InsolvenzR: BFH entscheidet: Pflicht zur Lohnsteuerabführung geht Massesicherungspflicht vor

Zivilrecht, Prozess und Zwangsvollstreckung
09.06.20091673 Mal gelesen

Im Falle der Insolvenzreife einer GmbH stand der Geschäftsführer in der Vergangenheit nicht selten vor der Frage, seiner Verpflichtung zur Sicherung der Masse vorrangig vor der Pflicht zur Abführung der Lohnsteuer nachkommen zu müssen oder nicht. Hintergrund dieser Ungewissheit ist die jeweilige haftungsrechtliche Folge eines Verstoßes gegen die jeweilige Pflicht. Der Verstoß gegen die Massesicherungspflicht löst eine persönliche zivilrechtliche Haftung des Geschäftsführers aus, während der Verstoß gegen die Lohsteuerabführungspflicht eine steuerrechtliche Haftung begründet.

In seiner Entscheidung vom 23.09.2008 - VII R 27/07 hat der Bundesfinanzhof [BFH] nun klargestellt, dass die Massesicherungspflicht hinter der Pflicht zur Lohnsteuerabführung zurücksteht.

Es gilt zwar weiterhin der Grundsatz, dass der Geschäftsführer nach Feststellung der Überschuldung oder Eintritt der Zahlungsunfähigkeit primär zur Massesicherung verpflichtet ist und sich bei einem Verstoß ersatzpflichtig macht. Durchbrochen wird dieser Grundsatz allerdings dann, wenn eine Verpflichtung zur Abführung von Lohnsteuer besteht. Der BFH sieht die Abführung der Lohnsteuer als "mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes vereinbar" an. Bereits im Jahr 2007 hat der Bundesgerichtshof [BGH] mit Urteil vom 14. Mai 2007 - II ZR 48/06 entschieden, dass "die Befolgung sozial- und steuerrechtlicher Vorschriften stets als mit den Pflichten eines gewissenhaften Geschäftsleiters vereinbar anzusehen" seien. Dem hat sich der BFH nun angeschlossen. Da das Nichtabführen von Steuern und Beiträgen nun also nicht mehr mit dem Hinweis auf die Massesicherungspflicht und dem damit zusammenhängenden Zahlungsverbot gerechtfertigt werden kann, läuft der Geschäftsführer bei Unterlassen Gefahr, persönlich für die nichtabgeführten Beträge in deren Höhe zu haften.

Fazit: So lange dem Geschäftsführer nicht die Verfügungsbefugnis entzogen wurde und so lange liquide Mittel vorhanden sind, muss er die Lohnsteuer einbehalten und abführen. Entsprechend der geänderten Rechtsprechung ist nunmehr in jedem Verstoß gegen die Lohnsteuerabführungspflicht eine grobe Pflichtverletzung des Geschäftsführers zu sehen.