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Bundesgerichtshof
Urt. v. 22.08.1985, Az.: 4 StR 326/85

Bedenken eines Richters oder Schöffen durch Worte oder Gesten zur Begründung von Zweifeln an seiner Unparteilichkeit; Möglichkeit zum Rücktritt bei fehlgeschlagenem Versuch; Abgrenzung des beendeten vom unbeendeten Versuch; Voraussetzungen des Rücktritts vom Versuch

Bibliographie

Gericht
BGH
Datum
22.08.1985
Aktenzeichen
4 StR 326/85
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1985, 11823
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
LG Bochum - 14.02.1985

Fundstellen

  • BGHSt 33, 295 - 302
  • MDR 1985, 1038-1040 (Volltext mit amtl. LS)
  • NJW 1986, 73-74 (Volltext mit amtl. LS)
  • NStZ 1986, 25-27
  • StV 1985, 501-503

Verfahrensgegenstand

Versuchter Totschlag u.a.

Prozessführer

Stefan G. aus E., geboren am ... 1949 in Ei./L. (Österreich)

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Zur Frage, ob der Versuch des Totschlags unabhängig vom Tatplan beendet ist, wenn der Täter nach der letzten Ausführungshandlung die Möglichkeit des Erfolgseintritts erkennt.

  2. 2.

    Überläßt der Täter die Rettung des Opfers Dritten, so genügt er nicht den Anforderungen des § 24 Abs. 1 Satz 2 StGB, wenn er sich nicht davon überzeugt, daß die für die Erfolgsabwendung notwendigen Rettungsmaßnahmen auch ergriffen werden (Ergänzung von BGHSt 31, 46).

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat
in der Sitzung vom 22. August 1985,
an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Salger,
die Richter am Bundesgerichtshof Hürxthal, Laufhütte, Dr. Jähnke, Dr. Meyer-Goßner als beisitzende Richter,
Staatsanwalt ... als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt Dr. ... aus ... als Verteidiger,
Justizangestellte ... als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Bochum vom 14. Februar 1985 wird verworfen.

Der Angeklagte hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

1

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betruges und wegen versuchten Totschlags zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und drei Monaten verurteilt. Die Revision des Angeklagten hat keinen Erfolg.

2

I.

Die auf § 338 Nr. 3 StPO gestützte Verfahrensrüge ist unbegründet.

3

Die Verteidigung hat den Schöffen J. wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. In dem Ablehnungsantrag ist ausgeführt, der Schöffe habe mehrfach verneinend den Kopf geschüttelt, als der Angeklagte den Gebrauch der Schußwaffe vorgeführt habe, es sei deshalb zu befürchten, daß der Schöffe der Tatschilderung des Angeklagten nicht unvoreingenommen gegenüber stehe. Das Landgericht hat dieses Ablehnungsgesuch mit zutreffender Begründung zurückgewiesen.

4

Die Tatsache, daß ein Richter oder Schöffe Bedenken zu erkennen gebe, sei, so führt die Strafkammer aus, in der Regel nicht geeignet, Zweifel an der Unparteilichkeit aufkommen zu lassen. Dieser Ansicht ist auch die Verteidigung; sie meint nur, daß ein Richter oder Schöffe seine Vorbehalte in Worte fassen müsse, Kopfschütteln stelle aber eine Geste dar, auf die ein Angeklagter nicht in angemessener Weise reagieren könne. Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden. Bei verständiger Würdigung des Sachverhalts hat der Schöffe durch das von der Verteidigung gerügte Verhalten hier lediglich zum Ausdruck gebracht, daß er der Darstellung des Angeklagten mit Skepsis gegenübersteht. Damit mußte dieser im Hinblick auf seine fragwürdige Demonstration mit der Waffe (vgl. UA 45 ff, 58 ff) rechnen. Er konnte nicht erwarten, daß seine Darstellung von dem nach seiner dienstlichen Äußerung nicht fachunkundigen Schöffen ohne jede kritische Reaktion als zutreffend hingenommen werden würde. Vernünftige Gründe für ein Ablehnungsbegehren hatte der Angeklagte daher nicht (vgl. BGHSt 21, 334, 341).

5

II.

Auch die Sachrüge ist nicht begründet.

6

Der Ausführung bedarf nur, ob der Angeklagte vom Versuch der Tötung strafbefreiend zurückgetreten ist. Dies ist nicht der Fall.

7

1.

Nach den Feststellungen schoß der Angeklagte mit einer Pistole P 38, Kaliber 9 mm, in der sich, wie er wußte, Munition befand, auf die rechte Schläfe des Gebrauchtwagenverkäufers K., um ihn dafür zu "bestrafen", daß dieser ihn "um sein Geld bringen wollte". Das Projektil durchschlug die linke Hand des Hans-Jürgen K., die dieser zwischen Schläfe und Mündung der Waffe gehalten hat, um den Angeklagten abzuwehren, drang aber nicht in die Schädelhöhle ein. Wegen einer Kopfbewegung des K. durchlief es vielmehr die Weichteile oberhalb des rechten Augapfels und unterhalb der rechten Augenbraue und drang neben der Nasenwurzel unterhalb des inneren Endes der rechten Augenbraue wieder aus. Nach dem Schuß drehte K. seinen Kopf in die ursprüngliche Position zurück und nahm seine Hände vor das Gesicht. Er sagte zu dem Angeklagten, was dieser für eine "Scheiße" mache (UA 30, 31, 32). Der Angeklagte, der "nur einen Schuß auf den Zeugen abgeben wollte" (UA 76), sah das Blut am Kopf von K. und stellte fest, daß er diesen "entgegen seiner Erwartung ... nicht getötet hatte". Ihm war bewußt, was er angerichtet hatte und welche Folgen dies für ihn haben werde. Er sagte zu K., dieser solle keine Angaben machen, man werde die Sache schon regeln (UA 32). Sodann verließ er die Bürobaracke, in welcher der Schuß abgegeben worden war, und sagte den Angestellten des Opfers, Dieter P. und Willi T., die den Schuß gehört hatten und sich auf dem Weg zur Bürotür befanden, "sie sollten nach ihrem Chef sehen, diesem sei etwas passiert" (UA 33). Sodann fuhr er davon. P. und T. liefen in das Büro, wo sie K. vorfanden, der heftig blutete und sich ein Taschentuch vor das rechte Auge drückte, um das Blut zu stillen. T. forderte fernmündlich einen Krankenwagen an und rief auch die Polizei herbei. Die Verletzungen des Hans-Jürgen K. wurden später im Klinikum E. behandelt. Sein rechtes Auge ist inzwischen entfernt worden. Die linke Hand, die sich noch nicht schließen läßt, muß noch operiert werden (UA 41).

8

2.

Das Landgericht hat die Voraussetzungen des strafbefreienden Rücktritts vom Versuch des Totschlags verneint. Dies hält im Ergebnis rechtlicher Prüfung stand.

9

a)

Der Senat folgt allerdings nicht der Auffassung des Landgerichts, auf das Ergreifen etwaiger erfolgsabwendender Maßnahmen des Angeklagten komme es dann nicht an, wenn dieser nach Abgabe des geplanten nur einen Schusses das Bestehen einer Lebensgefahr für sein Opfer verneint habe. Dieser Erwägung liegt offensichtlich die Annahme zugrunde, daß bei dieser für möglich gehaltenen Sachlage ein fehlgeschlagener Versuch gegeben sei. Sie knüpft an Entscheidungen des Bundesgerichtshofs an, denen entnommen werden kann, daß die Möglichkeit zum Rücktritt nicht gegeben ist, wenn der Täter, der den Tatplan auf eine bestimmte Weise verwirklichen will, erkennt, daß die vorgenommene, dem Plan entsprechende Ausführungshandlung nicht geeignet ist, den Erfolg herbeizuführen (BGHSt 10, 129, 131 [BGH 20.12.1956 - 4 StR 447/56];  14, 75, 79;  21, 319, 322;  22, 176, 177;  BGH, Urteil vom 14. Dezember 1976 - 1 StR 688/76). Eine solche Auslegung, an die der Senat nicht gebunden ist, weil sie in keiner der genannten Entscheidungen im Ergebnis entseheidungserheblich war, würde nicht zu das Rechtsgefühl befriedigenden Ergebnissen führen, weil sie auch solchen Tätern die Möglichkeit des strafbefreienden Rücktritts versagt, die Abstand von der Tat nehmen, obwohl sie diese noch vollenden könnten und sie dies auch wissen. Dabei kann dahingestellt bleiben, wie eine eigenständige Fallgruppe des fehlgeschlagenen Versuchs von den Fallgruppen des unbeendeten und beendeten Versuchs abzugrenzen wäre (Roxin JuS 1981, 1, 6/8; vgl. Eser in Schönke/Schröder, StGB 21. Aufl. § 24 Rdn. 17 ff; Gössel ZStW 87, 3; Rudolphi in SK § 24 Rdn. 14; Vogler in LK, 10. Aufl. § 24 Rdn. 25, 26). Sie würde jedenfalls nicht Fälle erfassen, in denen der Täter die Tat, wie er weiß, mit den bereits eingesetzten oder zur Hand liegenden einsatzbereiten Mitteln noch vollenden kann. Um eine solche Tat geht es hier; denn die vom Angeklagten benutzte Schußwaffe war, wie er wußte, noch geladen. Er hätte deshalb sein Opfer durch weitere Schüsse töten können. Das Vorhaben des Angeklagten war deshalb nach Abgabe des ersten Schusses nicht endgültig gescheitert, der Versuch deshalb nicht fehlgeschlagen (Roxin, Rudolphi und Vogler a.a.O.; Geilen JK, StGB§ 24/4 und 8; Krauß JuS 1981, 883, 884; Lackner, StGB 15. Aufl. § 24 Anm. 3 a; Otto JK StGB§ 24/9).

10

b)

Der Tötungsversuch war aber beendet.

11

aa)

Nach Auffassung der Strafkammer ist der Versuch des Angeklagten schon deshalb beendet, weil der Angeklagte von vornherein nur einen Schuß hat abgeben wollen. Sie folgt dabei ersichtlich der früheren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGHSt 22, 330, 331; BGH bei Holtz MDR 1980, 628; BGH StV 1981, 67, 514; BGH, Urteil vom 27. Mai 1975 - 4 StR 130/75 - und vom 7. März 1978 - 1 StR 760/77), nach der die Fallgruppen des unbeendeten und des beendeten Versuchs allein nach den Vorstellungen des Täters bei Tatbeginn abzugrenzen sind (kritisch Geilen JZ 1972, 335; Lackner a.a.O. § 24 Anm. 2 b). In teilweiser Abkehr von dieser Rechtsprechung hat der Bundesgerichtshof sich inzwischen auf den Standpunkt gestellt, daß der Versuch in der Regel dann beendet ist, wenn der Täter nach der letzten Ausführungshandlung den Eintritt des tatbestandsmäßigen Erfolges für möglich hält (BGHSt 31, 170 ff). Die Entscheidung betrifft einen Fall, in dem der Täter sich bei Tatbeginn nicht auf einen fest umrissenen Tatplan festgelegt hatte. Die zustimmenden Stellungnahmen zu dieser Entscheidung (Hassemer JuS 1983, 556; Kienapfel JR 1984, 72; Küper JZ 1983, 264; Mayer MDR 1984, 187; Rudolphi NStZ 1983, 361; Vogler in LK a.a.O. § 24 Rdn. 65) wollen ihre Grundsätze auch auf Fälle wie den vorliegenden ausdehnen, in denen der Täter einen fest umrissenen Tatplan ausführt. Danach kommt es für die Frage der Abgrenzung des unbeendeten und des beendeten Versuchs auf den "Rücktrittshorizont" (Vogler a.a.O.) nach Abschluß der letzten Ausführungshandlung an. Unbeendet wäre der Versuch danach, wenn der Täter nach der letzten Ausführungshandlung glaubt, der Eintritt des Erfolges sei nicht möglich und von weiteren Handlungen absieht, die noch zum Erfolg führen könnten. Ist der Erfolgseintritt dagegen nach der letzten Ausführungshandlung möglich, so ist der Versuch beendet, wenn der Täter die hierfür maßgebenden tatsächlichen Umstände erkannt hat (Küper a.a.O. S. 268; Kienapfel a.a.O. S. 73). Ein entsprechendes Ergebnis liegt auch nahe, wenn der Täter den Erfolgseintritt für möglich hält, die vorgenommene Handlung aber objektiv nicht zur Herbeiführung des Erfolgs geeignet ist (vgl. BGH bei Dallinger MDR 1970, 381; Vogler in LK a.a.O. § 24 Rdn. 37; Eser in Schönke/Schröder a.a.O. § 24 Rdn. 13).

12

Die in NJW 1984, 1693 (mit abl. Anm. Ulsenheimer JZ 1984, 852) abgedruckte Entscheidung des 1. Strafsenats hat allerdings in einem Fall, in dem der Täter nach Abgabe eines Messerstiches möglicherweise nicht die Vorstellung hatte, er habe das zur Herbeiführung des Erfolgs Ausreichende getan, beendeten Versuch dann bejahen wollen, wenn er von vornherein vorgehabt haben sollte, den Erfolg nur mit der ausgeführten Handlung zu erreichen. In diesem Sinne kann auch die bei Holtz in MDR 1983, 983, 984 [BGH 13.07.1983 - IVb ZB 31/83] wiedergegebene Entscheidung des erkennenden 4. Strafsenats verstanden werden. Dort ist ausgeführt, bei Abgrenzung des beendeten vom unbeendeten Versuch komme es auf die Vorstellung des Täters bei Abbruch des Handelns an, da nicht davon auszugehen sei, daß dieser die Anzahl der Stiche von vornherein geplant habe. In zwei weiteren Entscheidungen des erkennenden Senats (BGH NStZ 1984, 453; BGH, Beschluß vom 2. April 1985 - 4 StR 62/85) finden die Vorstellungen des Täters bei Tatbeginn keine Erwähnung mehr; sie betreffen aber Fälle, in denen ein fester Tatplan bei Beginn der Ausführung nicht festgestellt worden war.

13

Der Senat neigt dazu, die in BGHSt 31, 170 niedergelegten Grundsätze auch auf Fälle wie den vorliegenden anzuwenden, beendeten Versuch also nicht schon anzunehmen, wenn der Täter die von vornherein geplante Handlung ausführt, sondern erst dann, wenn er nach der letzten Ausführungshandlung die tatsächlichen Umstände, die den Erfolgseintritt nahelegen, erkennt oder wenn er den Erfolgseintritt in Verkennung der tatsächlichen Ungeeignetheit der Handlung für möglich hält (vgl. aber Dreher/ Tröndle, StGB 42. Aufl. § 24 Rdn. 4). Ist der Handlungsablauf dagegen nicht oder jedenfalls aus der Sicht des Täters nicht geeignet, den Erfolg herbeizuführen, so ist der Versuch, wenn er nicht endgültig gescheitert ist, unbeendet; denn das geschützte Rechtsgut ist in solchen Fällen, zumindest aus der Sicht des Täters, nicht unmittelbar gefährdet, und es besteht deshalb kein Anlaß, von ihm zu erwarten, daß er - was beim beendeten Versuch Voraussetzung für die Straflosigkeit ist - zwecks Erlangung der Straffreiheit Aktivitäten zur Verhinderung des Erfolgseintritts entfaltet; es reicht vielmehr aus, daß er von der noch möglichen Tatvollendung freiwillig absieht.

14

bb)

Die Strafkammer ist der Meinung, es habe nicht sicher geklärt werden können, ob der Angeklagte nach Abgabe des Schusses davon ausging, daß für K. Lebensgefahr bestehe. Dem könnte entnommen werden, daß der Angeklagte in dem für die Bewertung des Rücktritts maßgeblichen Zeitpunkt, nämlich nach der Beendigung der Ausführungshandlung, geglaubt hat, sein Opfer werde überleben. Bei solcher Sachlage wären, wie der 2. Senat des Bundesgerichtshofs in dem Beschluß vom 17. Dezember 1982 - 2 StR 716/82 - ausgeführt hat, keine sicheren Feststellungen darüber getroffen, ob der Angeklagte nach der letzten Ausführungshandlung den Eintritt des tatbestandsmäßigen Erfolges für möglich gehalten hat (vgl. auch BGH NJW 1984, 1693). Die Annahme, der Versuch sei beendet, wäre dann nicht gerechtfertigt. Dazu ist zu bemerken:

15

Hans-Jürgen K. war durch den auf ihn abgegebenen Kopfschuß schwer verletzt. Nach objektivem Urteil (vgl. Kienapfel JR 1984, 72, 73) bestand die nahe Gefahr des Erfolgseintritts. Der Angeklagte hat auch erkannt, daß sein Opfer am Kopf getroffen worden war. Er sah "das Blut am Kopf des Zeugen" (UA 32). Bei dieser Sachlage erweist sich die Auffassung des Landgerichts, es habe nicht festgestellt werden können, ob der Angeklagte die Verletzungen für lebensgefährlich gehalten habe, nicht als eine mögliche Schlußfolgerung, die den Kenntnisstand des Angeklagten wiedergibt, sondern als eine rechtliche Erwägung, die zu hohe Anforderungen an das Merkmal des Fürmöglichhaltens stellt und daher rechtsfehlerhaft ist. Denn für dessen Erfüllung ist es unerheblich, ob der Angeklagte den Erfolgseintritt nach Feststellung der Verletzung noch wollte oder billigte (BGHSt 31, 170, 177); er braucht auch nicht die Gewißheit des Erfolgseintritts zu haben (Küper JZ 1983, 264, 268). Maßgeblich ist vielmehr nur, ob er die naheliegende Möglichkeit erkannte, sein Opfer werde die Verletzung nicht überleben (BGH a.a.O.). Dies liegt bei bestimmten schweren Verletzungen auf der Hand (Vogler in LK a.a.O. § 24 Rdn. 70). Um einen solchen Fall geht es nach den Feststellungen hier. Denn es ist auszuschließen, der Angeklagte könne nicht gewußt haben, daß ein aus kürzester Entfernung aus einer Pistole mit dem Kaliber 9 mm in den Kopf eines Menschen abgegebener Schuß nahezu ausnahmslos mit Lebensgefahr verbunden ist. Auch die Angestellten P. und T., die - anders als der Angeklagte - nicht einmal die Stärke der benutzten Schußwaffe kannten und nicht wußten, daß der Schuß aufgesetzt abgegeben worden war, haben sofort die Lebensgefahr erkannt und einen Krankenwagen herbeigerufen, um den Verletzten ins Krankenhaus bringen zu lassen. Die insoweit getroffenen Feststellungen ergeben ohne jeden Zweifel, daß der Angeklagte, der Kenntnis aller derjenigen Umstände hatte, aus denen sich die Lebensgefährdung ergab (vgl. BGHSt 19, 352 [BGH 23.06.1964 - 5 StR 182/64]), den Eintritt des Erfolges für möglich gehalten hat.

16

c)

Der Angeklagte konnte deshalb, wie das Landgericht im Ergebnis zutreffend ausgeführt hat, Straffreiheit für das Tötungsdelikt nicht schon dadurch erlangen, daß er davon Abstand nahm, den Tod des Opfers durch weitere Schüsse herbeizuführen. Vielmehr war es erforderlich, daß er die Vollendung der Tat verhinderte oder daß er, wenn die Tat ohne sein Zutun nicht vollendet worden ist, sich freiwillig und ernstlich bemühte, den Eintritt des Erfolges zu verhindern (§ 24 Abs. 1 Satz 2 StGB). Dies hat der Angeklagte nicht getan.

17

aa)

Die Tat verhindert, wer bis zu dem Zeitpunkt, in dem er den Erfolg nicht mehr abzuwenden vermag (BGH StV 1981, 515, 516), eine neue Kausalkette in Gang setzt, die für die Nichtvollendung der Tat mit ursächlich wird (BGH StV 1981, 514, 515; NJW 1985, 813). Ohne Belang ist dabei, ob der Angeklagte noch mehr hätte tun können (BGH StV 1981, 396) oder ob andere vom Willen des Täters unabhängige Umstände zur Verhinderung der Tat drängen (BGH NJW 1985, 813), sofern er nur die ihm bekannten und zur Verfügung stehenden Mittel benutzt hat, die aus seiner Sicht den Erfolg verhindern konnten (BGH, Urteil vom 31. Januar 1980 - 4 StR 665/79). Diese Voraussetzungen liegen nicht vor, weil es schon an der Ursächlichkeit oder wenigstens Mitursächlichkeit des Verhaltens des Angeklagten für die Erfolgsabwendung fehlt. Er hat zwar P. und T. gesagt, sie sollten nach ihrem Chef sehen, diesem sei etwas passiert. Ursächlich für die Rettung war diese Äußerung aber nicht, denn die beiden Angestellten hatten, wie vom Landgericht festgestellt, den Knall gehört. Sie gingen in Richtung Bürobaracke und wollten nachsehen, was geschehen war (UA 33). Die Hilfeleistung, die zur Abwendung des Erfolgs geführt hat, erfolgte deshalb ohne Zutun des Angeklagten. Daß er dies auch erkannt hat, hat das Landgericht nicht festgestellt.

18

bb)

Strafbefreiender Rücktritt käme bei dieser Sachlage nur in Frage, wenn sich der Angeklagte ernsthaft um eine Erfolgsabwendung bemüht hätte (§ 24 Abs. 1 Satz 2 StGB). Hier könnte schon zweifelhaft sein, ob das Merkmal der Ernsthaftigkeit des Bemühens, dessen Vorliegen in Fällen des § 24 Abs. 1 Satz 2 StGB, anders als in den Fällen des § 24 Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz StGB, Voraussetzung für die Anwendung der Rücktrittsvorschriften ist (BGH, Urteil vom 19. März 1981 - 4 StR 80/81), erfüllt ist (vgl. BGH bei Dallinger MDR 1972, 751). Auf die Ernsthaftigkeit der Erfolgsabwendung, die das Landgericht nicht geprüft hat, kommt es hier indessen nicht an, weil die Bemühungen des Angeklagten um Erfolgsabwendung nicht ausreichend waren.

19

In Fällen, in denen die Tat durch ein Eingreifen Dritter verhindert wird, reicht nicht ein irgendwie geartetes Bemühen aus (vgl. Puppe NStZ 1984, 488), vielmehr nur ein solches, das sich in der Vorstellung des Täters als ein bewußtes und gewelltes Abbrechen des in Bewegung gesetzten Kausalverlaufs darstellt. Der Täter muß alles tun, was in seinen Kräften steht und was nach seiner Überzeugung zur Erfolgsabwendung erforderlich ist (BGH bei Holtz MDR 1978, 279, 985); er muß die aus seiner Sicht ausreichenden Verhinderungsmöglichkeiten ausschöpfen (BGHSt 31, 46, 50). Das hat der Angeklagte nicht getan.

20

Notwendig ist zwar nicht, daß der Täter selbst die aus seiner Sicht notwendigen Hilfsmaßnahmen ergreift. Es kann ausreichen, wenn er einen Krankenwagen herbeiholt, dessen Insassen zur Rettung des Verletzten in der Lage sind (BGH bei Dallinger MDR 1975, 724; BGH bei Holtz MDR 1978, 279, 985; BGH StV 1981, 396; BGH, Urteil vom 31. Januar 1980 - 4 StR 665/79; BGH, Beschluß vom 11. Januar 1980 - 3 StR 489/79). Auch sonst kann sich der Täter der Hilfe Dritter (BGH bei Dallinger MDR 1972, 751; BGH NJW 1973, 632) oder auch, wenn es möglich ist, des Verletzten (BGH NJW 1985, 813, 814; BGH, Urteil vom 26. Mai 1983 - 4 StR 271/83) bedienen. Jedenfalls wenn - wie hier - ein Menschenleben auf dem Spiel steht, sind jedoch insoweit hohe Anforderungen zu stellen (BGH bei Holtz MDR 1978, 985). Der Täter muß sich um die bestmögliche Maßnahme für die Erfolgsabwendung bemühen. Hilft er nicht selbst, so muß er sich zumindest vergewissern, ob die Hilfspersonen das Notwendige und Erforderliche veranlassen (vgl. BGH NJW 1985, 813, 814). Dies hat der Angeklagte nicht getan. Er hat vielmehr die Rettungsmaßnahmen den Angestellten des Opfers allein überlassen. Er hat diesen weder Vorschläge gemacht noch sich vergewissert, ob sie irgendwelche zur Erfolgsabwendung notwendigen Maßnahmen trafen. Deshalb hat er dem Zufall dort Raum geboten, wo er ihn vermeiden konnte (BGHSt 31, 46, 49). Seine Bemühung um Erfolgsabwendung ist somit, wie die Strafkammer zutreffend festgestellt hat, nicht ausreichend. Die Vergünstigung des § 24 StGB kann ihm deshalb nicht zugute kommen.

Salger
Hürxthal
Laufhütte
Jähnke
Meyer-Goßner