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Bundesgerichtshof
Urt. v. 31.03.1982, Az.: IVb ZR 661/80

Bemessung des Anspruchs auf nachehelichen Unterhalt nach den ehelichen Lebensverhältnissen im Zeitpunkt der Scheidung; Bemessung des Anspruchs auf nachehelichen Unterhalt nach den ehelichen Lebensverhältnissen im Zeitpunkt der Trennung; Bemessung des Anspruchs auf ergänzenden Unterhalt; Außergewöhnliche Verbesserung der Einkommensverhältnisse des in Anspruch genommenen Ehegatten während des Getrenntlebens; Prinzip der nachehelichen Solidarität; Sinn und Zweck des Anspruchs auf nachehelichen Unterhalt

Bibliographie

Gericht
BGH
Datum
31.03.1982
Aktenzeichen
IVb ZR 661/80
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1982, 12830
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
OLG Bamberg - 15.04.1980
AG Bayreuth

Fundstellen

  • MDR 1982, 738 (Volltext mit amtl. LS)
  • NJW 1982, 1870-1873 (Volltext mit amtl. LS)

Prozessführer

Anwaltssekretärin Elsa Elisabeth Lotte F. geb. D., Heinrich von S. Straße ..., B.

Prozessgegner

Kaufmann Heinz F., O. Dö.

Amtlicher Leitsatz

  1. a)

    Für den Anspruch auf nachehelichen Unterhalt sind die ehelichen Lebensverhältnisse im Zeitpunkt der Scheidung und nicht diejenigen im Zeitpunkt der Trennung der Eheleute maßgebend (im Anschluß an das Senatsurteil vom 20. Januar 1982 - IVb ZR 650/80 - zur Veröffentlichung bestimmt).

  2. b)

    Zur Bemessung des Anspruchs auf ergänzenden Unterhalt in Fällen, in denen sich die Einkommensverhältnisse des in Anspruch genommenen Ehegatten während des Getrenntlebens in außergewöhnlicher Weise verbessert haben.

Der IVb - Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat
auf die mündliche Verhandlung vom 3. März 1982
durch
den Vorsitzenden Richter Lohmann und
die Richter Portmann, Dr. Seidl, Dr. Chr. Krohn und Nonnenkamp
für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision der Antragsgegnerin wird das Urteil des 7. Zivilsenats - Familiensenat - des Oberlandesgerichts Bamberg vom 15. April 1980 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Antragsgegnerin (im folgenden: Ehefrau) nimmt den Antragsteller (im folgenden: Ehemann) auf ergänzenden Unterhalt nach § 1573 Abs. 2 BGB ("Aufstockungsunterhalt") in Anspruch.

2

Die Parteien schlossen 1949 die Ehe, aus der eine im November 1950 geborene Tochter hervorging. Im Jahre 1961 verließ der Ehemann die eheliche Wohnung. Seither leben die Parteien getrennt. Lediglich in der Zeit von Ende 1963 bis Anfang 1964 kam es nochmals zu einer kurzen Annäherung zwischen ihnen, als der Ehemann die Wochenenden mit der Ehefrau in deren Wohnung verbrachte. Etwa seit 1964/1965 lebt der Ehemann mit einer anderen Frau zusammen.

3

Zur Zeit der Eheschließung der Parteien betrieb der Ehemann einen kleinen Pelzhandel, in dem die Ehefrau mitarbeitete. Anfang der 50er Jahre gab er den Pelzhandel auf. Danach war die Ehefrau als Verkäuferin und der Ehemann als Angestellter in der Fotobranche tätig. Etwa 1954/1955 nahm der Ehemann den Pelzhandel wieder auf und betrieb ihn in den folgenden Jahren - unter Mithilfe der Ehefrau - auf Verkaufsausstellungen und seit 1959 in einem gemieteten Ladengeschäft. Aus dieser Tätigkeit erzielten die Parteien im Jahre 1961 zusammen monatliche Nettoeinkünfte von 986,09 DM.

4

Nach der Trennung der Parteien gab die Ehefrau im Jahre 1961 ihre Mitarbeit in dem Pelzwarengeschäft auf und suchte sich eine andere Beschäftigung. Seit 1964 ist sie als Anwaltssekretärin tätig; im Jahre 1979 verdiente sie monatlich 1.592,39 DM. Der Pelzhandel und Kürschnereibetrieb des Ehemannes entwickelte sich - nach seinem Vortrag seit Mitte der 70er Jahre - zu einem gutgehenden Unternehmen mit einem jährlichen Umsatz von etwa einer Million DM.

5

Das Amtsgericht - Familiengericht - hat die Ehe der Parteien geschieden und den Ehemann zur Zahlung nachehelichen Unterhalts von monatlich 600 DM an die Ehefrau verurteilt; im übrigen hat es den auf Zahlung von insgesamt monatlich 1.200 DM gerichteten Antrag der Ehefrau zurückgewiesen. Auf die Berufung des Ehemannes hat das Oberlandesgericht den Unterhaltsausspruch des Amtsgerichts abgeändert und die Klage der Ehefrau abgewiesen; ihre Anschlußberufung wurde zurückgewiesen.

6

Hiergegen wendet sich die Ehefrau mit der - zugelassenen - Revision.

Entscheidungsgründe

7

Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

8

1.

Das Berufungsgericht hat (in dem in FamRZ 1980, 687 veröffentlichten Berufungsurteil) einen Anspruch der Ehefrau auf ergänzenden Unterhalt nach § 1573 Abs. 2 BGB verneint, weil die Ehefrau ihren - nach den ehelichen Lebensverhältnissen der Parteien bemessenen (§ 1578 BGB) - angemessenen Unterhalt durch die Einkünfte aus ihrer eigenen Erwerbstätigkeit decken könne. Bei der Beurteilung der für den Anspruch maßgeblichen ehelichen Lebensverhältnisse hat das Berufungsgericht auf die Verhältnisse im Zeitpunkt der Trennung der Parteien im Jahre 1961 abgestellt, weil sich etwa von diesem Zeitpunkt an ihre wirtschaftlichen und beruflichen Wege völlig getrennt hätten. Hierzu hat das Gericht ausgeführt: Die Wahl eines späteren Zeitpunktes, etwa desjenigen der Scheidung, erscheine für die Anknüpfung an die ehelichen Lebensverhältnisse weder sachgerecht noch mit dem Sinn und Zweck des nachehelichen Unterhaltsanspruchs vereinbar. Die Unterhaltsregelung des neuen Rechts gehe von dem Grundgedanken aus, daß nach der Scheidung jeder Ehegatte grundsätzlich für seinen Unterhalt selbst zu sorgen habe. Allerdings solle dem geschiedenen Ehegatten, wie sich aus § 1573 Abs. 2 BGB ergebe, soweit möglich der bisherige Lebenszuschnitt erhalten bleiben, auch wenn er durch die Eheschließung eine bessere wirtschaftliche Situation erreicht habe, als er sie vorher innehatte. Demgemäß bemesse sich der Unterhaltsanspruch - nach dem Prinzip der nachehelichen Solidarität - nach den Lebensverhältnissen, die der Unterhaltsschuldner mit seinen Einkünften grundsätzlich geprägt habe. Das führe dazu, daß für die Beurteilung der ehelichen Lebensverhältnisse im Sinne von § 1578 BGB in der Regel jedenfalls dann auf die wirtschaftlichen Verhältnisse der Eheleute im Zeitpunkt der Trennung abzuheben sei, wenn sich von diesem Zeitpunkt an ihre wirtschaftlichen und beruflichen Wege in einer solchen Weise getrennt hätten, daß - wie im vorliegenden Fall - keine weiterwirkenden ehebezogenen Abhängigkeiten mehr bestanden hätten. Nur eine derartige einengende Auslegung des Begriffs der ehelichen Lebensverhältnisse werde den Grundlagen des neuen Scheidungsrechts als eines Zerrüttungsscheidungsrechts und zugleich dem Gedanken einer nur in gewissem Umfang noch notwendigen nachehelichen Solidarität gerecht.

9

2.

Diese Ausführungen halten der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht in vollem Umfang stand.

10

Dem Berufungsgericht ist zunächst insoweit nicht zu folgen, als es für die Beurteilung der ehelichen Lebensverhältnisse nach § 1578 (§ 1573 Abs. 2) BGB grundsätzlich an die Verhältnisse im Zeitpunkt der Trennung der Eheleute anknüpfen will. Der erkennende Senat hat nach Erlaß des angefochtenen Urteils mehrfach entschieden, daß für den nachehelichen Unterhaltsanspruch - in Anlehnung an die früher nach §§ 58, 59 EheG geltende Regelung - auch nach dem neuen Recht die ehelichen Lebensverhältnisse im Zeitpunkt der Scheidung maßgebend sind (Senatsurteile vom 23. April 1980 - IVb ZR 510/80 - FamRZ 1980, 770; vom 10. Dezember 1980 - IVb ZR 534/80 - FamRZ 1981, 241; vom 8. April 1981 - IVb ZR 566/80 - FamRZ 1981, 539; vom 20. Mai 1981 - IVb ZR 556/80 - FamRZ 1981, 752, 754; zuletzt: Urteil vom 20. Januar 1982 - IVb ZR 650/80, zur Veröffentlichung bestimmt). An dieser Auffassung hält der Senat fest.

11

Der - nacheheliche - Aufstockungsunterhalt des § 1573 Abs. 2 BGB ist an den in § 1578 BGB zum Maßstab für die Bestimmung des vollen Unterhalts gemachten ehelichen Lebensverhältnissen auszurichten (Senatsurteil vom 10. Dezember 1980, FamRZ 1981, 241). Danach sollen erkennbar diejenigen Verhältnisse maßgebend sein, die für den Lebenszuschnitt "in der Ehe" bestimmend waren. Da die Ehe auch während einer Trennung der Eheleute bis zur Scheidung fortbesteht und die eheliche Lebensgemeinschaft grundsätzlich jederzeit wieder aufgenommen werden könnte, sind die Ehegatten bis zum Zeitpunkt der Scheidung im Unterhaltsrechtlichen Sinn auf der Grundlage ihrer "ehelichen Lebensverhältnisse" miteinander verbunden.

12

Soweit demgegenüber geltend gemacht wird, von ehelichen Lebensverhältnissen könne aus tatsächlichen Gründen seit der Trennung der Eheleute grundsätzlich nicht mehr gesprochen werden, weil in einem Zeitraum, in dem sie nicht mehr zusammenlebten, keine ehelichen Lebensverhältnisse mehr bestünden (vgl. OLG Düsseldorf, 6. Familiensenat, FamRZ 1981, 887; in der Kommentarliteratur teilweise differenzierend: Bastian/Roth-Stielow/Schmeiduch, 1. EheRG 1978 § 1578 Anm. 4; Erman/Ronke, BGB 7. Aufl. § 1578 Rdn. 2; Palandt/Diederichsen, BGB 40. Aufl., § 1578 Anm. 2) beruht dies auf einem zu engen Verständnis des Begriffes "eheliche Lebensverhältnisse". Unter ehelichen Lebensverhältnissen im Sinne des § 1578 BGB - und der hieran anknüpfenden Regelung in § 1573 Abs. 2 BGB - sind vielmehr allgemein diejenigen Einkommens- und Vermögensverhältnisse (vgl. Erman/Ronke aaO; Göppinger/Wenz, Unterhaltsrecht 4. Aufl. Rdn. 674) zu verstehen, die während der Ehe den Lebensstandard beider Ehegatten - nachhaltig - prägen. Die in diesem Sinn verstandenen, für den Unterhaltsanspruch maßgebenden Lebensumstände können ihren Charakter als "eheliche" Lebensverhältnisse grundsätzlich auch während einer Trennungszeit der Ehegatten behalten, selbst wenn sich während der Trennung etwa in Anlehnung an allgemeine wirtschaftliche Entwicklungen, die Einkommenslage eines oder beider Ehegatten verändert.

13

Für die dargelegte Auffassung spricht auch die amtliche Begründung zu § 1579 E (jetzt § 1578) BGB, in der ausgeführt ist: Der volle Unterhalt solle sich nach den ehelichen Lebensverhältnissen richten; dabei sei grundsätzlich auf den Zeitpunkt der Scheidung abzustellen; die Berücksichtigung der ehelichen Lebensverhältnisse werde besonders den Fällen gerecht, in denen durch gemeinsame Leistung der Ehegatten ein höherer sozialer Status erreicht worden sei, an dem auch der nicht erwerbstätig gewesene Ehegatte teilhaben müsse (BT-Drucks. 7/650 S. 136); der Frau solle nach der Scheidung keine Erwerbstätigkeit angesonnen werden, die im Hinblick auf ihren auch von ihr erarbeiteten Lebenszuschnitt in der Ehe nicht angemessen wäre (BT-Drucks. 7/650 S. 129 zu § 1575 E, jetzt § 1574 BGB).

14

Das Oberlandesgericht Düsseldorf (aaO) meint hierzu zwar, dem Gesetzgeber sei in diesem Zusammenhang möglicherweise eine sprachliche Ungenauigkeit unterlaufen, wenn er für die Bewertung der ehelichen Lebensverhältnisse einerseits an den Zeitpunkt der Scheidung anknüpfe und andererseits auf eine gemeinsame Leistung der Eheleute abstelle; von einer gemeinsamen Leistung der Ehegatten könne nach deren Trennung nicht mehr gesprochen werden (FamRZ 1981, 887, 889). Das trifft indessen nicht zu. Der wiedergegebenen Begründung des Gesetzentwurfs kommt erkennbar die Bedeutung zu, daß für die Beurteilung der ehelichen Lebensverhältnisse derjenige Lebenszuschnitt maßgebend sein soll, den die Eheleute während ihres Zusammenlebens in der Ehe durch ihre beiderseitigen Leistungen "gemeinsam" begründet haben, wobei eine normale Entwicklung der wirtschaftlichen Verhältnisse während des Zeitraums seit der Trennung bis zur Scheidung grundsätzlich mit einbezogen sein soll.

15

Das Oberlandesgericht Düsseldorf (a.a.O. S. 889) vertritt demgegenüber - unter Hinweis auf § 1361 Abs. 1 Satz 1 BGB - die Auffassung, nach dem neuen Scheidungsfolgenrecht könne jeder Ehegatte im unterhaltsrechtlichen Verhältnis zueinander "nur, aber immerhin die Beibehaltung des vor der Trennung erreichten Lebensstandards verlangen". Die hierin liegende Anknüpfung an den Zeitpunkt der Trennung hält der Senat nicht nur unter rechtlichen Gesichtspunkten für bedenklich, sondern im Hinblick auf mögliche tatsächliche Entwicklungen auch nicht für angemessen. In einem Fall etwa, in dem die Trennung der Parteien über eine längere ("geraume") Zeit hinaus (vgl. Senatsurteile vom 25. Februar 1981 - IVb ZR 544/80 = FamRZ 1981, 439, 440; vom 10. Juni 1981 - IVb ZR 591/80) zu einem nachhaltigen, nicht nur vorübergehenden Absinken ihres vor der Trennung erreichten Lebensstandards führt, ohne daß sie begründete Aussicht haben, den früheren Lebenszuschnitt wieder zu erlangen, dürfte die Bemessung des nachehelichen Unterhaltsanspruchs nach den Verhältnissen im Zeitpunkt der Trennung - und nicht nach den Umständen im Zeitpunkt der Scheidung - Bedenken auslösen. Führt die Trennung der Eheleute hingegen zu einer nur vorübergehenden, kurzfristigen Veränderung ihres bisherigen Lebensstandards und gleicht sich dieser während der Dauer des Getrenntlebens wieder an die früheren Verhältnisse an, so entspricht die Anknüpfung an die ehelichen Lebensverhältnisse im Zeitpunkt der Scheidung auch unter diesen Umständen dem erkennbaren Sinn und Zweck der gesetzlichen Unterhaltsregelung. Dasselbe gilt für den Fall, in dem die - wirtschaftlichen - Verhältnisse der Eheleute, etwa im Zuge allgemeiner Einkommenssteigerungen, eine normale günstige Weiterentwicklung erfahren, deren Voraussetzungen bereits in den für die eheliche Lebensgestaltung maßgebenden Umständen vor der Trennung begründet waren. Auch hier erscheint die Beurteilung des nachehelichen Unterhaltsanspruchs nach den ehelichen Lebensverhältnissen, wie sie sich im Zeitpunkt der Scheidung darstellen, als angemessen und sachgerecht.

16

Zu demselben Ergebnis gelangt im übrigen für die zuletzt genannten Fälle auch das Oberlandesgericht Düsseldorf, das seine Meinung mit der Erwägung begründet, Entwicklungen der wirtschaftlichen Situation des Unterhaltspflichtigen, die mit Sicherheit oder erheblicher Wahrscheinlichkeit bei der Trennung schon erwartet werden konnten und in diesem Sinne vorprogrammiert gewesen seien, müßten mit zu dem bei der Trennung erreichten wirtschaftlichen Status gerechnet werden; soweit es hiernach angemessen sei, daß der unterhaltsbedürftige Ehegatte an Einkommensverbesserungen des anderen zwischen Trennung und Scheidung teilhabe, wirke sich dies auch für die Zeit nach der Scheidung aus (FamRZ 1981, 887, 890).

17

3.

Die ehelichen Lebensverhältnisse, nach denen sich der nacheheliche Unterhaltsanspruch bemißt, werden in der Regel durch die Einkommensverhältnisse geprägt. Da es - wie dargelegt - auf die ehelichen Lebensverhältnisse im Zeitpunkt der Scheidung ankommt, sind mithin regelmäßig die Einkommensverhältnisse in diesem Zeitpunkt maßgebend (vgl. Senatsurteil vom 20. Januar 1982 - IVb ZR 650/80). Das kann jedoch nicht gelten, soweit das Einkommen eines oder beider Ehegatten während des Getrenntlebens bis zur Scheidung eine unerwartete, vom Normalverlauf erheblich abweichende Entwicklung genommen hat, die etwa auch für die Bestimmung des Trennungsunterhalts nach § 1361 BGB außer Betracht hätte bleiben müssen. Liegen derartige außergewöhnliche Umstände vor, dann kann nicht mehr davon ausgegangen werden, daß die Einkommensverhältnisse der Ehegatten, wie sie sich im Zeitpunkt der Scheidung darstellen, Ausdruck ihrer "ehelichen" Lebensverhältnisse seien und diese maßgebend geprägt hätten.

18

Ein solcher Fall liegt hier vor. Nach den tatsächlichen - von der Revision nicht angegriffenen - Feststellungen des Berufungsgerichts hat sich zwar das Einkommen der Ehefrau aus ihrer Tätigkeit als Anwaltssekretärin während der Dauer des Getrenntlebens der Parteien normal entwickelt; hingegen hat der Ehemann das kleine Pelzwarengeschäft, das er 1961 noch in gemieteten Räumen betrieb, zu einem gutgehenden, gewinnbringenden Unternehmen mit einem jährlichen Umsatz von etwa einer Million DM entfaltet, aus dem er durchschnittliche monatliche Nettoeinkünfte in einer (nach vorgelegten Aufstellungen einer Steuerberatungsgesellschaft) geschätzten Höhe von etwa 7.227 DM erzielt. Aufgrund dieser "übermäßig" guten Einkommensentwicklung auf seiten des Ehemannes haben, wie das Berufungsgericht weiter festgestellt hat, seine finanziellen Lebensverhältnisse seit der Trennung von der Ehefrau einen - mit den früheren ehelichen Lebensverhältnissen der Parteien nicht mehr vergleichbaren - ungewöhnlichen Aufschwung erfahren, an dem die Ehefrau keinen Anteil hat. In diesem Zusammenhang hat das Berufungsgericht darauf hingewiesen, daß der Ehemann seit etwa 1964/1965 mit seiner jetzigen Partnerin zusammenlebt, die - nach seinem Vorbringen - den Pelzhandel und Kürschnereibetrieb in der jetzigen Form gemeinsam mit ihm aufgebaut hat.

19

Die aufgezeigte Entwicklung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Ehemannes stellt sich nicht mehr als eine dem Normalverlauf entsprechende allgemein günstige Fortentwicklung der durch die Ehe begründeten Lebensverhältnisse dar. Der geschäftliche Aufschwung des Ehemannes beruht vielmehr erkennbar auf besonderen, im Verlauf der 18 Jahre andauernden Trennung der Parteien erbrachten unternehmerischen Leistungen, die ihre Grundlage nicht in den früheren gemeinsamen Arbeits- und Lebensverhältnissen der Parteien haben. In diesem Sinn ist dem Berufungsgericht für den hier vorliegenden Fall darin zu folgen, daß sich die wirtschaftlichen und beruflichen Wege der Parteien seit 1961 in einer Weise getrennt haben, "die keine weiterwirkenden ehebezogenen Abhängigkeiten mehr bestehen ließ". Eine Bemessung des nachehelichen Unterhaltsanspruches nach den beiderseitigen Einkommensverhältnissen der Parteien im Zeitpunkt der Scheidung kommt daher, wie das Berufungsgericht insoweit im Ergebnis zutreffend entschieden hat, hier nicht in Betracht.

20

4.

Das Berufungsgericht hat die Voraussetzungen des von der Ehefrau geltend gemachten Aufstockungsanspruches nach § 1573 Abs. 2 BGB danach beurteilt, welche Einkommensverhältnisse heute fiktiv dem gemeinsamen Einkommen der Parteien im Jahre 1961 in Höhe von 986,09 DM monatlich entsprechen würden, und inwieweit der bei diesen fiktiven Einkommensverhältnissen angemessene Unterhaltsbedarf der Ehefrau bereits durch ihre heutigen eigenen Einkünfte gedeckt ist. Zur Ermittlung des heutigen fiktiven Einkommens hat das Berufungsgericht mangels einer allgemeinen Übersicht über die Entwicklung der Einkünfte selbständiger Gewerbetreibender seit 1961 - für eine Vergleichsberechnung - auf die in den Jahrbüchern des Statistischen Bundesamts niedergelegten Daten über die Entwicklung der Bruttomonatsverdienste der männlichen Angestellten in Industrie und Handel zurückgegriffen. Da sich diese durchschnittlichen Bruttomonatsverdienste - auf der Basis 1970 = 100 % - von 1961 mit 53,6 % bis 1978 auf 186,6 % erhöht haben, ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, daß bei etwa gleichem Anstieg der Nettoeinkünfte einem gemeinschaftlichen Monatsnettoeinkommen der Parteien von 986,09 DM im Jahre 1961 ein Monatsnettoeinkommen in Höhe von 3.432,91 DM im Jahre 1978 entsprechen würde. Bei einem heutigen gemeinsamen Einkommen der Parteien in dieser Höhe errechne sich ein Unterhaltsanspruch der Antragsgegnerin nach den Grundsätzen der Düsseldorfer Tabelle mit höchstens 2/5 auf 1.373,16 DM. Dieser Unterhaltsanspruch werde indessen durch das eigene monatliche Nettoeinkommen der Ehefrau, das bereits 1977 bei 1.440,22 DM gelegen habe, voll gedeckt. Nachdem sich ihr Einkommen im Jahre 1979 auf monatlich 1.592,39 DM weiter gesteigert habe, habe sich daran, daß sie ihren angemessenen Unterhalt durch ihre eigenen Einkünfte bestreiten könne, auch seither nichts geändert.

21

Diese auf tatrichterlicher Wertung beruhenden Ausführungen des Berufungsgerichts werden von der Revision nicht angegriffen. Sie lassen auch in der unterhaltsrechtlichen Beurteilung der hier vorliegenden Verhältnisse keinen Rechtsfehler erkennen und halten sich bei der Bemessung des Ergänzungsanspruchs nach § 1573 Abs. 2 BGB im Rahmen der Grundsätze, die der erkennende Senat in ständiger Rechtsprechung, zuletzt in den Urteilen vom 4. November 1981 (IVb ZR 625/80) und vom 20. Januar 1982 (IVb ZR 650/80, beide zur Veröffentlichung bestimmt) aufgestellt hat. Dabei ist ergänzend darauf hinzuweisen, daß die Vergleichsberechnung des Berufungsgerichts auch für das Jahr 1979, in dem die Scheidung der Parteien ausgesprochen wurde, zu einem entsprechenden Ergebnis führt. Nach den in dem Berufungsurteil herangezogenen Daten aus den Statistischen Jahrbüchern - ergänzt um die entsprechenden Indexzahlen aus dem Jahrbuch für 1981 - entwickelte sich ein Einkommen von 986,09 DM aus dem Jahre 1961 zu einem vergleichbaren Einkommen in Höhe von 3.643,18 DM im Jahre 1979. Der von dem Berufungsgericht zugrunde gelegte Unterhaltsanspruch der Ehefrau von höchstens 2/5 dieses Betrages hätte sich mithin 1979 auf 1.457,27 DM belaufen und damit weiterhin unter ihren eigenen Einkünften gelegen.

22

5.

Soweit das Berufungsgericht bei der Ermittlung des heutigen fiktiven Einkommens der Parteien davon ausgegangen ist, daß sie sich - ungeachtet der nochmaligen kurzen Annäherung in der Zeit zwischen Ende 1963 und Anfang 1964 - im Jahre 1961 im Rechtssinn getrennt haben, wird dies von der Revision ohne Erfolg angegriffen. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Auffassung ausgeführt: Die vorübergehenden Besuche des Ehemannes in der Wohnung der Ehefrau hätten nicht zur Wiederherstellung einer wirklichen häuslichen Gemeinschaft geführt. Das ergebe sich schon aus dem Vorbringen der Ehefrau, daß sie die Aufforderung des Ehemannes, zu ihm in sein Einfamilienhaus zu ziehen, abgelehnt habe, weil sie ihre begonnene Berufstätigkeit nicht habe aufgeben wollen. Im übrigen habe die Ehefrau selbst die Zeit der erneuten Annäherung nicht als eheliche Lebensgemeinschaft, sondern lediglich als eine Geschlechtsgemeinschaft an den Wochenenden bezeichnet. Unter diesen Umständen könne die Zeit der Wiederannäherung nur als gescheiterter Versöhnungsversuch im Sinne von § 1567 Abs. 2 BGB gewertet werden, so daß als Beginn des Getrenntlebens jedenfalls das Jahr 1961 anzusetzen sei.

23

Wenn die Revision demgegenüber geltend macht, solange noch eine "Geschlechtsgemeinschaft" bestanden habe, könne - jedenfalls unter dem Gesichtspunkt einer Zerrüttungstrennung - nicht von einer endgültigen Trennung der Eheleute gesprochen werden, so trägt sie hiermit der gesetzlichen Regelung des § 1567 Abs. 2 BGB nicht hinreichend Rechnung. Das Berufungsgericht hat in tatrichterlicher Würdigung der vorgetragenen Umstände die Wiederannäherung der Parteien in der Zeit von Ende 1963 bis Anfang 1964 als nochmaliges kurzes Zusammenleben gewertet, das einem Versöhnungsversuch dienen sollte. Diese Würdigung ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

24

6.

Gleichwohl kann das angefochtene Urteil im Ergebnis nicht bestehen bleiben. Denn das Berufungsgericht hat bei der Beurteilung der ehelichen Lebensverhältnisse der Parteien den - in der Revisionsverhandlung erörterten - Umstand nicht berücksichtigt, daß die Ehefrau unstreitig aufgrund eines Titels vom 11. Dezember 1972 (1 C 1405/71 AG Bayreuth) Trennungsunterhalt von dem Ehemann erhalten hat. Ferner hat die Ehefrau im Jahre 1978 beantragt, ihr in Abänderung jenes Titels einen Trennungsunterhalt von monatlich 1.200 DM zuzusprechen. Diesem Antrag hat das Amtsgericht - Familiengericht - mit Wirkung vom 1. Mai 1978 an teilweise - in Höhe von 600 DM - stattgegeben. Gegen das Urteil haben beide Parteien Berufung eingelegt. In der mündlichen Verhandlung vor dem Oberlandesgericht vom 4. März 1980 haben sie sodann einen Vergleich geschlossen, in dem sich der Ehemann verpflichtet hat, für die Zeit vom 1. Mai 1978 bis einschließlich März 1980 eine monatliche Unterhaltsrente von 400 DM an die Ehefrau zu zahlen.

25

Diesen Umständen kann für die Bemessung des Unterhaltsanspruchs nach § 1573 Abs. 2 in Verbindung mit § 1578 BGB eine entscheidungserhebliche Bedeutung zukommen.

26

Soweit ein Ehegatte, dessen Einkommens- und Vermögensverhältnisse sich während des Getrenntlebens in unerwarteter, außergewöhnlicher Weise verbessern, den getrenntlebenden anderen Ehegatten - etwa aufgrund eines gerichtlichen Titels oder eines bestehenden Rechtsanspruchs - an dieser Einkommensverbesserung teilhaben läßt, heben seine Leistungen den Lebensstandard des anderen Ehegatten entsprechend an. Die Unterhaltszahlungen können in einem solchen Fall dazu führen, daß die ehelichen Lebensverhältnisse - durch die ehebedingten Zuwendungen - in einer Weise mit geprägt werden, die auch bei der Bemessung des nachehelichen Unterhaltsanspruchs zu beachten ist. Ob und unter welchen Voraussetzungen eine solche Folge auch eintreten könnte, wenn ein getrenntlebender Ehegatte zwar einen Anspruch auf Trennungsunterhalt gegenüber seinem inzwischen in außergewöhnlich guten Einkommensverhältnissen lebenden Ehegatten hat, ihn aber nicht geltend macht oder aus besonderen Gründen nicht durchsetzen kann (vgl. dazu Senatsurteil vom 9. Juli 1980 - IVb ZR 526/80 - NJW 1980, 2349, 2350), braucht hier nicht entschieden zu werden. Im vorliegenden Fall ist der Unterhaltstitel vom 11. Dezember 1972 auf der Grundlage des früheren Rechts ergangen. Nach § 1361 BGB a.F. gab die Prüfung des Anspruchs auf Trennungsunterhalt Raum für Billigkeitserwägungen. Das kann dazu geführt haben, daß die Ehefrau unter Billigkeitsgesichtspunkten im Wege des Trennungsunterhalts - wenn auch in geringem Umfang - an der außergewöhnlich guten Einkommensentwicklung des Ehemannes beteiligt worden ist.

27

Hierzu hat das Berufungsgericht indessen keine Feststellungen getroffen. Es fehlt auch an tatsächlichen Feststellungen dazu, auf Grund welcher - einkommensbezogenen (und) oder sonstigen - Umstände der frühere titulierte Anspruch auf monatlich 200 DM von dem Amtsgericht im Jahre 1979 auf 600 DM und abweichend hiervon in dem Vergleich vor dem Oberlandesgericht auf 400 DM festgesetzt worden ist.

28

Der Senat ist daher zu einer eigenen Sachentscheidung nicht in der Lage. Das Berufungsgericht wird nach Aufklärung des noch entscheidungserheblichen Sachverhalts in tatrichterlicher Würdigung zu beurteilen haben, ob und in welchem Ausmaß die ehelichen Lebensverhältnisse bis zur Scheidung der Parteien durch Unterhaltsleistungen des Ehemannes nachhaltig (mit) geprägt worden sind.

Lohmann
Portmann
Seidl
Krohn
Nonnenkamp