Das umstrittene Steuerhinterziehungsbekämpfungsgesetz wird noch nicht einmal ein halbes Jahr nach Inkraftreten durch einen BMF-Erlass "suspendiert".
Nach Auffassung des Bundesfinanzministeriums (BMF) gibt es Im Moment keinen Staat und kein Gebiet, das die Voraussetzungen einer "Steueroase" im Sinne des erst am 01.08.2009 in Kraft getretenen Steuerhinterziehungsbekämpfungsgesetzes (StHBG) und der dazu am 25.09.2009 erlassenen Steuerhinterziehungsbekämpfungsverordnung (SteuerHBekV) erfüllt. Dies teilt das Bundesfinanzministerium in seinem Schreiben vom 05.01.2010 mit. Sollte sich dies künftig ändern, will das Ministerium dies bekannt geben. Bis dahin treffen Steuerpflichtige keine besonderen Mitwirkungs-, Nachweis- oder Aufklärungspflichten.
Die Regelungen im StHBK sehen vor, dass bestimmte steuerliche Vorschriften wie beispielsweise die Abgeltungsteuer und der Werbungskosten-/Betriebsausgabenabzug keine Anwendung finden, soweit Steuerpflichtige Geschäftsbeziehungen zu Staaten unterhalten, die nicht mit dem deutschen Fiskus durch die Erteilung von Auskünften zusammenarbeiten und dies auch nicht durch besondere Mitwirkungspflichten "ausgleichen". Welche Staaten hierzu zählen, war bisher ungewiss, da weder das Gesetz noch die hierzu ergangene Verordnung diese ausdrücklich benennen.
Die hier vom BMF gewählte Technik, ein Gesetz, das von vornherein höchst umstritten war und wahrscheinlich verfassungswidrig ist, einfach durch Erlass von der Anwendung zu "suspendieren" ist ein Offenbarungseid. Es ist kaum denkbar, dass seit dem 01.08.2009 - also noch nicht einmal ein halbes Jahr nach Inkrafttreten des StHBG - plötzlich alle bis dahin vorhandenen Steueroasen kooperativ geworden sind. Der Begriff der Steueroase ist ohnehin steuerrechtlich umstritten.
Tatsächlich sah sich der Gesetzgeber wachsender Kritik ausgesetzt, weil sowohl die technische Umsetzung des Gesetzes über die SteuerHbekV als auch die inhaltliche Auslegung zahlreicher Ermessensvorschriften höchst zweifelhaft war. Umsetzen müssen hätte die Finanzverwaltung das Gesetz. Die einzelnen Prüfungen hätten wohl in aller Regel nur in gewerblichen Betriebsprüfungen stattfinden können und da war Ärger vorprogrammiert. Es war kaum zu erwarten, dass sich ein Stpfl. widerstandslos Betriebsausgaben streichen lässt, nur weil er mit einem Staat Geschäfte macht, der aus der Sicht der Bundesrepublik als "unkooperativ" gilt. Die jetzt vom BMF gewählte Technik, das Gesetz seiner Anwendungsgrundlage zu berauben und damit dem Streit mit den Stpfl. aus dem Weg zu gehen, zeigt die tiefe Spaltung zwischen einem im Steuerrecht seit Jahren vollkommen desorientierten Gesetzgeber und dem tatsächlichen Vollzug solcher Gesetze durch die Finanzverwaltung.