Bundesgerichtshof
Urt. v. 24.06.1987, Az.: IVb ZR 73/86
Anspruch eines getrenntlebenden Ehegatten auf angemessenen Trennungsunterhalt; Vorliegen einer finanziell getrennten Wirtschaftsführung sowie eigener Erwerbseinkünfte; Beschränkung des Unterhaltsbedarfs des Ehegatten mit dem geringeren Einkommen durch das Vorhandensein getrennter Kassen; Bestimmung der maßgebenden Lebensverhältnisse in einer Ehe durch die zusammengerechneten Einkünfte beider Ehegatten; Verzicht auf künftigen Trennungsunterhalt
Bibliographie
- Gericht
- BGH
- Datum
- 24.06.1987
- Aktenzeichen
- IVb ZR 73/86
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1987, 13556
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- KG Berlin - 26.06.1986
Rechtsgrundlage
Fundstelle
- NJW-RR 1987, 1285-1286 (Volltext mit red. LS)
Amtlicher Leitsatz
Aus der Tatsache, daß Ehegatten mit jeweils unterschiedlich hohen Einkünften getrennt gewirtschaftet haben, folgt nicht, daß deshalb ein Anspruch auf Trennungsunterhalt von Rechts wegen ausscheidet.
In dem Rechtsstreit
hat der IVb - Zivilsenat des Bundesgerichtshofs
auf die mündliche Verhandlung vom 24. Juni 1987
durch
die Richter Dr. Blumenröhr, Portmann, Dr. Krohn, Dr. Zysk und Nonnenkamp
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 16. Zivilsenats des Kammergerichts in Berlin als Senat für Familiensachen vom 26. Juni 1986 aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
Die Parteien haben am 6. Dezember 1979 geheiratet. Ihre Ehe ist kinderlos geblieben. Seit dem 25. Februar 1985 leben sie getrennt. Die Klägerin verlangt Trennungsunterhalt in Höhe von monatlich 300 DM ab März 1985.
Beide Parteien waren seit Beginn der Ehe und sind noch heute voll berufstätig, die Klägerin als Köchin mit einem von ihr angegebenen Monatseinkommen von jetzt ca. 2.000 DM netto, der Beklagte als Polizeibeamter mit einem monatlichen Nettoeinkommen von jetzt mindestens 3.000 DM. Die Klägerin betrieb von 1981 bis 1983 nebenher ein Ladengeschäft für Wollwaren. Zur Tilgung von Verbindlichkeiten aus diesem nicht rentablen Geschäft und für den Kauf eines Personenkraftwagens nahm sie im Jahre 1983 ein Darlehen auf; darauf zahlt sie monatlich 580 DM ab. Seit November 1985 leistet sie monatlich 300 DM Unterhalt für ein Kind aus einer früheren Ehe. Daneben hat sie weitere Verbindlichkeiten in Höhe von insgesamt ca. 346 DM je Monat, die im wesentlichen in Lebensversicherungs- und Bausparbeiträgen bestehen; diese sind teilweise storniert.
Nach der Behauptung der Klägerin hat der Beklagte neben seinem Beamtengehalt weitere Einnahmen aus der Vermietung eines ihm gehörenden Ferienhauses und daraus, daß er nebenher Kraftfahrzeugreparaturen ausführt. Für eine Krankenversicherung wandte er zunächst 109,40 DM und seit Oktober 1985 monatlich 120 DM auf. Als monatlichen Unterhalt für Kinder aus einer früheren Ehe zahlte er ab März 1985 555 DM; seit August 1985 leistet er - für nur noch ein Kind - 438 DM. Auf einen während des Zusammenlebens der Parteien gemeinsam aufgenommenen Kredit von 25.000 DM, dessen Verwendung unter den Parteien streitig ist, hat er monatliche Raten von 470 DM zu erbringen. Außerdem wandte der Beklagte für sein bereits vor der Eheschließung erworbenes Ferienhaus an Lasten und Tilgung zunächst monatlich etwa 500 bis 700 DM, seit August 1983 vierteljährlich 2.900 DM auf; ob er diese Zahlungen auch noch im Anspruchszeitraum erbracht hat, ist zwischen den Parteien streitig.
Die Parteien schlossen am 31. März 1980 einen notariellen Ehevertrag, in dem sie Gütertrennung vereinbarten, beiderseits auf die Durchführung des Versorgungsausgleichs verzichteten und weiter erklärten, sie seien darüber einig, daß die Wohnungseinrichtung zum Vermögen der Klägerin, Versicherungs-, Spar- und ähnliche Verträge hingegen zum Vermögen desjenigen gehörten, auf dessen Namen sie abgeschlossen seien oder noch abgeschlossen würden.
In der Zeit des Zusammenlebens hatte jede der Parteien ihre eigenen Einkünfte zur Verfügung. Wieviel jeder zu den Kosten des gemeinsamen Haushalts beitrug, wurde von Fall zu Fall besprochen. Zum Ausgleich dieser Kosten überwies der Beklagte der Klägerin monatlich die abgesprochenen Beträge, und zwar nach deren Vortrag durchschnittlich etwa 800 DM. Die Klägerin ihrerseits sorgte für die Bezahlung der Kosten der gemeinsamen Haushaltsführung, wobei die Wohnungsmiete mit etwa 400 DM zu Buche schlug.
Die Klägerin hat beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an sie - als Teilbetrag - monatlich 300 DM ab 1. März 1985 zu zahlen. Der Beklagte ist dem entgegengetreten und hat widerklagend die Feststellung erstrebt, daß ein über den mit der Klage geltend gemachten Unterhaltsanspruch hinausgehender Anspruch der Klägerin nicht bestehe. Das Amtsgericht - Familiengericht - hat Klage und Widerklage abgewiesen. Mit der Berufung hat die Klägerin den Unterhaltsanspruch in Höhe von monatlich 300 DM ab März 1985 weiter verfolgt. Das Kammergericht hat die Berufung zurückgewiesen. Die - zugelassene - Revision erstrebt die Verurteilung des Beklagten nach dem Berufungsbegehren der Klägerin.
Entscheidungsgründe
Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I.
Das Kammergericht hat ausgeführt, der Klägerin stehe nach ihrem eigenen Vortrag ein Anspruch auf Trennungsunterhalt nicht zu. Gemäß § 1361 Abs. 1 Satz 1 BGB könne ein getrenntlebender Ehegatte von dem anderen den nach den Lebensverhältnissen und den Erwerbs- und Vermögensverhältnissen der Ehegatten angemessenen Unterhalt verlangen. Bei beiderseitiger Erwerbstätigkeit würden die Lebensverhältnisse im allgemeinen durch das gemeinsame Einkommen beider Ehegatten bestimmt. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs komme es nicht darauf an, inwieweit die Ehegatten ihre Lebensgemeinschaft verwirklicht und ihre Lebensdispositionen aufeinander abgestimmt hätten. Deshalb sei grundsätzlich unerheblich, ob sie nur wenige Wochen oder gar überhaupt nicht zusammengelebt hätten. Das solle nach dieser Rechtsprechung auch dann gelten, wenn sie zu keinem Zeitpunkt ihres Zusammenlebens eine wirtschaftliche Einheit gebildet, sondern mit getrennten Kassen gelebt hätten. Im vorliegenden Falle seien jedoch die ehelichen Lebensverhältnisse während des Zusammenlebens so gestaltet gewesen, daß die Bemessung des Trennungsunterhalts nach dem beiderseitigen Einkommen der Parteien ausnahmsweise nicht gerechtfertigt sei. Die Parteien hätten nämlich nicht nur rein tatsächlich die beiderseitigen Einkünfte getrennt verwaltet, ohne sie für den Unterhalt des anderen und für die gemeinsame Lebensführung zur Verfügung zu stellen. Vielmehr hätten sie hierüber eine Übereinkunft getroffen. An diese sei die Klägerin, die durch die Trennung grundsätzlich nicht besser gestellt werden dürfe, gebunden. Jede Partei habe ihre Einkünfte zur eigenen Verfügung gehabt und finanziell völlig getrennt von der anderen gewirtschaftet. Keine habe Zahlungen auf Verbindlichkeiten aus der Sphäre der anderen erbracht. Die von dem Beklagten zu den Kosten des gemeinsamen Haushalts geleisteten Beiträge - nach dem Vortrag der Klägerin durchschnittlich monatlich 800 DM - hätten keinen Unterhaltscharakter gehabt. Durch diese Zahlungen hätten vielmehr, jeweils nach entsprechender vorheriger Absprache, lediglich die von der Klägerin verauslagten und zusammengestellten Kosten für Wohnung und Lebensmittel sowie Wohnungsnebenkosten ausgeglichen werden sollen. Nach den gesamten vorgetragenen Umständen sei der Lebensstandard der Klägerin vereinbarungsgemäß ausschließlich durch ihre eigenen Einkünfte bestimmt gewesen.
II.
Diese Darlegungen ergeben nicht, daß der Klägerin ein Anspruch auf Trennungsunterhalt nach § 1361 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht zusteht. Daraus, daß die Parteien - wegen der monatlichen Beteiligung des Beklagten an den Kosten des gemeinsamen Haushalts weitgehend - getrennt gewirtschaftet und beide auch jetzt noch - unterschiedlich hohe - eigene Erwerbseinkünfte haben, folgt nicht, daß deshalb der genannte Unterhaltsanspruch von Rechts wegen ausscheidet.
1.
Wie das Berufungsgericht an sich nicht verkennt, werden die nach § 1361 Abs. 1 Satz 1 BGB maßgebenden Lebensverhältnisse in einer Ehe, in der beide Partner einer Erwerbstätigkeit nachgehen, im allgemeinen durch die zusammengerechneten Einkünfte beider Ehegatten bestimmt (Senatsurteile vom 9. Juli 1980 - IVb ZR 526/80 - FamRZ 1980, 876, 877 und vom 10. Dezember 1980 - IVb ZR 534/80 - FamRZ 1981, 241). Der Anspruch auf Trennungsunterhalt ist grundsätzlich nicht davon abhängig, in welchem Maße die Ehegatten im Einzelfall ihre Einkünfte für den Unterhalt des anderen und für eine gemeinsame Lebensführung verwendet haben. Es kommt nicht darauf an, inwieweit sie die Lebensgemeinschaft verwirklicht und ihre beiderseitigen - auch wirtschaftlichen -Lebensdispositionen aufeinander abgestimmt haben (Senatsurteil vom 30. Januar 1985 - IVb ZR 63/83 - FamRZ 1985, 376, 378). Demgemäß hat der Senat einen Anspruch auf Trennungsunterhalt auch dann bejaht, wenn die Ehegatten zu keinem Zeitpunkt ihres Zusammenlebens eine wirtschaftliche Einheit gebildet, sondern mit getrennten Kassen (Urteil vom 21. April 1982 - IVb ZR 693/80 - nicht veröffentlicht) und sogar dann, wenn sie von Anfang an getrennt gelebt haben (Urteil vom 17. März 1982 - IVb ZR 664/80 - FamRZ 1982, 573, 574/575 m.w.N.). In dem genannten Urteil vom 21. April 1982 ist ausgeführt, daß der besser verdienende Partner sich seiner Unterhaltsverpflichtung nach § 1361 Abs. 1 BGB grundsätzlich nicht mit dem Hinweis darauf entziehen kann, daß er während des Zusammenlebens seinen Unterhalt im wesentlichen aus seinem Einkommen selbst bestritten und keinen Beitrag zu den Kosten einer gemeinsamen Lebensführung geleistet habe. Wenn der Ehegatte, der das höhere Einkommen erzielt, nichts zum Lebensunterhalt des anderen Teils entsprechend den Lebensverhältnissen beider Eheleute beigesteuert hat und als Folge hiervon die Lebensstellung des geringer verdienenden Ehegatten hinter der des anderen zurückgeblieben ist, so führt dies nicht zu einer Beschränkung des Unterhaltsbedarfs des Ehegatten mit dem geringeren Einkommen. Bei der Bemessung des ehelichen - wie des nachehelichen - Unterhalts ist ein objektiver Maßstab anzulegen. Entscheidend ist derjenige Lebensstandard, der nach den ehelichen Lebensverhältnissen vom Standpunkt eines vernünftigen Betrachters aus angemessen erscheint (Senatsurteile vom 4. November 1981 - IVb ZR 624/80 - FamRZ 1982, 151, 152 und vom 25. Januar 1984 - IVb ZR 43/82 - FamRZ 1984, 358, 360). Die Klägerin ist daher aus Rechtsgründen nicht gehindert, auf der Erfüllung ihres Unterhaltsanspruchs nach § 1361 Abs. 1 Satz 1 BGB zu bestehen, auch wenn sie sich während des Zusammenlebens der Parteien mit der für sie möglicherweise ungünstigeren Handhabung, auf die das Berufungsgericht im wesentlichen abgestellt hat, zufriedengegeben hat (Senatsurteil vom 21. April 1982 aaO). Deshalb kommt es darauf, daß die Parteien die getrennte Kassenführung einvernehmlich praktiziert haben, entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht entscheidend an. Die Gestaltung der wirtschaftlichen Verhältnisse innerhalb der Ehe beruht in aller Regel auf einer entsprechenden Verständigung der Partner. Ein - wirksamer - Verzicht auf künftigen Trennungsunterhalt, den offenbar auch das Berufungsgericht nicht angenommen hat, kann darin schon wegen der Regelung in §§ 1361 Abs. 4 Satz 4, 1360a Abs. 3, 1614 Abs. 1 BGB nicht gesehen werden.
2.
Das Berufungsgericht, das allein von dem Vortrag der Klägerin ausgegangen ist, hat nähere Feststellungen zu den durch das verfügbare Einkommen beider Ehegatten geprägten ehelichen Lebensverhältnissen bisher nicht getroffen. Weder der an diesen Lebensverhältnissen ausgerichtete Unterhaltsbedarf der Klägerin noch die Leistungsfähigkeit des Beklagten sind bisher tatrichterlich geprüft. Das veranlaßt die Zurückverweisung der Sache an das Kammergericht zur neuen Verhandlung und Entscheidung.
Portmann
Krohn
Zysk
Nonnenkamp