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Bundesgerichtshof
Urt. v. 20.05.1966, Az.: V ZR 214/64

Anspruch auf Feststellung eines Alleinerbrechts ; Feststellungen zu der Sittenwidrigkeit eines Erbvertrags und eines Adoptionsvertrages; Voraussetzungen eines einheitlichen Rechtsgeschäfts i. S. des § 139 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) ; Vorliegen eines Einheitlichkeitswillens bei äußerlicher Trennung der Geschäfte

Bibliographie

Gericht
BGH
Datum
20.05.1966
Aktenzeichen
V ZR 214/64
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1966, 13712
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
OLG München - 03.07.1964
LG München I

Fundstellen

  • DB 1966, 1390 (Volltext)
  • MDR 1966, 749 (Volltext mit amtl. LS)

Amtlicher Leitsatz

Zur Frage der rechtlichen Einheit zwischen äußerlich getrennten Verträgen (hier: Adoptionsvertrag und Erbverträge zweier Erblasser).

Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat
auf die mündliche Verhandlung vom 20. Mai 1966
unter Mitwirkung
des Senatspräsidenten Dr. Augustin und
der Bundesrichter Dr. Piepenbrock, Dr. Mattern, Dr. Grell und von der Mühlen
für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 3. Juli 1964 aufgehoben. Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt Feststellung seines Alleinerbrechts nach den 1951 verstorbenen Oberstleutnant a.D. Ludwig Freiherr von M. (Erblasser).

2

Durch Urteil vom 4. November 1959 - V ZR 146/58 -, auf welches Bezug genommen wird, hat der erkennende Senat das der Klage stattgebende erste Berufungsurteil aufgehoben und die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

3

Dieses hat unter Abweisung eines weiteren Klagantrags die Feststellungsklage erneut zugesprochen.

4

Mit der erneuten Revision verfolgt die Beklagte ihren Klagabweisungsantrag weiter. Der Kläger begehrt wiederum Zurückweisung des Rechtsmittels.

5

Ob die Beklagte ihren Vater Adalbert Freiherr von M. beerbt hat, ist inzwischen ebenfalls streitig geworden. Hierüber schwebt ein Rechtsstreit zwischen den Parteien vor dem Oberlandesgericht München in der Berufungsinstanz und ist dort bis zur Entscheidung des vorliegenden Prozesses ausgesetzt (2 O 218/59, 3 a U 2348/64).

Entscheidungsgründe

6

I.

Der zugesprochene Feststellungsantrag ist zulässig (erstes Revisionsurteil I).

7

Er betrifft schon seinem Wortlaut nach nur das Erbrecht unmittelbar nach Ludwig Freiherr von M., dem Onkel der Beklagten, und nicht auch die Frage, ob der Kläger dessen mittelbarer Gesamtrechtsnachfolger dadurch geworden ist, daß Ludwig (wegen etwaiger Nichtigkeit seiner beiden Verträge mit dem Kläger) von seinem Bruder Adalbert, dem Vater der Beklagten, und dieser wiederum (auf Grund seines Erbvertrags mit dem Kläger) von Kläger beerbt worden ist. Die letztere Frage hatte der Kläger zeitweilig ausdrücklich ebenfalls zum Gegenstand seines Feststellungsbegehrens gemacht (GA III 644, 653, 654); er hat diese Antragserweiterung aber dann wieder fallen gelassen (GA IV 790, 1047). Infolgedessen ist der verbliebene Feststellungsantrag nicht über seinen Wortlaut hinaus ausdehnend auszulegen, und es kann dahingestellt bleiben, ob ein solcher weitergehender Antrag verfahrensrechtlich zulässig wäre (§ 256 ZPO).

8

II.

Die sachlichen Einwendungen, die die Beklagte gegen die Rechtswirksamkeit der beiden die Klaggrundlage bildenden Verträge des Klägers mit dem Erblasser Ludwig erhoben hat, sind auch im neuerlichen Berufungsurteil für unbegründet erklärt worden.

9

Soweit es sich um die Geschäftsfähigkeit (erstes Revisionsurteil III, neues Berufungsurteil S. 15-21) und das Fohlen eines Anfechtungsgrundes hinsichtlich dieser Verträge selbst (BU S. 34/39) handelt, sind Bedenken dagegen weder von der Revision geltend gemacht noch sonst ersichtlich.

10

Von den in anderen Richtungen erhobenen Revisionsangriffen greift einer durch:

11

III.

Ohne Erfolg wendet sich die Revision allerdings gegen die abermalige Verneinung der Sittenwidrigkeit der beiden Verträge (§ 138 Abs. 1 BGB).

12

In dieser Hinsicht hatte das erste Revisionsurteil (II 1) den Tatsachenvortrag der Beklagten als schlüssig bezeichnet und dem Berufungsgericht tatsächliche Feststellungen darüber aufgegeben. Das Oberlandesgericht hat nunmehr dazu ausgeführt (BU S 23/28): Der Kläger habe bei den dem Abschluß der Verträge vorangehenden Verhandlungen mit dem Erblasser und seinem Bruder Adalbert im Oktober 1949 seinen Einfluß dahin geltend gemacht, Erbe von ganz Marzoll zu werden, und zwar zu einer Zeit, als Ludwig und Adalbert sich über die Heiratsabsicht der Beklagten in großer Erregung befanden; trotzdem könne nicht festgestellt werden, daß der Kläger oder seine Mutter die durch jene Heiratsabsicht entstandene Lage planmäßig ausgenutzt hätten; dem Kläger sei nicht zu widerlegen, daß beide Brüder, insbesondere aber Ludwig, schon seit Jahren den Gedanken erwogen und in die Tat umzusetzen versucht hätten, M. einem männlichen Verwandten zu vererben, teils des Namens wegen, teils weil sie befürchteten, die Beklagte werde den ererbten Besitz nicht verwalten und zusammenhalten können; dieser Gedanke an einen männlichen Erben sei den Brüdern mithin nicht erst vom Kläger und seiner Mutter nahegebracht worden, jene Heiratspläne hätten nur den Anstoß gegeben, die lange gehegten Pläne Wirklichkeit werden zu lassen. Freilich hätten beide Brüder beim Besuch des Klägers und seiner Mutter auf M. noch keine klare Linie verfolgt, und es sei nicht von der Hand zu weisen, daß bei ihren Überlegungen die Vorstellungen des Klägers und seiner Mutter den Ausschlag gegeben hätten; an einem Beweis hierfür fehle es jedoch. Bestehen bleibe ferner, daß der Kläger und seine Mutter es im Interesse ihrer eigensüchtigen Ziele bewußt hätten geschehen lassen, daß die Beklagte mit dem Abschluß der Verträge die Erbenstellung verlor, die ihr als Tochter von Adalbert zustand und auf die sie als Nichte von Ludwig hoffen durfte; vom Verhalten des Klägers und seiner Mutter hebe sich vorteilhaft die menschlich anständige Haltung der übrigen Erbprätendenten ab, die nicht zuletzt aus Rücksicht auf die Beklagte gebeten hätten, von ihrer Erbeinsetzung abzusehen; angesichts der Einstellung des Erblassers stehe jedoch dahin, ob der Kläger der Beklagten die Erbfolge durch eine Ablehnung gesichert hätte; jedenfalls könne darin, daß er die Rücksicht auf die Beklagte seinen eigenen Interessen untergeordnet habe, noch kein sittlich anstö iges, zur Nichtigkeit der Verträge führendes Verhalten gesehen werden; das müsse zum mindesten für seinen Vertrag mit Ludwig gelten, der nur der Onkel der Beklagten und dem gegenüber diese nicht einmal pflichtteilsberechtigt gewesen sei. Daß die Mutter des Klägers ein Doppelspiel getrieben habe, indem sie die Beklagte zum Verlassen von M. zu Bewegen versuchte, um auf der anderen Seite eben dieses Verhalten bei den beiden Brüdern von M. gegen sie ausspielen zu können, sei eine zwar nicht fernliegende, aber doch unbewiesen gebliebene Vermutung. Ebenfalls nicht erwiesen sei, daß die Mutter des Klägers den Umschwung zuungunsten der Beklagten herbeigeführt habe; daß Ludwig in der Zwischenzeit zwischen den beiden Verhandlungen der Brüder mit dem Notar ein privatschriftliches Testament niederschrieb, dessen Entwurf die Handschrift der Mutter des Klägers zeige, sei noch kein zwingender Beweis dafür, daß diese die endgültige Entschlußfassung maßgebend beeinflußt habe. Der Kläger und seine Mutter hätten den Brüdern versichert, M. im Familienbesitz zu erhalten und fortzuführen; daß der Kläger entgegen dieser Versicherung (schon damals) eine anderweitige Verwertung des Schloßguts beabsichtigt habe, sei nicht erwiesen. Schließlich sei auch nicht bewiesen das Fehlen des Willens, durch den Adoptionsvertrag ein echtes Eltern- und Kindesverhältnis zu begründen.

13

Der hiernach festgestellte Sachverhalt, zu dem Verfahrensrügen zwar vom Revisionsbeklagten, nicht aber von der Revisionsklägerin erhoben sind, reicht nach der zutreffenden Auffassung des Berufungsgerichts nicht aus, um die Annahme eines Sittenverstoßes (§ 138 EGB) beim Adoptionsvertrag oder auch nur beim Erbvertrag des Erblassers Ludwig zu begründen. Festgestellt ist zwar, daß der Kläger mit seiner Mutter eine für ihn günstige Lage genützt und dabei die Rücksicht auf die Beklagte seinen eigenen Interessen untergeordnet hat. Aber nicht festgestellt ist, daß der Kläger oder mit seiner Billigung seine Mutter den beiden Brüdern den Gedanken an eine Enterbung der Beklagten erst eingegeben, eine besonders maßgebliche Energie entfaltet oder sonstwie mit unlauteren Mitteln gearbeitet, insbesondere etwa eine Zwangslage der Erblasser ausgenutzt hatten. Nicht jedes Nützen einer günstigen Lage verstößt schon für sich allein im Sinne der Rechtsordnung gegen die guten Sitten.

14

IV.

Mit Recht rügt die Revision jedoch Verletzung des § 139 BGB insoweit, als die Erstreckung einer Nichtigkeit des Erbvertrags Adalbert auf die beiden Verträge Ludwig (Erbvertrag und Adoptionsvertrag) in Betracht kommt.

15

1.

Unstreitig hat Adalbert, der Vater der Beklagten, am selben Tag wie sein Bruder Ludwig ebenfalls durch Erbvertrag den Kläger zu seinem Alleinerben eingesetzt. Diese Verfügung hat er am 22. Mai 1950 wegen Motivirrtums angefochten. Die Wirksamkeit dieses Erbvertrags und seiner Anfechtung bildet den Gegenstand des ausgesetzten Parallelprozesses zwischen den Parteien.

16

Die Beklagte hat neuerdings die innerliche Zusammengehörigkeit auch dieses Erbvertrags Adalbert mit den hier umkämpften beiden Verträgen Ludwig betont: beide Brüder hätten das Schbßgut, den Vermögenskern, immer nur in einer Hand im Familienbesitz erhalten wissen und es deswegen nur einheitlich an ein und die selbe Person vererben wollen; dies sei die ausschließliche und wesentliche Grundlage aller drei Verträge gewesen (GA IV 877, 990/91, 1050).

17

Der Kläger hat dies in tatsächlicher Hinsicht, soweit ersichtlich, nicht in Zweifel gezogen, nur die von der Beklagten daraus unter dem Gesichtspunkt eines Wegfalls der Geschäftsgrundlage (§ 242 BGB) gezogene rechtliche Folgerung (Rücktrittsrecht) bekämpft (GA IV 977).

18

Das Oberlandesgericht hat (BU S. 39/40) die Frage der Abhängigkeit der Verträge Ludwig auch von der Wirksamkeit des Vertrags Adalbert ebenfalls nur unter dem Gesichtspunkt eines Wegfalls der Geschäftsgrundlage (§ 242 BGB) und im Rahmen des Aussetzungsantrags geprüft. Es hat eine Aussetzung abgelehnt, weil der Erblasser Ludwig um die Jahreswende 1950/51 seinen Erbvertrag gegenüber dem Zeugen Major Freiherr von M. bestätigt und dadurch zum Ausdruck gebracht habe, daß er den von ihm geschlossenen Erbvertrag ohne Rücksicht auf das Schicksal des Erbvertrags Adalbert aufrechterhalten wolle. In anderen Zusammenhang (S. 36/39) stellt es dazu fest: nachdem Adalbert seinen Erbvertrag am 22. Mai 1950 wegen Irrtums angefochten hatte, habe der Zeuge in Adalberts Auftrag den Erblasser Ludwig aufgesucht und ihm Adalberts Wunsch übermittelt, auch Ludwig solle seine Verträge rückgängig machen; Ludwig habe zunächst einige Bereitschaft gezeigt, aber zwei bis drei Wochen später dem Zeugen erklärt, er unterschreibe nichts mehr, er möchte in Frieden sterben; dabei sei er noch unwiderlegt geschäftsfähig gewesen und habe auch den Anfechtungsgrund gekannt; dieser habe darin bestanden, daß die seinerzeitige Erwartung, die Beklagte werde einen den Erblassern nicht genehmen Mann heiraten und M. verlassen, nicht eingetreten sei, die Beklagte vielmehr nicht geheiratet und den Vater nicht verlassen, sondern sich in seiner Krankheit sehr um ihn angenommen habe.

19

2.

Diese Feststellungen reichen nicht aus, um auch eine Nichtigkeit der beiden Verträge Ludwig nach § 139 BGB zu verneinen (§ 564 Abs. 1 ZPO); sie gestatten andererseits aber auch noch nicht, eine solche Nichtigkeit bereits jetzt zu bejahen (§ 565 Abs. 3 ZPO):

20

Nach gefestigter Rechtsprechung kann ein einheitliches Rechtsgeschäft im Sinn des § 139 BGB auch bei einer Mehrheit von äußerlich getrennten, insbesondere in getrennten Urkunden niedergelegten Geschäften vorliegen, wenn nämlich der Wille der Vertragsparteien darauf gerichtet ist, daß die äußerlich getrennten Geschäfte miteinander stehen und fallen sollen (RGZ 78, 41, 43/44; 79, 434, 436; WarnRspr 1918 Nr. 214; Senatsurteil vom 13. November 1953, V ZR 173/52 LM BGB § 313 Nr. 3; BGH Urteil vom 13. November 1954, II ZR 23/54 WM 1955, 690; Urteil vom 18. April 1962, VIII ZR 245/61 LM BGB § 817 Nr. 17; vgl. Urteil vom 22. Dezember 1953, IV ZR 87/53 LM BGB § 139 Nr. 8). Einheitlichkeit im Sinn von § 139 BGB wird weder dadurch ausgeschlossen, daß die Rechtsgeschäfte verschiedenen juristischen Geschäftstypen angehören, noch dadurch, daß an ihnen zum Teil verschiedene Personen beteiligt sind. Zur Annahme des für § 139 BGB maßgebenden Einheitlichkeitswillens ist nicht nötig, daß zwischen den mehreren Geschäften ein rechtlicher Zusammenhang bereits durch rechtsgeschäftliche Bedingungen hergestellt wird (dieser Fall ist in RGZ 103, 295, 298 nur als eine von mehreren Möglichkeiten erwähnt); es genügt der unter Berücksichtigung der Interessen aller Vertragsschließenden und ihres erklärten Willens mit Rücksicht auf die Verkehrssitte (§ 157 BGB) zu ermittelnde Einheitlichkeitswille der Beteiligten zur Zeit des Vertragsschlusses, Ein wirtschaftlicher Zusammenhang genügt zwar für sich allein noch nicht, um die Einheitlichkeit im Sinn des § 139 BGB zu begründen; er kann jedoch ein maßgebendes Indiz für das Vorliegen des entscheidenden Parteiwillens zur Einheitlichkeit sein.

21

Allerdings spricht bei äußerlicher Trennung der Geschäfte eine tatsächliche Vermutung für das Fehlen eines solchen Einheitlichkeitswillens (RGZ 79 a.a.O.; 103, 295, 297/99; RG JW 1924, 1506; Senatsurteil vom 13. November 1953 a.a.O.). Aber diese Vermutung ist entkräftbar. Im vorliegenden Fall kann die äußerliche Trennung zwanglos mit der höchstpersönlichen Natur der Verträge erklärbar sein (§§ 1750 a.F., 2274 BGB). Deren höchstpersönliche Natur schließt andererseits die Möglichkeit der rechtlichen Zusammenfassung zu einer Einheit im Sinn von § 139 BGB nicht aus (vgl. § 2277 Abs. 1 Satz 2 BGB; die Entscheidung BGHZ 29, 129 [BGH 19.12.1958 - IV ZR 136/58] steht nicht entgegen).

22

§ 139 BGB gilt auch dann, wenn ein Teil eines einheitlichen Rechtsgeschäfts wirksam angefochten wird; auch in diesem Fall ist in der Regel das ganze Rechtsgeschäft nichtig (RGZ 146, 234, 239). Daß die Anfechtung des Erbvertrags Adalbert für sich allein möglich war, ist (anders als in dem genannten Entscheidungsfall RGZ 146 a.a.O.) schon deshalb unproblematisch, weil es sich um zwei verschiedene Personen auf der Erblasserseite und um höchstpersönliche Rechtsgeschäfte handelte.

23

Hiernach können die beiden Verträge Ludwig auch dann, wenn sie selbst nicht unmittelbar von einem Nichtigkeitsgrund betroffen sind, nach § 139 BGB nichtig sein, wenn sie mit dem Erbvertrag Adalbert ein einheitliches Rechtsgeschäft im Sinne dieser Vorschrift bilden und wenn der Erbvertrag Adalbert seinerseits von einem Nichtigkeitsgrund betroffen ist. Eine solche Erstreckung einer Nichtigkeit des Erbvertrags Adalbert - sei es aufgrund rechtswirksamer Anfechtung (um die im Parallelprozeß gestritten wird) oder aufgrund eigener Sittenwidrigkeit (§ 138 BGB) - auf die beiden Verträge Ludwig tritt in diesem Fall nach § 139 Halbsatz 2 BGB nur dann nicht ein, wenn anzunehmen ist, daß die Verträge Ludwig auch ohne den Vertrag Adalbert geschlossen worden wären. Diese Frage ist mit der Bejahung einer Einheitlichkeit der drei Verträge im Sinne des § 139 Halbsatz 1 BGB noch nicht zwingend in verneinendem Sinne entschieden; denn für diese Einheitlichkeit kommt es auf den Willen an, den die Beteiligten beim Vertragsschluß wirklich gehabt haben, für den Ausnahmefall von Halbsatz 2 a.a.O. dagegen auf den Willen, den sie - hypothetisch - gehabt hätten, wenn sie damals mit der Nichtigkeit des einen Geschäftsteils gerechnet hätten; auch wenn sie den realen Willen zur Einheitlichkeit hatten, ist nicht ausgeschlossen, daß sie, hätten sie die Möglichkeit späterer Anfechtung des einen Erbvertrags (Adalbert) und einer dadurch bewirkten Nichtigkeit dieses Vertrags bedacht, für diesen Fall doch die beiden anderen Verträge (Ludwig) allein abgeschlossen hätten. Bei diesem hypothetischen Willen handelt es sich zwar nicht um eine Tatsache im strengen Wortsinn, Feststellungen über ihn gehören aber trotzdem zum Bereich des Tatrichters. Dabei kommt es hier nicht auf den hypothetischen Willen des Erblasser Adalbert, sondern nur auf den des Erblassers Ludwig und des Klägers an.

24

Maßgebend ist der Wille zur Zeit des Abschlusses der Verträge. Daß Ludwig später gegenüber dem Zeugen von M. ein Abrücken von seinen Erbvertrag trotz der Anfechtung des Erbvertrags Ludwig ablehnte, besagt noch nichts Endgültiges gegen eine Nichtigkeitserstreckung, sondern kommt nur als mögliches Indiz für einen schon bei Vertragsschluß vorhanden gewesenen (§ 139 Halbsatz 1 BGB) oder als hypothetisch zu unterstellenden (Halbsatz 2 a.a.O.) Willen zur Unabhängigkeit seiner Verträge vom Erbvertrag Adalbert in Betracht, wobei hinsichtlich der Beweiskraft des Indizes zu berücksichtigen ist, daß Ludwig sein neuerliches Verhalten mit seinem Bedürfnis nach Ruhe kurz vor dem Tode motiviert hat. Dieses spätere Verhalten des Erblassers stellt auch nicht etwa eine Bestätigung des Erbvertrags Ludwig dar, durch die eine Nichtigkeit aus § 139 BGB gegenstandslos geworden wäre; denn um diese Wirkung hervorzurufen, hätte es (anders als für die vom Berufungsgericht allein erörterte Ausschaltung des Anfechtungsgrundes aus § 2078 BGB, BU S. 36) eines formgerechten Neuabschlusses des Erbvertrags bedurft (§§ 141, 2276 BGB). Andererseits könnte für die Frage des Parteiwillens im Zeitpunkt der Vertragsschlüsse von Bedeutung sein, daß und unter welchen Umständen der Erblasser kurz vor Abschluß der Verträge ein einseitiges Testament niedergeschrieben hat (BU S. 31).

25

Die umstrittene Rechtswirksamkeit der beiden Verträge Ludwig hängt also davon ab, welchen realen und gegebenenfalls hypothetischen Willen der Erblasser Ludwig und der Kläger zur Zeit ihrer Vertragsschlüsse hinsichtlich der Abhängigkeit vom Erbvertrag Adalbert hatten, sowie bei Bejahung des Abhängigkeitswillens, ob der Erbvertrag Adalbert infolge seiner Anfechtung - oder aus sonstigen Gründen nichtig ist - ein Gesichtspunkt, der die Verbindung des vorliegenden und des Parallelprozesses zweckmäßig erscheinen lassen könnte.

26

Da zu den erörterten Fragen hinreichende tatsächliche Feststellungen fehlen, war auch das neuerliche Berufungsurteil aufzuheben und die Sache nochmals an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, das auch über die Kosten der Revision zu entscheiden haben wird.

Dr. Augustin
Dr. Piepenbrock
Mattern
Dr. Grell
von der Mühlen