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Bundesgerichtshof
Urt. v. 02.07.1991, Az.: XI ZR 206/90

Gerichtsstand; Vermögensbelegenheit; Inlandsbezug

Bibliographie

Gericht
BGH
Datum
02.07.1991
Aktenzeichen
XI ZR 206/90
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1991, 14027
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Fundstellen

  • BGHZ 115, 90 - 99
  • DB 1991, 2238 (amtl. Leitsatz)
  • DZWIR 1991, 245-249 (Volltext mit amtl. LS)
  • DZWIR 1991, 239-243 (Urteilsbesprechung von RA Rolf A. Schütze)
  • IPRax 1992, 140-143 (Urteilsbesprechung von Prof. Dr. Peter Schlosser)
  • IPRax 1992, 160-164 (Volltext mit amtl. LS)
  • IPRspr 1991, 166
  • JZ 1992, 51-54 (Volltext mit amtl. LS)
  • JuS 1992, 349 (Volltext mit amtl. LS)
  • MDR 1991, 988 (Volltext mit amtl. LS)
  • NJW 1991, 3092-3095 (Volltext mit amtl. LS)
  • NJW 1991, 3072-3074 (Urteilsbesprechung von Notar Prof. Dr. Reinhold Geimer)
  • WM 1991, 1692-1696 (Volltext mit amtl. LS)

Amtlicher Leitsatz

Voraussetzung für die Annahme der internationalen Zuständigkeit gem. § 23 ZPO ist neben der Vermögensbelegenheit ein hinreichender Inlandsbezug des Rechtsstreits.

Tatbestand:

1

Die Firma M. Ltd., ein zypriotisches Bauunternehmen mit Sitz in Nikosia, hatte sich gegenüber dem libyschen D. o. M. C. a. P. in T. verpflichtet, bei H. in Libyen für 221 Millionen US-Dollar eine Hafenanlage zu errichten. Die Anzahlung von 37 Millionen US-Dollar wurde durch eine Advance Payment Guarantee, die Erfüllung durch eine Erfüllungsgarantie der libyschen W.-Bank im Auftrag der Firma M. Ltd. gesichert. Für die Anzahlungsgarantie übernahm die Beklagte, eine türkische Großbank mit Sitz in Ankara und einer Niederlassung nebst Repräsentanzen in Deutschland, eine Rückgarantie, für die die Firma M. Ltd. 20 Millionen US-Dollar als Sicherheit bei der Beklagten einzahlte.

2

Nach vorzeitiger Auflösung des Bauvertrages wurden die Garantien in Anspruch genommen. Die Beklagte verrechnete die bei ihr hinterlegten 20 Millionen US-Dollar mit ihrem Erstattungsanspruch. Die Firma M. Ltd., die einen Garantiefall und deshalb auch einen Erstattungsanspruch der Beklagten leugnete, machte daraufhin ihren Anspruch auf Rückzahlung der hinterlegten Summe vor dem High Court in London geltend. Das Verfahren wurde unter Hinweis auf das forum-non-conveniens-Prinzip des angloamerikanischen Rechts am 26. September 1985 ausgesetzt (action to be stayed). Das Urteil wurde vom Court of Appeal in London am 3. Juli 1986 bestätigt, ein Antrag auf Zulassung der Revision zum House of Lords wurde am 5. November 1986 abgelehnt.

3

Die Firma M. Ltd. trat am 27. April 1988 ihren Rückzahlungsanspruch in Höhe von 10 Millionen US-Dollar an die Klägerin, Managing Director und Mitinhaberin der Firma, und im übrigen an deren Ehemann ab. Den abgetretenen Anspruch macht die Klägerin in Höhe von 3 Millionen US-Dollar nebst Zinsen im vorliegenden Rechtsstreit geltend.

4

Das Berufungsgericht hat unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils die Klage wegen Fehlens der internationalen Zuständigkeit der deutschen Gerichte als unzulässig abgewiesen. Dagegen richtet sich die Revision der Klägerin.

Entscheidungsgründe

5

Die Revision hat keinen Erfolg.

6

A.

Das Berufungsgericht hat für die Begründung der internationalen Zuständigkeit deutscher Gerichte nach § 23 S. 1 Alt. 1 ZPO über die Vermögensbelegenheit hinaus einen Inlandsbezug des Rechtsstreits gefordert. Einen solchen Inlandsbezug, etwa aufgrund einer Rechts- oder Beweisnähe des Sachverhalts, eines inländischen Wohnsitzes oder schützenswerter inländischer Interessen der Klägerin, hat es verneint.

7

B.

Das hält der revisionsrechtlichen Prüfung stand. Das Berufungsgericht hat den Gerichtsstand des Vermögens (§ 23 S. 1 Alt. 1 ZPO), der hier allein zur Begründung der internationalen Zuständigkeit deutscher Gerichte in Betracht kommt, zu Recht als nicht gegeben angesehen.

8

I.

Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte, auf deren Verneinung die angefochtene Entscheidung beruht, ist in der Revisionsinstanz nachprüfbar. § 549 Abs. 2 ZPO, der die sachliche und örtliche Zuständigkeit des Gerichts des ersten Rechtszuges insgesamt der revisionsrechtlichen Überprüfung entzieht, gilt nicht - auch nicht entsprechend - für die internationale Zuständigkeit (vgl. BGHZ 44, 46 [BGH 14.06.1965 - GSZ - 1/65];  94, 156, 157 [BGH 18.04.1985 - VII ZR 359/83];  BGH, Urteile vom 24. November 1988 - III ZR 150/87, NJW 1989, 1431 [BGH 24.11.1988 - III ZR 150/87] und vom 12. November 1990 - II ZR 249/89, WM 1991, 384, 386).

9

II.

Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs regelt die Zivilprozeßordnung die internationale Zuständigkeit nur mittelbar in §§ 12 ff. ZPO. Soweit danach ein deutsches Gericht örtlich zuständig ist, indiziert dies regelmäßig - auch beim Gerichtsstand des Vermögens - die internationale

10

Zuständigkeit (vgl. BGHZ 44, 46 [BGH 14.06.1965 - GSZ - 1/65];  94, 156, 158  [BGH 18.04.1985 - VII ZR 359/83]m.w. Nachw.; BGH, Urteile vom 20. Mai 1981 - VIII ZR 27O/80, NJW 1981, 2642 [BGH 20.05.1981 - VIII ZR 270/80] und vom 12. November 1990 aaO).

11

III.

Die Ansicht des Berufungsgerichts, für den geltend gemachten Anspruch sei die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte zu verneinen, ist zutreffend.

12

1. § 23 Satz 1 Alt. 1 ZPO bestimmt, daß für Klagen wegen vermögensrechtlicher Ansprüche gegen eine Person, die im Inland keinen Wohnsitz hat, das Gericht örtlich und damit international zuständig ist, in dessen Bezirk sich Vermögen derselben befindet. Der Umstand, daß die Vorschrift nach ihrem Wortlaut weder im Hinblick auf den Wert des Vermögens noch im Hinblick auf einen Inlandsbezug Einschränkungen enthält, hat in der Rechtsprechung zu einer im Schrifttum kritisierten weiten Auslegung und Anwendung geführt. Als Ausnahme von dem Grundsatz, daß die Klage am Gerichtsstand des Beklagten zu erheben ist (actor sequitur forum rei), hat § 23 ZPO dazu gedient, die internationale Zuständigkeit zu bejahen bei einem vom Beklagten zurückgelassenen Handelsbuch (vgl. RGZ 51, 163 ff.) und bei zurückgelassenen Obstkörben (vgl. RGZ 75, 147 ff.), ohne einen Inlandsbezug des geltend gemachten Anspruchs zu fordern. Das hat dazu geführt, daß der so verstandene Vermögensgerichtsstand u.a. als unerwünscht, exorbitant und als Kampfgerichtsstand bezeichnet worden ist (vgl. BGHZ 42, 194, 199 f.;  52, 251, 256;  Jellinek, Die zweiseitigen Staatsverträge über Anerkennung ausländischer Zivilurteile, 1953, S. 222; Heldrich, Internationale Zuständigkeit und anwendbares Recht, 1969, S. 117, 142, 161; Siehr, RabelsZ 34, 585, 629; Hellwig, System des Deutschen Zivilprozeßrechts I, 1912, S. 118; siehe auch die Kritik bei Kropholler, Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Band I, 1982, Rdn. 334, 335; Schumann, Festschrift für Liebman, Band 2, S. 839, 840).

13

In der nur am Wortlaut orientierten Auslegung ist § 23 ZPO zwar weder verfassungs- noch völkerrechtswidrig (BVerfGE 64, 1, 20; BGH, Urteil vom 24. November 1988 - III ZR 150/87, WM 1989, 355, 357), jedoch hinsichtlich seiner inneren Berechtigung umstritten (Schröder, Internationale Zuständigkeit, 1971, S. 375; Stein/Jonas/Schumann, ZPO, 20. Aufl., § 23 Rdn. 31 c; Schumann ZZP 93 (1980), 408, 431 f.; Linke, Internationales Zivilprozeßrecht, 1991, Rdn. 167; Walchshöfer ZZP 80 (1967), 165, 193; Hausmann IPRax 1982, 51, 52; a.A. Geimer, Internationales Zivilprozeßrecht, 1987, Rdn. 1354; ders. JZ 1984, 979; Fischer RIW 1990, 794, 795; Schütze, Deutsches Internationales Zivilprozeßrecht, 1985, S. 62 f.). Er bedarf einer auch vom Bundesverfassungsgericht für geboten erachteten "völkerrechtskonformen" Auslegung durch die Gerichte (BVerfGE 64, 1, 20).

14

Im Hinblick darauf wird in der Literatur unter verschiedenen Gesichtspunkten eine restriktive Anwendung der im Wortlaut weit gefaßten Vorschrift gefordert:

15

a) Einschränkungen werden insbesondere in bezug auf das Merkmal "Vermögen" in § 23 ZPO befürwortet.

16

Nach der vom Reichsgericht begründeten und bislang vom Bundesgerichtshof fortgesetzten Rechtsprechung ist Vermögen im Sinne des § 23 ZPO jeder Gegenstand mit einem wenn auch nur geringen Geldwert, wobei nicht erforderlich ist, daß das Vermögensstück zur Befriedigung des Klägers ausreicht oder in angemessener Relation zum Streitwert des Prozesses steht (vgl. z.B. RGZ 4, 408, 409; 6, 400, 403; 51, 163, 165; BGH, Urteil vom 30. Januar 1980 - VIII ZR 197/78 = WM 1980, 410; Urteil vom 11. Januar 1990 - IX ZR 27/89 = BGHR § 23 ZPO Forderung 1). Diese Betrachtungsweise ist aufgrund ihrer im Einzelfall fragwürdigen Ergebnisse auf Kritik gestoßen (vgl. Stein/Jonas/Schumann aaO § 23 Rdn. 16; Kropholler aaO Rdn. 311 Fn. 676 m.Hinw. auf OLG Karlsruhe IPRspr. 1973 Nr. 130: Zeitschriftenhefte im Werte von 5 bis 20 Dollar als zuständigkeitsbegründend für eine Klage über 4.194 Dollar; Schröder aaO S. 381; Geimer JZ 1984, 979, 981; Linke aaO Rdn. 167; Schack IZVR, 1991, Rdn. 328).

17

Inwieweit diese Kritik berechtigt ist, braucht hier nicht entschieden zu werden, weil nach den Feststellungen des Berufungsgerichts die Beklagte über ausreichendes inländisches Vermögen verfügt.

18

b)Einschränkungen gegenüber der bisherigen Auslegung sind insoweit angebracht, als der Vermögensgerichtsstand nur gegeben sein kann, wenn der Rechtsstreit einen hinreichenden Bezug zum Inland hat. Der Senat schließt sich insoweit der zunehmend vertretenen Auffassung an, daß die Zuständigkeit deutscher Gerichte über § 23 Satz 1 Alt. 1 ZPO nur begründet wird, sofern der Rechtsstreit einen über die Vermögensbelegenheit hinausgehenden Inlandsbezug aufweist (vgl. Stein/Jonas/Schumann aaO § 23 Rdn. 31 c, e; Schumann FS-Liebman S. 839, 866; derselbe ZZP 93 (1980), 408, 442; Hausmann aaO S. 56; für eine restriktive Interpretation: Kropholler aaO Rdn. 343; Martiny in Hdb. IZVR Bd. III/1 Rdn. 673; Zöller/Vollkommer, ZPO, 16. Aufl., § 23 Rdn. 1; Beitzke, Anm. zu BAG, Urteil vom 26. Februar 1985, AP Nr. 23 zu Internationales Privatrecht Bl. 650; auch Jayme, Kollisionsrecht und Bankgeschäfte mit Auslandsberührung 1970, S. 29, 30).

19

aa)Nur ein derartiges Verständnis des § 23 ZPO wird dem aus der Entstehungsgeschichte abzuleitenden Sinn und Zweck der Vorschrift gerecht.

20

Der Vermögensgerichtsstand ist aus § 34 des Anhangs zur Preußischen Allgemeinen Gerichtsordnung - eingeführt durch Reskript vom 19. März 1809 - hervorgegangen. Nach dieser Bestimmung konnte jeder Ausländer mit in Preußen belegenem Vermögen von einem "preußischen Unterthan"bei demjenigen Gericht, unter welchem sich das Vermögen befand, zum Zwecke der Befriedigung aus dem Vermögen in Anspruch genommen werden (vgl. näher Schumann ZZP 93 (1980), 417 Fn. 24). Danach konnte die Vermögenszuständigkeit nur von Inländern in Anspruch genommen werden. Diese Beschränkung wurde zwar nicht in § 24 CPO von 1877 (seit der Novelle von 1898: § 23) übernommen. Nach dem gesetzgeberischen Sinn des Vermögensgerichtsstandes, wie er in den Motiven zur CPO von 1877 zum Ausdruck kommt, sollte aber die Rechtsverfolgung im Inland erleichtert werden, um "die Gläubiger der im Ausland wohnenden oder im Inland ohne Domizil sich umhertreibenden Schuldner zu schützen" (vgl. Hahn/Stegemann, Die gesamten Materialien zur CPO, Bd. 2 Abt. 1, S. 154 zu § 24 CPO; zur Entstehungsgeschichte vgl. Schumann FS-Liebman S. 840 ff.; Schröder aaO S. 385, 386). Die Regelung sollte daher, getragen von der Überlegung, Ausländer mit im Inland belegenen Vermögen könnten andernfalls nicht verklagt werden, einen Auffanggerichtsstand für klagende Inländer - ohne Rücksicht auf deren Staatsangehörigkeit - schaffen (vgl. Schumann FS-Liebman S. 843; vgl. auch Fricke IPRax 1991, 159, 161). Sie war jedoch nicht darauf gerichtet, Rechtsstreitigkeiten zwischen Ausländern ohne jeglichen Inlandsbezug vor deutschen Gerichten zu ermöglichen. Demgemäß hat das Reichsgericht zutreffend den Gedanken des Inländerschutzes bei der Anwendung des § 23 ZPO hervorgehoben (vgl. RGZ 6, 400, 403, 405; vgl. auch Hellwig aaO S. 118). Ob daraus zu folgern ist, daß der Vermögensgerichtsstand ausschließlich von Inländern in Anspruch genommen werden kann (so Stein/Jonas/Schumann aaO § 23 Rdn. 31 e), kann offenbleiben. Jedenfalls legt die Entstehungsgeschichte des § 23 ZPO nahe, für die Vermögenszuständigkeit einen stärkeren Inlandsbezug zu verlangen, als ihn allein die Vermögensbelegenheit vermittelt.

21

bb) Eine solche Auslegung, für die § 23 ZPO entgegen der Ansicht der Revision Raum läßt (vgl. BVerfG aaO S. 20) ist zum anderen auch im Hinblick auf die völkerrechtliche Vertragspraxis geboten. Diese ist zunehmend davon geprägt, den Vermögensgerichtsstand, wie er bisher verstanden worden ist, auszuschließen oder einzuschränken:

22

(1) Nach Art. 3 Abs. 2 EuGVÜ, dem die Türkei nicht beigetreten ist, ist die Anwendung des § 23 ZPO gegenüber solchen Personen ausgeschlossen, die ihren Wohnsitz in einem der Vertragsstaaten haben. Die dort genannten sog. exorbitanten Gerichtsstände sind entgegen der Ansicht der Revision auch nicht etwa durch Art. 4 Abs. 2 EuGVÜ gegenüber Beklagten ohne einen Wohnsitz innerhalb der Vertragsstaaten uneingeschränkt für anwendbar erklärt worden. Die Vorschrift stellt lediglich für diejenigen Gerichtsstandsvorschriften des nach Art. 4 Abs. 1 EuGVÜ anwendbaren autonomen staatlichen Rechts, die zwischen in- und ausländischen Klägern unterscheiden, alle Einwohner der Vertragsstaaten den Inländern gleich. Selbst wenn Art. 4 Abs. 2 EuGVÜ dahin auszulegen sein sollte, daß diese Gleichstellung keinen Wohnsitz des Klägers gerade in dem Vertragsstaat voraussetzt, dessen autonomes Recht maßgebend ist (zu den unterschiedlichen Auslegungen vgl. Kropholler, Europäisches Zivilprozeßrecht 2. Aufl. Art. 4 Rdn. 4), könnte der Vorschrift keine generelle Zulassung solcher Gerichtsstände gegenüber Einwohnern von Nichtvertragsstaaten ohne jeden über die bloße Vermögensbelegenheit hinausgehenden Bezug zum Vertragsgebiet entnommen werden.

23

(2) Einen unmittelbaren Ausschluß der Vermögenszuständigkeit enthält - von bestimmten Ausnahmen abgesehen - auch Art. 20 Abs. 1 des deutsch-norwegischen Anerkennungs- und Vollstreckungsvertrages vom 17. Juni 1977 (BGBl. 1981 II, 341); der Gerichtsstand des Vermögens bleibt grundsätzlich auf den Fall beschränkt, daß der Wert des geltend gemachten Anspruchs den Wert des im Gerichtsstand belegenen Vermögens nicht übersteigt (Art. 20 Abs. 2 Nr. 3).

24

(3) Weitere bilaterale Verträge mißbilligen den Vermögensgerichtsstand, indem sie die Anerkennung eines auf Vermögenszuständigkeit gegründeten Urteils ausschließen oder einschränken und damit indirekt dem Gerichtsstaat die Zuständigkeit versagen.

25

So ist nach einer Reihe von zwischenstaatlichen Verträgen die Anerkennung einer auf den Vermögensgerichtsstand gestützten Entscheidung generell zu versagen, weil darin die Belegenheit des Vermögens nicht als Zuständigkeitsgrund genannt ist. Dazu zählen das deutsch-britische Vollstreckungsabkommen vom 14. Juli 1960 (BGBl. 1961 II, S. 301, Gerichtsstandskatalog in Art. IV), das deutsch-italienische Vollstreckungsabkommen vom 18. Mai 1937 (RGBl. 1937 II, S. 145, Gerichtsstandskatalog in Art. 2, Wiederanwendung ab 1. Oktober 1952 - BGBl. 1952 II, S. 986), soweit es nach Maßgabe der Art. 55, 56 EuGVÜ noch in Geltung ist, ferner das deutsch-schweizerische Vollstreckungsabkommen vom 2. November 1929 (RGBl. 1930 II, S. 1066, Gerichtsstandskatalog in Art. 2) und das deutsch-tunesische Vollstreckungsabkommen vom 19. Juli 1966 (BGBl. 1969 II, S. 890, Gerichtsstandskatalog in Art. 31).

26

Nach Art. 3 Nr. 4 des deutsch-griechischen Vollstreckungsvertrages vom 4. November 1961 (BGBl. 1963 II, S. 109) und Art. 2 Nr. 4 des deutsch-österreichischen Vollstreckungsabkommens vom 6. Juni 1959 (BGBl. 1960 II, S. 1246) darf die Anerkennung versagt werden, wenn für die Entscheidung lediglich der Gerichtsstand des Vermögens gegeben war und die unterlegene Partei sich auf den Rechtsstreit nicht oder nach ausdrücklicher Erklärung nur im Hinblick auf den Vermögensgerichtsstand eingelassen hat.

27

Solche und ähnliche Einschränkungen des Vermögensgerichtsstandes sehen auch einige bilaterale Vollstreckungsabkommen der Republik Österreich, die mit § 99 Jurisdiktionsnorm einen dem § 23 ZPO entsprechenden Gerichtsstand geschaffen hat, mit anderen Staaten vor. Hierzu gehören etwa Art. 3 des österreichisch-niederländischen Vollstreckungsabkommens vom 6. Februar 1963 (Textabdruck bei Loewe, Zwischenstaatlicher Rechtsverkehr in Zivilsachen, Wien 1984, S. 726 ff.), Art. 5 Ziff. 6 des österreichisch-italienischen Vollstreckungsabkommens vom 16. November 1971 (Loewe aaO S. 633 ff.), Art. 3 des österreichisch-belgischen Vollstreckungsabkommens vom 25. Oktober 1957 (Loewe aaO S. 384 ff.), Art. 2 des österreichisch-schweizerischen Vollstreckungsvertrages vom 16. Dezember 1960 (Loewe aaO S. 829 ff.) sowie Art. 9 des österreichisch-israelischen Vollstreckungsvertrages vom 6. Juni 1966 (Loewe aaO S. 621 ff.).

28

cc) Angesichts dieser völkerrechtlichen Tendenzen ist eine an seinem eigentlichen Sinn und Zweck orientierte Auslegung des § 23 ZPO notwendig, soweit die internationale Zuständigkeit berührt ist.

29

Die unter aa) dargestellte Entstehungsgeschichte der Vorschrift zeigt, daß sie als Inländerschutzvorschrift nicht etwa dazu dienen sollte, Ausländern einen Gerichtsstand zur Austragung von Streitigkeiten zu verschaffen, die ihren Ursprung ausschließlich im Ausland haben und nach ausländischem Recht zu entscheiden sind. Es widerspräche dieser gesetzgeberischen Vorstellung, § 23 ZPO im Wege der reinen Wortauslegung so zu verstehen, daß allein das Vorhandensein von Inlandsvermögen des Beklagten ausreiche, die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte für jedwede Streitigkeit zwischen Parteien ohne Wohnsitz in Deutschland zu begründen und damit in weitem Umfang dem "forum shopping", d.h. der berechnenden Auswahl des Gerichtsstandes, Vorschub zu leisten (vgl. dazu Kropholler, Handbuch aaO Rdn. 159). Dadurch würden solche Streitigkeiten - jedenfalls im Umfang der Vollstreckungsmöglichkeiten im Inland - zugleich den sonst zuständigen ausländischen Gerichten entzogen. Die darin liegende - durch sachliche Erfordernisse nicht zu rechtfertigende - Zuständigkeitsanmaßung der deutschen Gerichtsbarkeit müßte zu außenwirtschaftlichen und außenpolitischen Belastungen führen. Auf solche Gefahren hat bereits das Bundesverfassungsgericht in dem erwähnten Beschluß vom 12. April 1983 (BVerfGE 64, 1, 18) hingewiesen. Entgegen der Auffassung der Revision hat es die Vorsorge gegen "rechts - oder wirtschaftspolitisch als unerwünscht erachtete Ausgestaltungen der deutschen internationalen Zuständigkeit" nicht als alleinige Sache des Gesetzgebers angesehen, sondern dies ausdrücklich " jenseits der Möglichkeiten der gebotenen völkerrechtskonformen Auslegung... durch die Gerichte" als gesetzgeberische Aufgabe bezeichnet (aaO S. 20).

30

Nur eine auf den hinreichenden Inlandsbezug abstellende Auslegung des § 23 ZPO begrenzt in sachbezogener und völkerrechtskonformer Weise die mit dem Vermögensgerichtsstand verbundene Beeinträchtigung der Verteidigungsmöglichkeiten des ausländischen Beklagten, der es hinnehmen muß, den nach allgemeinen Regeln zuständigen Gerichten seines Heimatstaates entzogen zu werden und sich vor ausländischen - im Zweifel weder mit dem anzuwendenden Recht noch mit den örtlichen Handelsbräuchen und Verkehrssitten vertrauten - Gerichten in einer fremden Sprache durch ihm unbekannte Anwälte verteidigen zu müssen. Der Senat teilt nicht die insbesondere von Geimer (IZPR Rdn. 1356; vgl. auch Fischer aaO S. 795 und Schütze WuB VII A § 23 ZPO 1.89) vertretene Ansicht, der bloße Erwerb oder Besitz von Vermögen im Inland zeige eine "Affinität zur Bundesrepublik Deutschland", die eine Gerichtspflichtigkeit des Vermögensinhabers vor deutschen Gerichten rechtfertige. Eine solche Betrachtungsweise berücksichtigt nicht hinreichend, daß ausländische Kaufleute und Unternehmen, insbesondere Banken, aus Gründen internationaler Wettbewerbsfähigkeit Vermögen in einer Vielzahl von Staaten haben müssen, und verkürzt die Problematik durch Heranziehung von Extremfällen (Geimer aaO: globetrottender Millionär, Steuerflüchtling), denen unter dem Gesichtspunkt internationaler Notzuständigkeit begegnet werden kann.

31

2. Die vorgenommene Auslegung des § 23 S. 1 Alt. 1 ZPO steht nicht im Widerspruch zu Entscheidungen anderer Senate des Bundesgerichtshofes oder anderer Oberster Bundesgerichte. In keinem der in veröffentlichten Entscheidungen zu § 23 ZPO mitgeteilten Fälle war der hier geforderte Inlandsbezug zweifelhaft.

32

3. Im Streitfall konnte offenbleiben, durch welche Umstände im einzelnen ein die Vermögenszuständigkeit begründender Inlandsbezug hergestellt wird. Vorliegend kommt insoweit allein ein inländischer Wohnsitz oder ein gewöhnlicher Aufenthalt der Klägerin im Inland in Betracht. Beides hat das Berufungsgericht zutreffend verneint, so daß offenbleiben kann, ob dadurch allein stets der erforderliche Inlandsbezug hergestellt wird.

33

a) Der Wohnsitz wird nach § 7 Abs. 1 BGB begründet durch tatsächliche Niederlassung an einem Ort mit dem Willen, diesen zum ständigen Schwerpunkt der gesamten Lebensverhältnisse zu machen (vgl. BGHZ 7, 104, 110). Dies kann auch für mehrere Orte zutreffen, § 7 Abs. 2 BGB. Ob diese Voraussetzungen gegeben sind, unterliegt - wie die Revision mit Recht geltend macht - der Beurteilung durch das Revisionsgericht. An die hierzu getroffenen tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts ist der Senat bei der Prüfung einer Prozeßvoraussetzung nicht gebunden (vgl. BGHZ 31, 279, 281;  48, 12, 15) [BGH 09.05.1967 - Ib ZR 59/65]. Die Würdigung der von der Klägerin insoweit vorgetragenen Tatsachen durch den Senat führt indessen zu keinem anderen Ergebnis. Die Klägerin hat im Inland keinen Wohnsitz.

34

Die Klägerin hat zunächst für den behaupteten Inlandswohnsitz nur eine Meldebestätigung der Stadt Frankfurt am Main vom 7. April 1988 vorgelegt, der das Berufungsgericht mit Recht keinen entscheidenden Beweiswert zugemessen hat. Eine von einer polizeilichen Anmeldung allenfalls ausgehende Indizwirkung für einen entsprechenden Wohnsitz (vgl. BGH, Beschluß vom 7. Februar 1990 - XII ARZ 1/90, NJW-RR 1990, 506) wird vorliegend durch mehrere Umstände ausgeschlossen. Keines der sonst zu den Akten gelangten, persönliche Daten der Klägerin enthaltenden Schriftstücke weist nämlich für die Zeit bis zum 1. Juli 1990 auf einen Wohnsitz in Deutschland hin. So ist in der Vereinbarung vom 27. April 1988, in der sich die Klägerin die Klageforderung von der Firma M. Ltd. hat abtreten lassen, eine Adresse in Surrey/England als Wohnsitz genannt. Mit dieser Adresse ist die Klägerin auch in der Bescheinigung der Regierung der Nord-Zypriotischen Republik vom 30. Januar 1989 als Direktor der Firma M. Ltd. angeführt. Der zeitliche Abstand beider Urkunden läßt es entgegen der Ansicht der Revision als fernliegend erscheinen, daß die Parteien bei der Niederlegung der Abtretungsvereinbarung eine Wohnsitzänderung noch nicht berücksichtigt haben.

35

Andere Schriftstücke, wie der zum 16. Juli 1987 erstellte Jahresbericht der Firma M. Ltd. und die Zertifikate über die Teilhaberschaft und Organstellung der Klägerin bei der C. d. L. H. Co. Ltd. vom 29. Juni 1990 geben demgegenüber eine Wohnanschrift der Klägerin in Kyrenia/Zypern an. Entscheidend gegen einen inländischen Wohnsitz der Klägerin spricht auch die von der Beklagten eingeholte Bescheinigung der zypriotischen Polizei vom 6. Juni 1990 über die Ein- und Ausreisedaten der Klägerin, deren Inhalt die Klägerin nicht entgegengetreten ist. Danach war die Klägerin, läßt man die Ein- und Ausreise anläßlich der Verhandlungstermine vor dem Landgericht Stuttgart außer Betracht, im Jahre 1988 nur vom 11. Januar bis 22. Januar und vom 6. August bis 8. August, im Jahre 1989 nur an insgesamt 57 Tagen nicht auf Zypern. Vor diesem Hintergrund mag die Klägerin zugleich Wohnsitze in England und auf Zypern unterhalten bzw. unterhalten haben. Für einen daneben bestehenden Schwerpunkt ihrer Lebensbeziehungen in Frankfurt fehlt es an hinreichenden Anhaltspunkten.

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b) Das gilt auch für den behaupteten Wohnsitz oder ständigen Aufenthalt aufgrund ihrer geschäftlichen Tätigkeit und der damit zusammenhängenden Anmietung einer Wohnung in Oberursel. Schon der mit der Firma P. Reisen GmbH am 8. Juni 1990 geschlossene Arbeitsvertrag läßt nicht erkennen, daß die Klägerin ihre vertraglichen Pflichten im wesentlichen in Deutschland zu erfüllen hatte. Nach dem Vertrag sollte die Klägerin tätig sein als Berater für Hoteleinkauf und Gruppenreisen sowie Touren in der Türkei und Nordzypern. Die Klägerin hat nicht erläutert, daß und auf welche Weise der Einkauf von Hotelreservierungen und die Durchführung von Gruppenreisen im östlichen Mittelmeer oder auch nur die geschuldete Beratung schwerpunktmäßig eine Anwesenheit in Deutschland erfordert. Die Klägerin hat - nach Erhalt der gegnerischen Schriftsätze vom 12. Juni und 13. Juni 1990, in denen ein inländischer Wohnsitz im einzelnen bestritten worden ist - den Arbeitsvertrag vom 8. Juni 1990 durch einen Anteilsübertragsvertrag vom 22. Juni 1990 und einen Geschäftsführervertrag vom 27. Juni 1990 mit der Firma P. Reisen GmbH ersetzt. Nach Darstellung der Klägerin diente dies dazu, Hotelzimmer der ihr und ihrem Ehemann gehörenden Firma C. d. L. H. Co. Ltd. zu vertreiben und ihre Geschäftskontakte zu Reiseunternehmen und Hotelketten in Nordzypern und der Türkei einzubringen. Die Revision macht insoweit geltend, es widerspreche aller Lebenserfahrung, wenn das Berufungsgericht angesichts dessen annehme, die Klägerin habe ihre Aufgaben für die P. GmbH im wesentlichen nicht in Deutschland wahrzunehmen. Dem kann nicht gefolgt werden. Die Beteiligung an der P. GmbH diente nach dem Vortrag der Klägerin auch den Interessen der Firma C. d. L. H. Co. Ltd. Unternehmensgegenstand dieser Gesellschaft ist nach dem von der Klägerin selbst vorgelegten Memorandum of Association der Bau, die Ausstattung und das Management von Hotels, Motels und Feriencamps sowie u.a. das Management von Clubs, Restaurants, Schwimmbädern, Sportplätzen, Souvenirständen etc. Es mag zutreffen, daß von all diesen Aufgaben zumindest der Vertrieb von Hotels und Freizeitanlagen bisweilen eine Anwesenheit auch in Deutschland erfordert. Es spricht jedoch nichts dafür, daß die Klägerin zum Zwecke der Erfüllung dieser Aufgaben ihren Lebensmittelpunkt in Frankfurt oder (ab 1. Juli 1990) in Oberursel eingerichtet hat. Letztlich spricht auch die Anmietung nur einer möblierten 1 1/2 Zimmer-Wohnung, die die Klägerin nach ihrer Darstellung mit ihrem in Deutschland studierenden Sohn bewohnt und von der aus sie die Geschäfte der Firma P. GmbH betreiben will, eher dagegen, daß sie den Schwerpunkt ihrer Lebensbeziehungen oder den ständigen Aufenthalt fernab von ihrem Ehemann in Deutschland gefunden hat. Die Unstimmigkeit des Sachvortrags der Klägerin wird nicht zuletzt darin deutlich, daß die Revisionsschrift vom 31. August 1990 eine Wohnanschrift in Frankfurt angibt, obwohl die Klägerin nach eigenem Bekunden seit dem 1. Juli 1990 Wohnsitz in Oberursel genommen haben wi11.

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c) Da bereits nach ihrem Vortrag die Klägerin keinen inländischen Wohnsitz hat, kann offenbleiben, ob nach der gescheiterten Geltendmachung des Klaganspruchs in Großbritannien durch Anmeldemanipulation der deutsche Gerichtsstand erschlichen werden sollte.

38

4. Die deutsche internationale Zuständigkeit ist über § 23 ZPO auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Notzuständigkeit eröffnet. Dies könnte nur angenommen werden, wenn für die Entscheidung des Rechtsstreits keine anderweitige Zuständigkeit gegeben wäre und die Versagung der Zuständigkeit deutscher Gerichte für die Klägerin die Gefahr einer internationalen Rechtsverweigerung begründen würde. Dafür ist nichts ersichtlich. Die Klägerin bzw. ihre Rechtsvorgängerin, die Firma M. Ltd., erstrebt nach eigenem Bekunden eine Entscheidung deutscher Gerichte nur deshalb, weil sie in die Rechtsprechung der zur Entscheidung berufenen türkischen oder zypriotischen Gerichte kein Vertrauen hat.