Bundesgerichtshof
Urt. v. 28.09.1984, Az.: V ZR 43/83
Voraussetzungen des Rücktritts von einem Kaufvertrag; Rechtmäßigkeit der Berufung auf die Wirksamkeit des Rücktritts; Verstoß gegen den Grundsatz von Treu und Glauben
Bibliographie
- Gericht
- BGH
- Datum
- 28.09.1984
- Aktenzeichen
- V ZR 43/83
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1984, 13121
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- OLG Frankfurt am Main - 16.12.1982
- LG Wiesbaden
Rechtsgrundlagen
Fundstellen
- DNotZ 1985, 284-285
- JZ 1985, 99
- MDR 1985, 308 (Volltext mit amtl. LS)
- NJW 1985, 266-267 (Volltext mit amtl. LS)
Prozessführer
Firma P. W. KG,
vertreten durch ihren persönlich haftenden Gesellschafter Gunther P., A.-D.-Straße ..., W.
Prozessgegner
1. Helmut S.
2. Christel S.
beide wohnhaft B. straße ..., T.-B.
Amtlicher Leitsatz
Auch seit der Neufassung von § 313 BGB durch das Gesetz vom 30. Mai 1973 (BGBl I 501) können Grundstückskaufverträge nach der Auflassung (aber noch vor der Eigentumsumschreibung) formlos abgeändert werden.
In dem Rechtsstreit
hat der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes
auf die mündliche Verhandlung vom 28. September 1984
durch
den Vorsitzenden Richter Dr. Thumm und
die Richter Linden, Dr. Vogt, Dr. Räfle und Dr. Lambert-Lang
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 16. Dezember 1982 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an den 1. Zivilsenat des Berufungsgerichts zurückverwiesen.
Tatbestand
Durch notariellen Vertrag vom 24. April 1974 verkaufte die Klägerin den Beklagten ein Grundstück mit Doppelhaushälfte und ließ es ihnen auf. Der Notar war angewiesen, die Eigentumsumschreibung erst zu beantragen, wenn die Zahlung des gesamten Kaufpreises bestätigt oder nachgewiesen war. Zugunsten der Beklagten wurde am 9. Mai 1974 eine Auflassungsvormerkung eingetragen.
Der Kaufpreis von 166.400 DM sollte vereinbarungsgemäß in Höhe von 9.920 DM durch Eigenleistungen des Beklagten zu 1, eines selbständigen Gärtners und Blumenhändlers, beglichen und im übrigen durch Kreditaufnahme der Beklagten finanziert werden. Nach § 13 des Vertrages war die Klägerin zum Rücktritt u.a. dann berechtigt, wenn "der Käufer mit der Erfüllung seiner finanziellen Verpflichtungen aus diesem Vertrag länger als 12 Monate in Verzug gerät".
Die Beklagten, die das Haus Anfang Mai 1974 bezogen hatten, konnten nur ein Hypothekendarlehen beschaffen und so an die Klägerin 82.340,61 DM zahlen; die weitere Kaufpreisfinanzierung schlug fehl. Daraufhin schlossen die Parteien am 2. Dezember 1975 eine privatschriftliche Vereinbarung, in der sie feststellten, daß die Klägerin gegen die Beklagten eine unbestrittene "Schadensersatzforderung" von 80.000 DM habe, auf die von den Beklagten ab 1. Januar 1976 900 DM monatlich zu leisten seien. Darin enthalten war eine Verzinsung von 1 % über den jeweiligen banküblichen Zinssätzen der W. Volksbank. Außerdem konnten die Beklagten eine zusätzliche Tilgung in Form gärtnerischer Leistungen vornehmen, solange die Klägerin Aufträge zu vergeben hatte. In § 7 der Vereinbarung ist festgelegt:
"Sollten die monatlichen Zahlungen in Höhe v. DM 900,- bis jeweils zum 10. eines jeden Monats nicht auf obigem Konto zu Gunsten der Firma P. W. KG. gutgeschrieben sein, tritt unweigerlich der § 13 des Kaufvertrages v. 24.4.1974, Urk. R. Nr. .../1974, in Kraft."
Die Klägerin nahm ihrerseits bei der W. Volksbank ein Darlehen von 80.000 DM in Anspruch, das durch die monatlichen Raten der Beklagten - unmittelbar auf das Kreditkonto der Klägerin - zurückgezahlt werden sollte.
Von Januar bis einschließlich Oktober 1976 leisteten die Beklagten die vereinbarten Zahlungen, nicht jedoch für die Monate November und Dezember 1976 sowie für Februar und März 1977 und September 1977 bis Mai 1978.
Im Juli 1978 hat die Klägerin Klage auf Zahlung von 11.700 DM erhoben und sie anschließend um 900 DM wegen der (erst am 30. Oktober 1978 überwiesenen) Oktober-Rate sowie um 2.462,27 DM bezifferte Verzugszinsen erhöht. Nachdem die Beklagten an die Klägerin unter dem 19. Januar 1979 11.700 DM gezahlt hatten, haben die Parteien am 16. März 1979 übereinstimmend den Rechtsstreit wegen eines Betrages von 12.600 DM in der Hauptsache für erledigt erklärt; im übrigen hat das Verfahren bis zum Juli 1980 geruht.
Für die Monate September bis November 1979 und Januar bis März 1980 zahlten die Beklagten die vereinbarten Raten nicht. Nach weiterer Korrespondenz zwischen den Parteien erklärte die Klägerin mit Schreiben vom 8. Mai 1980 den Rücktritt vom Vertrag. Kurz nach Erhalt dieses Briefes glichen die Beklagten durch Überweisung vom 13. Mai 1980 die Rückstände für September bis November 1979 sowie für Januar und Februar 1980 aus; hinsichtlich der Raten für April und Mai 1980 hatten sie bereits mit Überweisungen vom 15. April und 10. Mai 1980 die Zahlungen wieder aufgenommen. Von da an veranlaßten sie die regelmäßige Zahlung der Monatsraten jeweils zum 15. eines Monats durch Dauerauftrag.
Mit Schriftsatz vom 15. Juli 1980 hat die Klägerin die noch anhängige Forderung auf Zahlung von Verzugszinsen für erledigt erklärt und wegen des zwischenzeitlich erfolgten Rücktritts neue Anträge auf Räumung des Hausgrundstücks sowie Erteilung einer Löschungsbewilligung für die zugunsten der Beklagten eingetragene Auflassungsvormerkung angekündigt. Dieser Schriftsatz ist dem Prozeßbevollmächtigten der Beklagten am 23. September 1980 zugestellt worden. In der mündlichen Verhandlung vom 6. Februar 1981 hat die Klägerin zunächst hinsichtlich des Zinsbetrages von 2.462,27 DM die Klage zurückgenommen und sodann die angekündigten neuen Anträge gestellt.
Das Landgericht hat den neuen Klageanträgen stattgegeben, das Oberlandesgericht hat sie abgewiesen. Mit der Revision erstrebt die Klägerin Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils; die Beklagten beantragen,
das Rechtsmittel zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
I.
Die Klage ist nicht - wie die Beklagten meinen - unzulässig, weil die Klägerin den noch anhängigen Teil der ursprünglichen Zahlungsklage in der mündlichen Verhandlung vom 6. Februar 1981 zurückgenommen hat, bevor die neuen Anträge aus dem Schriftsatz vom 15. Juli 1980 gestellt worden sind. Die entsprechende Rüge der Beklagten hält der Senat für nicht durchgreifend; von einer Begründung wird abgesehen (§ 565 a ZPO).
II.
1.
In der Sache führt das Berufungsgericht aus, die Voraussetzungen für einen Rücktritt der Klägerin vom Kaufvertrag hätten am 8. Mai 1980 an sich vorgelegen. Auf die Wirksamkeit des Rücktritts dürfe sich die Klägerin aber nach den gesamten Umständen des Falles wegen Verstoßes gegen den Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) nicht berufen.
2.
Diese Begründung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht in allen Punkten stand.
a)
Dem Berufungsgericht ist darin zu folgen, daß die zwischen den Parteien am 2. Dezember 1975 getroffene Vereinbarung nicht mehr nach § 313 BGB beurkundungspflichtig war, weil der Kaufvertrag vom 24. April 1974 bereits die Auflassung enthielt.
Der Bundesgerichtshof hat im Anschluß an die Rechtsprechung des Reichsgerichts (vgl. RG WarnR 1911 Nr. 226; HRR 1933 Nr. 1410; SeuffA 94, 128, 129) eine Formbedürftigkeit der nach der Auflassung (aber noch vor Eigentumsumschreibung) abgeschlossenen Abänderungsverträge verneint (vgl. Senatsurteile vom 14. Mai 1971, V ZR 25/69, LM Nr. 49 zu § 313 BGB; vom 25. Februar 1972, V ZR 74/69, WM 1972, 556, 557; vom 27. Oktober 1972, V ZR 37/71, LM Nr. 57 zu § 313 BGB; vom 23. März 1973, V ZR 166/70, WM 1973, 576 und vom 30. Mai 1975, V ZR 214/73, Betrieb 1975, 1983). Durch gefestigte höchstrichterliche Rechtsprechung, die auch im Schrifttum überwiegend Zustimmung gefunden hat (vgl. BGB-RGRK 12. Aufl. § 313 Rdn. 88; Erman/Battes, BGB 7. Aufl. § 313 Rdn. 54; Palandt/Heinrichs, BGB 43. Aufl. § 313 Anm. 10 c; Soergel/Schmidt, BGB 10. Aufl. § 313 Rdn. 22; Haegele, DNotZ 1958, 19; a.A. MünchKomm/Kanzleiter § 313 Rdn. 48; Staudinger/Wufka § 313 Rdn. 157), ist somit § 313 BGB in bestimmter Weise ausgeformt worden. Deutlich überwiegende oder schlechthin zwingende Gründe für eine Abkehr von dieser Rechtsentwicklung (BGHZ 85, 64, 66) sind nicht gegeben. Insbesondere läßt sich aus § 313 Satz 2 BGB die zeitliche Grenze der Beurkundungsbedürftigkeit nicht zwingend entnehmen (so aber MünchKomm/Kanzleiter a.a.O. und wohl auch Staudinger/Wufka aaO). Die Änderung von § 313 BGB durch Gesetz vom 30. Mai 1973 (BGBl I S. 501) bildet ebenfalls keinen Grund zur Änderung der Senatsrechtsprechung. Hält man nach der alten Fassung des § 313 BGB, die lediglich an die Übertragungspflicht des Veräußerers anknüpft, einen Abänderungsvertrag nach der Auflassung formfrei für möglich, so kann dies im Hinblick auf die Formbedürftigkeit wegen der Erwerbspflicht nicht anders beurteilt werden.
b)
Rechtsfehlerfrei legt das Berufungsgericht die Rücktrittsklausel der Vereinbarung vom 2. Dezember 1975 so aus, daß die Klägerin nunmehr - abweichend von der in § 13 des Kaufvertrages enthaltenen Frist von mehr als zwölf Monaten - bei jedem Verzug der Beklagten mit ihren Ratenzahlungen zum Rücktritt vom Kaufvertrag berechtigt sein sollte. Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung ist diese Auslegung mit dem Wortlaut der im Ursprünglichen Kaufvertrag getroffenen Bestimmung vereinbar; sie verletzt weder Denkgesetze noch Auslegungsregeln und ist darum für das Revisionsgericht bindend.
c)
Das Berufungsgericht hält die Rücktrittsvoraussetzungen wegen der im Zeitpunkt der Rücktrittserklärung unstreitig offenstehenden sechs Monatsraten mit einem Gesamtbetrag von 5.400 DM für gegeben. Auch dagegen wendet sich die Revisionserwiderung ohne Erfolg. Sie meint, von dem rückständigen Betrag seien die gärtnerischen Leistungen der Beklagten gemäß Rechnungen vom 4. Juni 1976 und vom 31. Juli 1978 über zusammen 3.894,49 DM sowie eine doppelt bezahlte Dezemberrate abzusetzen, so daß zur Zeit des Rücktritts lediglich eine Schuld der Beklagten in Höhe von 605,51 DM bestanden habe. Diese Berechnungsweise ist bereits deswegen verfehlt, weil nach § 3 der Abrede vom 2. Dezember 1975 gärtnerische Leistungen nur eine zusätzliche Tilgung der Kaufpreisschuld bewirken sollten und diese Forderungen deswegen nicht gegen die laufenden Raten aufgerechnet werden können. Eine angeblich doppelte Zahlung der Dezemberrate - auf die es auch nicht mehr entscheidend ankäme - ist vom Berufungsgericht nicht festgestellt.
d)
Das Berufungsgericht führt aus, die Klägerin dürfe sich nicht auf die Wirksamkeit des Rücktritts berufen und ihr sei die Geltendmachung der Klageansprüche wegen Verstoßes gegen Treu und Glauben verwehrt.
Dies ist schon im Ansatz verfehlt. Ist durch einen wirksamen Rücktritt der ursprüngliche Vertrag in ein Abwicklungsschuldverhältnis umgewandelt, sind die Beklagten nicht mehr zum Besitz des Hausgrundstücks berechtigt (§ 986 BGB); das Grundbuch ist hinsichtlich der für sie eingetragenen Vormerkung unrichtig (§ 894 BGB), weil ein Auflassungsanspruch nicht mehr besteht. Diese Rechtslage gilt für beide Parteien. Es kann nicht sein, daß etwa die Beklagten - nach einem denkbaren Sinneswandel - sich auf einen wirksamen Rücktritt berufen können, die Klägerin dagegen nicht.
Sollte das Berufungsgericht mit seinen Ausführungen meinen, die Rechtswirksamkeit des erklärten Rücktritts scheitere an § 242 BGB, so ist auch diese Auffassung rechtsfehlerhaft.
Ohne Bedeutung ist, daß die Beklagten die geschuldeten Raten kurz nach Erhalt der Rücktrittserklärung vollständig nachgezahlt und von da an die festgesetzten Raten pünktlich geleistet haben. Für die Wirksamkeit des Rücktritts kommt es auf die Umstände im Zeitpunkt der Rücktrittserklärung an. § 554 Abs. 2 Nr. 2 BGB gilt nur bei Kündigung von Mietverhältnissen über Wohnraum und läßt sich als Mieterschutzvorschrift auch nicht analog auf das vertraglich vereinbarte Rücktrittsrecht eines Grundstückskaufvertrages anwenden.
Auch auf die vom Berufungsgericht angeführte eigene Vertragswidrigkeit der Klägerin, die entgegen § 10 der Vereinbarung vom 2. Dezember 1975 den Beklagten zwei Rechnungen über gärtnerische Arbeiten nicht gutgebracht und dadurch zu Unstimmigkeiten über die Höhe der restlich geschuldeten Summe beigetragen habe, führt nicht weiter. Allerdings ist in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs anerkannt, daß die Ausübung auch eines vertraglichen Rücktrittsrechts nach Treu und Glauben die eigene Vertragstreue des Zurücktretenden voraussetzt (Senatsurteile vom 19. Mai 1967, V ZR 24/66, LM Nr. 6 zu § 346 BGB; vom 12. Juli 1968, V ZR 161/66, WM 1968, 1299, 1302; vom 10. Juli 1970, V ZR 162/67, WM 1970, 1246, 1247; kritisch Lorenz, JuS 1972, 311 ff). Das gilt indessen nur für die Einhaltung solcher Vertragspflichten, die für die beiderseits zu erbringenden Leistungen von wesentlicher Bedeutung sind; nur unter diesen Umständen wäre es auf Seiten des Rücktrittsberechtigten treuwidrig, die Leistung der anderen Vertragspartei zu verlangen, ohne zugleich den eigenen Verpflichtungen nachzukommen. Die Beklagten konnten das ihnen eingeräumte Recht zur Sondertilgung gemäß § 3 des Änderungsvertrags aber auch ohne Mitwirkung der Klägerin wahrnehmen, indem sie mit ihren Forderungen gegen den restlichen Kaufpreisanspruch der Klägerin aufrechneten und auf dieser Grundlage den Restsaldo selbst berechneten. Auch soweit es sich um die beabsichtigte Umschuldung und Ablösung der Restforderung der Klägerin handelt, kam es auf die noch ausstehenden Gutschriften nicht entscheidend an. Mit Recht hebt auch das Berufungsgericht hervor, daß die Beklagten zumindest über die von ihnen selbst errechnete Summe einen Kredit hätten aufnehmen und diesen Betrag an die Klägerin hätten zahlen können. Daß die Klägerin in diesem Falle entgegen ihren vertraglichen Pflichten ihre Mitwirkung verweigert, insbesondere die Umschuldung verhindert hätte, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt.
Soweit das Berufungsgericht - als für seine Beurteilung letztlich entscheidend - auf die außergewöhnliche Härte für die Beklagten bei allenfalls noch ausstehenden geringen Verzugszinsen hinweist, geht es zunächst um das gleichfalls aus § 242 BGB hergeleitete sogenannte Übermaßverbot. Hiernach sollen bestimmte schwerwiegende Rechtsfolgen bei nur geringfügigen Vertragsverletzungen, insbesondere geringen Zahlungsrückständen (vgl. RGZ 86, 334, 335; 169, 140, 143; BGHZ 21, 122, 136), nach Treu und Glauben nicht eintreten (vgl. auch BGH Urteile vom 19. Dezember 1979, VIII ZR 46/79, WM 1980, 215, 216 und vom 8. Juli 1981, VIII ZR 247/80, NJW 1981, 2686, 2687 je m.w.N.). Für die Frage einer nicht ins Gewicht fallenden Vertragsverletzung seitens der Beklagten kommt es im Gegensatz zur Auffassung des Berufungsgerichts auf die Höhe der fälligen Forderung zur Zeit des Rücktritts, nicht auf die Zeit danach an. Ein Rückstand von sechs Monatsraten ist nicht mehr geringfügig, und zwar insbesondere dann nicht, wenn man die zur Vereinbarung vom 2. Dezember 1975 führende Vertragsabwicklung und das Verhalten der Beklagten bis zur Rücktrittserklärung der Klägerin berücksichtigt.
In Ausnahmefällen kann die Rechtsausübung freilich auch bei schwereren Vertragsverstößen unzulässig sein, wenn sie dem anderen Teil unverhältnismäßige Nachteile zufügt und auch weniger schwerwiegende Maßnahmen den Interessen des Berechtigten genügen (vgl. MünchKomm/Roth § 242 Rdn. 399 ff; Palandt/Heinrichs, BGB 43. Aufl. § 242 Anm. 4 C d bb; Staudinger/Schmidt, BGB 12. Aufl. § 242 Rdn. 685 ff). Auch ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Die Klägerin hatte ein berechtigtes Interesse daran, den pünktlichen Eingang der Zahlungen aus dem Vergleich vom 2. Dezember 1975 durch das Druckmittel eines Rücktrittsrechts sicherzustellen (vgl. auch Urteile des VIII. Zivilsenats vom 19. Dezember 1979 und vom 8. Juli 1981 jeweils aaO). Es kann ihr nicht verwehrt werden, hiervon Gebrauch zu machen, da die Beklagten nach den Feststellungen des Berufungsgerichts auch früher schon mit Ratenzahlungen wiederholt in Verzug geraten waren, im Verlaufe eines Rechtsstreits erneut Raten schuldig blieben und in Schreiben der Klägerin (GA Bl. 73/75) vor Rücktrittsausübung eindringlich auf die Gefahr eines Rücktritts hingewiesen worden waren. Im Schreiben vom 30. Oktober 1979 wird sogar besonders ausgeführt, daß die Klägerin wegen der erheblich gestiegenen Preise für Einfamilienhäuser ein großes Interesse am Rücktritt haben könne und die Beklagten deshalb "die Sache nicht mehr schleifen lassen" sollten.
Unzutreffend sind auch die Ausführungen des Berufungsgerichts, daß eine weitere Vertragsdurchführung für die Klägerin risikolos sei und ihr deshalb zugemutet werden könne, beim Vertrag "so lange stehen zu bleiben", als die Beklagten ihren Zahlungsverpflichtungen nachkommen. Die Anweisung an den Notar, erst auf Bestätigung oder Nachweis vollständiger Kaufpreiszahlung die Eigentumsumschreibung zu beantragen, hindert die Beklagten nicht, unter Vorlage einer Ausfertigung des die Auflassung enthaltenden Vertrags beim Grundbuchamt die Umschreibung des Eigentums auf sich mit Erfolg zu beantragen. Ähnlich verfehlt ist es auch, daß das Berufungsgericht das Verhalten der Klägerin als "unternehmerisches Geschäftsgebaren" bezeichnet. Was mit dieser Qualifizierung für § 242 BGB gewonnen sein soll, bleibt unerfindlich.
Ob die Klägerin in erster Linie vom Kaufvertrag zurücktrat, um den gestiegenen Grundstückswert für sich auszunutzen, ist ohne Belang. Lagen die Voraussetzungen eines Rücktrittsrechts vor, so konnte sie es ausüben, auch wenn ihr die Möglichkeit zur Lösung des Vertragsverhältnisses aus wirtschaftlichen Gründen, nämlich wegen der gestiegenen Grundstückspreise, gelegen kam (vgl. BGH Urteil vom 22. September 1971, VIII ZR 135/70, WM 1971, 1439, 1441). Die Klägerin war aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht gehalten, ihre wirtschaftlichen Interessen gegenüber den Belangen der Beklagten zurückzustellen, wie die Revisionserwiderung meint. Durch die Eigentumsgarantie des Grundgesetzes (Art. 14 GG) werden die vermögensrechtlichen Positionen beider Parteien in gleicher Weise geschützt; die Abgrenzung der beiderseitigen Befugnisse erfolgt grundsätzlich durch die Vorschriften des bürgerlichen Rechts. Die von der Revisionserwiderung angeführten Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, insbesondere zur Bedeutung der Eigentumsgarantie in der Zwangsversteigerung (BVerfGE 46, 325, 334; 49, 220, 225 [BVerfG 27.09.1978 - 1 BvR 361/78]; 51, 150, 156, 158), und BGHZ 58, 146, 147 [BGH 31.01.1972 - II ZR 86/69] betreffen anders gelagerte Fälle.
III.
Zu einer abschließenden Entscheidung ist der Senat nicht in der Lage, da das Berufungsgericht - von seinem Standpunkt aus mit Recht - zu den einredeweise geltend gemachten Ansprüchen der Beklagten (§§ 346, 348, 320, 322 BGB) keine Feststellungen getroffen hat. Das Berufungsurteil ist deswegen aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Dabei hat der Senat von der Möglichkeit des § 565 Abs. 1 Satz 2 ZPO Gebrauch gemacht.
Linden
Vogt
Räfle
Lambert-Lang