Forumshopping - Wieso landen die Gerichtsverfahren bei Abmahnungen immer vor den gleichen Gerichten ?

Zivilrecht, Prozess und Zwangsvollstreckung
25.01.20101720 Mal gelesen
Nachfolgend wird der sogenannte "Fliegende Gerichtsstand" erläutert, der gerade im Presse und Internetbereich zu einer Konzentration gewisser Verfahren bei einzelnen Gerichten führt, etwa dem LG Köln bei Filesharingabmahnungen oder dem LG Hamburg bei presserechtlichen Themen.

Unter Anwälten ist der "fliegende Gerichtsstand" natürlich bekannt, aber der Otto-Normalverbraucher kann sich wenig darunter vorstellen. Dabei ist der Begriff des "fliegenden Gerichtsstands"?  eine scherzhafte Umschreibung des gewillkürten Gerichtsstands. "Fliegend" wird angehängt, weil die Anwällte meist mit dem Flugzeug anreisen. Diese scherzhafte Umschreibung hat aber einen sehr realen und bei allen Klagen die sich auf Presse oder Internet beziehen ernstzunehmenden Hintergrund:

§ 32 ZPO - Der Ort der unerlaubten Handlung (im Wettbewerbsrecht: § 14 UWG). Nach § 32 ZPO ist das Gericht zuständig, in dessen Bezirk die unerlaubte Handlung begangen wird. Daher werden Autounfälle nicht am Wohnsitz desjeweils verklagten Fahrers verhandelt, sondern am Unfallort. Für derartige Fälle ist § 32 ZPO ursprünglich gedacht. Nun kommen aber Verletzungsfälle im Internet oder in Pressepublikationen oder Fernsehsendungen hinzu. Hier kommt es nach ganz überwiegender Rechtsprechung und Literatur  bei der Bestimmung des örtlich zuständigen Gerichtes darauf an, wo der "Erfolg" der Verletzung eintritt, nicht jedoch wo die Handlung begangen wird. Dies hat ergebnisorientierte Gründe, denn dann wäre die Urheberrechtsverletzung, die auf ausländischen Servern liegt (um beim Internetbeispiel zu bleiben), in Deutschland nicht justiziabel, da der "Begehungsort" der ausländische Server wäre.  Durch den Erfolgsort wird nunmehr jeder Ort, an dem die Verletzung aufrufbar ist, Begehungsort im Sinne des § 32 ZPO. Bei Fernsehsendungen und sonstigen Pressepublikationen und insbesondere bei Internetseiten ist daher jeder Gerichtsbezirk zuständig, in dem das jeweils verletzende Werk/die verletzende Handlung bestimmungsgemäß abgerufen, empfangen oder erworben werden kann.  Dies führt zum sogenannten "Fliegenden Gerichtsstand", den wenn ich überall in Deutschland ein örtlich zuständiges Gericht habe, kann sich der Anwalt das Gericht aussuchen.

Dies führt zum sogenannten "Forum Shopping"?. Der klagende Anwalt sucht sich das Gericht aus, bei dem er auf Grund bisher ergangener Rechtsprechung die größtmöglichen Erfolgschancen für seinen Fall hat. Insbesondere bei einstweiligen Verfügungen spielt dies eine große Rolle, da es hier auf Grund des häufigen fehlens höchstrichterlicher Rechtsprechung durchaus unterschiedliche Rechtsprechung zwischen den OLGs gibt. Auf Grund des Forumshoppings werden nunmehr bestimmte Gerichte in bestimmten Sachen mit Klagen "überhäuft". Der Filesharingabmahner geht zum LG Köln, der Presserechtler zum LG Hamburg.

Auch die Vielfachabmahner nutzen den "Fliegenden Gerichtsstand" und wählen meist von den abgemahnten weit entfernte Gerichte zur gerichtlichen Geltendmachung ihrer angeblichen Ansprüche. Ziel ist es dabei, die Verteidigungsbereitschaft des Abgemahnten zu senken, denn Reisekosten für Partei und Anwalt können bei weiteren Strecken auch im höheren dreistelligen Bereich liegen und erhöhen somit das Kostenrisiko. Allerdings sehen einzelne Gerichte dies auch als Anzeichen für eine rechtsmissbräuchliche Abmahnung an(so etwa OLG Brandenburg, Urteil vom 17.9.2009 AZ: 6 W 128/09 - andere Ansicht OLG Rostock, Beschluss vom 20.7.2009 AZ: 2 W 41/09 ).

So kann es kommen, dass eine Familie aus dem tiefsten Bayern vor einem Kölner Gericht auf Ersatz der Anwaltskosten verklagt wird.