Bundesgerichtshof
Urt. v. 18.03.1993, Az.: IX ZR 120/92
Rechtsanwaltshaftung; Führung von "Musterprozessen"; Mandatsende; Auftrag zur Rechtswahrung gegenüber vielen Schuldnern; Mandantenhaftung für Rechtsanwaltsfehler; Forderungsmehrheit; Unötige Unterbrechung der Verjährung; Nachverfahren; Vorabentscheidung über Grund bei Teilklage
Bibliographie
- Gericht
- BGH
- Datum
- 18.03.1993
- Aktenzeichen
- IX ZR 120/92
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1993, 15173
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
Fundstellen
- BB 1993, 963-965 (Volltext mit amtl. LS)
- DB 1993, 1284 (Volltext)
- JuS 1993, 1061 (Volltext mit amtl. LS)
- JurBüro 1993, 466 (Kurzinformation)
- MDR 1993, 690-691 (Volltext mit amtl. LS)
- NJ 1993, 382-383 (amtl. Leitsatz)
- NJW 1993, 1779-1782 (Volltext mit amtl. LS)
- VersR 1993, 1523-1525 (Volltext mit amtl. LS)
- WM 1993, 1376-1380 (Volltext mit amtl. LS)
Amtlicher Leitsatz
1. Ein Rechtsanwalt, der von seinem Mandanten beauftragt wird, seine Rechte gegenüber einer Vielzahl von Schuldnern wahrzunehmen, und sich dazu entschließt, zunächst nur "Musterprozesse" gegen einzelne Schuldner zu führen, hat Vorkehrungen zu treffen, daß die Ansprüche gegen die übrigen Schuldner nicht verjähren. Unterläßt er dies, entfällt seine Haftung nicht schon dadurch, daß das Mandat vor Eintritt der Verjährung endet.
2. Darf sich ein Mandant darauf verlassen, daß der von ihm beauftragte Rechtsanwalt (objektiv erforderliche) Maßnahmen zur Unterbrechung der Verjährung für unnötig gehalten hat, und unterliegt ein zweiter Rechtsanwalt, der das Mandat des ersten fortführt, demselben Irrtum, braucht sich der Mandant den Fehler des zweiten Rechtsanwalts im Verhältnis zum ersten nicht als Mitverschulden anrechnen zu lassen.
3. Bei einer Teilklage ist eine Vorabentscheidung über den Grund (§ 304 ZPO) möglich, wenn sich der Gesamtanspruch aus mehreren selbständigen Forderungen zusammensetzt, von denen einzelne unbegründet sind, die übrigen aber erwarten lassen, daß dem Kläger im Nachverfahren ein Betrag zugesprochen wird.
Tatbestand:
Aufgrund eines Vertrages mit der Stadt L. erschloß die Klägerin ein Baugebiet und verkaufte Erbbaurechte an insgesamt 64 Erwerber. Diese verpflichteten sich zur Erstattung der umlagefähigen Erschließungskosten. Im Jahre 1986 wurden die Erschließungsarbeiten beendet und die Erschließungsanlagen auf die Stadt übertragen.
Bei der Durchsetzung ihrer Ansprüche gegen die Erwerber stieß die Klägerin auf Widerstände. Sie nahm deshalb die anwaltliche Hilfe des Beklagten zu 1) in Anspruch. Dieser gehörte seinerzeit ihrem Aufsichtsrat an und ist außerdem Mitglied des Rates der Stadt L. Ob die Mandate lediglich ihm - oder auch seinen Sozii, den Beklagten zu 2) und zu 3) - erteilt wurden und ob sie sämtliche Schuldner der Klägerin, namentlich auch die Stadt L., betrafen, ist zwischen den Parteien streitig.
Im Jahre 1988 erhob der Beklagte zu 1) gegen acht Erwerber Zahlungsklage. Bevor er gegen die weiteren Erwerber vorging, wollte er den Ausgang dieser "Musterverfahren" abwarten. Ende September 1988 wurde das Mandatsverhältnis einvernehmlich aufgelöst. Die Fortführung der eingeleiteten Prozesse übernahmen die erstinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten der Klägerin. Ob sie vor dem 31. Dezember 1988 auch in den bis dahin nicht anhängig gemachten Fällen beauftragt wurden, ist ebenfalls streitig. Als sie später die anderen Erwerber in Anspruch nahmen, beriefen sich diese mit Erfolg auf Verjährung.
Die Klägerin beziffert ihren Schaden auf ca. 480000 DM. Davon entfallen über 250000 DM auf nicht mehr durchsetzbare Erstattungsansprüche gegen die Stadt L. Die Klägerin verlangt von den Beklagten Schadensersatz in Höhe eines Teilbetrages von 41000 DM wegen Verletzung ihrer anwaltlichen Pflichten. Das Landgericht hat die Klage dem Grunde nach zur Hälfte für gerechtfertigt erklärt und sie hinsichtlich der anderen Hälfte abgewiesen. Es hat gemeint, die Beklagten seien für die Verjährung der Ansprüche verantwortlich. Indessen treffe die erstinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten der Klägerin ein gleicher Vorwurf. Deshalb sei die Haftung der Beklagten durch Mitverschulden gemindert.
Die Klägerin hat den bisherigen Prozeßbevollmächtigten daraufhin den Streit verkündet; diese sind auf ihrer Seite dem Rechtsstreit beigetreten.
Auf die Berufung der Klägerin und ihrer Streithelfer hat das Oberlandesgericht die Teilklage dem Grunde nach (ohne Einschränkung) für gerechtfertigt erklärt. Die Berufung der Beklagten hat es zurück- und eine negative Feststellungswiderklage abgewiesen. Dagegen wenden sich die Beklagten mit ihrer Revision.
Entscheidungsgründe
Das Rechtsmittel führt zur Teilaufhebung und Zurückverweisung.
I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, der Anwaltsauftrag sei nicht nur dem Beklagten zu 1), sondern der Anwaltssozietät, der er angehöre, erteilt worden. Ungeachtet der Beendigung des Mandats während noch laufender Verjährungsfrist hätten die Beklagten ihre anwaltlichen Pflichten schuldhaft verletzt, indem sie es unterlassen hätten, die Anspruchsverjährung selbständig zu prüfen und ihren Eintritt zu verhindern. Durch die Einschaltung der Streithelfer der Klägerin noch vor der Verjährung sei der Ursachenzusammenhang zwischen Pflichtverletzung und Schaden nicht unterbrochen worden. Der Klägerin sei mit einer für den Erlaß eines Grundurteils hinreichenden Wahrscheinlichkeit ein Schaden entstanden. Ein eigenes Mitverschulden treffe die Klägerin nicht; eine Pflichtverletzung der Streithelfer müsse sie sich nicht anrechnen lassen. Allenfalls hafteten die Beklagten und die Streithelfer der Klägerin als Gesamtschuldner.
Diese Erwägungen halten den Angriffen der Revision stand.
1. Diese wehrt sich nicht ausdrücklich gegen die Auffassung des Berufungsgerichts, daß die Mandate allen Mitgliedern der Sozietät - und nicht nur dem Beklagten zu 1) allein - erteilt waren und daß demgemäß eine Pflichtverletzung allen Beklagten zuzurechnen ist. Insofern ist auch kein Rechtsfehler erkennbar (vgl. BGHZ 56, 355, 359 f; BGH, Urt. v. 10. März 1988 - III ZR 195/86, WM 1988, 986; Beschl. v. 7. Mai 1991 - XII ZB 18/91, NJW 1991, 2294; Rinsche, Die Haftung des Rechtsanwalts und des Notars 4. Aufl. Rdnr. I 161; Borgmann/Haug, Anwaltshaftung 2. Aufl. § 10. 2 u. § 36. 1; Vollkommer, Anwaltshaftungsrecht 1989 Rdnr. 51). 2. Die Angriffe der Revision sind vornehmlich gegen die Annahme gerichtet, die Beklagten hätten sich einer Pflichtverletzung schuldig gemacht.
a) Daß die Ansprüche der Klägerin auf Erstattung der umlagefähigen Erschließungskosten der zweijährigen Verjährungsfrist nach § 196 Abs. 1 Nr. 1 BGB unterlagen (vgl. BGH, Urt. v. 23. Juni 1981 - V ZR 148/80, NJW 1982, 325; ferner BGHZ 72, 229, 233; 74, 273, 275 [BGH 10.05.1979 - VII ZR 97/78]; 102, 167, 169 [BGH 05.11.1987 - VII ZR 364/86]; BGH, Urt. v. 12. Juli 1979 - VII ZR 159/78, NJW 1979, 2193; v. 12. März 1981 - VII ZR 117/80, NJW 1981, 1665, 1666), zieht die Revision allerdings nicht in Zweifel.
Sie verkennt auch nicht, daß ein Rechtsanwalt nach gefestigter Rechtsprechung im Rahmen des ihm erteilten Anwaltsauftrages verpflichtet ist, den Auftraggeber allgemein, umfassend und möglichst erschöpfend zu belehren, seine Belange nach jeder Richtung wahrzunehmen und die Geschäfte so zu erledigen, daß Nachteile für ihn - soweit sie voraussehbar und vermeidbar sind - vermieden werden (vgl. BGHZ 89, 178, 181 ff; 97, 372, 376 [BGH 17.04.1986 - IX ZR 200/85]; BGH, Urt. v. 10. März 1988 - IX ZR 194/87, NJW 1988, 2113 [BGH 10.03.1988 - IX ZR 194/87]; v. 16. Mai 1991 - IX ZR 181/90, NJW 1991, 2079, 2080; v. 6. Februar 1992 - IX ZR 95/91, NJW 1992, 1159, 1160). Daraus folgt ohne weiteres die Verpflichtung, darauf zu achten, ob dem Mandanten wegen Verjährung ein Rechtsverlust droht, und dem durch geeignete Maßnahmen entgegenzuwirken (vgl. BGH, Urt. v. 17. Dezember 1987 - IX ZR 41/86, NJW 1988, 1079, 1081; v. 19. Dezember 1991 - IX ZR 41/91, NJW 1992, 820 [BGH 19.12.1991 - IX ZR 41/91]).
b) Dieser Verpflichtung sind die Beklagten nicht gerecht geworden.
aa) Die Revision macht geltend, daß die Durchsetzbarkeit der Erstattungsansprüche durch das Gutachten eines Fachmannes - der zu einer dreißigjährigen Verjährungsfrist gelangt sei - habe geklärt werden sollen und daß die Beklagten selbst keine ausdrückliche Stellungnahme zu der Verjährungsfrage abgegeben hätten. Dadurch wird eine Pflichtverletzung indessen nicht in Frage gestellt. Die Verjährungsfrage hatten die Beklagten in eigener Verantwortung zu prüfen. Der sodann als unrichtig zu erkennenden Rechtsauffassung des Gutachters, der über keine überlegene Sachkunde verfügte, hätten sie entgegentreten müssen. Daß sie sich - wie sie behaupten - einer eigenen Stellungnahme enthalten haben, ist ihnen also gerade als Pflichtverletzung vorzuwerfen.
bb) Weiter wendet die Revision ein, eine Pflichtverletzung der Beklagten scheide deshalb aus, weil die Mandate zu einem Zeitpunkt beendet worden seien, als die Verjährung noch nicht eingetreten sei. Auch dies ist unzutreffend.
Daß die Verjährung noch nach Beendigung der Mandate hätte unterbrochen werden können, schließt eine Pflichtverletzung nicht aus. Die Revision hat gewiß recht, wenn sie darauf aufmerksam macht, daß die Beklagten, falls das Mandatsverhältnis bestehengeblieben wäre, "entsprechende Pflichten" auch noch im letzten Quartal des Jahres 1988 hätten erfüllen können (vgl. dazu auch Rinsche, aaO Rdnr. I 196). Das setzt indessen voraus, daß die Pflicht, Vorsorge gegen den Eintritt der Verjährung zu treffen, schon vor Mandatsbeendigung bestanden hat und nicht erfüllt worden ist.
Ein Anwalt, der von seinem Mandanten beauftragt wird, seine Rechte gegenüber einer Vielzahl von Schuldnern wahrzunehmen, und sich aus prozeßtaktischen Gründen dazu entschließt, zunächst nur einen oder einige wenige "Musterprozesse" gegen einen oder einzelne Schuldner zu führen, ist verpflichtet, die Verjährung der Anspruche gegen die übrigen Schuldner im Auge zu behalten und erforderlichenfalls zu verhindern. Hier sind also mehrere Pflichten zu unterscheiden. Die Pflicht zur Unterbrechung der Verjährung ist erst verletzt, wenn die Verjährung entweder bereits eingetreten ist oder so nahe bevorsteht, daß sie aus zeitlichen Gründen nicht mehr unterbrochen werden kann. Die Pflicht, Vorkehrungen zu treffen, damit es nicht zur Verjährung kommt, setzt indessen wesentlich früher an. Sie entsteht in der Regel spätestens dann, wenn ein Rechtsanwalt Dispositionen trifft, die das Risiko der Verjährung erhöhen. Das gilt zum Beispiel, wenn er lediglich eine Teilklage erhebt, für den nicht anhängig gemachten Teil der Forderung (vgl. RG Recht 1933 Nr. 728) oder, wenn gegenüber einem von mehreren Schuldnern eine "Musterklage" erhoben wird, für die Ansprüche gegen die übrigen Schuldner. Es entspricht deshalb anwaltlicher Sorgfalt, möglichst zugleich mit solchen Dispositionen dem im übrigen bestehenden Verjährungsrisiko vorzubeugen. Unterbleibt dies, so liegt darin eine Ursache für den späteren Eintritt der Verjährung. Ein Anwalt, der schon dieser Pflicht zu vorbeugenden Maßnahmen nicht gerecht geworden ist, wird sich deshalb in der Regel nicht darauf berufen können, daß das Mandat vor Eintritt der Verjährung beendet worden ist und daß danach eine Unterbrechung der Verjährung noch möglich gewesen wäre (aber eben nicht stattgefunden hat).
Im vorliegenden Fall konnten die Beklagten bei Mandatsbeendigung nicht erwarten, daß die "Musterprozesse" vor Eintritt der Verjährung - also binnen dreier Monate - abgeschlossen sein würden. Da die Beklagten bisher nichts unternommen hatten, um die nicht rechtshängig gemachten Ansprüche vor einer Verjährung zu sichern, hätten sie jedenfalls jetzt - bei Beendigung der Mandate - die Streithelfer, falls diese die Mandate der Beklagten in vollem Umfang fortführten, andernfalls die Klägerin auf den drohenden Eintritt der Verjährung hinweisen müssen. Das haben sie fahrlässig unterlassen.
3. Wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, wird der Ursachenzusammenhang zwischen der vorstehend dargelegten Pflichtverletzung und dem Schadenseintritt nicht dadurch "unterbrochen", daß die nunmehrigen Streithelfer der Klägerin die Mandate - angeblich in vollem Umfang - aufnahmen und ebenfalls nicht für eine Unterbrechung der Verjährung sorgten.
Eine "Unterbrechung des Ursachenzusammenhangs" kommt nur dann in Betracht, wenn ein Dritter in völlig ungewöhnlicher und unsachgemäßer Weise in den schadensträchtigen Geschehensablauf eingreift und eine weitere Ursache setzt, die den Schaden erst endgültig herbeiführt (BGH, Urt. v. 14. März 1985 - IX ZR 26/84, NJW 1986, 1329, 1331 m. Anm. Reithmann EWiR 1985, 293; v. 7. Januar 1988 - IX ZR 7/87, NJW 1988, 1263 [BGH 07.01.1988 - IX ZR 7/87] m. Anm. Reithmann WuB VIII A. § 19 BNotO 1. 88). Davon kann hier nicht ausgegangen werden. Vielmehr haben die Streithelfer der Klägerin allenfalls den gleichen Fehler gemacht wie die Beklagten.
4. Auch in der Ablehnung eines Mitverschuldens hält das Berufungsurteil den Angriffen der Revision stand.
a) Die Revision weist darauf hin, daß die Klägerin nach Beendigung des Mandatsverhältnisses mit den Beklagten durch die Erhebung der Verjährungseinrede in einem der rechtshängigen Verfahren einen deutlichen Hinweis auf die Zweifelhaftigkeit der von den Beklagten zugrunde gelegten Verjährungsregelung erhalten habe; die Klägerin sei verpflichtet gewesen, dem nachzugehen. Das gelte jedenfalls dann, wenn sie - wie sie behaupte - den Streithelfern vorerst nur Mandate in den Klagverfahren erteilt gehabt habe. Außerhalb des neuen Mandatsverhältnisses habe die Klägerin eine größere Eigenverantwortung gehabt.
Dieser Ansicht tritt der Senat nicht bei. War die Klägerin, als sie von der Erhebung der Verjährungseinrede erfuhr, außerhalb der Klagverfahren ohne anwaltlichen Beistand, so folgt daraus nicht, daß sie die in eigenen Angelegenheiten aufzubringende Sorgfalt vernachlässigt hat, wenn sie es nunmehr unterließ, für die nicht rechtshängigen Sachen prüfen zu lassen, ob etwa verjährungsunterbrechende Maßnahmen erforderlich sind. Sie durfte davon ausgehen, daß die Beklagten diese Frage untersucht hatten und zu einem negativen Ergebnis gelangt waren. Soweit es um die rechtliche Bearbeitung des Falles geht, kommt ein Mitverschulden des Mandanten nicht in Betracht (BGH, Urt. v. 19. Dezember 1991 - IX ZR 41/91 aaO; Rinsche, aaO Rdnr. I 247; Vollkommer, aaO Rdnr. 417).
b) Das Berufungsgericht hat es für möglich gehalten, daß auch den Streithelfern der Klägerin eine schuldhafte Pflichtverletzung vorzuwerfen ist; es hat es aber abgelehnt, diese der Klägerin zuzurechnen. Das hält die Revision für falsch, weil die Klägerin und ihre Erfüllungsgehilfen, die Streithelfer, bis Ende des Jahres 1988 gehalten gewesen seien, ein Versehen der Beklagten, das sich noch nicht ausgewirkt gehabt habe, zu korrigieren.
Da das Berufungsgericht insofern nichts festgestellt hat, ist zugunsten der Revision zu unterstellen, daß die Streithelfer durch die Klägerin von Anfang an in demselben Umfang beauftragt waren wie die Beklagten und ihrerseits durch schuldhafte Pflichtverletzung zum Schadenseintritt beigetragen haben. Sind nacheinander Rechtsanwälte tätig geworden, von denen der erste Rechtsanwalt einen Fehler begangen hat, der vom zweiten nicht erkannt oder doch nicht behoben worden ist und dadurch zu einer Schädigung des Mandanten geführt hat, so ist fraglich, ob sich der den ersten Anwalt in Anspruch nehmende Mandant das Verschulden seines zweiten Anwalts anspruchsmindernd oder gar -ausschließend gemäß §§ 254 Abs. 2, 278 BGB entgegenhalten lassen muß.
Der Revision ist zuzugeben, daß diese Frage vom VI. Senat des Bundesgerichtshofs (vgl. Urt. v. 25. Juni 1974 - VI ZR 18/73, NJW 1974, 1865, 1867; ebenso schon RGZ 167, 76, 80 ff) bejaht worden ist. Bei den Instanzgerichten (vgl. OLG Hamm VersR 1982, 1057; OLG Düsseldorf MDR 1985, 233, 234) [OLG Düsseldorf 25.10.1984 - 8 U 52/84] und im Schrifttum (vgl. Borgmann/Haug, aaO § 30 Bd. 2; Rinsche, aaO Rdnr. I 200; Borgmann AnwBl. 1988, 477, 479) hat diese Auffassung Zustimmung gefunden (a. A. Vollkommer, aaO Rdnr. 324 ff u. 369 ff).
Der erkennende Senat, der inzwischen für die Anwaltshaftung zuständig ist, hat einen vergleichbaren Fall bislang noch nicht zu entscheiden gehabt. Er hat jedoch ausgesprochen, daß verschiedene Personen, die jeweils unabhängig voneinander eine Ursache für einen Schaden gesetzt haben, grundsätzlich auch dann als Gesamtschuldner haften, wenn es sich bei den möglichen Schädigern um verschiedene Organe der Rechtspflege - einen Rechtsanwalt und einen Notar - handelt. Weder darf sich der Rechtsanwalt auf die von Amts wegen bestehenden Prüfungs- und Belehrungspflichten des Notars verlassen, noch darf der Notar von der Erfüllung der ihm obliegenden Prüfungs- und Belehrungspflichten gegenüber den anwaltlich beratenen Beteiligten absehen, solange nicht feststeht, daß diese tatsächlich umfassend informiert sind (BGH, Urt. v. 10. Mai 1990 - IX ZR 113/89, NJW 1990, 2882, 2884). In ähnlicher Weise hat der Senat die Pflichtenkreise von Rechtsanwälten unterschieden, von denen der eine als Prozeßbevollmächtigter und der andere als Verkehrsanwalt tätig wurden. Er hat die rechtliche Selbständigkeit der Mandate betont und hierzu bemerkt, keiner der beiden Anwälte sei in seinem Pflichtenkreis als Erfüllungsgehilfe des anderen im Sinne von § 278 BGB tätig (BGH, Urt. v. 17. Dezember 1987 - IX ZR 41/86, NJW 1988, 1079, 1082; v. 24. März 1988 - IX ZR 114/87, NJW 1988, 3013, 3014; v. 14. November 1991 - IX ZR 31/91, NJW 1992, 836, 837).
Bei nacheinander tätigen Rechtsanwälten ist die Lage nicht von vornherein anders. Zwar ist nicht zu bestreiten, daß den Mandanten nach Eintritt des schädigenden Ereignisses die Obliegenheit treffen kann, den Schaden abzuwenden oder zu mindern (§ 254 Abs. 2 Satz 1 BGB). Dabei findet § 278 BGB entsprechende Anwendung (§ 254 Abs. 2 Satz 2 BGB). Die Auffassung, auf die sich die Revision stützt, berücksichtigt aber nicht hinreichend, daß dies nur dann gelten kann, wenn ein Geschädigter sich der Hilfsperson zur Erfüllung eines Gebotes des eigenen Interesses bedient (BGHZ 3, 46, 49 f; 36, 329, 338; BGH, Urt. v. 23. Juni 1965 - VIII ZR 201/63, NJW 1965, 1757, 1759; v. 29. Oktober 1975 - VIII ZR 103/74, Betrieb 1975, 2426). Für die Zurechnung des Verschuldens eines Dritten im Rahmen des § 254 Abs. 2 Satz 2 BGB ist also stets erforderlich, daß der Geschädigte einem derartigen Gebot unterliegt.
Das ist hier nicht der Fall. Wie oben bereits ausgeführt, durfte sich die Klägerin darauf verlassen, daß die Beklagten die Rechtslage umfassend geprüft und eine Notwendigkeit, zur Unterbrechung der Verjährung tätig zu werden, zutreffend ausgeschlossen hatten. Die Klägerin hatte deshalb aus ihrer Sicht vorerst keinen Anlaß, hinsichtlich der nicht rechtshängig gemachten Ansprüche irgendetwas zu unternehmen. Falls sie gleichwohl die Streithelfer auch insoweit beauftragt haben sollte, hätte sie ein besonderes Maß an Vorsicht an den Tag gelegt. Das darf ihr nicht zum Nachteil gereichen.
Ob etwas anderes zu gelten hat, wenn der zweite Anwalt von dem Mandanten dazu bestellt wird, einen erkannten oder für möglich gehaltenen Fehler des ersten zu beheben, braucht der Senat nicht zu entscheiden. Denn einen derartigen Sachverhalt hat das Berufungsgericht - von der Revision nicht beanstandet - ausgeschlossen.
II. Das Berufungsgericht hat eine Ersatzpflicht der Beklagten auch insoweit bejaht, als der Klägerin gegenüber der Stadt L. zustehende Erstattungsansprüche inzwischen verjährt sind. Es hat dahingestellt sein lassen, ob die Beklagten überhaupt beauftragt waren, Ansprüche gegen die Stadt L. zu prüfen und durchzusetzen. Hätten die Beklagten die Klägerin in den anderen Fällen, auf die sich das Mandat unstreitig erstreckt habe, über die zu beachtende Verjährungsfrist (zutreffend) beraten, wäre die Klägerin nach Meinung des Berufungsgerichts insgesamt - also auch bezüglich der gegen die Stadt L. gerichteten Ansprüche - tätig geworden. Der Schaden, welcher der Klägerin dadurch entstehe, daß sich nun auch die Stadt L. auf Verjährung berufe, wäre dann vermieden worden.
Diese Ausführungen rügt die Revision mit Recht als fehlerhaft.
1. Ersatz kann nur für solche Schadensfolgen verlangt werden, die innerhalb des Schutzbereichs der verletzten Norm liegen. Dieser Grundsatz gilt in gleicher Weise für die Verletzung vertraglicher Pflichten; auch hier sind nur solche Nachteile zu ersetzen, zu deren Abwendung die verletzte Vertragspflicht übernommen worden ist (BGH, Urt. v. 30. Januar 1990 - XI ZR 63/89, NJW 1990, 2057, 2058; v. 17. Oktober 1990 - IV ZR 187/89, NJW-RR 1991, 627, 629). Waren die Ansprüche gegen die Stadt L. von dem Mandat der Beklagten nicht umfaßt, richtete sich die vertragliche Hauptpflicht nicht darauf, Ansprüche gegen die Stadt zu sichern und durchzusetzen.
2. Das Berufungsgericht entnimmt allerdings dem Mandatsvertrag die Nebenpflicht, den Mandanten darauf hinzuweisen, daß neben den Ansprüchen, die unstreitig Gegenstand des Auftrags waren, auch solche gegen die Stadt L. zu verjähren drohten.
Das ist - wie der Revision zuzugeben ist - rechtsirrig. Ob eine Beratungspflicht immer "nur in den Grenzen des konkreten Mandats" besteht (vgl. BGH, Urt. v. 17. Dezember 1987 - IX ZR 41/86, NJW 1988, 1079, 1080 f), mag offenbleiben. Sie scheidet jedenfalls dann aus, wenn der mögliche Gegenstand der Beratung bei der Auftragserteilung ausdrücklich ausgeklammert worden ist. Nach dem Vortrag der Beklagten - von dem in der Revisionsinstanz auszugehen ist - war ihnen ein Mandat hinsichtlich der Ansprüche gegen die Stadt L. mit Bedacht nicht übertragen worden, weil der Beklagte zu 1) als Mitglied des Rates der Stadt nicht in einen Interessenwiderstreit geraten sollte. Dann waren sie auch nicht verpflichtet, die Klägerin insoweit zu beraten. Daran ändert nichts, daß es sich bei der Verfolgung der Ansprüche auf Erstattung der Erschließungskosten um einen "einheitlichen Sachkomplex" gehandelt haben soll (woraus die Ansprüche gegen die Stadt letztlich herrührten, hat das Berufungsgericht nicht aufgeklärt).
Die Verjährung dieser Ansprüche liegt dann nicht im Verantwortungsbereich der Beklagten, selbst wenn ein adäquater Ursachenzusammenhang gegeben sein mag.
III. Der Fehler des Berufungsgerichts betrifft nur die Abweisung der Widerklage.
1. Das Grundurteil zur Klage ist rechtsfehlerfrei ergangen.
Auch bei einer Teilklage ist eine Vorabentscheidung über den Grund (§ 304 ZPO) möglich, weil der Streitgegenstand quantitativ umgrenzt ist. Setzt sich der Gesamtanspruch aus mehreren selbständigen Forderungen zusammen, die in einer bestimmten Reihenfolge der Teilklage zugrunde gelegt werden, und sind einzelne Forderungen schlechthin - auch dem Grunde nach - unbegründet, so kann - anders als im Falle der Klagehäufung (vgl. BGHZ 89, 383, 388) - gleichwohl ein Grundurteil ergehen, sofern zu erwarten ist, daß dem Kläger jedenfalls auf die anderen Forderungen im Nachverfahren ein Betrag zuzusprechen sein wird (vgl. BGH, Urt. v. 28. Mai 1968 - VI ZR 37/67, NJW 1968, 2105 f). Das ist im vorliegenden Fall bei dem Verhältnis der Werte der möglicherweise unbegründeten Einzelforderung (ca. 250000 DM) zu dem Gesamtschaden (ca. 480000 DM) und der Höhe der Teilklage (41000 DM) zu bejahen.
2. Das Berufungsgericht ist offensichtlich davon ausgegangen, daß die Stadt L. zu den "64 Erwerbern" gehört, denen gegenüber die Klägerin Rechtsverluste infolge Verjährung erlitten haben will. Falls dies zutrifft und die Beklagten wegen der nicht mehr durchsetzbaren Ansprüche der Klägerin gegenüber der Stadt L. keinen Schadensersatz schulden, kann die Widerklage nicht in vollem Umfang abgewiesen werden.
IV. In dem Umfang, in dem die Klägerin einen Rechtsverlust gegenüber der Stadt L. den Beklagten zur Last legt, ist die Abweisung der Widerklage somit aufzuheben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen. Dabei wird das Berufungsgericht zunächst zu prüfen haben, ob die angeblichen Ansprüche der Klägerin gegen die Stadt L. überhaupt Gegenstand der Widerklage sind. In der Klageschrift ist nur davon die Rede, daß gegen einen Teil von insgesamt 64 "Anliegern" oder "Erwerbern" wegen schuldhafter Pflichtverletzung der Beklagten Ansprüche nicht mehr durchsetzbar seien. Auch die Widerklage bezieht sich nur auf "Erschließungskostenerstattungsansprüche für das Bebauuungsgebiet L. - Land Nr. 8 gegen insgesamt 64 Erwerber". Wieso die - in der Klageschrift noch gar nicht erwähnte - Stadt L. zu den "Anliegern" oder "Erwerbern" gehöre, wird nicht deutlich. Zur näheren Bestimmung der erhobenen Teilklage wurde auf eine - als Anlage zur Klageschrift vorgelegte - "Aufstellung über die offenen Forderungen gegen die einzelnen Erwerber" Bezug genommen (GA 10). In dieser Liste ist aber die Stadt L. nicht erkennbar aufgeführt.
Andererseits hat die Klägerin vorgetragen, daß sie dem Beklagten zu 1) für dessen anwaltliche Tätigkeit "eine Gesamtaufstellung der schon bekannten Art" übergeben habe, "in der einzeln aufgeführt" gewesen sei , "was die einzelnen Erwerber einschließlich der Stadt L. bereits gezahlt" gehabt hätten "und was sie... noch (hätten) zahlen" müssen (GA 254). Laut Berichterstattervermerk hat die Klägerin im Termin der mündlichen Verhandlung über die Berufung nochmals vorgebracht, daß "in dem geltend gemachten Gesamtschaden... auch ein gegen die Stadt L. nicht mehr durchsetzbarer Anspruch enthalten" sei; dieser belaufe sich auf über 200000 DM (GA 297). Dieser Vortrag war offensichtlich unstreitig. Bereits in der Klageerwiderung haben sich die Beklagten dagegen verwahrt, Mandate gegen die Stadt L. übernommen zu haben (GA 33; vgl. auch GA 195, 242). Im übrigen haben sie - in den nicht nachgelassenen Schriftsätzen vom 2. April 1992 (GA 286) und 24. April 1992 (GA 292) - der Klägerin darin zugestimmt, daß "ein wesentlicher Betrag (der geltend gemachten Schadensersatzansprüche)... auf die angeblichen Mandate gegen die Stadt L." entfalle. Dem wird das Berufungsgericht nachgehen müssen.
Sollte die Widerklage auch Ansprüche der Klägerin gegen die Stadt L. erfassen, wird das Berufungsgericht Feststellungen dazu treffen müssen, ob die Beklagten insoweit beauftragt waren und woraus sich diese Ansprüche ergeben.