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Bundesgerichtshof
Urt. v. 28.04.1988, Az.: III ZR 57/87

Verzugszins; Bankkreditvertrag; Nichterfüllungsschaden; Berechnung; Beweisfragen

Bibliographie

Gericht
BGH
Datum
28.04.1988
Aktenzeichen
III ZR 57/87
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1988, 13647
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Fundstellen

  • BGHZ 104, 337 - 351
  • BB 1988, 1481
  • DB 1988, 1894-1897 (Volltext mit amtl. LS)
  • JZ 1988, 1126-1130
  • MDR 1988, 758 (Volltext mit amtl. LS)
  • NJW 1988, 1967-1971 (Volltext mit amtl. LS)
  • NJW-RR 1988, 1074 (amtl. Leitsatz)
  • WM 1988, 929
  • ZIP 1988, 759-764

Redaktioneller Leitsatz

Bei der Berechnung des Verzugsschadens (Verzugszins) bei Bankkreditverträgen hat die Bank einen beschränkten Anspruch auf den Verzugszins als Nichterfüllungsschaden nach entsprechender Anwendung des § 628 Abs. 2 BGB.

Zu der abstrakten und konkreten Berechnung des Verzögerungsschadens und Beweisfragen.

Tatbestand:

1

Die klagende Bank gewährte dem Beklagten 1979 zur Finanzierung seiner Beteiligung an einer Abschreibungsgesellschaft ein Darlehen. Nach dem Zusammenbruch der Treuhänderin kündigte die Klägerin den Kredit und forderte den Beklagten unter Fristsetzung bis zum 6. September 1982 zur Rückzahlung auf.

2

Mit ihrer Klage hat die Klägerin den Kreditkontosaldo nebst Zinsen in zeitlich gestaffelter Höhe zwischen 10,75 % und 14,75 % zuzüglich 4,5 % Überziehungsprovision ab 7. September 1982 verlangt.

Entscheidungsgründe

3

I., II.

4

(von der weiteren Darstellung wird abgesehen)

5

Bei der Bemessung der Zinshöhe ist das Berufungsgericht zu Recht davon ausgegangen, daß die Klägerin vom Beginn des Schuldnerverzuges an Zinsen nur noch als Schadensersatz, nicht jedoch - unabhängig vom ihr entstandenen Schaden - in der vertraglich vereinbarten Höhe verlangen konnte. Insoweit folgt das Berufungsgericht der neueren Rechtsprechung des erkennenden Senats (Urteile vom 7. November 1985 - III ZR 128/84 = WM 1986, 8 , vom 16. Oktober 1986 - III ZR 92/85 = WM 1986, 1466 , vom 9. April 1987 - III ZR 84/86 = WM 1987, 646 und vom 9. Juli 1987 - III ZR 229/85 = WM 1987, 1125). Trotz der Kritik, die daran im Schrifttum teilweise geäußert worden ist (Steppeler Sparkasse 1985, 241 und 1986, 121; Emmerich WM 1986, 541, 546; Fischer WuB I E 1. - 14.85; Scholz ZIP 1986, 545; Mack WM 1986, 1337, 1340) ist an dieser Rechtsprechung, der sich inzwischen auch der IX. Zivilsenat angeschlossen hat (Urteil vom 22. Oktober 1987 - IX ZR 267/86 = WM 1987, 1481, 1484), festzuhalten.

6

1. Auf die für die Vertragszeit getroffene Zinsvereinbarung kann der Kreditgeber seinen Zinsanspruch für die Zeit, nachdem er den Kreditnehmer in Verzug gesetzt hat, nicht mehr stützen. Der Vertragszins ist als Gegenleistung dafür vereinbart, daß der Kreditgeber dem Kreditnehmer das Recht zur Nutzung des überlassenen Darlehenskapitals einräumt. Endet dieses Recht infolge Zeitablaufs oder Kündigung und verlangt der Kreditgeber Zahlung in einer Weise, die den Kreditnehmer in Schuldnerverzug setzt und die Annahme einer stillschweigend fortgesetzten Darlehensvereinbarung ausschließt, so entfällt für die Folgezeit zwar nicht jeder Zinsanspruch des Kreditgebers; während des Verzugs kann der Kreditnehmer aus anderen Rechtsgründen verpflichtet bleiben, Zinsen zu zahlen, die der Höhe nach dem Vertragszins gleichkommen oder ihn sogar übersteigen können. Auf die für die Vertragszeit getroffene Zinsvereinbarung aber kann der Kreditgeber seinen Zinsanspruch nicht mehr stützen.

7

Das gilt nicht nur, wenn der Kreditnehmer mit der Zahlung des - infolge Fristablaufs, aufgrund einer Vorfälligkeitsklausel (vgl. Senatsurteil BGHZ 95, 362, 371) [BGH 19.09.1985 - III ZR 213/83] oder nach Kündigung fällig gewordenen - Gesamtkapitals in Verzug geraten ist. Auch wenn sich der Verzug beim Ratenkredit nur auf Einzelraten bezieht, stellt die Vertragszinsvereinbarung keine Grundlage für eine Weiterverzinsung während des Verzugs dar; denn das vertraglich eingeräumte Nutzungsrecht beschränkte sich auch für den Kapitalanteil jeder Rate auf die im Ratenplan festgelegte, eventuell auch ausdrücklich oder stillschweigend verlängerte Zeit vor Eintritt des Verzugs. Soweit der Kreditnehmer mit fälligen Zinszahlungen in Verzug gerät, scheidet die für die Vertragszeit getroffene Zinsvereinbarung als Grundlage für einen Zinseszinsanspruch ohnehin aus.

8

2. Eine Zinsvereinbarung für die Zeit nach Verzugseintritt kann - in den Grenzen des § 138 BGB - durch individuelle Vertragsabreden getroffen werden, auch in der Weise, daß der Verzugszins dem bisherigen Vertragszins entsprechen oder ihn sogar überschreiten soll. Auch wenn eine solche Abrede Vertragsstrafencharakter hat, wird sie grundsätzlich durch die Vertragsfreiheit gedeckt.

9

Durchgreifende Bedenken bestehen aber dagegen, daß der Darlehensgeber sich die Fortzahlung des Vertragszinses durch Allgemeine Geschäftsbedingungen ausbedingt. Es verstößt gegen §§ 9, 11 Nr. 5 a und 6 AGBG, wenn der Kreditnehmer aufgrund einer vom Kreditgeber vorformulierten Vertragsbestimmung verpflichtet wird, bis zur tatsächlichen Rückzahlung den für die Zeit der berechtigten Kapitalnutzung vereinbarten Zinssatz in jedem Fall unverändert weiterzuzahlen. Seine Lage hat sich nämlich fühlbar verschlechtert: Nach Wegfall seines vertraglichen Nutzungsrechts sind ihm sichere Dispositionen über den Schuldbetrag versagt; er muß jederzeit mit der Verwertung von ihm bestellter Sicherheiten oder - nach Titelerwirkung - mit der Zwangsvollstreckung in sein gesamtes Vermögen rechnen. Beim Ratenkredit werden Teilzahlungen nicht mehr im vereinbarten Verhältnis auf Kapital, Zinsen und Kreditkosten, sondern nach § 367 BGB vorrangig auf Kosten und Zinsen verrechnet (BGHZ 91, 55, 60). Trotzdem können sich zwar - wie bereits gesagt und später noch zu begründen ist - im Einzelfall gesetzliche Zinsansprüche ergeben, die der Höhe nach die früheren Vertragszinsen erreichen oder sie sogar übersteigen. Der Kreditgeber kann aber in Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht festlegen, daß ihm ohne Rücksicht auf die für die Bemessung der gesetzlichen Ansprüche maßgebenden Umstände in jedem Fall weiterhin die Vertragszinsen zustehen sollen, obwohl er selbst sich an den Vertrag nicht mehr gebunden fühlt. Der Kreditnehmer wird entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt, wenn er etwa einen in einer Hochzinsphase - den damaligen Marktverhältnissen entsprechend - festgelegten Vertragszins auch nach Beendigung des Vertragsverhältnisses noch weiterzahlen soll, auch wenn der Marktzins inzwischen erheblich gesunken ist und der Kreditgeber deswegen den geschuldeten Betrag bei Rückzahlung nur noch zu einem erheblich niedrigeren Zinssatz neu anlegen könnte.

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Aus den Gründen, die einer AGB-Regelung entgegenstehen, verbietet es sich auch, einen Darlehensvertrag ohne konkreten Anlaß im Einzelfall dahin auszulegen, die Vertragsparteien hätten stillschweigend für die Zeit nach Eintritt des Verzugs eine Zinszahlungspflicht in Höhe des Vertragszinses unabhängig von den für die gesetzlichen Ansprüche maßgeblichen Umständen vereinbart.

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3. Ohne Erfolg bleiben auch die Versuche, für die gesamte Zeit des Schuldnerverzugs einen gesetzlichen Anspruch auf Weiterzahlung des Vertragszinses zu begründen:

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a) § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB setzt einen Zinsanspruch aus anderem Rechtsgrund voraus, schafft ihn aber nicht selbst.

13

b) § 301 BGB normiert nur einen Beendigungsgrund, nicht aber Entstehung und Höhe eines Zinsanspruchs (Senatsurteile vom 31. Januar 1985 - III ZR 105/83 = ZIP 1985, 466, 467 und vom 7. November 1985 - III ZR 128/84 = WM 1986, 8, 10).

14

Wenn der Vorschrift früher - in der Rechtsprechung des Reichsgerichts und im Schrifttum (vgl. die Nachweise im Senatsurteil vom 31. Januar 1985 aaO, insbesondere RG JW 1936, 2858, 2859) - teilweise weitergehende Bedeutung beigemessen wurde, so ist zu berücksichtigen, daß die Konsequenzen einer solchen Auslegung relativ gering blieben, solange der Marktzins sich in der Nähe des gesetzlichen Verzugszinses hielt oder sogar darunter blieb und keinen starken Schwankungen unterworfen war. Erst die späteren, grundlegenden Veränderungen der Zinsmarktverhältnisse haben die weitreichenden Konsequenzen der früheren Auslegung des § 301 BGB deutlich gemacht. Es erscheint nicht gerechtfertigt, allein aufgrund dieser Vorschrift dem Kreditgeber das Recht zuzubilligen, ohne Rücksicht auf die Höhe seines Verzögerungsschadens den für die Vertragszeit vereinbarten Zins weiter zu verlangen (so auch Kilimann NJW 1987, 618, 620 [BAG 12.03.1986 - 7 AZR 20/83]; Gotthardt WM 1987, 1381, 1384).

15

c) Auch eine analoge Anwendung der Mietvertragsvorschrift des § 557 Abs. 1 BGB hat der Senat bereits in seinem Urteil vom 31. Januar 1985 aaO mit eingehender Begründung abgelehnt (zustimmend Kilimann aaO; Gotthardt aaO).

16

d) Lediglich der Rechtsgedanke des § 628 Abs. 2 BGB kann einen - wenn auch beschränkten - Anspruch des Kreditgebers auf Weiterzahlung des Vertragszinses rechtfertigen. Nach dieser Vorschrift des Dienstvertragsrechts ist ein Vertragspartner, der den anderen durch schuldhafte (MünchKomm/Schwerdner § 628 BGB Rn. 10) Vertragsverletzungen zur außerordentlichen Kündigung veranlaßt, dem Kündigenden zum Ersatz des durch die Auflösung des Vertragsverhältnisses entstandenen Schadens verpflichtet. Ein entsprechender Schadensersatzanspruch ist auch im Mietvertrags- und Leasingrecht anerkannt (vgl. BGHZ 94, 180, 194 [BGH 24.04.1985 - VIII ZR 65/84] m. w. Nachw.). Für den Darlehensvertrag wird im Schrifttum eine analoge Anwendung des § 628 Abs. 2 BGB befürwortet und die Auffassung vertreten, der Kreditnehmer, der durch vertragswidriges Verhalten die vorzeitige Fälligstellung eines Kredits veranlaßt habe, schulde dem Kreditgeber Schadensersatz wegen Nichterfüllung in voller Höhe des Vertragszinses (Palandt/Heinrichs, BGB 47. Aufl. § 246 Anm. 2 c aa m. w. Nachw.).

17

Ob und wie weit dieser Auffassung zu folgen ist, hat der Bundesgerichtshof bisher noch nicht abschließend entschieden (vgl. Senatsurteile vom 31. Januar 1985 aaO und vom 7. November 1985 aaO). Der erkennende Senat billigt allerdings Hypothekenbanken das Recht zu, in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen Kreditnehmer, die durch Vertragsverletzungen Anlaß zur vorzeitigen Kündigung langfristiger Hypothekenkredite gegeben haben, zum Pauschalersatz des durch die Kündigung entgangenen Gewinns für die Zeit bis zum Ende der Rückzahlungssperrfrist zu verpflichten (Beschluß vom 17. März 1988 - III ZR 138/87 -). Dagegen braucht ein Ratenkreditnehmer bei vorzeitiger Fälligstellung nicht den vollen Schuldbetrag einschließlich der für die Gesamtlaufzeit berechneten Zinsen zu bezahlen. Ihm wird vielmehr für die Restlaufzeit, in der die Bank das Kapital anderweitig einsetzen, zumindest Aufwendungen ersparen kann, eine Zinsgutschrift gewährt. Erfüllt der Kreditnehmer seine Verpflichtung zur Zahlung des Nettorestkreditbetrages unverzüglich nach Eintritt der vorzeitigen Fälligkeit, so werden von den Banken keine zusätzlichen Schadensersatzansprüche wegen des entgangenen Zinsgewinns für die Restlaufzeit gestellt.

18

Anders liegt es aber dann, wenn der Kreditnehmer bei verschuldeter Vorfälligkeit mit seiner Rückzahlungsverpflichtung in Verzug kommt. Für solche Fälle erscheint es dem Senat gerechtfertigt, dem Kreditgeber das Recht einzuräumen, anstelle des Verzögerungsschadens nach § 286 BGB gemäß dem Rechtsgedanken des § 628 Abs. 2 BGB den bisherigen Vertragszins als Schadensersatz wegen Nichterfüllung des vorzeitig beendeten Vertrages zu verlangen. Dieser Zinsanspruch unterliegt allerdings in zweifacher Hinsicht Einschränkungen: Er bezieht sich nur auf das Darlehenskapital, nicht jedoch auf rückständige Zinsen, und er endet, auch wenn der Zahlungsverzug andauert, spätestens im Zeitpunkt der im beendeten Darlehensvertrag vorgesehenen Fälligkeit des zu verzinsenden Betrages (vgl. Senatsurteile vom 31. Januar 1985 aaO und vom 7. November 1985 aaO). Darüber hinaus muß dieser Zinsanspruch, wenn dem Kreditnehmer ein Kündigungsrecht nach § 247 BGB a. F. bzw. § 609 a BGB n. F. zugestanden hätte, auf den Zeitraum bis zum nächsten nach diesen Vorschriften zulässigen Kündigungstermin beschränkt werden; denn nur für diese Zeit hatte der Kreditgeber eine rechtlich geschützte Zinserwartung (Kilimann NJW 1987, 618, 622 [BAG 12.03.1986 - 7 AZR 20/83]; Palandt/Heinrichs, BGB 47. Aufl. § 246 Anm. 2 c aa; Ahrens DB 1987, 315, 318; Canaris NJW 1978, 1897; a. A. M. Löwisch BB 1985, 959, 960).

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Ein Abzug wegen ersparter Aufwendungen (vgl. Kilimann aaO) kommt dagegen, wenn man diesen Zinsanspruch auf die Zeit des Rückzahlungsverzugs beschränkt, nicht in Betracht: Solange der Kreditnehmer seine Zahlungsverpflichtung nicht erfüllt, bleibt der Kreditgeber mit den Refinanzierungskosten belastet; auch die Verwaltungskosten fallen weiterhin an.

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e) Ob und in welchem Umfang der Kreditgeber aus den §§ 812, 818 BGB einen Zinsanspruch für die Zeit herleiten kann, in der ihm das Kapital ohne Rechtsgrund vorenthalten wird, ist umstritten. Das Reichsgericht hat es zunächst grundsätzlich abgelehnt, ersparte Zinsen als Nutzungen im Sinne des § 818 Abs. 1 BGB anzusehen (RGZ 136, 135, 136). Später hat es bei einer Kapitalnutzung in gewerblichen Betrieben Wertersatz zugebilligt (RGZ 151, 123, 127); im vorliegenden Fall hat der Kreditnehmer das überlassene Darlehenskapital aber längst verbraucht, ohne daß ihm daraus irgendein bleibender Nutzen erwachsen ist (vgl. Reifner/Burmeister JZ 1987, 952, 955). Bisherige Entscheidungen des Bundesgerichtshofs (vgl. Urteile vom 30. November 1960 - V ZR 131/59 = NJW 1961, 452 und vom 18. April 1962 - VIII ZR 245/61 = NJW 1962, 1148) haben noch keine Klärung der Einzelfragen gebracht (BGB-RGRK/Heimann-Trosien 12. Aufl. § 818 Rn. 10 m. w. Nachw.; Staudinger/Lorenz, BGB 12. Aufl. § 818 Rn. 11; MünchKomm/Lieb 2. Aufl. § 818 Rn. 11; Soergel/Mühl, BGB 11. Aufl. § 818 Rn. 26; Bunte WuB I E 1.-7.87). Einigkeit besteht jedoch darüber, daß der Kreditnehmer nach Bereicherungsrecht nicht den Vertragszins oder gar einen erhöhten Stundungszins zu zahlen hat, sondern allenfalls den zur Zeit des Verzuges üblichen Marktzins. Insoweit bedarf die Frage von Bereicherungsansprüchen hier aber keiner abschließenden Entscheidung; denn den üblichen Marktzins kann die Klägerin jedenfalls auch als Schadensersatz nach § 286 BGB verlangen, wie sich aus den folgenden Überlegungen ergibt.

21

III.

Als Ersatz für den Verzögerungsschaden steht einer Bank als Darlehensgeberin gemäß §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 2, 289 Satz 2 BGB ein einheitlicher Zinsanspruch für den gesamten Schuldbetrag - Kapital und Zinsrückstand (Senatsurteil vom 7. November 1985 - III ZR 128/84 = WM 1986, 8) - und für die gesamte Dauer des Verzuges zu, soweit sie nicht vom Darlehensnehmer gemäß den Ausführungen zu II 3 d bei verschuldeter Vorfälligkeit für die restliche Vertragszeit eine Weiterverzinsung des noch geschuldeten Kapitals mit dem Vertragszins verlangt.

22

Der Schadensersatzanspruch aus § 286 BGB richtet sich nach den allgemeinen Grundsätzen der §§ 249 ff. BGB; die Bank ist so zu stellen, wie sie bei rechtzeitiger Leistung des Kreditnehmers stehen würde.

23

Danach kann die Bank vom Kreditnehmer nicht den Zinssatz verlangen, der er zahlen müßte, wenn er mit ihr über den geschuldeten Betrag ein neues Kreditverhältnis zu den bisherigen Vertragsbedingungen oder Stundung zu erhöhten Zinssätzen vereinbarte; darauf hat die Bank keinen Anspruch.

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Zu ersetzen sind der Bank die Vorteile, die ihr zugeflossen wären, wenn sie das geschuldete Geld bei rechtzeitiger Rückzahlung anderweitig angelegt hätte. Die Möglichkeit hierzu braucht die Bank nach dem Urteil BGHZ 62, 103 [BGH 01.02.1974 - IV ZR 2/72] nicht konkret darzulegen und zu beweisen. Wie andere Kaufleute darf sie vielmehr ihren Schaden abstrakt - nach dem regelmäßigen Verlauf im Handelsverkehr - berechnen. Danach ist davon auszugehen, daß eine Kreditbank einen ihr vorenthaltenen Geldbetrag im Rahmen ihres Geschäftsbetriebs gewinnbringend genutzt hätte, nämlich durch Abschluß neuer Kreditverträge mit anderen Kreditnehmern zu den im fraglichen Zeitraum banküblichen Zinssätzen. Die Sollzinsen, die ihr - bei rechtzeitiger Zahlung des Schuldners - auf diese Weise zugeflossen wären, die ihr wegen des Verzugs aber entgehen, muß der Schuldner als Verzugsschaden ersetzen. Betreibt die Bank Kreditgeschäfte verschiedener Art, für die unterschiedliche Sollzinssätze banküblich sind, so kann sie ihren Schaden nur nach einem Durchschnittssatz berechnen, der sich nach ihrer speziellen Geschäftsstruktur, nach dem Anteil der verschiedenen Kreditarten an ihrem gesamten Aktivkreditgeschäftsvolumen, richtet.

25

Diese Grundsätze des Urteils BGHZ 62, 103 [BGH 01.02.1974 - IV ZR 2/72] hatten zunächst in der Rechtsprechung (vgl. Senatsurteil vom 2. Dezember 1982 - III ZR 90/81 = NJW 1983, 1420 [BGH 02.12.1982 - III ZR 90/81] zu V 2) und auch im Schrifttum Zustimmung gefunden (Staudinger/Medicus, BGB 12. Aufl. § 252 Rn. 22 a. E.; Hermann Lange, Schadensersatz S. 215). Später haben einige Oberlandesgerichte und ein Teil des Schrifttums (vgl. die Nachweise im Senatsurteil vom 7. November 1985 - III ZR 128/84 = WM 1986, 8, 10) den Kreditbanken - jedenfalls im Ergebnis - eine abstrakte Zinsschadensberechnung nach den dargelegten Grundsätzen verwehrt und die Auffassung vertreten, einer Bank entstehe im Regelfall durch die Vorenthaltung von Geld ein Schaden nur in Höhe ihrer Refinanzierungskosten.

26

Der erkennende Senat hat in seinem Urteil vom 7. November 1985 aaO und in der Folgezeit zu dieser Auffassung noch nicht abschließend Stellung genommen.

27

Aus der inzwischen kaum noch überschaubaren Fülle von Meinungen und Gegenmeinungen in der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte

28

(Zusammenstellung bei Reifner/Burmeister JZ 1987, 952 Fußn. 2, 49; ferner OLG Stuttgart WM 1987, 1449; OLG Köln WM 1987, 1254; Hans. OLG Hamburg WM 1987, 1252; OLG Frankfurt/Kassel NJW-RR 1988, 305; KG WM 1987, 1513, 1515; OLG Koblenz WM 1987, 1389)

29

und im Schrifttum

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(Emmerich WM 1986, 541; Mack WM 1986, 1337; Scholz ZIP 1986, 545 und DB 1987, 263; Steiner DB 1986, 895, 1557; Reifner/Burmeister JZ 1987, 952; Reifner ZIP 1987, 545; Kilimann NJW 1987, 618 [BAG 12.03.1986 - 7 AZR 20/83]; Ahrens DB 1987, 315; Gotthardt WM 1987, 1381; Wilhelm WM 1988, 281; v. Rottenburg WuB I E 1.-15.87, 1.88 und 2.88; Bunte WuB I E 2 b.-5.88 und WuB I E 1.-7.87 und 8.87)

31

hat sich nach Auffassung des Senats keine in Ergebnis und Begründung überzeugende Alternative zur bisherigen Rechtsprechung ergeben. Der Senat verbleibt daher bei den Grundsätzen des Urteils BGHZ 62, 103 [BGH 01.02.1974 - IV ZR 2/72]; die dagegen erhobenen Einwendungen greifen im Ergebnis nicht durch:

32

1. Zwar ist nicht zu bestreiten, daß der Zahlungsverzug eines Schuldners eine Bank in der Regel nicht zwingt, in entsprechender Höhe von einem neuen Kreditgeschäft Abstand zu nehmen; sie wird sich vielmehr den dafür nötigen Geldbetrag regelmäßig auf dem Geldmarkt besorgen können. Auch wenn Fälle denkbar sind, in denen die bankaufsichtsrechtlichen Grundsätze einer Bank die weitere Kreditaufnahme zur Refinanzierung neuer Geschäfte verbieten (vgl. Steiner DB 1986, 1557; Scholz ZIP 1986, 545, 547), so stellen solche Fälle doch nicht die Regel dar.

33

Aus diesen tatsächlichen Gegebenheiten folgt rechtlich aber nicht, daß sich der Verzugsschadensersatzanspruch einer Bank deshalb auf ihre Refinanzierungskosten beschränkt. Rechtlich kommt es entscheidend darauf an, ob es einer Bank im Interesse des Schuldners gemäß § 254 Abs. 2 BGB obliegt, von den Refinanzierungsmöglichkeiten Gebrauch zu machen, die sich ihr als Bank bieten. Nur wenn man (vgl. Reifner BB 1985, 87, 91) eine solche Obliegenheit bejaht, läßt sich der ersatzfähige Verzugsschaden einer Bank auf ihre Refinanzierungskosten beschränken. Im Urteil BGHZ 62, 103, 106 [BGH 01.02.1974 - IV ZR 2/72]/107 wird aber eine Verpflichtung zur Vornahme eines Deckungsgeschäfts grundsätzlich verneint (ebenso M. Löwisch BB 1985, 959, 960). Wenn eine entsprechende Schadensminderungspflicht nach § 254 Abs. 2 BGB aber nicht besteht, ist auch dann, wenn Banken tatsächlich trotzdem im eigenen Interesse entsprechende Refinanzierungsgeschäfte vornehmen, eine Beschränkung ihrer Ersatzansprüche nicht gerechtfertigt (so aber M. Löwisch aaO S. 961); denn überobligationsmäßige Anstrengungen des Geschädigten zur Schadensabwehr sollen nicht den Schädiger entlasten, sondern bleiben bei der Schadensberechnung außer Betracht (BGHZ 55, 329, 332; BGH Urteil vom 25. September 1973 - VI ZR 97/71 = VersR 1974, 142/143; Staudinger/Medicus, BGB 12. Aufl. § 249 Rn. 152; MünchKomm/Grunsky Vorbemerkung 111 zu § 249, jeweils m. w. Nachw.).

34

Dieser Grundsatz muß aufgrund der - in diesem Zusammenhang gebotenen - wertenden Betrachtung auch hier gelten: Die Aufnahme zusätzlicher Refinanzierungsmittel zur Vergabe weiterer Kredite bedeutet für die Bank eine Ausweitung ihres Gesamtkreditvolumens; sie ist eine unternehmerische Entscheidung, die von der Bank im eigenen Interesse und auf eigenes Risiko getroffen wird. Der im Verzug befindliche Schuldner kann nicht erwarten, daß eine Bank als seine Gläubigerin die sich ihr aufgrund ihrer Geschäftstätigkeit bietende Möglichkeit billiger Refinanzierung zu seinen Gunsten nutzt und den Gewinn aus dem neuen Kreditgeschäft - durch eine entsprechende Minderung seiner Ersatzverpflichtung - ihm zufließen läßt.

35

2. Der Anspruch der Bank auf den durchschnittlichen Sollzinsertrag des ihr vorenthaltenen Geldbetrags ist auch nicht um ersparte Aufwendungen zu mindern (a. A. Reifner ZIP 1987, 545, 551). Zwar würden sich tatsächlich, wenn eine Bank wegen des Verzugs in Höhe des vorenthaltenen Betrags keine neuen Geschäfte tätigte, daraus für sie Kostenersparnisse ergeben (vgl. Reifner aaO; Scholz ZIP 1986, 545, 547/548). Eine wertende Betrachtung, die auch in diesem Bereich der Schadensberechnung geboten ist, muß jedoch berücksichtigen, daß diesen Ersparnissen die Kosten gegenüberstehen, die der Bank durch die weiterhin notwendige Bearbeitung des vom Schuldner nicht zurückgezahlten Kredits entstehen (vgl. Scholz aaO). Im Rahmen der abstrakten Schadensberechnung erscheint es gerechtfertigt, der Bank als Verzögerungsschaden die üblichen Sollzinsen des entgangenen neuen Kreditgeschäfts ohne Abzug zuzubilligen, wenn sie daneben keinen Ersatz für die fortdauernden Aufwendungen des gestörten Kredits verlangt.

36

3. Gegen die Verzugszinsberechnungsmethode des Urteils BGHZ 62, 103 [BGH 01.02.1974 - IV ZR 2/72] läßt sich nicht einwenden, sie zwinge die Banken in unzumutbarer Weise zur Offenlegung interner Betriebsdaten. Eine Bank braucht, wenn sie im Wege der abstrakten Schadensberechnung die marktüblichen Sollzinsen verlangt, gerade nicht zu offenbaren, welche Zinssätze sie selbst im einzelnen für die verschiedenen Kreditarten berechnet, wie sie ihre Kredite refinanziert und mit welchen Anteilen die von ihr geforderten Sollzinsen Refinanzierungskosten, Verwaltungsaufwand und Gewinn enthalten. Die Bank muß lediglich, wenn sie Kreditgeschäfte mit üblicherweise unterschiedlichen Sollzinssätzen betreibt, darlegen, welchen Anteil die einzelnen Kreditarten am Gesamtvolumen ihres Aktivgeschäfts haben. Der Durchschnittssatz der marktüblichen Sollzinsen läßt sich dann aufgrund der Zinsstatistik der Deutschen Bundesbank errechnen.

37

Erscheint einer Bank aber sogar eine prozentuale Aufschlüsselung ihres Aktivgeschäftsvolumens nach Kreditarten unzumutbar, so muß sie es hinnehmen, daß ihr Zinsanspruch auf den marktüblichen Zinssatz der Anlageart beschränkt bleibt, die den geringsten Zinsertrag bringt (vgl. Reifner ZIP 1987, 545, 552).

38

IV.

Konkrete Umstände des Einzelfalls können ein Abweichen von der abstrakten Berechnung des Zinsschadens gemäß dem Urteil BGHZ 62, 103 [BGH 01.02.1974 - IV ZR 2/72] rechtfertigen.

39

1. Die abstrakte Berechnungsmethode geht zugunsten der Bank davon aus, sie habe nach dem gewöhnlichen Verlauf im Bankhandelsverkehr den geschuldeten Geldbetrag bei rechtzeitiger Zahlung alsbald anderweitig zu den jeweils marktüblichen Sollzinsen anlegen können. Insoweit handelt es sich aber nur um eine tatsächliche Vermutung, die widerlegt werden kann. Der Schuldner muß den Gegenbeweis führen, daß der Bank unter den konkret gegebenen Umständen eine entsprechende Anlage nicht möglich gewesen wäre (vgl. Schlegelberger/Hefermehl, HGB 5. Aufl. § 376 Rn. 21).

40

2. Der Schuldner kann sich dagegen nicht darauf berufen, im konkreten Fall sei der Bank deswegen kein Schaden in Höhe des Zinsausfalls entstanden, weil sie tatsächlich während der Zeit des Verzugs alle an sie herangetragenen Kreditwünsche mit Hilfe anderweitig beschaffter Refinanzierungsmittel erfüllt habe; sie könne deswegen nur Ersatz der Refinanzierungskosten verlangen.

41

Der Anspruch der Bank auf Ersatz des vollen Zinsausfalls beruht insoweit nicht auf einer widerleglichen tatsächlichen Vermutung, sondern auf der oben - zu III 1 - bereits näher begründeten rechtlichen Würdigung gemäß § 254 Abs. 2 BGB: Die anderweitige Refinanzierung oblag der Bank danach nicht im Interesse des ersatzpflichtigen Schuldners; der Gewinn aus dem anderweitig refinanzierten neuen Kreditgeschäft gebührt nicht dem Schuldner, sondern der Bank (vgl. auch Schlegelberger/Hefermehl aaO Rn. 23).

42

3. Will sich die Bank nicht mit einer Verzinsung aufgrund abstrakter Schadensberechnung, also mit einem - der Zusammensetzung ihres Aktivgeschäfts entsprechenden - Durchschnittssatz der marktüblichen Sollzinsen, begnügen, sondern eine höhere Verzinsung fordern, so muß sie - unter Verzicht auf alle Beweiserleichterungen der abstrakten Schadensberechnung - konkret darlegen und beweisen, daß sie - aufgrund der Besonderheiten ihrer Geschäftsstruktur oder der Umstände des Einzelfalls - den ihr vorenthaltenen Geldbetrag bei rechtzeitiger Zahlung alsbald zu einem höheren Zinssatz angelegt hätte. Ebenso trifft sie die volle Darlegungs- und Beweislast, wenn sie geltend macht, durch den Rückzahlungsverzug entständen ihr ersatzfähige (vgl. BGHZ 66, 112 [BGH 09.03.1976 - VI ZR 98/75];  75, 230 [BGH 06.11.1979 - VI ZR 254/77];  76, 216)  [BGH 26.02.1980 - VI ZR 53/79]Kosten, die höher seien als der Kostenanteil, der in den ihr zuzusprechenden Sollzinsen eines entgangenen Neugeschäfts enthalten sei (vgl. oben zu III 2).

43

V.

Das angefochtene Urteil folgt bei der Bemessung des Zinsanspruchs nicht den zu II 3 d, III und IV dargelegten Grundsätzen; es kann auch im Ergebnis nicht gebilligt werden.

44

1. (von der weiteren Darstellung wird abgesehen)

45

2. Bei der abstrakten Berechnung der Verzugszinsen ist das Berufungsgericht nicht von den Grundsätzen des Urteils BGHZ 62, 103 [BGH 01.02.1974 - IV ZR 2/72] ausgegangen, sondern hat deren Berechtigung ausdrücklich dahingestellt sein lassen mit der Begründung, die Klägerin habe »eine derartige Berechnung ihres Durchschnittsgewinns nicht dargelegt«. Dagegen wendet sich die Revision mit Recht. Die in den vorgelegten Jahresgeschäftsberichten enthaltenen Bilanzen der Klägerin boten jeweils auf der Aktivseite einen nach Kreditarten gegliederten Überblick über die Höhe aller verzinslichen Geldanlagen der Klägerin. Damit hätte sich das Berufungsgericht auseinandersetzen und prüfen müssen, ob es nicht bereits aufgrund dieser Angaben möglich war, den durch den Verzug entstandenen durchschnittlichen Zinsausfall gemäß § 287 ZPO zu schätzen.

46

3. Für eine konkrete Bemessung des Verzugsschadens bietet das bisherige Parteivorbringen dagegen keine hinreichende Grundlage:

47

a) Die Klägerin hat keine substantiierten Zahlenangaben über ihre konkreten, durch den Verzug des Beklagten bedingten ersatzfähigen Kosten gemacht, sondern weitgehend nur auf das betriebswirtschaftliche Gutachten St. verwiesen, das eine kostenorientierte Schadensberechnung ablehnt und eine Orientierung an dem Kreditpreis fordert, den ein Schuldner zahlen müßte, wenn er während des Verzugs bei der Bank einen Überziehungskredit in Höhe des geschuldeten Betrags in Anspruch nähme. Die dieser Auffassung zugrundeliegende Vorstellung eines faktischen Zwangskreditverhältnisses ist rechtlich jedoch verfehlt.

48

b) Ohne Erfolg müssen auch die Versuche des Beklagten bleiben, der abstrakten Schadensberechnung durch Hinweis auf die Besonderheiten des Einzelfalls die Grundlage zu entziehen:

49

aa) Der Beklagte meint, da die Klägerin ihm den Kredit zweckgebunden zur Beteiligung an einem bestimmten Anlageprojekt gewährt habe, müsse sie das wirtschaftliche Risiko des Scheiterns dieses Projektes wenigstens über eine Reduzierung des Verzugszinses mittragen. Damit setzt sich der Beklagte in Widerspruch zu der Auffassung des Senats, die bereits den Urteilen vom 7. November 1985 aaO zugrunde liegt, daß nämlich die rechtliche Selbständigkeit des Darlehensverhältnisses es dem Beklagten verbietet, Einwendungen aus dem finanzierten Vertrag gegenüber der Klägerin zu erheben. Nachdem feststeht, daß der Beklagte uneingeschränkt zur Rückzahlung des Kredits verpflichtet war, muß er auch den durch seinen Verzug entstandenen Schaden ohne Rücksicht auf die Verwendung der Valuta voll ersetzen.

50

bb) Der Beklagte beruft sich in der Revisionserwiderung darauf, der Entgang von Aktivgeschäften sei bei der Klägerin aufgrund ihrer besonderen Verhältnisse nicht zu vermuten, nach dem Scheitern des von ihr finanzierten Beteiligungsprojekts hätte sie keine Gelegenheit zum Abschluß von Neugeschäften gehabt. Ein solches Vorbringen ist im Ansatz zwar rechtlich nicht unerheblich (vgl. oben zu IV 1). Aber der Vortrag erscheint noch nicht hinreichend substantiiert. Den Beklagten trifft insoweit die volle Darlegungs- und Beweislast.