Suche

Nutzen Sie die Schnellsuche, um nach den neuesten Urteilen in unserer Datenbank zu suchen!

Bundesgerichtshof
Urt. v. 10.05.1995, Az.: VIII ZR 264/94

Verbraucherkredit; Widerruf; Jahresfrist; Liefervertrag; Vertragsübernahme; Abzahlungsgeschäft; Übergangsregelung

Bibliographie

Gericht
BGH
Datum
10.05.1995
Aktenzeichen
VIII ZR 264/94
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1995, 15308
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Fundstellen

  • BGHZ 129, 371 - 383
  • BB 1995, 1433-1436 (Volltext mit amtl. LS)
  • DB 1995, 1707-1709 (Volltext mit amtl. LS)
  • JuS 1995, 1132-1133 (Volltext mit amtl. LS)
  • MDR 1995, 996-997 (Volltext mit amtl. LS)
  • NJW 1995, 2290-2293 (Volltext mit amtl. LS)
  • WM 1995, 1231-1234 (Volltext mit amtl. LS)
  • ZBB 1995, 298
  • ZIP 1995, 996-1000 (Volltext mit amtl. LS)
  • ZIP 1995, A49 (Kurzinformation)

Amtlicher Leitsatz

1. Genehmigt der Verbraucher den Abschluß eines unter § 2 Nr. 3 VerbrKrG fallenden Vertrages, der für ihn von einem vollmachtlosen Vertreter abgeschlossen worden ist, so beginnt die Jahresfrist des § 7 II 3 letzter Halbs. VerbrKrG nicht bereits mit der Erklärung des Vertreters, sondern erst mit der Genehmigung durch den Verbraucher.

2. Auf langfristige Lieferverträge i. S. des § 2 VerbrKrG ist die Vorschrift des § 7 III VerbrKrG nicht anwendbar.

3. Auf die nach dem 1.1.1991 vereinbarte Übernahme eines unter der Geltung des Abzahlungsgesetzes geschlossenen Bierlieferungsvertrages finden nicht die §§ 1b, 1c Nr. 3 AbzG, sondern die §§ 2 Nr. 3, 7 VerbrKrG Anwendung.

4. Ein unter der Geltung des Abzahlungsgesetzes geschlossener Bierlieferungsvertrag, der mangels ordnungsgemäßer Widerrufsbelehrung des Bezugsverpflichteten schwebend unwirksam ist, wird nicht dadurch voll wirksam, daß er von einem Dritten nach Inkrafttreten des Verbraucherkreditgesetzes übernommen wird und dieser die Vertragsübernahme nicht mehr widerrufen kann.

Tatbestand:

1

Die Klägerin, eine Brauerei, schloß gemeinsam mit einer weiteren Brauerei, deren Beteiligung im Revisionsrechtszug nicht mehr von Bedeutung ist, am 5. November 1985 mit dem Streithelfer der Klägerin (künftig: Streithelfer) einen Darlehens- und Bierlieferungsvertrag für die Absatzstätte "R-Krug" in O. Als Gegenleistung für ein ihm gewährtes Darlehen von 30.000 DM übernahm der Streithelfer eine Bierbezugsverpflichtung für die Dauer von zehn Jahren. Der Vertrag enthält im Anschluß an die Unterschriften der Beteiligten folgende "Widerrufsbelehrung und Bestätigung", die der Streithelfer unterschrieben hat:

2

"1. Ich bin darüber belehrt worden, daß ich meine auf den Vertragsabschluß gerichtete Willenserklärung binnen einer Woche ab heute widerrufen kann, der Widerruf schriftlich an die K. Brauerei ... zu richten ist und zur Wahrung der Wochenfrist die rechtzeitige Absendung genügt ... .

3

2. Gleichzeitig wird hiermit bestätigt, eine Ausfertigung der Vereinbarung nebst obiger Belehrung ausgehändigt erhalten zu haben."

4

Der Streithelfer machte von seinem Widerrufsrecht keinen Gebrauch.

5

Am 11. Juli 1991 schloß der Streithelfer mit den Beklagten, diese vertreten durch einen Vertreter ohne Vertretungsmacht, einen notariell beurkundeten Kaufvertrag über das Gaststättengrundstück. In diesem Vertrag heißt es unter III:

6

"In Anrechnung auf den Kaufpreis übernimmt der Käufer das Darlehen des Verkäufers bei der K. Brauerei gemäß Darlehensvertrag vom 5. November 1985 ... zum Valutastand per 25. August 1991.

7

Gleichzeitig übernimmt der Käufer die in diesem Vertrag enthaltene Bierbezugsverpflichtung gegenüber der K. Brauerei."

8

Die Beklagten wurden über ein Recht zum Widerruf ihrer Erklärungen bei Vertragsschluß nicht belehrt. Sie genehmigten den Vertragsschluß durch den vollmachtlosen Vertreter - wie sie im zweiten Rechtszug unwidersprochen vorgetragen haben - am 25. Juli 1991 mit gleichlautenden - der Klägerin am 17. und 22. Juli 1992 zugegangenen - Schreiben widerriefen die Beklagten "den Darlehens- und Bierbezugsvertrag" gegenüber der Klägerin. Einen Scheck über die restliche Darlehenssumme übersandten sie der Klägerin im September 1992.

9

Die Klägerin nimmt die Beklagten auf Erfüllung der Bierbezugsverpflichtung, hilfsweise auf Schadensersatz in Anspruch. Sie hält auf die Übernahme der Bezugspflicht die Vorschriften des Verbraucherkreditgesetzes für anwendbar und den Widerruf der Beklagten danach für unwirksam, weil er nicht innerhalb der Frist von einem Jahr nach Vertragsschluß erklärt und das Darlehen überdies nicht, wie erforderlich, binnen zweier Wochen nach der Widerrufserklärung zurückgezahlt worden sei. Die Beklagten vertreten in erster Linie die Ansicht, ihr Widerrufsrecht richte sich nach dem Abzahlungsgesetz, unter dessen Geltung der Vertrag vom 5. November 1985 abgeschlossen worden sei.

10

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Berufungsgericht hat ihr nach dem Hauptantrag - unter Zurückweisung einer Klageerweiterung im zweiten Rechtszug - stattgegeben. Mit ihrer - zugelassenen - Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, erstreben die Beklagten die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe

11

Die Revision hat Erfolg.

12

I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Die Rechtsbeziehungen der Parteien seien nach den Bestimmungen des Verbraucherkreditgesetzes zu beurteilen, weil die Vertragsübernahme durch die Beklagten - anders als bei vor dem Inkrafttreten des Verbraucherkreditgesetzes geschlossenen Bierlieferungsverträgen - erst nach Inkrafttreten dieses Gesetzes erfolgt sei und die Beklagten auch erst zu diesem Zeitpunkt Verbraucherschutz benötigt hätten. Der Widerruf gelte nach § 7 Abs. 3 VerbrKrG als nicht erfolgt, weil die Beklagten das Darlehen nicht binnen zweier Wochen nach dem Widerruf an die Klägerin zurückgezahlt hätten. Die Beklagten seien deshalb verpflichtet, die übernommene Bierbezugsverpflichtung zu erfüllen.

13

II. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung in mehrfacher Hinsicht nicht stand.

14

1. Das Berufungsgericht hat bereits übersehen, daß der Bierlieferungsvertrag vom 5. November 1985 zur Zeit der Übernahme durch die Beklagten schwebend unwirksam war und auch danach keine volle Wirksamkeit erlangt hat.

15

a) Auf derartige Verträge finden die Bestimmungen des Abzahlungsgesetzes auch nach Inkrafttreten des Verbraucherkreditgesetzes in entsprechender Anwendung des Art. 9 Abs. 1 VerbrKr/ZPOuaÄndG weiterhin uneingeschränkt Anwendung (BGHZ 119, 283, 294 f;  126, 56, 59; Senatsurteil vom 21. Oktober 1992 - VIII ZR 99/91 = WM 1993, 114 [BGH 21.10.1992 - VIII ZR 99/91] unter II 2). Danach ist der Vertrag vom 5. November 1985 nicht wirksam zustande gekommen, weil die einwöchige Widerrufsfrist des § 1 b Abs. 1 AbzG mangels ordnungsgemäßer Belehrung nach § 1 b Abs. 2 Satz 2 und 3 AbzG nicht in Lauf gesetzt worden ist. Zum einen war die Belehrung über den Fristbeginn ("binnen einer Woche ab heute") inhaltlich irreführend, weil sie das unrichtige Verständnis nahelegte, der Tag der Aushändigung der Vertragsurkunde werde - entgegen § 187 Abs. 1 BGB - bei der Berechnung der Wochenfrist mitgezählt (dazu BGHZ 126, 56, 62 f). Zum anderen war die Widerrufsbelehrung vom Streithelfer zusammen mit der Bestätigung des Empfangs eines Vertragsexemplars und der Belehrung selbst und somit entgegen § 1 b Abs. 2 Satz 3 AbzG nicht "gesondert" unterschrieben (dazu BGHZ 119, 283, 295 ff; Senatsurteil vom 21. Oktober 1992 aaO.; zu § 2 Abs. 1 Satz 3 HWiG ebenso BGH, Urteil vom 8. Juli 1993 - I ZR 202/91 = WM 1993, 1840 [BGH 08.07.1993 - I ZR 202/91] unter II 1 und 2).

16

Das deshalb bestehende Widerrufsrecht des Streithelfers ging nach der Rechtsprechung des Senats (BGHZ 97, 127, 134 f[BGH 19.02.1986 - VIII ZR 113/85] und ständig) auch nach längerem Zeitablauf nicht unter und hätte auch zur Zeit des Vertragsschlusses vom 11. Juli 1991 noch ausgeübt werden können.

17

Der Vertrag ist auch nicht durch nachträgliche Belehrung der Beklagten voll wirksam geworden. Die Klägerin hat zwar vorgetragen, sie habe die Beklagten nach dem Vertragsschluß vom 11. Juli 1991 über das ihnen zustehende Recht zum Widerruf ihrer Erklärungen über die Übernahme der Bierbezugsverpflichtung belehrt. Nach der Behauptung der Beklagten, der die insoweit darlegungs- und beweispflichtige Klägerin nicht entgegengetreten ist, hatte die nachträgliche Widerrufsbelehrung jedoch keinen gesetzmäßigen Inhalt.

18

b) Volle Wirksamkeit hat der Vertrag vom 5. November 1985 schließlich nicht dadurch erlangt, daß die Beklagten die Bierbezugsverpflichtung mit dem Vertrag vom 11. Juli 1991 übernommen haben.

19

aa) Das Berufungsgericht hat die Vereinbarung vom 11. Juli 1991 in dem hier maßgeblichen Punkt trotz des insoweit nicht eindeutigen Wortlauts ("... übernimmt der Käufer die ... Bierbezugsverpflichtung ...") als Vertragsübernahme gewertet. Diese interessengerechte Auslegung entspricht dem im Rechtsstreit vertretenen Verständnis der seinerzeitigen Vertragschließenden, wird auch im Revisionsrechtszug nicht in Zweifel gezogen und bindet als tatrichterliche Auslegung einer Individualerklärung, die Rechtsfehler nicht erkennen läßt, den Senat.

20

bb) Ein Entfallen der bisher bestehenden schwebenden Unwirksamkeit durch eine Vertragsübernahme ist gesetzlich nicht vorgesehen, wie diese oder ähnliche Rechtsfolgen auch der Zession (vgl. § 404 BGB) und der Schuldübernahme (vgl. § 417 Abs. 1 BGB) grundsätzlich unbekannt sind. Die mit der Vertragsübernahme herbeigeführte Rechtsnachfolge in den übernommenen Vertrag bewirkt die bloße Auswechselung des Vertragspartners unter Aufrechterhaltung der Identität des Vertrages. Der Rechtsnachfolger erlangt eben die Rechtsstellung, die der ausscheidende Vertragspartner innehatte (BGHZ 95, 88, 94 f; BGH, Urteil vom 25. März 1986 - IX ZR 104/85 = WM 1986, 763 unter I 1 b, insoweit in BGHZ 97, 280 nicht abgedruckt). Ein schwebend unwirksamer Vertrag wird also grundsätzlich in seiner Schwebelage übernommen (vgl. Nörr/Scheyhing, Sukzessionen, 1983, § 21 III S. 269).

21

Im Schrifttum wird allerdings vereinzelt - und ohne nähere Begründung - die Ansicht vertreten, bei der Übernahme eines Vertrages, der aus in der Person des Ausscheidenden liegenden Gründen, beispielsweise wegen dessen beschränkter Geschäftsfähigkeit, schwebend unwirksam ist, sei die Wirksamkeit nach der Übernahme an der Person des Übernehmers zu messen, so daß im Beispielsfall der Vertrag bei Übernahm durch einen unbeschränkt Geschäftsfähigen wirksam werde (vgl. Nörr/Scheyhing aaO. § 21 III S. 269 f). Ob dieser Auffassung gefolgt werden könnte, bedarf keiner abschließenden Entscheidung. Jedenfalls auf den hier gegebenen Sachverhalt kann sie selbst dann nicht übertragen werden, wenn das Widerrufsrecht der bei der Vertragsübernahme ihrerseits nicht belehrten Beklagten erloschen wäre oder ihr Widerruf - wie das Berufungsgericht meint - als nicht erfolgt zu gelten hätte. Es fehlt bereits an einem gerade in der Person des ausscheidenden Vertragsteils begründeten Wirksamkeitshindernis, weil eine unterbliebene oder nicht ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung weit weniger seiner Person als vielmehr dem Vertrag "anhaftet". Daß die schwebende Unwirksamkeit nicht durch eine bloße Auswechselung des Vertragspartners behoben wird, zeigt sich auch daran, daß die Widerruflichkeit des Vertrages zwar zunächst zum Schutz des Käufers eintritt, der Fortbestand der Rechtsfolge der schwebenden Unwirksamkeit indessen nicht davon abhängig ist, daß der Käufer als Vertragspartner schutzwürdig bleibt. So wird der Vertrag nicht dadurch wirksam, daß der Käufer nach Vertragsschluß als Kaufmann in das Handelsregister eingetragen wird und deshalb gemäß § 8 AbzG nicht mehr zu dem geschützten Personenkreis gehört (Senatsurteil vom 28. November 1994 - VIII ZR 315/93 = WM 1995, 394 unter II 2 b; ebenso z.B. MünchKomm-H. P. Westermann, BGB, 2. Aufl., § 8 AbzG Rdnr. 3; Soergel/Hönn, BGB, 12. Aufl., § 8 AbzG Rdnr. 2). Ebensowenig kann die schwebende Unwirksamkeit dadurch entfallen, daß anstelle des schutzwürdigen, weil nicht (ordnungsgemäß) belehrten, Vertragsteils ein anderer Vertragspartner eintritt, der nicht schutzbedürftig ist.

22

cc) Ist der Bierlieferungsvertrag vom 5. November 1985 danach schwebend unwirksam geblieben, so kann die Klägerin aus ihm keine Rechte gegenüber den Beklagten herleiten (BGHZ 119, 283, 298; Senatsurteil vom 27. April 1994 - VIII ZR 223/93 = NJW 1994, 1800 unter II 4, insoweit in BGHZ 126, 56 nicht abgedruckt).

23

c) Ein anderes Ergebnis ergäbe sich nur dann, wenn die vertraglichen Erklärungen vom 11. Juli 1991 über die Bewirkung einer bloßen Rechtsnachfolge hinausgingen und entweder eine Bestätigung des Vertrages vom 5. November 1985 entsprechend §§ 141 Abs. 1, 144 Abs. 1 BGB enthielten oder als Neuabschluß eines Bierlieferungsvertrages gewertet bzw. in einen solchen umgedeutet werden könnten. Das ist nicht der Fall.

24

aa) Eine Bestätigung gemäß §§ 141 Abs. 1, 144 Abs. 1 BGB setzt voraus, daß die bestätigenden Vertragsparteien den Grund der Nichtigkeit oder Anfechtbarkeit kennen (z.B. BGH, Urteil vom 8. März 1961 - V ZR 24/60 = WM 1961, 785 unter 2 b) oder zumindest Zweifel an der Rechtsbeständigkeit des Vertrages haben (z.B. BGH, Urteile vom 20. Januar 1977 - II ZR 222/75 = WM 1977, 387 unter 4 a und vom 6. Mai 1982 - III ZR 11/81 = WM 1982, 740 unter II 1). Im vorliegenden Fall sind aber die Parteien und der Streithelfer stets von der uneingeschränkten Wirksamkeit des zwischen der Klägerin und dem Streithelfer geschlossenen Bierlieferungsvertrages ausgegangen.

25

bb) Anhaltspunkte dafür, daß die Beklagten nicht nur den Vertrag zwischen der Klägerin und dem Streithelfer in seinem Bestand übernehmen, sondern einen neuen Bierlieferungsvertrag mit der Klägerin schließen wollten, hat weder das Berufungsgericht festgestellt noch hat die Klägerin solche aufgezeigt.

26

Auch eine Umdeutung der - jedenfalls zunächst - schwebend unwirksamen Vertragsübernahme in den Neuabschluß eines Bierbezugsvertrages kommt nicht in Betracht. Dabei kann dahinstehen, inwieweit die Vorschrift des § 140 BGB auf schwebend unwirksame Rechtsgeschäfte überhaupt angewendet werden kann (dazu z.B. BGHZ 40, 218, 222). Es erscheint zwar nicht ausgeschlossen, daß die Vertragsparteien bei Kenntnis der schwebenden Unwirksamkeit des Vertrages vom 5. November 1985 zugunsten der Klägerin (§ 328 BGB) eine neue Bezugsverpflichtung der Beklagten hätten begründen wollen. Eine Umdeutung muß aber schon daran scheitern, daß auch die Vertragsübernahme selbst, wie sogleich zu zeigen ist (unten II 2), nach den Vorschriften des Verbraucherkreditgesetzes nie wirksam geworden ist und der Neuabschluß eines Bierlieferungsvertrages aus denselben Gründen keine Wirksamkeit hätte erlangen können.

27

2. Denn die Klage kann auch deshalb keinen Erfolg haben, weil die Vertragsübernahme vom 11. Juli 1991 ihrerseits schwebend unwirksam war und durch Widerruf der Beklagten endgültig unwirksam geworden ist.

28

a) Allerdings hat das Berufungsgericht zu Recht angenommen, daß auf die vertragliche Übernahme einer Bierbezugspflicht, die nach Inkrafttreten des Verbraucherkreditgesetzes (1. Januar 1991) erfolgt ist, die Vorschriften dieses Gesetzes anzuwenden sind, auch wenn die Bezugsverpflichtung als solche bereits vor dem 1. Januar 1991 begründet worden ist.

29

aa) Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats fällt die Übernahme eines Getränkelieferungsvertrages - auch wenn sie in einem Grundstückskaufvertrag vereinbart wird (zum Neuabschluß vgl. BGHZ 97, 127, 131 ff[BGH 19.02.1986 - VIII ZR 113/85]; BGH, Urteil vom 8. Oktober 1992 aaO. unter B I 1 b aa) - unter den sachlichen Anwendungsbereich der §§ 1 c Nr. 3 AbzG, 2 Nr. 3 VerbrKrG (Urteile vom 3. Juli 1991 - VIII ZR 201/90 = WM 1991, 1675 unter II 1 a aa und vom 22. Januar 1992 - VIII ZR 374/89 = WM 1992, 951 unter III 2 e, zum Schuldbeitritt vgl. auch BGHZ 109, 314, 317 f).

30

Die Anwendung dieser Vorschriften auf die Vertrags- und die Schuldübernahme ist geboten durch das Schutzbedürfnis des Übernehmers, das kein anderes ist als das Schutzbedürfnis desjenigen, der durch den Abschluß eines neuen Bierlieferungsvertrages mit einer sich nach Dauer und Höhe erst in Zukunft realisierenden Verpflichtung zum wiederkehrenden Bezug von Sachen belastet wird. Entscheidend ist die erstmalige Begründung einer solchen Verpflichtung für den Übernehmer, nicht sein Eintritt in eine Verpflichtung, die schon im Zeitpunkt ihrer Entstehung für den früheren Schuldner den Vorschriften des Abzahlungsgesetzes oder des Verbraucherkreditgesetzes unterlag. Dem Übernehmer steht ein originäres - nicht von dem Altschuldner abgeleitetes - Widerrufsrecht zu, das von dem (Fort-)Bestehen eines etwaigen Widerrufsrechts des Altschuldners unabhängig ist. Es geht nicht um einen Widerruf der übernommenen Verpflichtung, sondern um den Widerruf der Übernahmeerklärung selbst. Die Voraussetzungen für dieses eigene Recht des Übernehmers zum Widerruf seiner Übernahmeerklärung können sich nur aus den im Zeitpunkt der Übernahme geltenden Rechtsvorschriften ergeben. Denn der Schutz des Übernehmers einer Verbindlichkeit der in § 1 c AbzG und § 2 VerbrKrG bezeichneten Art kann nicht geringer sein, aber auch nicht weiter gehen als der Schutz desjenigen, der eine solche Verbindlichkeit durch einen neuen Getränkelieferungsvertrag eingeht. Beide genießen Verbraucherschutz (nur) in dem Umfang, in dem der Gesetzgeber solchen im Zeitpunkt ihrer Verpflichtung zur Verfügung stellt.

31

bb) Die hier vertretene Auffassung steht nicht im Widerspruch zu der oben (II 1 a) angeführten Rechtsprechung des erkennenden Senats, nach der auf vor dem 1. Januar 1991 geschlossene Verträge die Vorschriften des Abzahlungsgesetzes weiterhin anwendbar sind. Dort ging es um die Voraussetzungen für den wirksamen Abschluß eines Bierlieferungsvertrages, also den Tatbestand der Begründung eines Vertragsverhältnisses, hier dagegen um die Voraussetzungen für die wirksame Übernahme eines solchen Vertrages durch einen Dritten, mithin den Tatbestand der Übertragung eines Vertragsverhältnisses.

32

cc) Die von der Revision befürchteten Friktionen für den Fall, daß das Verbraucherkreditgesetz auf die Übernahme einer unter der Geltung des Abzahlungsgesetzes begründeten Verpflichtung angewendet wird, sind nicht spezifisch für diese Fallgestaltung und sprechen deshalb nicht gegen die Anwendbarkeit des Verbraucherkreditgesetzes: Die Frage, ob bei einem Schuldbeitritt zu einer Darlehensverbindlichkeit der Beitretende im Falle der Ausübung seines Widerrufsrechts gemäß § 7 Abs. 3 VerbrKrG das Darlehen ganz oder teilweise zurückzahlen muß, stellt sich nicht nur, wenn die Darlehensverbindlichkeit für den Altschuldner vor Inkrafttreten des Verbraucherkreditgesetzes begründet worden ist, sondern ganz ebenso, wenn dies danach geschehen ist und der Altschuldner sein Widerrufsrecht nach dem Verbraucherkreditgesetz durch Zeitablauf bereits verloren hat. Ob und welchen Formerfordernissen des § 4 VerbrKrG der Vertrag über die Übernahme einer Bezugspflicht genügen muß - § 2 VerbrKrG verweist lediglich auf § 4 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 VerbrKrG - und ob gemäß § 6 Abs. 2 VerbrKrG eine etwaige Formnichtigkeit des Übernahmevertrages geheilt werden kann, bedarf auch dann der Prüfung, wenn die übernommene Verpflichtung selbst erst nach Inkrafttreten des Verbraucherkreditgesetzes gemäß §§ 4, 6 VerbrKrG formwirksam begründet worden ist. Eine Verkürzung der Rechte, die das Abzahlungsgesetz gewährt, wenn auch der frühere Vertragspartner über das Recht zum Widerruf seiner Vertragserklärung nicht ordnungsgemäß belehrt worden ist, tritt durch eine Anwendung des Verbraucherkreditgesetzes auf die spätere Vertragsübernahme entgegen der Auffassung der Revision nicht ein (dazu oben II 1).

33

b) Die Wirksamkeit der in dem notariellen Vertrag vom 11. Juli 1991 enthaltenen Erklärungen der Beklagten zur Übernahme der Bierbezugs- und Darlehensverpflichtungen des Streithelfers gegenüber der Klägerin ist daher an den Vorschriften des Verbraucherkreditgesetzes zu messen.

34

aa) Von der in § 1 Abs. 1 VerbrKrG vorausgesetzten und für Verträge nach § 2 VerbrKrG ebenfalls maßgeblichen (dazu Senatsurteil vom 14. Dezember 1994 - VIII ZR 46/94 = WM 1995, 284 unter B II 2 a bb, zur Aufnahme in BGHZ bestimmt) Verbrauchereigenschaft der Beklagten ist auszugehen. Dem festgestellten Sachverhalt ist kein Anhaltspunkt dafür zu entnehmen, daß die Beklagten die Bierbezugspflicht für eine bereits ausgeübte gewerbliche oder selbständige berufliche Tätigkeit übernommen haben. Derartiges hat die dafür darlegungspflichtige (z.B. Ulmer/Habersack, Verbraucherkreditgesetz, 1992, § 2 Rdnr. 43) Klägerin nicht vorgetragen, sie ist im Gegenteil vor und während des Rechtsstreits stets davon ausgegangen, daß die Beklagten bei Abschluß des Grundstückskaufvertrages über ihr Widerrufsrecht nach dem Verbraucherkreditgesetz hätten belehrt werden müssen.

35

bb) Die nach § 7 Abs. 2 Satz 2 VerbrKrG für den Beginn der einwöchigen Widerrufsfrist des § 7 Abs. 1 VerbrKrG erforderliche Widerrufsbelehrung ist bei Vertragsschluß unterblieben und auch später nicht in ordnungsgemäßer Weise nachgeholt worden (dazu oben II 1 a). Die Beklagten haben von ihrem Widerrufsrecht mit den der Klägerin am 17. und 20. Juli 1992 zugegangenen Schreiben wirksam Gebrauch gemacht. Dabei bestehen keine Bedenken dagegen, die Widerrufserklärungen trotz der anderslautenden Formulierung ("... widerrufen ... den Darlehens- und Bierlieferungsvertrag ...") nicht auf den übernommenen Vertrag vom 5. November 1985, sondern auf die Vertragsübernahme selbst zu beziehen (§§ 133, 157 BGB). Die Prozeßbeteiligten und auch die Vorinstanzen haben den Widerruf stets in diesem Sinne verstanden, auch die Revisionserwiderung geht davon aus.

36

cc) Gegen die Wirksamkeit des Widerrufs bestehen keine durchgreifenden Bedenken.

37

aaa) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts gilt der Widerruf nicht deshalb gemäß § 7 Abs. 3 VerbrKrG als nicht erfolgt, weil die Beklagten die von ihnen übernommene Darlehensverbindlichkeit des Streithelfers nicht binnen zweier Wochen nach Erklärung des Widerrufs erfüllt haben. Denn in diesem Rechtsstreit geht es nicht um den Widerruf der auf die Übernahme eines Kreditvertrages im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 VerbrKrG - auf den § 7 Abs. 3 VerbrKrG allein verweist - gerichteten Willenserklärung der Beklagten, sondern um den der Übernahme der Bezugsverpflichtung. Auf die langfristigen Lieferverträge nach § 2 VerbrKrG aber ist § 7 Abs. 3 VerbrKrG nicht anwendbar (z.B. Ulmer/Habersack aaO. § 7 Rdnr. 43; Bruchner/Ott/Wagner-Wieduwilt, Verbraucherkreditgesetz, 2. Aufl., § 2 Rdnr. 2). Nach § 2 VerbrKrG gelten nur die Absätze 1, 2 und 4, nicht aber der Absatz 3 des § 7 VerbrKrG entsprechend. Die Verweisung in § 2 VerbrKrG ist abschließend, so daß sich eine analoge Anwendung von in dieser Bestimmung nicht genannten Vorschriften zu Lasten des Verbrauchers verbietet (zu § 3 Abs. 1 Nr. 2 VerbrKrG vgl. Senatsurteil vom 14. Dezember 1994 aaO. unter B II 2 b bb).

38

bbb) Der Widerruf ist auch noch innerhalb der Einjahresfrist des § 7 Abs. 2 Satz 3 VerbrKrG erfolgt. Denn für den Fristbeginn ist nicht auf den Abschluß des Vertrages vom 11. Juli 1991 durch den vollmachtlosen Vertreter der Beklagten, sondern auf die von ihnen am 25. Juli 1991 abgegebenen Genehmigungserklärungen abzustellen. Für die für den Beginn des Fristablaufs maßgebliche "Abgabe der ... Willenserklärung des Verbrauchers" kommt es entscheidend auf den Zeitpunkt an, zu dem die Erklärung nach dem rechtsgeschäftlichen Willen des Verbrauchers erkennbar so geäußert wird, daß an ihrer Endgültigkeit kein Zweifel möglich ist (zutreffend Graf von Westphalen in: Graf von Westphalen/Emmerich/Keßler, Verbraucherkreditgesetz, 1991, § 7 Rdnr. 40). Das war - für den Streithelfer erkennbar - bei Abschluß des Vertrages vom 11. Juli 1991, bei dem der vollmachtlose Vertreter für die Beklagten "mit dem Versprechen, eine Genehmigung nachzubringen" auftrat, noch nicht der Fall.

39

Etwas anderes folgt auch nicht aus der Rückwirkungsfiktion des § 184 Abs. 1 in Verbindung mit § 177 Abs. 1 BGB. Sie gilt nur im Zweifel ("soweit nicht ein anderes bestimmt ist") und tritt nicht ein, wenn sich aus dem Gesetzeszweck Einschränkungen der Rückwirkung ergeben (z.B. Palandt/Heinrichs, BGB, 54. Aufl., § 184 Rdnr. 2). Ausnahmen von der Rückwirkung der Genehmigung von Verpflichtungsgeschäften werden beispielsweise dort angenommen, wo die Rückwirkung eine unzulässige Verkürzung von Fristen zur Folge hätte (zu Verjährungsfristen z.B. MünchKomm-Schramm, BGB, 3. Aufl., § 184 Rdnr. 12 a; Staudinger/Dilcher, BGB, 12. Aufl., § 184 Rdnr. 9, jeweils m.w.Nachw.; zur Anfechtungsfrist des § 3 AnfG Senatsurteil vom 20. September 1978 - VIII ZR 142/77 = WM 1978, 1237 unter IV 3). So liegt es auch bei der Widerrufsfrist des § 7 VerbrKrG, wobei davon auszugehen ist, daß die Frage der Genehmigungsrückwirkung für die einwöchige Frist nach Absatz 1 und die Jahresfrist nach Absatz 2 Satz 3 - ungeachtet der unterschiedlichen Anknüpfungspunkte für den Fristbeginn - nicht differenzierend beantwortet werden kann. Die einwöchige Widerrufsfrist nach Aushändigung einer dem Gesetz entsprechenden Widerrufsbelehrung soll dem Verbraucher - wie schon nach § 1 b AbzG - die Möglichkeit verschaffen, seine Entscheidung noch einmal zu überdenken und gegebenenfalls rückgängig zu machen (BegrEntw BT-Drucks. 11/5462 S. 21). Durch die zeitliche Beschränkung des Widerrufsrechts auf ein Jahr nach § 7 Abs. 2 Satz 3 VerbrKrG soll eine schwebende Unwirksamkeit auf Dauer vermieden werden (aaO. S. 22); die Jahresfrist gibt damit im Ergebnis dem nicht, unrichtig oder unvollständig belehrten Verbraucher Gelegenheit, zutreffende Kenntnis von seinem Widerrufsrecht zu erlangen und sich sodann über dessen Ausübung schlüssig zu werden. Der Zweck des Gesetzes wäre nicht - jedenfalls nicht vollständig - erreicht, wenn der Fristbeginn im Falle der Genehmigung an das Handeln des vollmachtlosen Vertreters angeknüpft würde. Denn bis zur Genehmigung besteht für eine Überlegungs- und Widerrufsfrist keine Veranlassung. Jeder frühere Fristbeginn muß notwendigerweise zu einer Abkürzung und kann sogar, was im Falle der Wochenfrist besonders deutlich wird, zu einem gänzlichen Abschneiden der Überlegungs- und Widerrufsmöglichkeit für den Verbraucher führen. Dem läßt sich nicht entgegenhalten, der vollmachtlos Vertretene habe ja vor Erteilung der Genehmigung Gelegenheit, seine Entscheidung auch angesichts der Widerruflichkeit des Geschäfts zu überdenken. Dies wird selbst im Falle einer ordnungsgemäßen Widerrufsbelehrung dem Ziel des Gesetzes nicht gerecht, das dem Verbraucher - wie ausgeführt - gerade eine nochmalige und nachträgliche Überlegungsfrist verschaffen will. Bei unterbliebener oder unvollständiger Belehrung hingegen wird der vollmachtlos Vertretene bei Erteilung der Genehmigung oft schon keine Kenntnis von seinem Widerrufsrecht haben.