Bundesgerichtshof
Urt. v. 17.02.1982, Az.: IVa ZR 284/80
Schadensersatz wegen fehlerhafter Beratung durch einen Steuerberater; Bewertung eines Gesellschaftsanteils
Bibliographie
- Gericht
- BGH
- Datum
- 17.02.1982
- Aktenzeichen
- IVa ZR 284/80
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1982, 12499
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- OLG Düsseldorf - 13.03.1980
Rechtsgrundlagen
Fundstellen
- NJW 1982, 1806-1807 (Volltext mit red. LS)
- VersR 1982, 580
Prozessführer
Firma V. R. GmbH, W. str. ..., D.- D.,
gesetzlich vertreten durch ihren Geschäftsführer Rainer H., daselbst
Prozessgegner
Steuerbevollmächtigter Walter B., S., K. 1
Amtlicher Leitsatz
- 1.
Der Steuerberater einer Gesellschaft, der die finanzielle Lage seiner Auftraggeberin zu überblicken vermag, ist bei einer individuellen Beratung, die von ihm im Hinblick auf eine für die Gesellschaft wesentliche Vermögensdisposition erbeten wird, zu besonderer Sorgfalt verpflichtet.
- 2.
Ein Schaden kann grundsätzlich nicht deshalb verneint werden, weil ein anderweitiger Anspruch gegen einen Dritten besteht, durch dessen Realisierung der vom Schädiger schuldhaft verursachte Vermögensverlust ausgeglichen werden könnte.
Der IVa - Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat
auf die mündliche Verhandlung vom 16. Dezember 1981
durch
den Vorsitzenden Richter Dr. Hoegen und
die Richter Rottmüller, Dr. Schmidt-Kessel, Rassow und Dr. Zopfs
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 13. März 1980 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
Die beklagte GmbH will gegen unstreitige Honoraransprüche des klagenden Steuerbevollmächtigten in Höhe von 3.660,82 DM mit einem höheren Schadensersatzanspruch aufrechnen, den sie nur noch darauf stützt, daß der Kläger ihr geraten habe, einen Betrag von 6.000 DM zuzüglich Mehrwertsteuer an den ausscheidenden Gesellschafter D. (D) zu zahlen.
Ende 1977 wollte dieser Gesellschafter aus der GmbH ausscheiden. Sein Anteil am Stammkapital von 42.000 DM betrug 14.000 DM.
Die Beklagte behauptet, bei der Gesellschafterversammlung vom 14. November 1977 sei Streit über die Höhe seines Abfindungsanspruches entstanden. D. habe angesichts der positiven Geschäftsentwicklung eine Bewertung mit 20.000 DM für gerechtfertigt gehalten. Wegen der Zweifel der beiden übrigen Gesellschafter sei der als Berater anwesende Kläger um Rat gefragt worden. Dieser habe als einziger zuverlässig den finanziellen Status der Gesellschaft beurteilen können. Die beiden übrigen Gesellschafter seien im kaufmännischen Bereich gänzlich unerfahren gewesen. Der Kläger habe mehrfach versichert, unter Berücksichtigung der positiven Geschäftssituation müsse die Abfindung 20.000 DM betragen: allerdings dürfe nach außen nur der nominelle Anteil von 14.000 DM ausgezahlt werden. Dementsprechend seien die drei Gesellschafter übereingekommen, daß der Mehrbetrag als Werklohnforderung deklariert und dafür von D. eine entsprechende Rechnung ausgestellt werden sollte. Diese Rechnung sei von der Beklagten bezahlt worden.
Tatsächlich war die Beklagte im November 1977 überschuldet.
Die Beklagte hat eine Rechnung des D. vom 16. November 1977 über im einzelnen aufgeführte "Messestandsarbeiten" in Höhe von 6.000 DM zuzüglich Mehrwertsteuer vorgelegt.
Erst einige Monate später, so trägt die Beklagte weiter vor, habe der Kläger gegenüber den Gesellschaftern seinen Irrtum eingestanden. Die Gesellschafter der Beklagten hätten auf den Rat des Klägers als ihres Steuerberaters vertraut. Würde er die wirkliche finanzielle Situation dargelegt oder die Raterteilung mangels Überblicks abgelehnt haben, wäre der Mehrbetrag nicht ausgezahlt worden.
Der Kläger bestreitet, daß er beauftragt worden sei, den Wert des Abfindungsguthabens zu ermitteln. Er beruft sich darauf, ihm habe am 14. November 1977 nur unvollständiges und teilweise falsches Zahlenmaterial zur Verfügung gestanden. D. habe seinen Anteil an einen Dritten verkauft. Ein Anspruch auf Zahlung von 6.000 DM habe ihm tatsächlich zugestanden.
Beide Vorinstanzen haben dem Kläger den Honoraranspruch zuerkannt. Mit der zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte die Aufrechnung weiter.
Entscheidungsgründe
Auf die Revision der Beklagten ist das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zurückzuverweisen, weil das Berufungsgericht mit fehlerhafter Begründung die Entstehung eines Schadens bei der Beklagten und deshalb den Aufrechnungsanspruch verneint hat.
1.
Das Berufungsgericht hat zugunsten der Beklagten unterstellt, dem Kläger sei hinsichtlich der Bewertung des Gesellschaftsanteiles eine schuldhafte Vertragsverletzung vorzuwerfen, die Beklagte habe - zu ergänzen ist offenbar: daraufhin - den Nennwert des Anteils von 14.000 DM und weiter den Betrag von 6.000 DM zuzüglich Mehrwertsteuer an den ausscheidenden Gesellschafter gezahlt, obwohl diesem ein Werklohnanspruch nicht zugestanden, es sich vielmehr um eine nur zum Schein in andere rechtlichte Gestalt gekleidete Abfindungszahlung gehandelt habe. Jedenfalls könne, so führt das Berufungsgericht aus, nicht festgestellt werden, daß dadurch der Beklagten ein zu ersetzender Schaden entstanden sei. Möge auch die Zahlung den Bestand der Gesellschaftskasse vermindert haben, so habe die Beklagte dadurch doch entsprechende Gegenwerte erworben.
Hinsichtlich der in der erteilten Rechnung offen ausgewiesenen Mehrwertsteuer sei die Beklagte zum Vorsteuerabzug berechtigt. Es sei davon auszugehen - anderes sei nicht vorgetragen - daß sie von dieser Möglichkeit auch Gebrauch gemacht habe. Hinsichtlich des Abfindungsbetrages sei der Beklagten in jedem Falle ein Rückzahlungsanspruch entsprechend den §§ 30, 31 GmbHG erwachsen. Das zur Erhaltung des Stammkapitals erforderliche Gesellschaftsvermögen dürfe an einen Gesellschafter nicht ausgezahlt werden. Die Beklagte sei aber bereits bei der Auszahlung unstreitig überschuldet gewesen. Für ihre vom Kläger bestrittene Behauptung, der Rückforderungsanspruch gegen den ausgeschiedenen Gesellschafter D. sei wegen dessen Vermögenslosigkeit nicht realisierbar, habe die Beklagte keinen Beweis angeboten.
Auch wenn die Beklagte bei dem Versuch keinen Erfolg haben werde, ihren Rückforderungsanspruch durchzusetzen, könne sie anschließend nicht erneut den Kläger auf Schadensersatz in Anspruch nehmen. Durch die Entscheidung über die Aufrechnung sei nämlich rechtskräftig im Umfang des § 322 Abs. 2 ZPO festgestellt, daß ein Schadensersatzanspruch gegen den Kläger mangels eines Schadens nicht bestehe. Ob ein Schaden entstanden, ob also der Anspruch gegen D. durchsetzbar sei, werde maßgeblich für den Augenblick der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Tatrichter entschieden
2.
Entgegen der vom Kläger in der Revisionserwiderung vertretenen Ansicht hat die Beklagte - vorbehaltlich der unter 3. noch näher behandelten Frage der Entstehung des Schadens - die Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs schlüssig vorgetragen. Die Beklagte will die Rechnung vom 16. November 1977 in Höhe von 6.000 DM zuzüglich Mehrwertsteuer über angebliche Messestandsarbeiten ihres früheren Gesellschafters an diesen aus ihrem Vermögen bezahlt haben. Nach ihrem im Tatbestand dargestellten Vortrag, für den in der Berufungsbegründung Beweis angeboten worden ist, hat sie diesen Mehrbetrag als Abfindung nur deshalb ausbezahlt, weil ihre Gesellschafter der mehrfachen und nachdrücklichen Zusicherung des Klägers zur Höhe der Abfindung und seinem Rat vertrauten, der Mehrbetrag müsse nach außen anders deklariert werden. Tatsächlich heißt es in dem vom Kläger gefertigten und zu den Akten gereichten Protokoll der Gesellschafterversammlung vom 14. November 1977 im Zusammenhang mit der Übertragung des Gesellschafteranteiles:
Gleichzeitig erkennen die Beteiligten an, daß Herrn D. für früher geleistete Entwicklungsarbeiten noch ein Betrag von 6.000 DM zusteht. Herr D. wurde gebeten, an die Firma eine spezifizierte Rechnung über 6.000 DM zzgl. 11% Mehrwertsteuer = 6.660 DM alsbald zu stellen.
Da der Beklagte als Steuerbevollmächtigter die finanzielle Situation zu überblicken in der Lage war und von ihm nach dem Vorbringen der Beklagten eine individuelle Beratung bei einer für die Beklagte wesentlichen Vermögensdisposition erbeten wurde, war er zu besonderer Sorgfalt bei seiner Antwort verpflichtet (vgl. Senatsurteil vom 25. November 1981 - IVa ZR 286/80 - WM 1982, 90). Bei fehlenden Kenntnissen mußte er gegebenenfalls die Raterteilung ablehnen. Auch der im Tatbestand wiedergegebene Vortrag der Beklagten zum Ursachenzusammenhang ist jedenfalls deshalb ausreichend, weil sie behauptet, sie hätte nicht gezahlt, wenn der Kläger eine Raterteilung abgelehnt haben würde.
3.
Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ergibt dieser Vortrag der Beklagten auch die Entstehung eines ihr zu ersetzenden Schadens.
a)
Allerdings ist gegen die Ausführungen zum Vorsteuerabzug, die von der Revision auch nicht angegriffen werden, nichts zu erinnern. In Höhe des Mehrwertsteuerbetrages ist deshalb der Beklagten ein Schaden nicht entstanden.
Das Berufungsgericht verkennt auch nicht, daß die Gesellschaftskasse in ihrem Bestand um die weiter ausbezahlten 6.000 DM gemindert worden ist. Zu Unrecht meint es jedoch, der Rückforderungsanspruch gegen den ausgeschiedenen Gesellschafter, der sich wegen der Überschuldung der Beklagten im Auszahlungszeitpunkt aus entsprechender Anwendung der §§ 30, 31 GmbHG ergebe, sei bei der Schadensberechnung zu berücksichtigen, so daß ein Schaden von vorneherein nicht entstanden sei.
Ein Schaden kann grundsätzlich nicht deshalb verneint werden, weil ein anderweitiger Anspruch gegen einen Dritten besteht, durch dessen Realisierung der vom Schädiger schuldhaft verursachte Vermögensverlust ausgeglichen werden könnte. Vielmehr steht es dem Gläubiger, der neben dem Schadensersatzanspruch gegen den Schädiger noch einen anderen, zum Ausgleich des Schadens führenden Anspruch gegen einen Dritten hat, grundsätzlich frei, den zu verklagenden Schuldner auszuwählen. Die Betrachtungsweise des Berufungsgerichts könnte dazu führen, daß jeder der beiden Schuldner den Gläubiger auf die jeweils andere Ausgleichsmöglichkeit zu verweisen in der Lage wäre. Im vorliegenden Fall könnte ebenso wie der Kläger auch der nach §§ 30, 31 GmbHG in Anspruch genommene frühere Gesellschafter D. sich darauf berufen, daß das Stammkapital durch die Auszahlung der 6.000 DM wegen des Bestehens des Schadensersatzanspruches gegen den Kläger letztlich nicht in seinem Bestand beeinträchtigt sei. Das Gesetz kennt eine solche Subsidiarität der Haftung nur in Ausnahmefällen wie beispielsweise in dem des sogenannten Fiskusprivilegs nach § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB in der bis zum 31. Dezember 1981 geltenden Fassung oder im Fall der Einrede der Vorausklage nach § 771 BGB. Es besteht auch grundsätzlich kein Anlaß, die Wahlmöglichkeit des Gläubigers einzuschränken. Sache der Schuldner ist es, unter sich auszumachen, wer von ihnen letztlich für den dem Gläubiger gebührenden Ausgleich aufzukommen hat. In diesem Zusammenhang braucht nicht auf den Meinungsstreit eingegangen zu werden, ob. und wann solche Schuldner gewissermaßen gleichstufig als Gesamtschuldner mit der Ausgleichsmöglichkeit des § 426 BGB haften, oder ob für sie wegen abgestufter Haftung § 255 BGB gilt (dazu Goette VersR 1974, 526 f; Staudinger/Selb 12. Aufl. Rdn. 6 bis 8; AK-BGB-Rüßmann § 255 Rdn. 3, 4 und vor §§ 420 f - jeweils m.w.N.).
b)
Wer die Vermögensinteressen seines Geschäftsherrn, aus welchem Rechtsgrund auch immer, zu wahren hat, ist nicht selten von diesem deshalb mit Erfolg in Anspruch genommen worden, weil er seine Verpflichtung schlecht erfüllt und dadurch das Vermögen des Geschäftsherrn vermindert hatte, obwohl der Geschäftsherr eine zum Ausgleich dieses Verlustes geeignete Forderung auch noch gegen einen Dritten hatte. Die Ausgleichsforderung gegen den Dritten kann dabei auf verschiedenen Rechtsgründen beruhen (vgl. die bei Staudinger/Selb 12. Aufl. § 255 Rdn. 23 bis 30 zitierten Fälle aus der höchstrichterlichen Rechtsprechung).
Wird jemand beauftragt, bei einem Verkauf unter Eigentumsvorbehalt die Interessen des Eigentümers zu wahren, dann haftet er für mangelnde Sorgfalt aus dem Geschäftsbesorgungsvertrag dem Eigentümer auch dann auf Schadensersatz, wenn dieser einen durchsetzbaren Deliktanspruch gegen einen Dritten aus demselben Lebenssachverhalt hat (BGHZ 59, 97 f).
Der vom Geschäftsherrn mit der Gewinnberechnung und der sich daraus ergebenden vertragsgemäßen Gewinnauszahlung an einen Dritten beauftragte Steuerberater haftet für den durch falsche Errechnung und Auszahlung entstandenen Vermögensverlust, obwohl der Geschäftsherr auch gegen den Dritten jedenfalls nach Bereicherungsgrundsätzen vorgehen kann (BGH Urteil vom 18. Dezember 1969 - VII ZR 121/67 unter II 7 - NJW 1970, 461 [BGH 18.12.1969 - VII ZR 121/67] = JZ 1970, 579 [BGH 18.12.1969 - VII ZR 121/67] mit Anmerkung Thiele 581; im Grundsatz bestätigt durch Urteil vom 22. Februar 1972 - VI ZR 215/70 - WM 1972, 560, 561 bei Konkurrent eines Deliktsanspruches mit einem Aufwendungsersatzanspruch).
Der einer Genossenschaft nach § 34 Abs. 2 GenG wegen Verletzung seiner Sorgfaltspflicht als Vorstandsmitglied haftende Rendant kann sich nicht darauf berufen, die Genossenschaft habe einen Ausgleichsanspruch gegen den durch seine Sorgfaltspflichtverletzung Bereicherten (BGH Urteil vom 27. Februar 1975 - II ZR 112/72 unter III - VersR 1975, 612, 614 = WM 1975, 467, 470; vgl. weiter die Urteile vom 30. April 1979 - II ZR 181/78 unter 3 - WM 1979, 892 und vom 25. Mai 1981 - II ZR 220/80 - unveröffentlicht).
c)
Dem unter a) dargelegten Grundsatz stehen die vom Berufungsgericht zur Stützung seiner Auffassung genannten Entscheidungen nicht entgegen.
Das Urteil des VI. Zivilsenats des Bundesgerichtshofes in BGHZ 55, 329 f betrifft die Frage der Anrechnung desjenigen Gewinns im Vorteilsausgleich, der durch eigene überpflichtmäßige Leistungen des Geschädigten erzielt wurde. Für die hier interessierende Frage ist es nicht maßgeblich.
In dem der Entscheidung des II. Zivilsenats des Bundesgerichtshofes in BGHZ 64, 52, 62 zugrunde liegenden Fall wurde der Schaden nicht deshalb verneint, weil ein weggegebener Geldbetrag durch eine infolge der Weggabe entstandene Forderung ausgeglichen werden konnte, sondern weil mangels ausreichender Sacheinlage des Gründers von vornherein der Anspruch gegen den Gründer auf entsprechende Geldeinlage bestand. Schaden konnte in Jenem Falle nicht das "Nicht-mehr-Vorhandensein" des Gründungskapitals sein; Schaden konnte allenfalls die mangelnde Durchsetzbarkeit des Anspruchs auf Einzahlung der Einlage sein.
In seinem Urteil vom 7. November 1977 (II ZR 43/76 - DB 1978, 247, 248 = WM 1977, 1446, 1448 = NJW 1978, 425, 426) hat der II. Zivilsenat für den Fall der Haftung von Aufsichtsratsmitgliedern einer Publikums-KG wegen angeblicher Sorgfaltspflichtverletzung allerdings ausgesprochen, daß die Entstehung eines Schadens nicht festgestellt sei, soweit ein wirtschaftlich vollwertiger Vermögenswert in Gestalt von zum Teil schon realisierten Rückforderungsansprüchen gegen Gesellschafter bestanden habe. Der II. Zivilsenat hat, wie in seinem Urteil vom 25. Mai 1981 - II ZR 220/80 - hierzu (auch unter Bezugnahme auf BGHZ 64, 52) ausgeführt ist, insoweit den Standpunkt eingenommen, eine Gesellschaft dürfe wegen eines satzungswidrigen Fehlbetrages, den zu beseitigen bestimmte Gesellschafter verpflichtet wären, nicht an ihrer Stelle ohne weiteres dritte Personen in Anspruch nehmen, die als Mitglieder eines Gesellschaftsorgans tätig und für die Entstehung des Fehlbetrages mitverantwortlich geworden waren. In einem solchen Fall müsse sich die Gesellschaft zunächst an die betreffenden Gesellschafter halten; es sei primär deren Sache, gesetzliche oder satzungsmäßige "Pflichten zur Aufbringung oder Erhaltung des Gesellschaftskapitals zu erfüllen, von den in den oben genannten Urteilen des II. Zivilsenats behandelten Sachverhalten unterscheidet sich der vorliegende Fall indessen in einem wesentlichen Punkt. Hier ist D., gegen den nach Ansicht des Berufungsgerichts ein Anspruch der Beklagten entsprechend den §§ 30, 31 GmbHG besteht, nicht mehr Gesellschafter der Beklagten. In diesem Fall hält es der erkennende Senat nicht mehr für geboten, die Inanspruchnahme des für den Fehlbetrag im Gesellschaftsvermögen verantwortlichen Beraters - hier des Klägers - gleichsam "zurückzustellen" und davon abhängig zu machen, daß ein etwaiger Anspruch gegen den früheren Gesellschafter nicht oder nicht ohne durchgesetzt werden kann. Vielmehr verbleibt es hier bei dem unter a) dargelegten allgemeinen Grundsatz.
d)
Schließlich liegt hier auch kein Fall der Vorteilsausgleichung vor. Zwar ist richtig, daß die Beklagte wegen eines etwaigen Vermögensverlustes nicht doppelten Ausgleich, nämlich sowohl vom Kläger als Schadensersatz als auch von ihrem früheren Gesellschafter D. entsprechend §§ 30, 31 GmbHG verlangen kann. Es handelt sich aber hier, wie unter a) bereits angedeutet, nicht um die Frage der Anrechnung einer etwa schon von D. erhaltenen Leistung auf den Schadensersatzanspruch; vielmehr hat der Kläger, der nun einmal im Wege der Aufrechnung in Anspruch genommen worden ist, wegen eines etwa außerdem bestehenden Anspruches der Beklagten gegen D. sich seinerseits mit diesem auseinanderzusetzen (vgl. dazu Larenz Schuldrecht I 12. Aufl. § 30 II c).
e)
Für den Fall der Anwendbarkeit des § 255 BGB würde die Regelung der §§ 390, 273 BGB der Aufrechnung der Beklagten nicht entgegenstehen. Die Beklagte hat mit Recht geltend gemacht, daß das Berufungsgericht auf ein solches Bedenken gemäß § 139 ZPO hätte hinweisen müssen. Sie hat ausgeführt, daß sie auf einen entsprechenden Hinweis ihren etwaigen Rückforderungsanspruch gegen D. in Höhe der Klageforderung an den Kläger abgetreten, jedenfalls eine Abtretung so angeboten haben würde, daß der Kläger dieses Angebot nur noch hätte anzunehmen brauchen. Dann aber hätte der Kläger der Aufrechnung nicht die Einrede des Zurückbehaltungsrechts entgegensetzen können (vgl. BGH Urteil vom 3. Februar 1959 - VIII ZR 14/58 - LM HGB § 377 Nr. 5 = MDR 1959, 386).
4.
Unter diesen Umständen kommt es für die Entscheidung nicht darauf an, ob überhaupt und in welchem Umfang auch ein Anspruch der Beklagten gegen ihren früheren Gesellschafter D. besteht, und weiter, ob und aufgrund welcher Vorschrift der Kläger im Falle einer Schadenersatzleistung an die Beklagte gegen D. vorgehen kann.
Vielmehr ist das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zurückzuverweisen, damit das Berufungsgericht die notwendigen Feststellungen zu den bislang nur unterstellten übrigen Voraussetzungen des angenommenen Schadensersatzanspruches der Beklagten gegen den Kläger wegen schuldhaft unrichtiger Bewertung der Abfindungshöhe treffen kann.
Rottmüller
Dr. Schmidt-Kessel
Rassow
Dr. Zopfs