186; BGH, Urt. v. 8. Mai 1956, aaO.; Jaeger/Henckel, KO 9. Aufl. § 4 Rdnr. 15; Jaeger/Lent, KO 8. Aufl. § 63 Anm. 2 a; Hess, KO 5. Aufl. § 63 Rdnr. 7; Kilger/Karsten Schmidt, KO 16. Aufl. § 63 Anm. 1; Kuhn/Uhlenbruck, KO 11. Aufl. § 63 Rdnr. 1 a; Siebel BB 1954, 519, 521; Walter KTS 1983, 179, 181). Dieser Auffassung ist zu folgen.

9

a) § 4 Abs. 2 KO nimmt die Klärung von Absonderungsrechten aus dem Konkursverfahren heraus. Diese gehört nicht zu den dem Konkursverwalter obliegenden Aufgaben und steht nicht unter der Aufsicht des Konkursgerichts. Es bleibt den Absonderungsgläubigern überlassen, ihre Rechte durchzusetzen, gegebenenfalls im Prozeßwege gegen den Verwalter außerhalb des Konkurses. Die insolvenzrechtlichen Vorschriften, die bestimmen, ob und in welcher Weise Konkursforderungen geltend gemacht und festgestellt werden können, betreffen deshalb weder den Inhalt noch die Durchsetzbarkeit des Absonderungsrechts.

10

b) § 63 Nr. 1 KO enthält eine solche konkursverfahrensrechtliche Regelung. Die Vorschrift schränkt nicht den materiell-rechtlichen Gehalt des Zinsanspruchs des Konkursgläubigers ein. Die nach Konkurseröffnung anfallenden Zinsen können gegen den Gemeinschuldner persönlich geltend gemacht werden (RGZ 92, 181, 186; BGH, Urt. v. 28. November 1986 - V ZR 257/85, ZIP 1987, 245, 247); auch die Haftung Dritter für solche Zinsen bleibt unberührt (Kilger/Karsten Schmidt, aaO. § 63 Anm. 2; Kuhn/Uhlenbruck, aaO. § 63 Rdnr. 1 b; OLG Nürnberg ZIP 1991, 1018). Der Gesetzgeber hat die nach Eröffnung entstehenden Forderungen lediglich deshalb von der Berücksichtigung im Konkursverfahren ausgeschlossen, weil er solche Ansprüche nicht als zur Zeit der Verfahrenseröffnung begründet (vgl. § 3 Abs. 1 KO), sondern als erst zu einem späteren Zeitpunkt entstanden ansah. Außerdem sollte durch die Ausklammerung dieser Zinsen die Verteilung der Masse vereinfacht werden (Materialien zur Konkursordnung, S. 270).

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c) Die Revision verweist zwar zutreffend darauf, daß die Gegenstände, an denen das Absonderungsrecht ausgeübt wird, zur Konkursmasse gehören (BGHZ 105, 230, 236 [BGH 29.09.1988 - IX ZR 39/88]; BGH, Urt. v. 4. Juni 1996 - IX ZR 261/95, ZIP 1996, 1307) und die Klägerin trotz der von ihr in Anspruch genommenen dinglichen Haftung mit der gesamten Forderung zu den Konkursgläubigern zählt (vgl. RGZ 92, 181, 184; 155, 95, 99, 101; Kuhn/Uhlenbruck, aaO. § 3 Rdnr. 8). Daraus kann jedoch nicht hergeleitet werden, daß wegen des Grundsatzes der Gleichbehandlung der Gläubiger die nach Konkurseröffnung entstandenen Zinsen bei der Erlösverteilung nicht berücksichtigt werden dürfen. Der genannte Grundsatz gilt gerade nicht für Rechte, die außerhalb des Konkursverfahrens zu erheben und zu realisieren sind. § 4 Abs. 2 KO ist Ausdruck einer besonderen Schutzwürdigkeit der Gläubiger, die ein dingliches Haftungsrecht wirksam erworben haben. Die Vorschrift stellt diese Gläubiger insoweit von den Einschränkungen frei, die für gewöhnliche Konkursforderungen gelten.

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d) Dem hält der Beklagte zu Unrecht entgegen, der absonderungsberechtigte Gläubiger werde auf diese Weise in die Lage versetzt, durch eine verzögerlich betriebene Verwertung seinen Zinsanspruch zu erweitern, mit der Folge, daß sich der auf die Hauptforderung anzurechnende Erlösanteil zu Lasten der Masse verringere. § 127 Abs. 1 KO gibt dem Verwalter ein eigenes Verwertungsrecht. Ist der Gläubiger zur Selbstverwertung befugt, kann der Verwalter nach Abs. 2 der Bestimmung veranlassen, daß das Konkursgericht eine Frist bestimmt, nach deren fruchtlosem Ablauf der Verwalter die Verwertung selbst vornehmen kann. Damit hat das Gesetz ein Mittel bereit gestellt, welches es dem Verwalter ermöglicht, Manipulationsversuchen eines absonderungsberechtigten Gläubigers in geeigneter Weise entgegenzuwirken. Im übrigen kann sich aus dem Sicherungsgeschäft ein vertraglicher Schadensersatzanspruch gegen einen Gläubiger ergeben, der die Verwertung schuldhaft verzögert und dadurch Belange des Sicherungsgebers verletzt. Nach Konkurseröffnung ist der Verwalter legitimiert, einen solchen Anspruch geltend zu machen.

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3. Der Gläubiger, der auf sein Absonderungsrecht nicht verzichtet hat, kann konkursmäßige Befriedigung wegen seiner persönlichen Forderung nur in Höhe seines Ausfalls verlangen (§ 64 KO). Die Revision macht unter Hinweis auf eine teilweise im Schrifttum vertretene Auffassung geltend, bei Ermittlung der Ausfallforderung sei der aus der abgesonderten Befriedigung erzielte Verwertungserlös - in Abweichung von §§ 367 Abs. 1 BGB, 48 KO - zunächst auf die vor Konkurseröffnung begründete Forderung zu verrechnen (Grub KTS 1982, 391; Hess, aaO. § 64 Rdnr. 7). Dem kann nicht zugestimmt werden; denn für eine solche Auslegung finden sich im Gesetz keinerlei Anhaltspunkte.

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Für die Ermittlung der Ausfallforderung gilt ohne Einschränkung die in § 48 KO festgelegte Anrechnungsreihenfolge (Jaeger/Lent, aaO. § 63 Anm. 2 a; Kuhn/Uhlenbruck, aaO. § 63 Rdnr. 1 a; Siebel BB 1954, 519, 521; Walter KTS 1983, 179, 182; vgl. auch BGH, Urt. v. 8. Mai 1956 - I ZR 63/55, NJW 1956, 1594, 1595 zu §§ 29 Nr. 1, 82 Abs. 2 VerglO). § 64 KO besagt lediglich, daß der absonderungsberechtigte Gläubiger (nur) in Höhe seines Ausfalls am Konkursverfahren teilnimmt. Die Bestimmung behandelt dagegen nicht die Frage, wie die Ausfallforderung zu berechnen ist. Allein aus der räumlichen Nähe zu § 63 Nr. 1 KO kann nicht geschlossen werden, daß dafür diese Norm zu beachten ist. § 64 KO bezieht sich vielmehr auf den Ausfall bei der abgesonderten Befriedigung. Damit wird hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht, daß die infolge der Realisierung des Absonderungsrechts eingetretene Tilgung der Forderung auch für die Berechnung des Ausfalls maßgeblich sein soll. Dies ist die notwendige Folge davon, daß sich die abgesonderte Befriedigung außerhalb der konkursverfahrensrechtlichen Normen vollzieht. Anderenfalls wäre die in § 48 KO in Anlehnung an § 367 Abs. 1 BGB getroffene Tilgungsregelung für die nach Konkurseröffnung angefallenen Zinsen im Ergebnis doch durch die Vorschrift des § 63 Nr. 1 KO verdrängt. Das Befriedigungsrecht des Gläubigers wäre allein im Konkurs wegen der dort geltenden verfahrensrechtlichen Vorschriften für einen Teil der Zinsen ausgeschlossen. Dies aber ließe sich mit der Vorzugsstellung, die der dinglich berechtigte Konkursgläubiger durch § 4 Abs. 2 KO erhalten hat, nicht vereinbaren. Aus diesem Grunde kann auch der vermittelnden Auffassung von Gorg (KTS 1987, 191, 197), wonach das Absonderungsrecht die Zinsen in dem Umfang decken soll, in dem der Wert des Absonderungsrechts dem Berechtigten seit der Verfahrenseröffnung vorenthalten worden sei, nicht gefolgt werden.

15

4. § 63 Nr. 1 KO gewinnt daher für den Gläubiger, dessen Forderungen nicht vollständig durch die Verwertung im Wege der Absonderung getilgt wurden, nur in folgender Hinsicht Bedeutung: Der Konkursgläubiger kann die nach Konkurseröffnung entstandenen Zinsen nicht geltend machen, die durch den Erlös aus dem Absonderungsrecht nicht getilgt wurden oder die erst nach der Verwertung entstanden sind. Solche Forderungen sind jedoch nicht Gegenstand der Klage. Da hier die zugrundeliegende Ausfallberechnung den gesetzlichen Bestimmungen entspricht, hat das Berufungsgericht der Klage auf Feststellung des Ausfalls zu Recht in vollem Umfang stattgegeben.