Wussow - Informationen zum Versicherungs- und Haftpflichtrecht (Bsp. eines Beitrags aus dem Bereich Schadenersatzrecht)

Schaden, Versicherung und Haftpflicht
13.07.2011751 Mal gelesen
Anscheinsbeweis für die Ursache einer Gefahrenquelle für einen Sturz Zumutbarkeit einer Räum- und Streupflicht auf Gehwegen im Gewerbegebiet (§ 823 BGB)

Das LG Ansbach hat sich in einem Urteil vom 03.09.2010 (AZ 3 O 1434/09) mit den Anforderungen an den Nachweis der Ursache eines Sturzes bei Schnee und Eisglätte sowie mit der Zumutbarkeit einer Räum- und Streupflicht auf dem Gehweg eines Gewerbegebietes beschäftigt.

a)       Das Gericht schließt sich der Rechtsprechung des BGH (VersR 1962, 449; BGH, Urteil vom 17.09.1987, AZ III ZR 138/86; Urteil vom 02.06.2005, AZ III ZR 358/04) an, wonach ein Anscheinsbeweis dafür vorliegt, daß eine Gefahrenquelle Ursache eines Sturzes war, wenn sich der Sturz in unmittelbarer Nähe zur Gefahrenquelle ereignet hat, wenn auf einem Gehweg eine Gefahrenstelle durch unter dem Schnee liegenden Eis zu erkennen war und aufgrund Zeugenaussagen feststand, daß der Geschädigte im Bereich dieser Gefahrenstelle stürzte. Das Gericht sieht deshalb den Kausalitätsbeweis als geführt an.

b)       Eine Verkehrssicherungspflichtverletzung wegen Nichterfüllung einer Räum- und Streupflicht zum Zeitpunkt des Sturzes sieht das Gericht nicht als gegeben an. Eine Räum- und Streupflicht bestehe nur im Rahmen des Zumutbaren (BGH, VersR 1979, 541). Denn grundsätzlich müsse sich der Fußgängerverkehr auch im Winter den gegebenen Straßenverhältnissen anpassen (OLG Dresden, NZV 2001, 80). Für die Bestimmung von Inhalt und Umfang der winterlichen Räum- und Streupflicht sei neben der Art und Wichtigkeit des  Verkehrsweges auf die Gefährlichkeit und die Stärke des zu erwartenden Verkehrs abzustellen (BGH, VersR 1995, 721). Eine Räum- und Streupflicht für Gehwege bestehe nur dann, wenn sie verkehrsbedeutend sind (OLG Hamm, Urteil vom 30.09.2003, AZ 9 U 86/03; OLG München, Beschluß vom 13.01.2006, AZ 1 U 5136/05).

 

Die Abgrenzung zwischen im Hinblick auf die Räum- und Streupflicht nicht verkehrsbedeutenden und verkehrsbedeutenden Gehwegen nimmt das Gericht in Anlehnung an die zitierte Rechtsprechung des OLG Hamm (aaO) und des OLG München (aaO) wie folgt vor:

 -         Nicht verkehrsbedeutend: Gehwege, bei welchen wie im Fall von Erschließungswegen ein echtes, jederzeit zu befriedigendes Verkehrsbedürfnis dahingehend besteht, daß die nach der Verkehrsauffassung wesentlichen Orte, wie Wohnungen, Geschäfte, etc. zu jederzeit erreichbar sein müssen.

-         Verkehrsbedeutend: Gehwege, welche bei vernünftiger Beurteilung und äußerer Anlage über die bloße Erschließungsfunktion hinaus eine besonders wesentliche Verbindung innerhalb oder zwischen Ortsteilen darstellen.

Für den konkret vorliegenden Fall kommt das Gericht zum Ergebnis, daß der sich in einem Gewerbegebiet neben einer Stichstraße, von der nur zwei kleinere Straßen abzweigen, befindliche Gehweg nicht als verkehrsbedeutend für eine Räum- und Streupflicht anzusehen ist. Wesentlich sei, daß die Straße und der Gehweg sowie die abzweigenden Straßen nicht der Verbindung von Ortsteilen dienen. Ihre Verkehrsbedeutung liege vielmehr nur in der Erschließung der anliegenden Gewerbegrundstücke.

Unabhängig davon prüft das Gericht, offenbar in Abweichung zur Rechtsprechung des OLG Hamm (aaO) und des OLG München (aaO) unabhängig von der fehlenden Verkehrsbedeutung noch anhand verschiedener Einzelumstände, ob dem Gehweg eine höhere Verkehrsbedeutung zukommt, welche eine Räum- und Streupflicht rechtfertigen könnte, verneint diese Frage jedoch mit der Begründung, daß bei den für einen nennenswerten Fußgängerverkehr geeigneten sich im Einzugsgebiet des Gehweges befindlichen Einrichtungen (Sportplatz, Sportflugplatz, Kletterturm, Gasthaus) im Winter bei Eis und Schnee kein nennenswerter Betrieb zu erwarten sei.