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Bundesgerichtshof
Urt. v. 10.10.1991, Az.: IX ZR 38/91

Regreßpflichtigkeit des Rechtsanwalts; Revisionsklagestattgebung; Vorzeitige Bereiterklärung zum Ersatz

Bibliographie

Gericht
BGH
Datum
10.10.1991
Aktenzeichen
IX ZR 38/91
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1991, 14210
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Fundstellen

  • HFR 1992, 734-735 (Volltext mit amtl. LS)
  • JuS 1992, 522 (Volltext mit red. LS)
  • MDR 1992, 297-298 (Volltext mit amtl. LS)
  • NJW 1992, 436-438 (Volltext mit amtl. LS)
  • VersR 1992, 762-764 (Volltext mit red. LS)
  • WM 1992, 276-279 (Volltext mit amtl. LS)

Amtlicher Leitsatz

1. Der Rechtsanwalt hat in der Regel ein rechtliches Interesse an alsbaldiger Feststellung, demjenigen nicht regreßpflichtig zu sein, der ihm angekündigt hat, er müsse ihn bei ungünstigem Ausgang der rechtlichen Auseinandersetzung mit einem Dritten für mögliche Schäden in Anspruch nehmen, und ihn zugleich aufgefordert hat, sich bereits jetzt zum Ersatz bereit zu erklären.

2. Das Revisionsgericht kann einer vom Berufungsgericht zu Unrecht als unzulässig abgewiesenen Klage stattgeben, wenn das Streitverhältnis keiner weiteren Aufklärung bedarf.

Tatbestand:

1

Die klagenden Rechtsanwälte begehren die Feststellung, daß den Beklagten gegen sie keine Schadensersatzansprüche wegen fehlerhafter Beratung im Zusammenhang mit der am 22. Juni 1983 beschlossenen Umwandlung der Kommanditgesellschaft A. GmbH & Co. in die A. GmbH (fortan: A.) sowie wegen Inanspruchnahme der beklagten Gesellschafter auf Einzahlung ihrer Stammeinlage zustehen. Die Kläger entwarfen unter anderem den Gesellschaftsvertrag der GmbH und stellten ihre gesamte die Umwandlung betreffende Tätigkeit am 13. Juli 1983 in Rechnung.

2

Die ursprüngliche, von einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft testierte Umwandlungsbilanz wies stille Reserven von mehr als 25.000.000 DM aus. Diese Summe zuzüglich des Kapitals der A. KG in Höhe von 2.000.000 DM genügte für die Tilgung des Verlustvortrags von 16.385.000 DM und für das gesamte Stammkapital der GmbH von 10.000.000 DM. Die nach dem Ausscheiden von zwei früher maßgeblich beteiligten Gesellschaftern neu gebildete Geschäftsführung beauftragte im Frühjahr 1988 eine andere Wirtschaftsprüfungsgesellschaft mit der Überprüfung der Wertansätze in der Umwandlungsbilanz. Diese gelangte zu dem Ergebnis, das Vermögen der Gesellschaft sei dort um ca. 15, 6 Mio DM zu hoch ausgewiesen worden. Darauf verlangte die A. mit Schreiben vom 15. Juni 1988 von den Gesellschaftern die Einzahlung der Stammeinlage, die sich beim Beklagten zu 1), einem Sohn des Beklagten zu 2), auf 384.725 DM und beim Beklagten zu 2) auf 5.358.632, 70 DM beläuft. Der Beklagte zu 1) erklärte sich unter bestimmten, mit der A. vereinbarten Voraussetzungen zur Zahlung bereit. Den Beklagten zu 2) nahm die Gesellschaft, vertreten durch die Kläger, gerichtlich in.Anspruch. Dieser Rechtsstreit ist noch nicht abgeschlossen. Die A. stützt ihre Forderung auf § 9 GmbHG sowie § 3 Ziff. 5 des Gesellschaftsvertrages. Der Eingangssatz dieser Bestimmung lautet:

3

Werden die in der Umwandlungsbilanz ausgewiesenen Aktiva infolge einer späteren Betriebsprüfung, Bilanzänderung oder Bilanzberichtigung, die auch handelsrechtlich zwingend ist, abweichend bewertet, sind die Gesellschafter verpflichtet, Nachschüsse in Höhe des Unterschiedsbetrages zu ihrer Stammeinlage wie folgt zu leisten: ...

4

Am 1. Juli 1988 wandte sich der Beklagte zu 2) brieflich mit Einschreiben-Rückschein an die Kläger. Das Schreiben lautet auszugsweise:

5

Sehr geehrte Herren,

6

bei Vorbereitung der Umwandlung der früheren KG in eine GmbH wurden Gesellschaft und Gesellschafter von Herrn Rechtsanwalt Dr. v. H. in rechtlicher Hinsicht beraten. Der Entwurf der Texte stammte aus Ihrem Haus. Die Gesellschaft vertritt jetzt, unterstützt von Herrn Dr. v. H., die Ansicht, daß sich aus den Texten eine gegenüber § 9 GmbHG erweiterte Haftung der einbringenden Gesellschafter ergibt.

7

Obgleich ich die Textauslegung der Gesellschaft für absurd halte, zumal bereits § 9 GmbHG den gutgläubigen Inferenten eher drakonisch behandelt, muß ich Sie rein vorsorglich - auch namens meines Sohnes Bernhard - für mögliche Schäden aus Beratungsfehlern sowie aus Ihrem jetzigen Verhalten in der Diskussion mit der Geschäftsleitung in Anspruch nehmen. Ich bitte Sie, mir bis zum 31. Juli 1988 mitzuteilen, daß Sie bereit sind, für derartige Schäden aufzukommen.

8

...

9

Die Kläger erwiderten, ein Mandatsverhältnis mit den Beklagten habe nie bestanden, und forderten den Beklagten zu 2) unter Fristsetzung bis 15. Juli 1988 auf, zugleich für seinen Sohn zu erklären, daß er sich keinerlei Regreßansprüche wegen dieses Sachverhalts berühme. Die Beklagten erklärten hierauf mündlich, sie sähen einer Klage freudig entgegen.

10

Die daraufhin erhobene negative Feststellungsklage ist in den Vorinstanzen als unzulässig abgewiesen worden. Mit der Revision verfolgen die Kläger ihr Begehren weiter.

Entscheidungsgründe

11

Die Revision hat Erfolg; sie führt zur antragsgemäßen Verurteilung der Beklagten.

12

I. Das Berufungsgericht hat ebenso wie das Landgericht ein rechtliches Interesse der Kläger an der beantragten Feststellung verneint: In dem Schreiben vom 1. Juli 1988 hätten die Beklagten nicht konkret behauptet, ihnen stünden Schadensersatzansprüche gegen die Kläger zu. Durch die Verwendung der Worte "rein vorsorglich" und "mögliche Schäden" sei hinreichend zum Ausdruck gebracht, daß sie seinerzeit noch nicht von bestimmten Ansprüchen ausgegangen seien. Das Schreiben enthalte daher nur den vorsorglichen Hinweis darauf, daß man bei einer für sie ungünstigen Entscheidung zur Zahlungspflicht mögliche Ersatzansprüche auch gegen die Kläger prüfen werde. Dies hätten die Beklagten zudem im vorliegenden Rechtsstreit klargestellt. Die Situation der Kläger nach Erhalt des Schreibens sei derjenigen eines Streitverkündungsempfängers vergleichbar, demgegenüber ebenfalls lediglich eine Anspruchsprüfung angekündigt werde. Soweit die Kläger darüber hinaus - allerdings kaum ausreichend substantiiert - auf Erklärungen der Beklagten in Gegenwart Dritter bei Gesellschafterversammlungen verwiesen, könne auch insoweit in Anbetracht der im Rechtsstreit abgegebenen Erklärungen von einer Anspruchsberühmung nicht ausgegangen werden.

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II. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Wie die Revision zutreffend rügt, überspannt das Berufungsgericht die Anforderungen, die gemäß § 256 Abs. 1 ZPO an die Zulässigkeit einer negativen Feststellungsklage zu stellen sind.

14

1. Ein rechtliches Interesse an einer alsbaldigen Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses ist gegeben, wenn dem Recht oder der Rechtslage eine gegenwärtige Gefahr der Unsicherheit droht und das erstrebte Urteil geeignet ist, diese Gefahr zu beseitigen (BGHZ 69, 144, 147; BGH, Urt. v. 9. Juni 1983 - III ZR 74/82, NJW 1984, 1118; Urt. v. 7. Februar 1986 - V ZR 201/84, NJW 1986, 2507). Eine solche Gefährdung liegt in der Regel schon darin, daß der Beklagte sich eines.Anspruchs gegen den Kläger berühmt (BGH, Urt. v. 13. Juni 1971 - VI ZR 275/69, LM ZPO § 256 Nr. 99; Urt. v. 4. Oktober 1984 - III ZR 50/83, VersR 1985, 39). In diesem Falle kommt es nicht darauf an, ob der Gegner behauptet, bereits jetzt eine durchsetzbare Forderung gegenüber dem Kläger zu besitzen. Dessen Rechtsstellung ist schutzwürdig betroffen, wenn geltend gemacht wird, aus dem bestehenden Rechtsverhältnis könne sich unter bestimmten Voraussetzungen, deren Eintritt noch ungewiß ist, ein Ersatzanspruch gegen ihn ergeben. § 256 ZPO ermöglicht sogar die Feststellung eines betagten oder bedingten Rechtsverhältnisses (BGHZ 28, 225, 234; BGH, Urt. v. 8. Juli 1983 - V ZR 48/82, NJW 1984, 2950). Die Vorschrift erlaubt daher erst recht die Klärung angeblich schon bestehender Rechtsbeziehungen, wenn die daraus in Betracht kommenden Ansprüche noch von einer Bedingung abhängig sind (BGHZ 4, 133, 135; BGH, Urt. v. 7. Februar 1986 aaO.). Demgegenüber enthält die bloße Ankündigung, unter bestimmten Voraussetzungen in eine Prüfung einzutreten, ob ein Anspruch gegen den Betroffenen besteht, noch keinen ernsthaften und hinreichend bestimmten Eingriff in dessen Rechtssphäre, der alsbaldiges Interesse an gerichtlicher Klärung eines Rechtsverhältnisses der Parteien zu begründen vermag.

15

2. Als einen solchen unverbindlichen Hinweis hat das Berufungsgericht den Brief des Beklagten zu 2) vom 1. Juli 1988 verstanden. Seine Auslegung verletzt indes § 133 BGB, weil sie sich mit Wortlaut und Inhalt des Schreibens nur bruchstückhaft befaßt und die damit erstrebten Wirkungen nicht hinreichend beachtet.

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a) Das Berufungsgericht stützt seine Auslegung hauptsächlich auf die Worte "rein vorsorglich" und "mögliche Schäden". Diesen Begriffen wird ein überzogener Aussagegehalt zugeordnet, weil der Sinnzusammenhang, in dem der Beklagte zu 2) diese Worte verwendet hat, unberücksichtigt bleibt. Der Beklagte hat erklärt, er müsse die Kläger rein vorsorglich für mögliche Schäden aus Beratungsfehlern in Anspruch nehmen. Dieser Hinweis ging nach Wortsinn und allgemeinem Sprachgebrauch über die Ankündigung einer bloßen Prüfung, ob ein Anspruch eventuell besteht, erheblich hinaus. Mit den Worten "rein vorsorglich" und "mögliche Schäden" brachte das Schreiben lediglich die zufolge der eigenen Rechtsauffassung zum Zahlungsbegehren der A. selbstverständliche Einschränkung zum Ausdruck, eine Forderung gegen die Kläger werde nur im Falle eines für die Beklagten ungünstigen Ausgangs der rechtlichen Auseinandersetzung mit der Gesellschaft erhoben. Das Berufungsurteil zeigt keine Umstände auf, die seine außerhalb des eindeutigen Wortlauts dieser Erklärung liegende Deutung nachvollziehbar erscheinen lassen. Seine Auslegung ist daher rechtsfehlerhaft und für das Revisionsgericht nicht bindend.

17

b) Da nach dem beiderseitigen Parteivorbringen keine weiteren, tatrichterlich aufzuklärenden Tatsachen in Betracht kommen, kann das Revisionsgericht das Schreiben vom 1. Juli 1988 selbst auslegen (vgl. BGH, Urt. v. 14. Dezember 1990 - V ZR 223/89, NJW 1991, 1180, 1181) [BGH 04.12.1990 - XI ZR 310/89].

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aa) Der Beklagte zu 2) bringt darin zum Ausdruck, die Beklagten könnten Regreßansprüche gegen die Kläger erheben, wenn sie Zahlungen auf die von der Gesellschaft erhobene Forderung leisten müßten. Das geht einmal aus der Ankündigung, unter den vorgenannten Voraussetzungen müsse er die Kläger in Anspruch nehmen, hervor. Auch die mit Fristsetzung verbundene Aufforderung, die Kläger möchten ihre Bereitschaft, für solche Schäden aufzukommen, mitteilen, gibt nur bei einem solchen Verständnis des Schreibens einen Sinn; denn das Verlangen nach einem Anerkenntnis setzt voraus, daß der Auffordernde bereits einen Anspruch - mag dessen Entstehung auch vom Eintritt zukünftiger ungewisser Ereignisse abhängig sein - behauptet.

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bb) Die Interessenlage der Kläger war infolgedessen entgegen der Meinung des Berufungsgerichts mit derjenigen eines Streitverkündungsempfängers nicht vergleichbar. Die Streitverkündung enthält die formelle Benachrichtigung eines Dritten über den Stand eines Rechtsstreits, dessen Ausgang für jenen von rechtlicher Bedeutung sein kann. Sie eröffnet ihm die Möglichkeit, dem Prozeß zur Unterstützung beizutreten und auf diese Weise zugleich die in Betracht kommenden eigenen Interessen bestmöglich zu wahren. Freilich bezweckt derjenige, der die Streitverkündung erklärt, damit in erster Linie, zu seinen Gunsten die Interventionswirkung (§§ 74 Abs. 3, 68 ZPO) gegenüber dem Streitverkündungsempfänger auszulösen. Nach Inhalt und Funktion beschränkt sich die dem Dritten nach §§ 72, 73 ZPO zuzustellende Schrift jedoch auf eine rein prozeßrechtliche Wirkung. Sie enthält keine Aufforderung an den Empfänger zu einer Erklärung bezüglich seiner materiellen Einstandspflicht oder gar zu einem Anerkenntnis derselben. Die Erwägungen, mit denen das Reichsgericht es abgelehnt hat, aus einer Streitverkündung ein rechtliches Interesse des Adressaten an der Erhebung einer negativen Feststellungsklage herzuleiten (RGZ 82, 170; vgl. auch RG JW 1921, 528), treffen auf das Schreiben des Beklagten zu 2) vom 1. Juli 1988 mit dem dort gestellten Begehren folglich nicht zu.

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cc) Schließlich wurden die Kläger von dem genannten Schreiben besonders betroffen, weil sie von der A. mit der Durchsetzung der Zahlungsansprüche gegen die Beklagten beauftragt sind, von jenen aber der Erfolg dieses Begehrens gerade zur Voraussetzung der angekündigten Regreßansprüche erhoben wurde. Die Kläger mußten folglich aufgrund dieses Schreibens davon ausgehen, die erfolgreich betriebene Wahrnehmung der Interessen ihrer Auftraggeberin könne zur Folge haben, daß sie sich gegen Schadensersatzansprüche der Beklagten in beträchtlicher Höhe verteidigen müssen. Damit entstand für sie die Gefahr, zumindest aus der Sicht ihrer Auftraggeberin eventuell in eine Interessenkollision zu geraten und deshalb in der Führung des erteilten Mandats behindert oder gar zu dessen Fortsetzung außerstande zu sein. Auch aus diesem Grunde hatten die Kläger nach Erhalt des Schreibens vom 1. Juli 1988 und der negativen Reaktion auf ihren Antwortbrief vom 7. Juli 1988 ein berechtigtes Interesse an alsbaldiger Klärung des vom Beklagten zu 2) angesprochenen rechtlichen Sachverhalts.

21

3. Das Feststellungsinteresse der Kläger ist nicht nachträglich aufgrund der prozessualen Einlassung der Beklagten, sie behaupteten keinen Anspruch gegen die Kläger, sondern wollten lediglich unter bestimmten Voraussetzungen einen solchen gegen sie prüfen, entfallen. Auf diese einseitig abgegebene Erklärung, an die die Beklagten nicht gebunden sind, brauchen die Kläger sich schon deshalb nicht einzulassen, weil die Beklagten damit von dem Inhalt des Briefes vom 1. Juli 1988 nicht eindeutig abgerückt sind, ihn vielmehr nur in ihrem Sinne interpretiert haben. Die Kläger haben aufgrund der durch das Schreiben des Beklagten zu 2) bewirkten Unsicherheit weiterhin ein berechtigtes Interesse, Rechtssicherheit durch eine rechtskraftfähige Entscheidung zu erhalten (vgl. BGH, Urt. v. 1. Februar 1988 - II ZR 152/87, WM 1988, 402, 403; auch Urt. v. 9. Oktober 1986 - I ZR 158/84, GRUR 1987, 125, 126; Urt. v. 5. November 1987 - I ZR 212/85, GRUR 1988, 313).

22

4. Besteht das Feststellungsinteresse im Sinne des § 256 ZPO somit schon aufgrund des Schreibens vom 1. Juli 1988, braucht nicht mehr darauf eingegangen zu werden, ob die Kläger durch Äußerungen der Beklagten in den Gesellschafterversammlungen gegenüber Dritten in ihrer beruflichen Stellung beeinträchtigt worden sind (vgl. dazu BGH, Urt. v. 4. Oktober 1984 - III ZR 50/83, VersR 1985, 39).

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III. Die Feststellungsklage ist daher zulässig. Einer Zurückverweisung an das Berufungsgericht bedarf es nicht, denn der Senat ist in der Lage, eine eigene Sachentscheidung zu treffen (§ 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO).

24

1. Hat die Vorinstanz die Klage als unzulässig abgewiesen, so ist es dem Revisionsgericht trotz fehlender tatrichterlicher Ausführungen zur Begründetheit des erhobenen Anspruchs nicht schlechthin verwehrt, selbst in der Sache zu entscheiden. § 565 Abs. 3 ZPO bringt den allgemeinen prozeßrechtlichen Grundsatz, von einer Zurückverweisung abzusehen, wenn der Rechtsstreit bereits zur Endentscheidung reif ist, im Revisionsrecht zur Geltung. Das Revisionsgericht kann auf die sachliche Berechtigung der Klage eingehen, wenn das Berufungsurteil einen Sachverhalt ergibt, der für die rechtliche Beurteilung eine verwertbare tatsächliche Grundlage bietet, und bei Zurückverweisung der Sache ein anderes Ergebnis nicht möglich erscheint. Der Bundesgerichtshof hat folglich schon mehrfach eine vom Berufungsgericht zu Unrecht als unzulässig behandelte, in jeder Hinsicht unschlüssige Klage als unbegründet abgewiesen (BGHZ 33, 398, 401;  46, 281, 284;  BGH, Urt. v. 14. März 1978 - VI ZR 68/76, NJW 1978, 2031, 2032; Urt. v. 11. Januar 1990 - IX ZR 27/89, NJW 1990, 990, 992) und in einem Falle der Klage auch stattgegeben, weil das Revisionsgericht dem Urteil denselben unstreitigen Sachverhalt zugrunde legen konnte, auf dem die Prozeßabweisung beruhte (BGH, Urt. v. 5. Dezember 1975 - I ZR 122/74, WM 1976, 164, 165).

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Diese Befugnis besteht nicht nur dann, wenn sich das Klagebegehren auf ein in allen Teilen unstreitiges Geschehen gründet. Vielmehr genügt es, daß die streitigen Tatsachen nicht mehr entscheidungserheblich werden können und das Streitverhältnis nicht nach §§ 139, 278 Abs. 3 ZPO weiterer Aufklärung bedarf. Hätte das Berufungsgericht bei zutreffender verfahrensrechtlicher Behandlung der Klage sofort eine Entscheidung in der Sache treffen können, besteht keine Veranlassung, den Parteien durch eine Zurückverweisung Gelegenheit zur weiteren Ergänzung ihres Vorbringens zu geben. In einem solchen Falle hat nunmehr das Revisionsgericht die Entscheidung zu treffen, die an sich schon in der Berufungsinstanz hätte ergehen müssen.

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2. Eine solche Sachbehandlung ist im Streitfall geboten; denn durchsetzbare Regreßansprüche der Beklagten kommen unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt in Betracht.

27

a) Ob die Beklagten die Verletzung einer den Gesellschaftern geschuldeten Beratungspflicht aus Anlaß der Umwandlung der KG hinreichend dargetan haben, kann dahingestellt bleiben. Jedenfalls wäre ein daraus hergeleiteter Anspruch verjährt. Die Kläger haben sich in den Tatsacheninstanzen auch auf Verjährung berufen.

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Gemäß § 51 BRAO verjährt der Schadensersatzanspruch gegen den Anwalt spätestens in drei Jahren nach der Beendigung des Auftrags, unabhängig davon, ob der Auftraggeber zu diesem Zeitpunkt Kenntnis von der Pflichtverletzung und dem Eintritt eines Schadens besaß. Das gilt nicht nur für den Primär-, sondern auch für einen eventuellen Sekundäranspruch (BGHZ 94, 380, 390 [BGH 23.05.1985 - IX ZR 102/84]; BGH, Urt. v. 1. Oktober 1987 - IX ZR 202/86, NJW 1988, 265, 266), dessen notwendige Voraussetzungen, insbesondere eine weitere schuldhafte Pflichtverletzung der Anwälte, die Beklagten im übrigen nicht dargelegt haben. Die Kläger haben unbestritten vorgetragen, das die Beratung bei der Umwandlung der Gesellschaft betreffende Mandat sei mit Erstellung der Rechnung vom 13. Juli 1983 beendet gewesen. Die Parteien haben zur Begründetheit der Klage in den Tatsacheninstanzen umfassend vorgetragen. Die gesamte Einlassung der Beklagten liefert keine Anhaltspunkte dafür, daß ihr Vorbringen zum Zeitpunkt der Auftragsbeendigung unvollständig ist und sie bei einem Hinweis nach § 139 ZPO in der Lage gewesen wären, es in entscheidungserheblicher Weise zu ergänzen. Bei Beginn der Auseinandersetzung der Parteien im Frühjahr 1988 war die Verjährungsfrist des § 51 BRAO folglich längst abgelaufen.

29

b) Die konkret erhobenen Vorwürfe der Beklagten beziehen sich ausschließlich auf den Zeitpunkt der Umwandlung. Zur Vertretung der A. GmbH im Rechtsstreit um die Differenzhaftung haben die Beklagten lediglich erklärt, die Kläger verfolgten damit nicht die objektiven Interessen der Gesellschaft, sondern ihre eigenen sowie diejenigen des heutigen Mehrheitsgesellschafters, und begingen Parteiverrat. Dieses Vorbringen genügt nicht, um einen möglichen Schadensersatzanspruch schlüssig darzulegen.

30

Ob das Vorgehen der Kläger geeignet ist, der A. GmbH wirtschaftliche Nachteile zuzufügen, kann dahingestellt bleiben; denn die Beklagten haben ausdrücklich erklärt, Regreßansprüche kämen nur in Betracht, wenn es der A. gelinge, die jetzt gegen sie erhobenen Forderungen durchzusetzen. Sind diese aber begründet, so ergibt die Darstellung der Beklagten nicht, daß sie wirtschaftlich günstiger ständen, wenn die Kläger das Mandat nicht übernommen hätten; denn sie behaupten nicht, daß die A. die Ansprüche ohne deren Mitwirkung nicht geltend gemacht hätte. Die Beklagten vermögen folglich eine Ursächlichkeit des jetzigen Verhaltens der Kläger für den in Betracht kommenden Schaden nicht aufzuzeigen. Aus diesem Grunde kommt es auch nicht darauf an, ob die Wahrnehmung der Interessen der A. den Tatbestand des Parteiverrats erfüllt und § 356 StGB ein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB darstellt (verneinend Palandt/Thomas, BGB 50. Aufl. § 823 Rdnr. 154; Staudinger/Schäfer, BGB 12. Aufl. § 823 Rdnr. 601; Frank MDR 1962, 945).

31

An der den Beklagten obliegenden Darlegungs- und Beweislast hat sich dadurch nichts geändert, daß die Kläger negative Feststellungsklage erhoben haben (vgl. BGH, Urt. v. 17. Mai 1977 - VI ZR 174/74, NJW 1977, 1637). Die Kläger haben mehrfach die Unschlüssigkeit des Vorbringens der Beklagten gerügt. Die Tatrichter waren zu weiteren Hinweisen nicht verpflichtet. Sie haben auch nicht etwa zum Ausdruck gebracht, daß sie den Vortrag der Beklagten für schlüssig halten (vgl. BGH, Urt. v. 31. Oktober 1986 - V ZR 61/80, NJW 1987, 1142, 1143).

32

Mit dieser Auffassung setzt sich der Senat nicht in Widerspruch zu dem Urteil des XI. Zivilsenats vom 4. Juli 1989 - XI ZR 45/88, BGHR ZPO § 565 Abs. 3 Sachentscheidung 1. Diesem lag ein anderer Sachverhalt zugrunde; denn dort bedurfte es noch der tatrichterlichen Entscheidung, ob das neue Vorbringen in der Berufungsinstanz zuzulassen oder als verspätet zurückzuweisen war.