Auch erfahrene Anleger mit chancenorientierter Anlagestrategie sind über Risiken aufzuklären

Wirtschaft und Gewerbe
04.04.2008979 Mal gelesen

Der Bundesgerichtshof hat mit einer am 03.04.2008 veröffentlichten Entscheidung (BGH, Urt. v. 06.03.2008 - III ZR 298/05) klargestellt, dass auch Anleger, die bereits Erfahrungen in Anlagefragen gesammelt haben, einen Anspruch auf eine zutreffende Aufklärung über Risiken einer ihnen bislang unbekannten Anlageform haben. Werden sie anlässlich der Anlageberatung nicht zutreffend und vollständig über die Risiken der angebotenen Kapitalanlage aufgeklärt, so können sie von dem Anlageberater wegen Schlechterfüllung des Anlageberatungsvertrages Schadensersatz verlangen. Der Anlageberater kann sich daher gegenüber einem Anleger, nicht ohne weiteres darauf berufen, dieser habe erkennbar eine "chancenorientierte" Anlagestrategie verfolgt und sei bereits in Anlagedingen erfahren, so dass eine weitere Risikoaufklärung nicht erforderlich sei.

Der Entscheidung des Bundesgerichtshofs lag eine Klage eines Anlegers zugrunde, der sich im Jahre 2000 an einem Filmfonds beteiligt hatte. Anlässlich der damaligen Anlageberatung wurde ein Beratungsbogen ausgefüllt, in welchem vermerkt wurde, dass der Anleger Kenntnisse in Anlagefragen habe. Zudem wurde dessen Anlagestrategie als "chancenorientiert" bezeichnet, wobei "chancenorientiert" auf dem Beratungsbogen näher mit "außergewöhnlich hohe Wertentwicklungschancen; sehr hohe Wertverluste sind jederzeit möglich; Aktien und Derivate bilden den Hauptanteil im Depot" beschrieben wurde.

Nach Überzeugung des BGH hat der Anleger anlässlich der Beratung deutlich gemacht, dass er bislang keine Erfahrungen mit der Beteiligung an einem Medienfonds habe und daher Aufklärung insbesondere hinsichtlich steuerlicher Auswirkungen als auch im Hinblick auf die Risiken der Beteiligung wünsche. Im Mittelpunkt der Beratung sei daher auch das im Prospekt dargestellte Absicherungskonzept gestanden, welches als risikomindernd herausgestellt worden sei.

Der Anleger verlangte nun von der anlageberatenden Bank Schadensersatz wegen fehlerhafter Vermittlung der Beteiligung und begründete seinen Anspruch damit, er sei nicht zutreffend über die Risiken der Beteiligung aufgeklärt worden. Nachdem das zunächst angerufene Landgericht einen Anspruch wegen fehlerhafter Aufklärung bejahte, wies das Berufungsgericht in 2. Instanz die Klage ab. Der BGH hob nun das Berufungsurteil auf und verwies die Angelegenheit zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurück an das Berufungsgericht.

Er vertritt im Gegensatz zu dem Berufungsgericht die Auffassung, dass auch ein in Anlagefragen nicht unerfahrener Anleger, der zudem eine auf Wachstum orientierte Anlagestrategie verfolgt, von einem Anlageberater erwarten kann, zutreffend und vollständig über die mit einer ihm unbekannten Anlageform verbundenen Risiken aufgeklärt zu werden.

Im vorliegenden Falle, so der BGH, sei daher keine anleger- und anlagegerechte Anlageberatung erfolgt. Zum einen habe der Emissionsprospekt nicht zutreffend über die mit der Beteiligung einhergehenden Risiken aufgeklärt  bzw. diese verharmlost. Aufgrund der Fehlerhaftigkeit des Prospekts sei das darin vorgestellte Anlagekonzept unschlüssig.  Zum anderen sei die die Empfehlung, die angebotene Beteiligung zu zeichnen nicht anlegergerecht gewesen, auch wenn der Anleger angesichts seines hohen Vermögens und seiner guten Einkommensverhältnisse zu dem Personenkreis gehört habe, den die Fondsinitiatoren als Anleger im Auge hatten.

Eine Haftung aus fehlerhafter Anlageberatung scheitere, so der BGH, im vorliegenden Falle vor allem nicht daran, dass der Anleger anlässlich der Beratung auf einem Beratungsprotokoll angab, Erfahrungen und Kenntnisse zu besitzen und eine "chancenorientierte" Anlagestrategie verfolge. Dies müsse insbesondere deswegen gelten, weil der Anleger anlässlich der Anlageberatung offengelegt hatte, dass er sich zuvor noch nicht an einem Medienfonds beteiligt habe und daher nähere Informationen hierzu, insbesondere in steuerlicher Hinsicht, aber gerade auch hinsichtlich der Konzeption und der damit verbundenen Risiken wünsche.

Nach Auffassung des BGH waren die auf dem Beratungsbogen befindlichen Hinweise nicht ausreichend, um eine zutreffende und vollständige Risikoaufklärung anzunehmen. Eine darüber hinausgehende Aufklärung hätte somit erfolgen müssen.

Der BGH wörtlich:

 "Ist dem Kläger aber [.] ein unrichtiger Eindruck von der Sicherheit und den Risiken der Anlage vermittelt worden, kann es die Beklagte zu 3 nicht entlasten, dass der Kläger prinzipiell eine chancenorientierte Anlagestrategie verfolgt hat."

Grundsätzlich kann demnach auch ein in Anlagefragen nicht unerfahrener Anleger erfolgreich Schadensersatzansprüche wegen Falschberatung geltend machen, wobei jedoch, so lässt es der BGH in seiner Urteilsbegründung anklingen, im Einzelfall ein eigenes Mitverschulden des Anlegers bei der Schadenshöhe sodann Berücksichtigung finden muss.