Rechtswörterbuch

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Bewährung

 Normen 

§§ 56 ff StGB

 Information 

1. Voraussetzungen der Strafaussetzung zur Bewährung

1.1 Allgemein

Teil der Strafzumessung.

Eine Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren kann bei Vorliegen der in § 56 StGB genannten speziellen Voraussetzungen und einer günstigen Sozialprognose als allgemeine Voraussetzung zur Bewährung ausgesetzt werden. Die Voraussetzungen, die durch ein Zusammenspiel der Inhalte der Absätze 1 - 3 des § 56 StGB zu lesen sind, unterscheiden sich danach, ob es sich um eine Freiheitsstrafe von bis zu sechs Monaten, bis zu einem Jahr oder von bis zu zwei Jahren handelt.

1.2 Bewährung bei einer Freiheitsstrafe von bis zu sechs Monaten

Die Strafe ist gemäß des Wortlauts des Absatz 1 i.V.m. Absatz 3 des § 56 StGB bei einer Freiheitsstrafe von bis zu sechs Monaten zwingend zur Bewährung auszusetzen wenn eine positive Sozialprognose (s.u.) vorliegt.

1.3 Bewährung bei einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu einem Jahr

Die Strafaussetzung zur Bewährung ist bei einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu einem Jahr gemäß § 56 Abs. 3 StGB nur möglich, wenn 

  • eine positive Sozialprognose vorliegt

    und

  • die Verteidigung der Rechtsordnung der Strafaussetzung zur Bewährung dem entgegensteht.

    Der BGH hat dazu folgende Grundsätze erlassen (BGH 06.07.2017 - 4 StR 415/16):

    "Strafaussetzung zur Bewährung kann nach § 56 Abs. 3 StGB nur versagt werden, wenn sie für das allgemeine Rechtsempfinden unverständlich erscheinen müsste und dadurch von der Allgemeinheit als ungerechtfertigtes Zurückweichen vor der Kriminalität angesehen werden könnte. Der Umstand, dass die Angeklagten die bei einem illegalen Autorennen durch eine Innenstadt geschaffenen Gefahren bewusst geschaffen haben, ist innerhalb von § 56 Abs. 3 StGB von maßgeblicher Bedeutung. Dasselbe gilt für die äußerst aggressive Fahrweise der Angeklagten bereits vor der tödlich verlaufenden Kollision mit einer Passantin."

1.4 Bewährung bei einer Freiheitsstrafe von einem bis zwei Jahren

Voraussetzungen der Ermessenentscheidung zur Aussetzung der Strafe zur Bewährung bei einer Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren sind neben der günstigen Sozialprognose gemäß § 56 Abs. 2 StGB:

  • Nach der Gesamtwürdigung von Tat und Persönlichkeit liegen besondere Umstände vor.

    "Dabei muss das Tatgericht darlegen, worin es die besonderen Umstände im Sinne des § 56 Abs. 2 StGB sieht, welche die Strafaussetzung zur Bewährung rechtfertigen sollen. Ob besondere Umstände in der Tat und in der Täterpersönlichkeit vorliegen, ist dabei aufgrund einer Gesamtwürdigung aller Umstände zu entscheiden (...). Die besonderen Umstände müssen umso gewichtiger sein, je näher die Strafe an der Zweijahresgrenze liegt" (BGH 04.07.2019 - 4 StR 47/19).

  • Dabei ist insbesondere das Bemühen des Verurteilten, die durch die Tat verursachten Schäden wiedergutzumachen (Täter-Opfer-Ausgleich), zu berücksichtigen.

1.5 Aussetzung des Restes einer Freiheitsstrafe

Das Gericht kann auch die Vollstreckung des Restes einer bereits angetretenen Freiheitsstrafe unter den Voraussetzungen des § 57 StGB zur Bewährung aussetzen. Dies (kommt in der Praxis gerade bei langjährigen Freiheitsstrafen häufig vor.

2. Sozialprognose

Spezielle Voraussetzungen der Aussetzung der Strafe zur Bewährung ist eine positive Sozialprognose:

  • Es ist zu erwarten, dass der Verurteilte sich schon die Verurteilung zur Warnung dienen lassen wird

    und

  • er auch ohne die Einwirkungen des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen wird.

    Keine Anforderung an die Erwartung ist, dass der Verurteilte künftig ein straffreies Leben führen wird. Ausreichend ist, dass die Wahrscheinlichkeit eines künftigen straffreien Lebens größer ist als diejenige neuer Straftaten (OLG Oldenburg 20.07.2015 - 1 Ss 85/15).

Folgende Punkte sind gemäß § 56 StGB bei der Ermittlung der Sozialprognosse im Rahmen einer Gesamtwürdigung zu berücksichtigen:

  • die Persönlichkeit des Verurteilten

  • sein Vorleben

  • die Umstände seiner Tat

  • sein Verhalten nach der Tat

  • seine Lebensverhältnisse

    und

  • die Wirkungen, die von der Aussetzung für ihn zu erwarten sind

3. Ausschluss der Bewährung

Jedoch soll die Strafvollstreckung gemäß § 56 Abs. 3 StGB nicht zur Bewährung ausgesetzt werden, wenn die Verteidigung der Rechtsordnung die Vollstreckung nicht gebietet. Dies ist der Fall, wenn die Aussetzung der Vollstreckung auf das Unverständnis der Bevölkerung stoßen würde und deren Rechtstreue ernsthaft gefährden würde.

Bei Freiheitsstrafen von mehr als zwei Jahren kommt eine Aussetzung zur Bewährung nicht in Betracht.

4. Auflagen

Die Strafaussetzung zur Bewährung kann mit Auflagen während der Bewährungszeit verbunden werden.

5. Entscheidung über die Bewährung

Die Entscheidung über die Gewährung der Strafaussetzung zur Bewährung erfolgt in der Urteilsformel, ihre Versagung wird nur in den Urteilsgründen erörtert. Davon zu unterscheiden ist die Entscheidung über die Bewährungszeit, die Anordnung von Auflagen während der Bewährungszeit oder die Anordnung der Bewährungsaufsicht. Diese werden gemäß § 268a StPO in einem gesonderten Beschluss verkündet.

6. Widerruf der Bewährung

Das Gericht widerruft die Strafaussetzung zur Bewährung bei dem Eintritt der in § 56f StGB aufgeführten Voraussetzungen.

Eine der Gründe ist der Verstoß gegen Weisungen:

Mit der Entscheidung BVerfG 16.01.2020 - 2 BvR 252/19 hat das BVerfG Grundsätze zur Anwendung des Widerrufsgrunds "gröblicher Verstoß gegen Weisungen" erlassen:

"Ein gröblicher Verstoß ist die schuldhafte, nach objektivem Gewicht und Vorwerfbarkeit schwerwiegende Zuwiderhandlung gegen eine zulässige, dem Täter bekanntgemachte, hinreichend bestimmte Weisung. Für die Beharrlichkeit ist eine wiederholte Zuwiderhandlung in ablehnender Haltung gegen den Zweck der Weisung erforderlich; eine Abmahnung ist nicht unbedingt notwendig, aber die Beharrlichkeit ist ohne sie in der Regel nicht beweisbar (...). Lediglich wenn besondere Umstände wie beispielsweise ein Sich-Verbergen oder Flucht vorliegen, kann aus einem wiederholten Handeln ohne Weiteres auf eine endgültige Weigerung, die Weisung zu befolgen, geschlossen werden."

"Bereits der Wortlaut des Gesetzes stellt klar, dass allein der beharrliche und gröbliche Verstoß des Verurteilten gegen ihm erteilte Weisungen den Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung nicht rechtfertigt. Der Bewährungswiderruf ist keine Strafe für den Weisungsverstoß. Maßgeblich ist nach allgemeiner Auffassung vielmehr, ob unter Berücksichtigung der gesamten Umstände der Verstoß zu der kriminellen Neigung oder Auffälligkeit des Verurteilten so in einer kausalen Beziehung steht, dass die Gefahr weiterer Straftaten besteht. Die Fachgerichte haben unter Einbeziehung des Verhaltens des Verurteilten während der Bewährungszeit eine erneute Prognose zu stellen."

Zudem hat das BVerfG in dem obigen Urteil Grundsätze zu den verfassungsrechtlichen Anforderungen (Persönlichkeitsrechte) für den Widerruf einer Strafaussetzung zur Bewährung aufgestellt.

Erweiterung des Katalogs der möglichen Weisungen:

Der Katalog des § 56c Abs. 2 StGB wurde zum 01.10.2023 ausdrücklich um die Weisung ergänzt, "sich psychiatrisch, psycho- oder sozialtherapeutisch betreuen und behandeln zu lassen (Therapieweisung)".

 Siehe auch 

Bewährungshilfe

Freiheitsstrafe

Gesamtstrafe

Krumm: Bewährungswiderruf trotz Unschuldsvermutung; Neue Juristische Wochenschrift - NJW 2005, 1832

Meyer/Stahlmecke: Kanzlei und Mandat: Die Strafaussetzung zur Bewährung; Neue Juristische Wochenschrift - NJW 2022, 3765

Satzger/Schluckebier/Werner: StPO - Strafprozessordnung; Kommentar; 6. Auflage 2024

Satzger/Schluckebier/Widmaier: StPO - Strafprozessordnung; Kommentar; 5. Auflage 2023