Beamtenrecht – Akteneinsicht in vertraulich erhobene Vorwürfe gegen einen Beamten?

Staat und Verwaltung
28.11.20151200 Mal gelesen
Das OVG Nordrhein-Westfalen hatte den interessanten Fall zu entscheiden, ob eine Beamtin in eine vertrauliche Mail ihrer Vorgesetzten an das Personalreferat Einsicht nehmen darf.

In dieser Email hatte die Vorgesetzte gravierende Auffälligkeiten in der dienstlichen Arbeitsweise der Beamtin beispielhaft dargestellt . Die Mail wurde weder zur Personalakte genommen noch in einem sonstigen "offiziellen" Verwaltungsvorgang geführt. Die Beamtin hatte aber davon erfahren und begehrte Einsichtnahme. Das OVG gab ihr Recht und entschied, dass nach § 110 Abs. 4 Satz 1 des Bundesbeamtengesetzes ein Beamter ein Recht auf Einsicht auch in andere Akten (als die ihn betreffende Personalakte), die personenbezogene Daten über ihn enthalten und für sein Dienstverhältnis verwendet werden habe, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt sei. Die Mail sei, wenn man sie nicht als Bestandteil der Personalakte einstufe, jedenfalls eine Akte im Sinne dieser Bestimmung. Dem stehe nicht entgegen, dass sie nach den Angaben der Behörde nicht in einen Verwaltungsvorgang aufgenommen werden und vertraulich sein sollte.

Der Aktenbegriff sei umfassend und im materiellen Sinne zu verstehen. Danach ist entscheidend, ob sich in Unterlagen oder elektronischen Dokumenten, die dem Dienstherrn zur Verfügung stehen, personenbezogene Daten über einen Beamten befinden, die für sein Dienstverhältnis verwendet werden. Es kommt nicht auf Art und Ort der Aufbewahrung und der Speicherung dieser Daten an. Andernfalls könnte der Dienstherr Einsichtsrechte des betroffenen Beamten dadurch aushebeln, dass er personenbezogene und in einem inneren Zusammenhang mit dem Dienstverhältnis stehende Daten außerhalb der üblichen Aktensammlungen vorhält. Dies widerspräche Sinn und Zweck des Rechtes auf Akteneinsicht. § 110 Abs. 4 Satz 1 BBG soll gewährleisten, dass der Beamte grundsätzlich auch solche ihn betreffenden, personenbezogenen Daten kennt, die dem Dienstherrn außerhalb der Personalakte vorliegen und die für das Dienstverhältnis relevant sind. Das Recht auf Einsicht in personenbezogene Daten ist unter Berücksichtigung der Fürsorgepflicht des Dienstherrn aus Art. 33 Abs. 5 GG und des verfahrensrechtlichen Schutzes des Rechtes auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 GG auszulegen.

OVG NRW - 0.01.2015 - 1 B 1260/14


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