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Bundesgerichtshof
Urt. v. 20.09.1983, Az.: VI ZR 248/81

Schadenersatz bei Einsturz eines Konsolgerüstes auf einer Baustelle; Mitschaffung der Gefahrenlage durch Übernahme der örtlichen Bauaufsicht; Überprüfung eines Gerüstes auf Tragfähigkeit durch den Architekten, der den Auftrag zur Änderung des Standgerüstes gegeben hat; Verletzung von Verkehrssicherungspflichten

Bibliographie

Gericht
BGH
Datum
20.09.1983
Aktenzeichen
VI ZR 248/81
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1983, 13845
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
OLG Köln - 01.07.1981
LG Aachen

Fundstellen

  • MDR 1984, 219 (Volltext mit amtl. LS)
  • NJW 1984, 360-362 (Volltext mit amtl. LS)

Prozessführer

Architekt Ing. grad. Matthias K., K. straße ..., A.,

Prozessgegner

Zimmerpolier Paul S., Auf dem H., D.-A.,

Amtlicher Leitsatz

Zu den Verkehrssicherungspflichten eines mit der örtlichen Bauaufsicht betrauten Architekten, der dem Hilfspolier eines Bauunternehmers einen Auftrag zur Veränderung eines von einem Fachunternehmen erstellten Gerüstes erteilt

Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat
auf die mündliche Verhandlung vom 20. September 1983
durch
den Vorsitzenden Richter Dr. Hiddemann und
die Richter Scheffen, Dr. Kullmann, Dr. Ankermann und Dr. Lepa
für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 13. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 1. Juli 1981 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Der Kläger war als Zimmerpolier am Neubau der St. A.-Kirche in D. tätig. Der Beklagte war als bauleitender Architekt eingesetzt und mit der örtlichen Bauaufsicht betraut. Der Arbeitgeber des Klägers hatte den Auftrag erhalten, unter der Betondecke des Kirchenneubaus eine Holzverkleidung anzubringen. Diese Arbeit führte der Kläger mit zwei weiteren Arbeitskollegen aus. Dazu benutzten sie zunächst ein etwa 6 m hohes Stahlrohr-Standgerüst, das von dem Gerüstbauunternehmen T. erstellt worden war. Da die Deckenflächen von diesem Gerüst aus jedoch nur teilweise zu erreichen waren, bat der Kläger den Beklagten, für die Bereitstellung einer weiteren Gerüstfläche Sorge zu tragen. Der Beklagte setzte sich zu diesem Zweck mit einem - inzwischen verstorbenen - Hilfspolier des mit der Durchführung der Rohbauarbeiten beauftragten Bauunternehmens in Verbindung. Das Bauunternehmen hatte für seine Arbeiten eigene Gerüste verwandt. Aufgrund dieses Gespräches, dessen Inhalt im einzelnen zwischen den Parteien streitig ist, brachten Arbeiter des Bauunternehmens an dem Standgerüst eine teilweise bis zu 2,40 m ausladende Konsole an, deren auskragende Tragglieder durch Diagonalstreben mit der Stahlrohrkonstruktion des Gerüsts verbunden waren. Von diesem Konsolgerüst aus setzten der Kläger und seine beiden Kollegen die Arbeiten an der Decke des niedrigeren Teiles des Kirchenraumes fort. Am 18. Dezember 1974, nach einer mehrwöchigen Benutzung der Konsole, gab ein Teil der Kragkonstruktion plötzlich nach, weil - zumindest - eine Diagonalstrebe etwa 0,45 m durch die am Gerüstrahmen des Stahlrohrgerüsts befestigte und als Verbindungsstück dienende Kupplung hindurchgerutscht war; die Arbeitsbühne glitt ab und die Zimmerleute stürzten in die Tiefe. Der Kläger zog sich dabei erhebliche Verletzungen zu. Er macht den Beklagten für den Einsturz des Konsolgerüsts verantwortlich und verlangt von ihm Schadensersatz.

2

Das Landgericht hat der Klage im wesentlichen stattgegeben. Die Berufung des Beklagten hatte nur in Höhe eines dem Kläger aufgrund eines Rechenfehlers zu Unrecht zuerkannten Betrages von 100 DM Erfolg. Mit der Revision verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe

3

I.

Das Berufungsgericht hält den Beklagten für schadensersatzpflichtig gegenüber dem Kläger, weil er in Ausübung der von ihm übernommenen örtlichen Bauaufsicht die Gefahrenlage mitgeschaffen habe, die zu dem Schaden des Klägers geführt habe. Er habe die ihm obliegende Pflicht, das auf seine Veranlassung erstellte Gerüst auf seine Tragfähigkeit zu überprüfen bzw. sich einen statischen Nachweis vorlegen zu lassen, schuldhaft vernachlässigt.

4

Diese Pflichtverletzung des Beklagten sieht das Berufungsgericht nach den Grundsätzen über den Beweis des ersten Anscheins auch als ursächlich für den Einsturz des Gerüstes an. Die dagegen erhobenen Einwendungen des Beklagten hält es für ungerechtfertigt. Es könne daher offen bleiben, ob die Kragkonstruktion deshalb nachgegeben habe, weil sich im Laufe der Zeit eine Kupplung gelockert habe, oder ob dies darauf zurückzuführen sei, daß das Konsolgerüst nicht genügend tragfähig und der Beanspruchung nicht gewachsen war; denn der Beklagte habe auch diese etwaigen Unfallfolgen in gleicher Weise zu vertreten. Aber selbst wenn die Schrauben von Anfang an nicht fest genug angezogen gewesen sein sollten, hafte der Beklagte für den eingetretenen Schaden. Er hätte nämlich auf die bei der Errichtung der Konsole verwendeten Kupplungen sein besonderes Augenmerk richten und sich davon überzeugen oder jedenfalls sicherstellen müssen, daß die Diagonalstreben ordnungsgemäß in den Kupplungen befestigt und gegen ein Durchrutschen ausreichend gesichert waren.

5

II.

Diese Ausführungen des Berufungsgerichts halten einer rechtlichen Nachprüfung nicht in allen Punkten stand.

6

1.

Im Ergebnis mit Recht geht das Berufungsgericht allerdings davon aus, daß der Beklagte aus § 823 Abs. 1 BGB abgeleitete Verkehrssicherungspflichten verletzt hat, die ihm dem Kläger gegenüber oblagen.

7

a)

Das Berufungsgericht brauchte in diesem Zusammenhang nicht der Prüfung der Frage nachzugehen, ob der Beklagte zum "verantwortlichen Bauleiter" gemäß § 74 Abs. 1 BauONW bestellt war und damit auf jeden Fall eine allgemeine Pflicht zur Sicherung des Verkehrs auf der Baustelle gehabt hätte (vgl. Senatsurteil vom 6. Oktober 1970 - VI ZR 223/69 - VersR 1971, 84 = BauR 1971, 64, 65 f). Zwar beschränkt sich die Sicherungspflicht eines nur mit der örtlichen Bauaufsicht beauftragten Architekten, wie das Berufungsgericht zutreffend ausführt, grundsätzlich darauf, im Rahmen der ihm vom Bauherrn übertragenen Bauüberwachung erkannte oder erkennbare baustellentypische Gefahrenstellen zu beseitigen (vgl. Senatsurteil vom 6. Oktober 1970 - VI ZR 223/69 - aaO; vgl. auch BGHZ 68, 169, 175 f); ihm obliegen also im allgemeinen nur sog. "sekundäre" Verkehrssicherungspflichten (zum Begriff vgl. Bindhardt/Jagenburg, Die Haftung des Architekten, 8. Aufl. S. 13 Rdn. 13; Schmalzl, Haftung des Architekten und des Bauunternehmers, 4. Aufl. Rdn. 98). "Primäre" Verkehrssicherungspflichten treffen einen bauleitenden Architekten jedoch dann, wenn er selbst Maßnahmen an der Baustelle veranlaßt, die sich als Gefahrenquelle erweisen können, sei es, daß die Auftragserteilung schon unmittelbar Gefahren für andere begründen kann (wie in dem vom Berufungsgericht herangezogenen Urteil des erkennenden Senats vom 10. Juni 1975 - VI ZR 131/73 - LM § 823 [Dc] BGB Nr. 101 = VersR 1975, 949 = BauR 1976, 96) oder daß solche Gefahren - wie im Streitfall - nicht von vornherein ausgeschlossen sind.

8

b)

Nachdem der Beklagte anstelle des Bauherrn den Auftrag zur Änderung des Standgerüstes erteilt hatte, mußte er darauf achten, daß der Auftrag so ausgeführt wurde, daß die Zimmerleute ungefährdet das veränderte Gerüst benutzen und weder sie noch ggf. andere Personen nach der Gerüstveränderung Verletzungen erleiden konnten. Da er als Architekt mit den Baugefahren vertrauter war als ein einzelner Bauherr, mußte er bei der Erteilung des Auftrags sogar in besonderer Weise auf die Verkehrssicherheit der Gerüstveränderung achten und - wie das Berufungsgericht weiterhin rechtsfehlerfrei darlegt - sich von der Sicherheit, der Standfestigkeit und der Belastbarkeit der auskragenden Konsole überzeugen. Seine Sicherungspflichten wurden noch dadurch vergrößert, daß er mit den Arbeiten nicht das Fachunternehmen beauftragt hatte, welches das Gerüst erstellt hatte, sondern einen Hilfspolier des mit den Rohbauarbeiten betrauten Bauunternehmens. Besondere Vorsicht war für ihn schließlich geboten, wie auch das Berufungsgericht hervorhebt, als er feststellte, daß die Arbeiter des Bauunternehmens entgegen der angeblich von ihm erteilten Weisung das vorhandene Gerüst nicht bis auf eine Höhe von 6 m abgebaut, sondern statt dessen daran eine neue Konsole angebaut hatten, bei der es sich nicht einmal um eine Regelausführung nach der Gerüstordnung (DIN 4420 in der damals geltenden Fassung) handelte, die gleichfalls als Unfallverhütungsvorschrift "Gerüste" (VBG-Vorschriften 36 a) galt. Dabei mag dahinstehen, ob der Beklagte hätte wissen müssen, daß es sich bei der Konsole nicht um eine Regelausführung eines Gerüstes handelte, wovon das Berufungsgericht überzeugt war, oder ob er - wie die Revision geltend macht - als insoweit nicht fachkundig dies nicht ohne weiteres feststellen konnte. Das Berufungsgericht geht ersichtlich - und auch von der Revision nicht angegriffen - davon aus, daß der Beklagte wußte, daß nach DIN 4420 bzw. der entsprechenden Unfallverhütungsvorschrift für alle Gerüste, die keine Regelausführung darstellten, ein statischer Nachweis zu führen war. Nachdem der Hilfspolier des Bauunternehmers eine von seinen Vorstellungen abweichende und jedenfalls nicht alltägliche Gerüstkonstruktion erstellt hatte und er - worauf das Berufungsgericht zutreffend hinweist - nicht darauf vertrauen konnte, daß der Hilfspolier über die im Gerüstbau erforderliche Fachkunde und Erfahrung verfügte und statische Berechnungen aufstellen konnte, mußte er zumindest anhand der Unfallverhütungsvorschriften nachprüfen oder sich anderweitig - ggf. durch Rückfrage bei dem Bauunternehmer selbst oder zumindest dem Hauptpolier -, vergewissern, ob die zusätzliche Gerüstkonstruktion eine Regelausführung war und, falls das - wie zu erwarten war - verneint wurde, den erforderlichen statischen Nachweis anfordern. Zuvor hätte er aber, was das Berufungsgericht mit Recht von ihm verlangt hat, ermitteln müssen, welchen Beanspruchungen das Gerüst im Hinblick auf die Art der Arbeitsausführung und der verwendeten Werkzeuge zu genügen hatte, und hätte diese Angaben an den Bauunternehmer bzw. seinen Hilfspolier weiterleiten müssen, weil diese Kenntnis für eine zutreffende statische Berechnung erforderlich war.

9

2.

Die weiteren Ausführungen des Berufungsgerichts sind jedoch von Rechtsirrtum beeinflußt.

10

a)

Rechtlich fehlerhaft bejaht das Berufungsgericht zunächst den Ursachenzusammenhang zwischen der Pflichtverletzung des Beklagten und dem Einsturz des Gerüsts im Wege eines Anscheinsbeweises. Ein Anscheinsbeweis für einen ursächlichen Zusammenhang zwischen einer Pflichtverletzung und einer Rechtsgutverletzung besteht nämlich nach der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung nur bei typischen Geschehensabläufen, bei denen unter Verwertung allgemeiner Erfahrungssätze, insbesondere der Lebenserfahrung, die Bejahung des Ursachenzusammenhangs nahegelegt und damit dem Richter die Überzeugung in vollem Umfang begründet wird (vgl. z.B. Senatsurteile vom 1. April 1953 - VI ZR 77/52 - VersR 1953, 242 und vom 29. Juni 1982 - VI ZR 206/80 - VersR 1982, 972; BGH, Urteil vom 31. Mai 1978 - VIII ZR 263/76 - VersR 1976, 724 m.w.Nachw.).

11

aa)

Diese Voraussetzung ist im Streitfalle nicht erfüllt. Es gibt keinen Erfahrungssatz, nach dem dann, wenn eine als Verbindungsstück zwischen einem Standgerüst und einer daran angebauten Konsole dienende Diagonalstrebe nach mehrwöchiger Benutzung des Gerüsts durch eine Verbindungskupplung hindurchrutscht und die Konsole abrutscht, typischerweise ein nicht eingeholter statischer Nachweis als Schadensursache in Betracht kommt, wenn keine greifbaren Anhaltspunkte dafür bestehen, daß sich unbefugte Dritte an dem Gerüst zu schaffen gemacht haben. Es läßt sich nicht ausschließen, daß der Unfall in gleicher Weise auch bei Vorlage eines statischen Nachweises eingetreten wäre. Das Berufungsgericht stellt nämlich nicht fest, daß die vorgesehene Konstruktion tatsächlich statische Mängel aufwies. Die Sachverständigenbeurteilung im Strafverfahren spricht sogar dagegen. Außerdem geht selbst das Berufungsgericht mit den Sachverständigen Sch. und Prof. Dr. St. davon aus, daß der Unfall möglicherweise nur dadurch zustande kam, daß die am Rahmen des Standgerüstes angebrachte Kupplung, in der die Diagonalstrebe befestigt war, von Anfang an nicht ordnungsgemäß verschraubt war. Es stellt aber nicht sogleich fest, daß ein statischer Nachweis nur ausgestellt worden wäre, wenn sichergestellt war, daß beim Ausfall eines Verbindungselementes noch genügend andere Verbindungen vorhanden waren, die in der Lage gewesen wären, die zusätzliche Belastung aufzufangen.

12

bb)

Der fehlende statische Nachweis ist auch nicht deshalb nach den Grundsätzen des Anscheinsbeweises als schadensursächlich anzusehen, weil, worauf das Berufungsgericht ergänzend abstellt, der Nachweis in einer Unfallverhütungsvorschrift verlangt wird. In der Rechtsprechung des erkennenden Senats ist zwar anerkannt, daß bei Verletzung einer Unfallverhütungsvorschrift ein Anscheinsbeweis dafür sprechen kann, daß der Schaden dadurch eingetreten ist (vgl. z.B. Senatsurteile vom 9. November 1971 - VI ZR 58/70 - VersR 1972, 149 und vom 6. November 1973 - VI ZR 76/72 - VersR 1974, 263, 264 m.w.Nachw.). Ein solcher Anscheinsbeweis ist hier jedoch dadurch erschüttert, daß die Möglichkeit eines anderen Geschehensablaufes (Lockerung einer Kupplung trotz statischen Nachweises) ernsthaft in Betracht zu ziehen ist.

13

b)

Die Hilfsbegründung des Berufungsgerichts, der Beklagte hafte auch dann für die Unfallfolgen des Klägers, wenn das Gerüst nur deswegen eingestürzt sei, weil eine Kupplung von Anfang an nicht ordnungsgemäß verschraubt war, trägt ebenfalls die angefochtene Entscheidung nicht. Das Berufungsgericht überspannt insoweit die Anforderungen an einen bauleitenden Architekten, wenn es von dem Beklagten verlangt, er habe auf die bei der Errichtung der Konsole verwendeten Kupplungen sein besonderes Augenmerk richten und sich sogar davon überzeugen müssen, daß die Diagonalstreben ordnungsgemäß in den Kupplungen befestigt und gegen ein Durchrutschen ausreichend gesichert waren. Der Beklagte hatte den Auftrag für die Gerüständerung über den Hilfspolier dem Rohbauunternehmer erteilt. Dieser war zwar möglicherweise kein Fachmann für Gerüsterstellungen; er hatte aber, zumal er für seine Arbeiten eigene Gerüste verwendete, auf dem Gebiet der praktischen Gerüsterstellung besondere Erfahrungen. Erteilt ein Architekt einem solchen Unternehmer einen Auftrag zur Änderung eines vorhandenen Gerüstes, dann muß er sich zwar - wie bereits ausgeführt - u.U. darum kümmern, ob die statische Berechnung in Ordnung ist; er kann aber, wie auch der Bauherr selbst, darauf vertrauen, daß die Bauarbeiter, die das Gerüst erstellen, die Schraubverbindungen richtig befestigen. Er ist nicht verpflichtet, diese auf Schritt und Tritt dahin zu überprüfen, daß sie alle handwerklichen Tätigkeiten im einzelnen ordnungsgemäß verrichtet haben.

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3.

Das Berufungsurteil kann auch nicht mit anderer Begründung aufrecht erhalten werden. Entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung kommt § 823 Abs. 2 BGB nicht als Anspruchsgrundlage für die vom Kläger erhobenen Ansprüche in Betracht. Es ist nicht ersichtlich, daß der Beklagte gegen ein den Schutz des Klägers bezweckendes Gesetz verstoßen hat. Die Revisionserwiderung sieht ein solches Gesetz in der Unfallverhütungsvorschrift "Gerüste". Abgesehen davon, daß der Kläger bei einer Anerkennung dieser Unfallverhütungsvorschrift als Schutzgesetz vor den gleichen Beweisschwierigkeiten stehen würde wie bei der Verfolgung seines Anspruches aus § 823 Abs. 1 BGB, vermag der Senat dieser Überlegung schon im Ansatzpunkt nicht zu folgen. Unfallverhütungsvorschriften wurden bisher von der höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. RGZ 95, 238, 240; Senatsurteile vom 10. November 1954 - VI ZR 154/53 - VersR 1955, 105; vom 17. Mai 1957 - VI ZR 120/56 - VersR 1957, 584 und vom 29. November 1960 - VI ZR 35/60 - VersR 1961, 160, 161; vgl. BGH, Urt. v. 2. Juni 1969 - VII ZR 76/67 - VersR 1969, 827, 828) und dem Schrifttum (vgl. Staudinger/Schäfer, BGB, 10./11. Aufl., § 823, Rdnr. 534; MünchKomm-Mertens, § 823 BGB, Rdnr. 158) nicht als Schutzgesetze i.S. des § 823 Abs. 2 BGB anerkannt. Ob daran generell festgehalten werden kann, mag im Streitfall dahinstehen. Selbst wenn sie als Rechtsnormen öffentlich-rechtlicher autonomer Körperschaften, der Berufsgenossenschaften, mit Marburger (VersR 1983, 597, 605) als Gesetze i.S. des § 2 EGBGB anzusehen wären und damit grundsätzlich auch "Schutzgesetze" i.S. des § 823 Abs. 2 BGB sein könnten, würde sich ihr Schutzbereich nur auf das Verhältnis zwischen den Versicherten und dem jeweiligen Unternehmer, im Streitfalle also zwischen dem Kläger und seinem Arbeitgeber, beziehen (vgl. schon RGZ 48, 327, 332 und Marburger, aaO). Der Beklagte würde davon ebensowenig unmittelbar betroffen wie der Hersteller von Geräten, der Unfallverhütungsvorschriften nicht beachtet (vgl. dazu Senatsurteil vom 17. Mai 1957, aaO).

15

III.

Da der Sachverhalt noch weiter tatrichterlich dahin aufgeklärt werden muß, ob die Gerüstkonstruktion statisch einwandfrei war, war das Berufungsurteil aufzuheben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

Dr. Hiddemann
Scheffen
Dr. Kullmann
Dr. Ankermann RiBGH
Dr. Lepa kann wegen Urlaubs nicht unterschreiben. Dr. Hiddemann