Bundesgerichtshof
Urt. v. 17.04.1980, Az.: III ZR 96/78
Sittenwidrigkeit eines Darlehensvertrages wegen eines wucherähnlichen Tatbestands; Auffälliges Missverhältnis zwischen den Leistungen des Darlehensgebers und den Gegenleistungen des Darlehensnehmers
Bibliographie
- Gericht
- BGH
- Datum
- 17.04.1980
- Aktenzeichen
- III ZR 96/78
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1980, 12557
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- OLG Hamm - 30.12.1977
- LG Dortmund
Rechtsgrundlagen
Fundstellen
- MDR 1980, 827 (Volltext mit amtl. LS)
- NJW 1980, 2062-2065 (Urteilsbesprechung von Dr. Karl-Heinz Weber)
- NJW 1980, 2076-2078 (Volltext mit amtl. LS)
Prozessführer
Frau Gerda S., K. straße ..., W.
Prozessgegner
ABC-K. GmbH,
vertreten durch die Geschäftsführer Werner M. und Jürgen O., S. straße ..., M.
Amtlicher Leitsatz
Zur Frage, ob ein Darlehensvertrag wegen insgesamt unangemessener Bedingungen sittenwidrig ist.
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat
auf die mündliche Verhandlung vom 17. April 1980
durch
die Richter Dr. Krohn, Dr. Tidow, Dr. Peetz, Kröner und Boujong
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 11. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 30. Dezember 1977 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszuges, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
Am 12. August 1975 beantragten die Beklagte und ihr damaliger - seit 29. Januar 1976 von ihr geschiedener und am 26. Juni 1977 verstorbener - Ehemann über einen Kreditvermittler bei der Klägerin auf deren Kreditvertragsformular ein Darlehen. Der "Darlehensbetrag" von insgesamt 10.055,50 DM (6.000 DM "beantragter Kredit", 180 DM für fremde Kosten, 670 DM für eine Restschuldversicherung, 3.058,50 DM Kreditgebühren = 0,950 % je Monat von 6.850 DM und 137 DM Bearbeitungsgebühren) war ab 15. September 1975 rückzahlbar in 47 Monatsraten (die erste von 211,50 DM, die nachfolgenden 46 von je 214 DM). Die Klägerin nahm den Antrag an und zahlte die Darlehensvaluta von 6.850 DM entsprechend der Anweisung der beiden Antragsteller an den Vermittler aus. Da die Darlehensnehmer keine Rückzahlung leisteten, stellte die Klägerin nach zwei erfolglosen Ratenmahnungen mit Einschreiben vom 12. November 1975 den Gesamtkredit fällig.
Die Klägerin hat von der Beklagten als Gesamtschuldnerin neben den Erben ihres geschiedenen Ehemannes 10.587,70 DM nebst 18 % Zinsen von 6.850 DM seit dem 12. November 1975 begehrt.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und u.a. geltend gemacht, der Darlehensvertrag sei sittenwidrig.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht der Klage zum Teil - in Höhe von 7.145,14 DM nebst 23,33 % Jahreszinsen aus 6.850 DM vom 14. November 1975 bis zum 15. Juli 1979 und 18. % Jahreszinsen aus diesem Betrag seit dem 16. Juli 1979, wobei eine Zahlung von insgesamt 1.423,84 DM auf die Zinsen anzurechnen ist - stattgegeben.
Mit der zugelassenen Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten hat Erfolg.
I.
Das Berufungsgericht hat, wie die Revision zu Recht geltend macht, bei seiner Beurteilung wesentliche rechtliche Gesichtspunkte und tatsächliche Umstände außer acht gelassen. Dabei kann offenbleiben, ob der Darlehensvertrag zwischen der Klägerin einerseits und der Beklagten und ihrem damaligen Ehemann andererseits schon wegen Wuchers nach § 138 Abs. 2 BGB (in der hier maßgeblichen Fassung vor dem Inkrafttreten der Gesetzesänderung durch das erste Gesetz zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität vom 29. Juli 1976, BGBl I S. 2034, 2038) sittenwidrig ist. Denn nach den Grundsätzen der - erst nach der Verkündung des Urteils des Berufungsgerichts ergangenen - Senatsurteile (insbesondere vom 9. November 1978 - III ZR 21/77 = NJW 1979, 805 - WM 1979, 225 und vom 11. Januar 1979 - III ZR 119/77 - NJW 1979, 809 = WM 1979, 270) ist ein Darlehensvertrag wegen eines wucherähnlichen Tatbestands nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig, wenn zwischen den Leistungen des Darlehensgebers und den durch einseitige Vertragsgestaltung festgelegten Gegenleistungen des Darlehensnehmers ein auffälliges Mißverhältnis besteht und der Darlehensgeber die wirtschaftlich schwächere Lage des Darlehensnehmers bei der Festlegung der Vertragsbestimmungen bewußt zu seinem Vorteil ausnutzt. Dem steht es gleich, wenn sich der Darlehensgeber als der objektiv sittenwidrig Handelnde zumindest leichtfertig der Einsicht verschließt, daß sich der Darlehensnehmer nur aufgrund seiner wirtschaftlich schwächeren Lage auf die ihn beschwerenden Darlehensbedingungen einläßt. Für die Prüfung der Sittenwidrigkeit kommt es dabei auf eine zusammenfassende Würdigung des Inhalts und des Zwecks des Geschäfts und der gesamten Geschäftsumstände an. Ein Darlehensvertrag kann danach durch eine Häufung unangemessener, den Darlehensnehmer übermäßig belastender Regelungen und (oder) sonstige zusätzliche Umstände insgesamt ein sittenwidriges Gepräge erhalten (vgl. die o.a. Senatsurteile sowie Canaris NJW 1978, 1891, 1895 f).
II.
1.
Für die erforderliche Gesamtwürdigung, ob der Darlehensvertrag sittenwidrig ist, sind zunächst die vertraglich festgelegten Entgelt- und sonstigen Vergütungs- oder Entschädigungsleistungen der Darlehensnehmer in ihrem Verhältnis zu den vom Darlehensgeber gewährten Leistungen maßgeblich.
Die vertragliche Gegenleistung der Darlehensnehmer besteht aus den Kreditgebühren von 0,95 % monatlich für die vorgesehene Kreditlaufzeit von 47 Monaten aus dem "Kreditbetrag" von 6.850 DM (= aus dem "beantragten Kredit" von 6.000 DM sowie aus 850 DM Makler- und Versicherungskosten). Die Kreditgebühren bilden laufzeitabhängige, in Geld zu entrichtende Entgeltleistungen für den Kapitalgebrauch und sind als Zinsen im Sinne des bürgerlichen Rechts anzusehen (vgl. die o.a. Senatsurteile mit weiteren Nachweisen).
Die Klägerin hat zusätzlich 137 DM Bearbeitungsgebühren (2 % aus dem "Kreditbetrag" von 6.850 DM) erhoben. Diese zusätzlichen Gebühren sind zwar nicht laufzeitabhängig und daher nicht als Zinsen im Sinne des bürgerlichen Rechts zu betrachten. Sie müssen gleichwohl bei der Ermittlung der Gesamtbelastung der Darlehensnehmer berücksichtigt werden. Die Entgelte für die Kapitalnutzung und die Vergütungen für die Kapitalbeschaffung und -überlassung belasten die Darlehensnehmer in gleicher Weise. Nur bei ihrer Einbeziehung in den Vergleich mit den Bedingungen anderer Banken für vergleichbare Kredite läßt sich auch feststellen, wie teuer der Kredit für den Jeweiligen Darlehensnehmer ist (vgl. die o.a. Senatsurteile).
2.
Die von der Klägerin berechneten Auslagen ("fremde Kosten", unstreitig hier Maklerkosten) von 180 DM (= 3 % aus dem "beantragten Kredit") bilden kein Entgelt für den Gebrauch des Kapitals, also keine Zinsen, sondern eine Vergütung für die Verschaffung des Kapitals. Im Rahmen der Prüfung der Sittenwidrigkeit eines Darlehensvertrages müssen sie einbezogen werden, um die Gesamtbelastung des Darlehensnehmers zu ermitteln. Ein Kreditinstitut kann diese Kosten dem Darlehensnehmer in einem einmaligen Schuldbetrag aufbürden, von dem wie hier Kredit- und Bearbeitungsgebühren zu entrichten sind, oder diese Kosten in die Vergütung für die Kapitalnutzung oder sonstige Entgeltleistungen einarbeiten. In beiden Fällen belasten sie den Darlehensnehmer bei der Inanspruchnahme eines Darlehens. Für die Beurteilung der Frage der Sittenwidrigkeit sind der Zweck, dem sie dienen, und der Vorteil, den sie dem einen oder anderen Vertragspartner oder beiden bringen sollen, zu berücksichtigen (vgl. die o.a. Senatsurteile).
3.
Entsprechend ist auch für die Beurteilung der vom Darlehensnehmer zu zahlenden Kosten für die Restschuldversicherung (670 DM) zu verfahren, für die gleichfalls Kredit- und Bearbeitungsgebühren zu entrichten sind. Auch sie bilden zwar kein Entgelt für die Kapitalnutzungsmöglichkeit, sind also keine Zinsen im Rechtssinne. Gleichwohl können sie bei der Gesamtbeurteilung, ob der Darlehensvertrag sittenwidrig ist, nicht außer Betracht bleiben. Auch sie belasten den Darlehensnehmer wie sonstige Kosten und Auslagen bei der Aufnahme eines Kredits.
Nach dem von der Klägerin vorformulierten Vertragstext nehmen die Darlehensnehmer "zustimmend davon Kenntnis", daß die Klägerin "für den oben aufgeführten Darlehensnehmer I", hier für den damaligen Ehemann der Beklagten, eine Restschuldversicherung abschließt. Sie legt als Kreditgeberin und Versicherungsnehmerin dem Darlehensnehmer deren Kosten in voller Höhe auf, indem sie den beantragten Kredit um die Versicherungskosten erhöht. Bei der Gesamtwürdigung ist auch hier der Zweck der Restschuldversicherung zu berücksichtigen.
Nach Eintritt des Versicherungsfalles werden der Darlehensnehmer oder seine Erben, soweit die Deckung reicht, mit der Zahlung des Versicherers an den Darlehensgeber in entsprechender Höhe von eigenen Leistungen an diesen frei. Andererseits dient die Versicherung dem Darlehensgeber als zusätzliche Sicherheit, die ihn im Versicherungsfall, z.B. beim Tode des versicherten Darlehensnehmers, soweit die Deckung reicht, des Risikos der Uneinbringlichkeit seiner Forderungen enthebt. Sie ist daher allgemein geeignet, das Kreditrisiko für den Kreditgeber zu senken.
Nach dem Vorbringen der Klägerin hat allerdings hier der "Darlehensnehmer I" selbst eine Restschuldversicherung über den Kreditvermittler genommen. Dieses - vom Berufungsgericht nicht geklärte - Vorbringen schlösse, selbst wenn es zuträfe, die Berücksichtigung der Restschuldversicherung im Rahmen der gebotenen Gesamtwürdigung nicht aus. Die Klägerin hat nicht behauptet, daß der versicherte Darlehensnehmer die Restschuldversicherung ohne Angebot des den Darlehensantrag einreichenden Kreditvermittlers, also "auf eigene Faust" genommen hat. Es ist auch nach dem Vorbringen der Klägerin möglich, daß sie die Darlehensgewährung zumindest tatsächlich von einer Restschuldversicherung abhängig gemacht hat. Darlehen und Restschuldversicherung bilden zumindest Bestandteile eines wirtschaftlich einheitlichen Geschäfts. Dafür spricht, daß die Klägerin die Darlehensnehmer mit einem um die Versicherungskosten erhöhten Kreditbetrag belastet hat, ohne daß die Darlehensnehmer insoweit die tatsächliche Verfügungsbefugnis über die Darlehensvaluta erlangen konnten (zur Bedeutung dieses Anzeichens eines wirtschaftlich einheitlichen Geschäfts vgl. das Senatsurteil vom 6. Dezember 1979 - III ZR 46/78 - NJW 1980, 938 = WM 1980, 159). Dem Darlehens- und Versicherungsnehmer nachteilige Regelungen beider "Teilstücke" eines wirtschaftlich einheitlichen Geschäfts können jedenfalls zusammen ein auffälliges Mißverhältnis zwischen den wirtschaftlich verbundenen Leistungen und Gegenleistungen ergeben (vgl. das Senatsurteil vom 7. Februar 1980 - III ZR 141/78 = NJW 1980, 1150 [BVerfG 06.02.1980 - 2 BvR 1070/79] = WM 1980, 327).
4.
Nach dem Vorbringen der Beklagten haben die meisten Kreditinstitute zum Zeitpunkt der Kreditaufnahme für Ratenkredite Kreditgebühren von 0,32-0,35 monatlich aus der Kreditsumme erhoben (vgl. hierzu den Monatsbericht der Deutschen Bundesbank vom März 1976). Die Klägerin hat demgegenüber eingewandt, die von Geschäftsbanken gewährten Zinssätze für Ratenkredite könnten nicht zum Vergleich herangezogen werden.
In die Beurteilung sind die "gebräuchlichen, als wirtschaftlich tragbar angesehenen Bedingungen für Ratenkredite und für Darlehen der Teilzahlungsbanken" insgesamt einzubeziehen (vgl. BGH Urteil vom 4. Juli 1975 - V ZR 14/75 = MDR 1975, 1010 = WM 1975, 889). Es kommt nicht nur auf die von Teilzahlungsbanken einer vergleichbaren Größenordnung geforderten Zinssätze für Ratenkredite an. Vielmehr ist der gesamte "Markt" für vergleichbare Ratenkredite zu berücksichtigen (vgl. Senatsurteil vom 29. Juni 1979 - III ZR 156/77 = NJW 1979, 2089 = WM 1979, 966). Bei der gebotenen Gesamtbetrachtung können auch sonstige Faktoren auf dem "Kapitalmarkt" allgemein (und damit auch die Höhe der Refinanzierungskosten) und insbesondere die allgemeinen und besonderen Darlehensrisiken erheblich werden.
Die Feststellungen des Berufungsgerichts reichen nicht für die Beurteilung aus, ob der Darlehensvertrag, gemessen an diesen Grundsätzen, schon wegen der Höhe der Zinsen und der sonstigen Kosten für die Verschaffung und Hingabe des Darlehenskapitals sittenwidrig ist. Das von der Klägerin gewährte Darlehen war Jedenfalls durch hohe, einen Darlehensnehmer in wirtschaftlich schwacher Lage besonders stark belastende Entgeltleistungen gekennzeichnet. Die Darlehensnehmer befanden sich hier in dieser Lage. Sie hatten nach dem Darlehensvertrag und den Selbstauskünften nur ein Nettoeinkommen von 1.300 DM (mit Kindergeld 1.420 DM) monatlich, von dem sie noch zwei Kinder zu versorgen hatten.
III.
In den auf der Rückseite des Darlehensvertrages aufgedruckten Darlehensbedingungen hat die Klägerin den Darlehensnehmern zusätzliche Leistungen für den Fall eines Zahlungsrückstands aufgebürdet, die ihre Gesamtbelastung erheblich steigern.
Bei Zahlungsverzug werden dem Darlehensnehmer für die erste Mahnung 3 DM, für die zweite Mahnung 4 DM und für die dritte Mahnung 5 DM berechnet. Daneben werden Verzugszinsen von 0,5 %o des jeweils fälligen Betrages pro Tag des Verzuges, aufgerundet auf volle 0,10 DM, erhoben.
Wird das Konto von der Klägerin wegen Nicht- oder säumiger Zahlung aus der normalen Kontenabwicklung in die Rechtsabteilung genommen und/oder wird die Darlehensforderung fällig oder fällig gestellt, so kann die Klägerin für "diese zusätzliche Bearbeitung" 5 % vom Saldo berechnen.
Die Verzugsgebühren stehen der Klägerin nach diesen Bedingungen neben und auch aus den Kreditgebühren, also aus Zinsen im Sinne des bürgerlichen Rechts, sowie neben und aus sonstigen Kosten zu. Eine Rückvergütung der Kreditgebühren kommt nur bei einer vollen Tilgung des Restsaldos vor Fälligkeit und nicht für einen Rest von weniger als 200 DM in Betracht.
Für die der Klägerin entstehenden "Rechtsverfolgungskosten und Auslagen aller Art bei der Verfolgung ihrer Ansprüche" sollen mehrere Darlehensschuldner - in Abweichung von der gesetzlichen Regelung - auch dann als Gesamtschuldner haften, wenn diese Kosten Jeweils nur bei der Verfolgung des Anspruchs gegen einen von mehreren Schuldnern angefallen sind.
IV.
Die Klägerin wendet sich als Teilzahlungsbank (auch) an rechtsunkundige und geschäftsungewandte Kreditbewerber, die ein Darlehen mit derart hohen Entgeltleistungen wegen ihrer wirtschaftlich schlechten Situation benötigen. Sie hat gleichwohl ein Kreditvertragsformular verwendet, das einem Darlehensbewerber keinen hinreichenden Aufschluß über die ihn treffende Belastung gibt.
Das Kreditvertragsformular der Klägerin gibt nach seiner Ausfüllung die Bedingungen wieder, unter denen sie zur Kreditgewährung bereit ist. Es ist deshalb insbesondere bei einem vermittelten Kredit wie hier nach der Ausfüllung, aber vor der Unterzeichnung durch den Darlehensbewerber als "Kreditangebot" im Sinne der - verfassungsrechtlich unbedenklichen (vgl. BGH Urteil vom 16. Januar 1980 - I ZR 25/78 = WM 1980, 305) - Verordnung über Preisangaben vom 10. Mai 1973 (BGBl I S. 461) anzusehen. Die Klägerin hält den Kreditbewerbern jedoch die notwendigen Angaben über den effektiven Jahreszins "unter Zugrundelegung der gesamten Laufzeit des Kredits, des ausgezahlten Betrags, der Tilgungsleistungen, des Zinssatzes, der Vermittlungskosten und der sonstigen Kosten" vor. Diese Angaben sollen besonders dem rechtsunkundigen und geschäftsunerfahrenen Darlehensbewerber einen Vergleich der Kreditangebote der verschiedenen Kreditinstitute ermöglichen und ihm die Entscheidung erleichtern, ob er einen Kredit und gegebenenfalls welchen Kredit er in Anspruch nehmen kann (vgl. das o.a. Senatsurteil vom 9. November 1978). Die Klägerin hat nicht vorgetragen, daß sie diese Angaben der Beklagten auf andere Weise vermittelt hat.
Vor der Stellung des Darlehensantrags werden rechtsunkundige und geschäftsungewandte Darlehensbewerber die nur auf der Rückseite des Vertrags aufgedruckten Bedingungen mit ihrer den Darlehensnehmer stark belastenden Verzugsfolgenregelung kaum durchlesen, oder selbst wenn sie sie lesen sollten, in ihrer Bedeutung nicht voll erfassen.
Die von der Klägerin verwendeten Vertragsformulare und die auf der Rückseite des Darlehensvertrags aufgedruckten Bedingungen geben rechtsunkundigen und geschäftsungewandten Darlehensbewerbern somit insgesamt keinen hinreichenden Aufschluß über das zusätzliche Risiko, das sie mit der Aufnahme eines an sich schon hochverzinslichen Darlehens der Klägerin eingehen.
V.
Schließlich hat das Berufungsgericht auch wesentliche Umstände bei der Anbahnung des Kreditvertrags außer acht gelassen.
Der Darlehensvermittler, der die Darlehensnehmer nach der Feststellung des Berufungsgerichts in ihrer Wohnung aufsuchte, ließ sie am 5. August 1975 eine von der Klägerin vorgelegte Selbstauskunft unterschreiben. In ihr heißt es u.a.:
"Vor Annahme oder Ablehnung des Vertrages dürfen keine anderen Kreditanträge gestellt werden. Andernfalls 25 % Schadenersatz. Bei unrichtigen Angaben erklärt sich der Antragsteller bereit, 20 % der Antragssumme zu zahlen, ohne Nachweis des entgangenen Gewinns ... Dieser Bearbeitungsbogen gilt als Bestandteil des Kreditvertrages. Ich erkläre mich einverstanden, daß der blanko unterschriebene Kreditantrag rechtsgültig ist. Aus den Blankounterlagen werde ich keinen Rücktritt einleiten. Die Zinsen, Patenhöhe und Kosten sind mir durch diesen Bogen bekannt geworden. Aus Gründen einer evtl. Reduzierung des Antrages sowie evtl. nicht genau vorliegenden Ablösesumme erkenne ich die Blankounterschrift an."
Die Selbstauskunft enthält - außer dem vorgedruckten Text "mon. Kreditgebühr bis 1 % p.M. ... mtl. Raten ca. DM 150,-" - keinerlei Angaben über die Antragssumme, die Laufzeit und insbesondere die effektive Verzinsung. Sie belegt, daß die Darlehensbewerber, die eines Kredits bedürfen, schon mit der Unterschrift unter die Selbstauskunft an eine Kreditaufnahme mit stark belastenden Regelungen gebunden werden sollen.
VI.
Der vom Berufungsgericht festgestellte Sachverhalt und das unstreitige Vorbringen der Parteien ergeben somit, daß die Klägerin den Darlehensnehmern durch einseitige Vertragsgestaltung insgesamt unangemessene Bedingungen aufgebürdet hat, so daß ein aufteilendes Mißverhältnis zwischen den Leistungen der Klägerin und den Gegenleistungen der Darlehensnehmer besteht. Es handelt sich nach diesem Vorbringen nicht um die Sittenwidrigkeit oder Unangemessenheit einzelner allgemeiner Geschäftsbedingungen, die die Wirksamkeit des Vertrags im übrigen unberührt läßt. Vielmehr ist der gesamte Darlehensvertrag bei dieser Art der Vertragsanbahnung und Vertragsgestaltung sittenwidrig und damit nichtig.
VII.
Nach dem vom Berufungsgericht festgestellten Sachverhalt läßt sich auch eine Nichtigkeit des Darlehensvertrags wegen Verstoßes gegen § 56 Abs. 1 Nr. 6 GewO nicht ausschließen (vgl. das Senatsurteil BGHZ 71, 358).
Die in Betracht kommende, eng auszulegende Ausnahme vom Verbot der Kreditvermittlung im Reisegewerbe, der Zusammenhang des Kreditgeschäfts mit einem Warenverkauf, liegt nach dem revisionsrechtlich der Beurteilung zugrunde zu legenden Vorbringen der Beklagten nicht vor. Der Kredit diente nur zum Teil dem Kauf von Möbeln. Nach der von den Darlehensnehmern unterschriebenen Auszahlungsanordnung handelte es sich zu einem erheblichen Teil um ein "Bardarlehen".
Der Kreditvermittler hat die Darlehensnehmer in ihrer Wohnung aufgesucht und dort, also außerhalb eigener Geschäftsräume, die wesentlichen Verhandlungen über die Kreditaufnahme bei der Klägerin geführt (vgl. S. 10 des Berufungsurteils). Zur Beurteilung ausreichende Feststellungen hat das Berufungsgericht nicht getroffen. Insbesondere hat es nicht geklärt, ob die Darlehensnehmer den Kreditvermittler zu sich baten, so daß der Verbotstatbestand entfällt, oder ob sie der Vermittler aufgrund eines Hinweises von dritter Seite aus eigener Initiative aufsuchte.
VIII.
Das angefochtene Urteil kann damit keinen Bestand haben, soweit das Berufungsgericht die Klageabweisung durch das Landgericht nicht bestätigt hat.
Eine die Sache abschließende Entscheidung ist dem Senat nicht möglich. Die bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts lassen noch keine Entscheidung darüber zu, ob der Klägerin ein Bereicherungsanspruch zusteht. Insoweit bedarf es noch weiterer Sachverhaltsaufklärung. Bei dem erforderlichen Bereicherungsausgleich ist insbesondere auch der Zweck der Nichtigkeitsnorm zu berücksichtigen (vgl. das Senatsurteil BGHZ 71, 358, 365). Zur Rückzahlung der Darlehensvaluta unter bereicherungsrechtlichen Gesichtspunkten kann die Beklagte verpflichtet sein, soweit sie durch die Leistung der Klägerin von einer eigenen Schuld frei wurde oder soweit sie den Darlehensbetrag zur eigenen Nutzung erhielt.
Auch bei einer bereicherungsrechtlichen Verpflichtung zur Zurückzahlung der Darlehensvaluta kommt in Betracht, daß die Klägerin gehalten ist, zunächst von einer weiteren Inanspruchnahme der Beklagten bis zu ihrer Befriedigung aus der Restschuldversicherung abzusehen (vgl. hierzu das Senatsurteil vom 7. Dezember 1978 - III ZR 171/76 = NJW 1979, 974 = VersR 1979, 345).
Zur Prüfung unter diesen rechtlichen Gesichtspunkten ist die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Tidow
Peetz
Kröner
Boujong