Bundesgerichtshof
Urt. v. 20.02.1986, Az.: III ZR 111/84
Finanzierung eines Bauprojekts; Steuersparendes Bauherrenmodell; Spezielle Gefährdungstatbestände; Aufklärungspflicht einer Bank; Einwendungsdurchgriff; Rechtlich selbstständige Darlehensverträge; Beteiligung an einer Abschreibungsgesellschaft; Gleichzeitige Unterzeichnung eines Kreditvertrages; Ausfüllen eines Anweisungsformulares
Bibliographie
- Gericht
- BGH
- Datum
- 20.02.1986
- Aktenzeichen
- III ZR 111/84
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1986, 13557
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- OLG Köln - 10.04.1984
Rechtsgrundlagen
Fundstellen
- BB 1986, 1177
- NJW-RR 1986, 1167-1168 (Volltext mit red. LS)
- WM 1986, 671
Redaktioneller Leitsatz
- 1.
Tritt eine Bank einem steuersparenden Bauherrenmodell durch Finanzierungshilfen bei, so hat sie hinsichtlich spezielle Gefährdungstatbestände, die die allgemeinen Risiken eines solchen Projekts übersteigen, eine Aufklärungspflicht gegenüber dem Anleger.
- 2.
Die Rechtsprechungsgrundsätze zum sog. Einwendungsdurchgriff finden bei diesen Darlehensverträgen keine Anwendung.
In dem Rechtsstreitverfahren
...
hat der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs
auf die mündliche Verhandlung vom 20. Februar 1986
durch
den Vorsitzenden Richter Dr. Krohn und
die Richter Kröner, Dr. Engelhardt, Dr. Halstenberg und Dr. Werp
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 22. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 10. April 1984 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszuges, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
Der Beklagte zu 1), von Beruf Kaufmann, wurde am 27. Dezember 1979 in seiner Wohnung von dem Anlageberater M. geworben, sich mit einer - durch Kredit zu finanzierenden -Einlage von 50.000 DM an der Claus W. Ärztehaus KG B., einer Abschreibungsgesellschaft, zu beteiligen, um Steuern zu sparen. Der Beklagte zu 1) unterschrieb neben der Beitrittserklärung einen Kredit- und Kontoeröffnungsantrag an eine - namentlich noch nicht genannte - Bank und wies diese darin unwiderruflich an, den Kredit auf Anforderung des Treuhandkommanditisten auf das Konto des Treuhänders zu überweisen.
Der Kredit- und Kontoeröffnungsantrag des Beklagten zu 1) gelangte zusammen mit einer Vielzahl entsprechender Anträge im Mai 1980 an die Klägerin. Diese ließ dem Beklagten zu 1) und seiner Ehefrau, der Beklagten zu 2), ein Darlehensangebot vom 13. Juni 1980 zuleiten, das als Sicherheit die Verpfändung des Kommanditanteils vorsah und unter der Rubrik "Sonstiges" den maschinenschriftlichen Vermerk trug:
Der Darlehensvertrag wird unabhängig vom Rechtsverhältnis des Darlehensnehmers zum Treuhänder und der Beteiligungsgesellschaft geschlossen. Wir haben keinen Einblick in die steuerlichen, wirtschaftlichen und juristischen Beteiligungskonzeptionen und können demzufolge eventuelle Risiken einer solchen Beteiligung nicht beurteilen.
Das Darlehensangebot der Klägerin wurde den Beklagten von W. übersandt. Er hatte in die von der Klägerin vorbereitete Annahmeerklärung als Auszahlungsadresse für das Darlehen nicht - wie im Kredit- und Kontoeröffnungsantrag vorgesehen - das Konto des Treuhandkommanditisten eingetragen, sondern, ohne das kenntlich zu machen, ein Konto der Beteiligungsgesellschaft, über das er selbst verfügungsbefugt war. Die Beklagten unterschrieben die Annahmeerklärung am 30. Juni 1980.
Die Klägerin, der aus der Presse Andeutungen über wirtschaftliche Schwierigkeiten der W.-Gruppe bekannt geworden waren, bat die Beklagten mit Schreiben vom 3. Juli 1980 um eine ausdrückliche Auszahlungsanweisung mit genauer Bezeichnung von Empfänger, Bankinstitut und Konto. Zugleich wies sie noch einmal darauf hin, daß der Darlehensvertrag unabhängig sei von der Kapitalanlage der Beklagten, deren Risiko sie nicht beurteilen könne.
Zu gleicher Zeit wurde der Beklagte zu 1) von W. aufgefordert, das von der Klägerin übersandte Anweisungsformular dahin auszufüllen, daß das Darlehen auf das Konto der Claus W.Ärztehaus KG Bornheim bei der Sparkasse Bonn ausgezahlt werden solle. Entsprechend verfuhren die Beklagten.
Das danach an die W.-KG ausgezahlte Darlehen ist nach dem wirtschaftlichen Zusammenbruch der Gesellschaft für die Beklagten verloren. Wäre das Darlehen dem Treuhänder zugeflossen, so hätte dieser nach der unbestrittenen Behauptung der Beklagten die Auszahlung an die Beteiligungsgesellschaft verweigert.
Die Klägerin hat, nachdem sie keine Zinszahlungen mehr erhielt, das Darlehen mit Schreiben vom 28. Mai 1982 gekündigt und mit der Klage Rückzahlung von 50.000 DM nebst 9,75 % Zinsen vom 1. Oktober bis 31. Dezember 1980 und von 10,25 % Zinsen ab 1. Januar 1981 verlangt.
Das Landgericht hat die Beklagten antragsgemäß verurteilt. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht die Klage abgewiesen. Mit ihrer Revision verfolgt die Klägerin ihren Klageantrag weiter.
Entscheidungsgründe
I.
Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Der zwischen den Parteien geschlossene Darlehensvertrag sei wegen Verstoßes gegen§ 56 Abs. 1 Nr. 6 GewO gemäß § 134 BGB nichtig. Der Klageanspruch könne auch nicht auf§ 812 BGB gestützt werden; die Beklagten seien nicht bereichert, auch die Beteiligung an der KG sei wirtschaftlich wertlos.
Mit dieser Begründung kann das angefochtene Urteil keinen Bestand haben.
a)
Selbst wenn der Anlageberater M. den Vertrag unter Verstoß gegen die §§ 55, 56 Abs. 1 Nr. 6 GewO vermittelt hätte, würde das nicht zur Nichtigkeit gemäß § 134 BGB führen. Das hat der Senat - nach Erlaß der angefochtenen Entscheidung - in mehreren Urteilen ausgeführt (BGHZ 93, 264; Urteile vom 17. Januar 1985 - III ZR 167/83 -, vom 25. April 1985 - III ZR 27/84 = ZIP 1985, 667 und vom 10. Oktober 1985 - III ZR 92/84 = WM 1986, 6). Wenn ein Darlehen der Finanzierung des Beitritts zu einer Abschreibungsgesellschaft dient und der Darlehensnehmer damit in erster Linie steuerliche Vergünstigungen erstrebt, ist es mit dem Schutzzweck des§ 56 Abs. 1 Nr. 6 GewO vereinbar, dem im Reisegewerbe abgeschlossenen oder vermittelten Darlehensvertrag die zivilrechtliche Wirksamkeit zu belassen. Hier liegt es anders als in den Fällen, in denen der Senat seit seiner Entscheidung BGHZ 71, 358 in ständiger Rechtsprechung (vgl. zuletzt Senatsurteil vom 18. November 1982 - III ZR 61/81 = NJW 1983, 868 ff. m.w.Nachw.) eine Anwendung des§ 134 BGB für unverzichtbar hält. Der am Beitritt zu einer Abschreibungsgesellschaft interessierte Personenkreis ist typischerweise weniger schutzbedürftig, weil er entweder selbst über hinreichende wirtschaftliche Erfahrung verfügt oder die finanzielle Möglichkeit hat, sich zu seinem Schutz der Hilfe von Fachberatern zu bedienen. Die Gefahr wucherischer Darlehenskonditionen ist für die Darlehensvermittlung in diesem Bereich nicht kennzeichnend; die Gefährdung liegt hier nicht im Bereich der Darlehensverhandlungen, sondern in dem zeitlich und sachlich vorrangigen Angebot der Beteiligung an einer Abschreibungsgesellschaft. Die Betroffenen vor den Steuer- und zivilrechtlichen Risiken eines solchen Geschäfts zu schützen, ist nicht die Aufgabe des § 56 Abs. 1 Nr. 6 GewO.
Ob - wie die Beklagten meinen - die dem Beklagten zu 1) und anderen Darlehensnehmern abverlangte Verpfändung ihrer Kommanditanteile gegen das Wertsystem des deutschen Gesellschaftsrechts und gegen die guten Sitten kaufmännischer Finanzierung verstößt und eine deswegen auf § 138 BGB gegründete Nichtigkeit der Verpfändungüber § 139 BGB auch auf den Darlehensvertragübergreift, braucht nicht abschließend entschieden zu werden. Den Beklagten ist es jedenfalls nach Treu und Glauben verwehrt, sich unter Berufung auf die Unwirksamkeit dieser einzelnen abtrennbaren vertraglichen Regelung, die allein den anderen Vertragspartner begünstigt, der aber ungeachtet ihres Fortfalls am Vertrag festhalten will, einseitig von dem ansonsten wirksamen Vertrag loszusagen, um sich der Pflicht zur eigenen Vertragserfüllung zu entziehen (Senatsurteil vom 25. April 1985 a.a.O. zu II. 2. m.w.Nachw.).
2.
Die Beklagten haben das Darlehen auch im Sinne des § 607 BGB empfangen. Sie haben das Geld zwar nicht persönlich erhalten. Auf ihre Anweisung hat die Klägerin den Darlehensbetrag auf das Konto der KG überwiesen. Dadurch wurde der Beklagte zu 1) von der Einlageverpflichtung frei, die er durch seine Beitrittserklärung übernommen hatte. Mit der Überweisung war daher der Darlehensbetrag seinem Vermögen endgültig zugeflossen (vgl. Senatsurteile vom 13. April 1978 - III ZR 125/76 = NJW 1978, 2294 und vom 7. März 1985 - III ZR 211/83 = ZIP 1985, 596 m.w.Nachw.). Als Mitkreditnehmer in ist auch die Beklagte zu 2) zur Rückzahlung verpflichtet, da die Auszahlung an die KG mit ihrem Einverständnis erfolgte (Senatsurteil vom 25. April 1985 a.a.O. zu II. 3).
3.
Die Klägerin braucht sich auch Einwendungen der Beklagten aus dem Rechtsverhältnis zur W.-KG nicht entgegenhalten zu lassen. Sie kann sich auf die rechtliche Selbständigkeit des Darlehensvertrages berufen, ohne damit gegen Treu und Glauben zu verstoßen. Die Rechtsprechungsgrundsätze zum Einwendungsdurchgriff sind im Falle der drittfinanzierten Beteiligung an einer Abschreibungsgesellschaft nicht anzuwenden, weil die Fremdfinanzierung der vollen Ausschöpfung aller steuerlichen Vergünstigungen dient. Liegt der Abschluß rechtlich selbständiger Verträge im eigenen Interesse des Darlehensnehmers, so ist es sach- und interessengerecht, ihn auch das Aufspaltungsrisiko tragen zu lassen (Senatsurteil vom 17. Januar 1985 - III ZR 135/83 = NJW 1985, 1020 m.w.Nachw.; Senatsbeschluß vom 11. Juli 1985 - III ZR 131/84 = WM 1985, 1287).
III.
An einer abschließenden Sachentscheidung zugunsten der Klägerin sieht sich der Senat gehindert, weil nach dem der revisionsrechtlichen Beurteilung zugrunde zu legenden Sachverhalt nicht auszuschließen ist, daß den Beklagten ein Gegenanspruch auf Schadensersatz wegen Verletzung vertraglicher oder vorvertraglicher Aufklärungspflichten zusteht. Insoweit bedarf es ergänzender tatrichterlicher Feststellungen durch das Berufungsgericht.
Grundsätzlich ist es allerdings nach ständiger Rechtsprechung nicht Aufgabe eines Kreditinstituts, den Darlehensnehmer vor Geschäften, die mit einem Risiko verbunden sind, zu warnen. Im Einzelfall kann es jedoch gegen Treu und Glauben verstoßen, wenn die Darlehensgeber in Bedenken, die nur ihr, nicht aber dem Darlehensnehmer bekannt sind, verschweigt (Senatsurteil vom 25. April 1985 a.a.O. zu III. m.w.Nachw.).
Bei einer Darlehensgewährung im Rahmen eines steuersparenden Bauherrenmodells wird ein besonderes Aufklärungs- und Schutzbedürfnis des Darlehensnehmers regelmäßig fehlen (Senatsurteil vom 17. Januar 1985 aaO). Das schließt eine abweichende Beurteilung im Einzelfall indes nicht aus. Sie kann etwa dann geboten sein, wenn die Bank selbst einen zu den allgemeinen wirtschaftlichen Risiken des Projekts hinzutretenden speziellen Gefährdungstatbestand für die Anleger schafft oder dessen Entstehung jedenfalls begünstigt. Daß das hier der Fall gewesen ist, kann auf der Grundlage der bisher getroffenen Feststellungen zumindest nicht ausgeschlossen werden.
Das Darlehen sollte nach der Weisung im Kredit- und Kontoeröffnungsantrag des Beklagten zu 1) auf das Konto des Treuhänders ausbezahlt werden. Diese Auszahlungsadresse hat die Klägerin in die von ihr vorbereitete Annahmeerklärung zum Darlehensangebot aus ungeklärten Gründen nicht übernommen, das Formular vielmehr insoweit unausgefüllt gelassen und dadurch W. Gelegenheit verschafft, die Zahlungsadresse zu seinen Gunsten zu verändern. Die Klägerin hat diese Veränderung bemerkt und die daraus für die Anleger drohende Gefahr offensichtlich erkannt. Bei dieser Sachlage könnte sie verpflichtet gewesen sein, die Darlehensnehmer auf die für sie nicht ohne weiteres ersichtliche Veränderung der Zahlungsadresse deutlich hinzuweisen. Ob der Inhalt des Schreibens vom 3. Juli 1980 geeignet war, diese Pflicht zu erfüllen, wird vom Berufungsgericht zu prüfen sein.
Dabei ist zu berücksichtigen, daß W. offensichtlich frühzeitig über dieses Schreiben der Klägerin unterrichtet war und dadurch erneut Gelegenheit erhielt, die Entschließung der Beklagten in seinem Sinne zu beeinflussen.
Im Rahmen der weiteren Sachaufklärung werden die Beklagten Gelegenheit haben, ihr Vorbringen zu substantiieren, die Klägerin habe beiÜberweisung des Darlehensbetrags bereits gewußt, daß das zu finanzierende Unternehmen zum Scheitern verurteilt gewesen sei. Hätte die Klägerin insoweit einen Wissensvorsprung vor den Beklagten gehabt, könnte sie nach Treu und Glauben verpflichtet gewesen sein, den Beklagten diesen ihnen nicht bekannten Sachverhalt offenzulegen.
Kröner,
Engelhardt,
Halstenberg,
Werp