Bewährung
1. Voraussetzungen der Strafaussetzung zur Bewährung
Teil der Strafzumessung.
Eine Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren kann bei Vorliegen der speziellen Voraussetzungen und einer günstigen Sozialprognose als allgemeine Voraussetzung zur Bewährung ausgesetzt werden. Die Voraussetzungen unterscheiden sich danach, ob es sich um eine Freiheitsstrafe von bis zu einem oder von bis zu zwei Jahren handelt.
Spezielle Voraussetzungen der Aussetzung der Strafe zur Bewährung bei einer Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr sind gemäß § 56 Abs. 1 StGB:
Es ist zu erwarten, dass der Verurteilte sich schon die Verurteilung zur Warnung dienen lassen wird
und
er auch ohne die Einwirkungen des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen wird.
Keine Anforderung an die Erwartung ist, dass der Verurteilte künftig ein straffreies Leben führen wird. Ausreichend ist, dass die Wahrscheinlichkeit eines künftigen straffreien Lebens größer ist als diejenige neuer Straftaten (OLG Oldenburg 20.07.2015 - 1 Ss 85/15).
Voraussetzungen der Ermessenentscheidung zur Aussetzung der Strafe zur Bewährung bei einer Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren sind gemäß § 56 Abs. 2 StGB:
Nach der Gesamtwürdigung von Tat und Persönlichkeit liegen besondere Umstände vor. Dabei ist insbesondere das Bemühen des Verurteilten, die durch die Tat verursachten Schäden wiedergutzumachen (Täter-Opfer-Ausgleich), zu berücksichtigen.
Das Gericht kann auch die Vollstreckung des Restes einer bereits angetretenen Freiheitsstrafe unter den Voraussetzungen des § 57 StGB zur Bewährung aussetzen. Dies (kommt in der Praxis gerade bei langjährigen Freiheitsstrafen häufig vor.
2. Ausschluss der Bewährung
Jedoch soll die Strafvollstreckung gemäß § 56 Abs. 3 StGB nicht zur Bewährung ausgesetzt werden, wenn die Verteidigung der Rechtsordnung die Vollstreckung nicht gebietet. Dies ist der Fall, wenn die Aussetzung der Vollstreckung auf das Unverständnis der Bevölkerung stoßen würde und deren Rechtstreue ernsthaft gefährden würde.
Bei Freiheitsstrafen von mehr als zwei Jahren kommt eine Aussetzung zur Bewährung nicht in Betracht.
3. Auflagen
Siehe insofern den Beitrag "Auflage während der Bewährungszeit".
4. Entscheidung über die Bewährung
Die Entscheidung über die Gewährung der Strafaussetzung zur Bewährung erfolgt in der Urteilsformel, ihre Versagung wird nur in den Urteilsgründen erörtert. Davon zu unterscheiden ist die Entscheidung über die Bewährungszeit, die Anordnung von Auflagen während der Bewährungszeit oder die Anordnung der Bewährungsaufsicht. Diese werden gemäß § 268a StPO in einem gesonderten Beschluss verkündet.
5. Widerruf der Bewährung
Das Gericht widerruft die Strafaussetzung zur Bewährung bei dem Eintritt der in § 56f StGB aufgeführten Voraussetzungen.
Mit der Entscheidung BVerfG 16.01.2020 - 2 BvR 252/19 hat das BVerfG Grundsätze zur Anwendung des Widerrufsgrunds "gröblicher Verstoß gegen Weisungen" erlassen:
"Ein gröblicher Verstoß ist die schuldhafte, nach objektivem Gewicht und Vorwerfbarkeit schwerwiegende Zuwiderhandlung gegen eine zulässige, dem Täter bekanntgemachte, hinreichend bestimmte Weisung. Für die Beharrlichkeit ist eine wiederholte Zuwiderhandlung in ablehnender Haltung gegen den Zweck der Weisung erforderlich; eine Abmahnung ist nicht unbedingt notwendig, aber die Beharrlichkeit ist ohne sie in der Regel nicht beweisbar (...). Lediglich wenn besondere Umstände wie beispielsweise ein Sich-Verbergen oder Flucht vorliegen, kann aus einem wiederholten Handeln ohne Weiteres auf eine endgültige Weigerung, die Weisung zu befolgen, geschlossen werden."
"Bereits der Wortlaut des Gesetzes stellt klar, dass allein der beharrliche und gröbliche Verstoß des Verurteilten gegen ihm erteilte Weisungen den Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung nicht rechtfertigt. Der Bewährungswiderruf ist keine Strafe für den Weisungsverstoß. Maßgeblich ist nach allgemeiner Auffassung vielmehr, ob unter Berücksichtigung der gesamten Umstände der Verstoß zu der kriminellen Neigung oder Auffälligkeit des Verurteilten so in einer kausalen Beziehung steht, dass die Gefahr weiterer Straftaten besteht. Die Fachgerichte haben unter Einbeziehung des Verhaltens des Verurteilten während der Bewährungszeit eine erneute Prognose zu stellen."
Zudem hat das BVerfG in dem obigen Urteil Grundsätze zu den verfassungsrechtlichen Anforderungen (Persönlichkeitsrechte) für den Widerruf einer Strafaussetzung zur Bewährung aufgestellt.
Krumm: Bewährungswiderruf trotz Unschuldsvermutung; NJW 2005, 1832
Satzger/Schluckebier/Widmaier: StPO - Strafprozessordnung; Kommentar; 2. Auflage 2016