OLG Hamm: Zu dichtes Auffahren bzw. Drängeln ab 3 Sekunden oder 140 m

anwalt24 Fachartikel
23.08.2013396 Mal gelesen
Ein Autofahrer aus Siegen war auf der A 1 bei Dortmund mit Tempo 131 km/h auf einer Strecke von 123 Metern mit nur 26 Metern Abstand hinter dem Vordermann gefahren. Der Autofahrer hatte Rechtsbeschwerde gegen das Urteil des AG Unna eingelegt, welches jedoch vom OLG Hamm bestätigt wurde.

Das OLG Hamm hat mit Beschluss vom 9. Juli 2013, AZ: 1 RBs 78/13, ausgesprochen: "Ein bußgeldrechtliche Ahndung wegen einer Abstandsunterschreitung - i.S. eines "nicht nur vorübergehenden Verstoßes" - ist jedenfalls dann rechtlich nicht zu beanstanden, wenn die vorwerfbare Dauer der Abstandsunterschreitung mindestens 3 Sekunden oder (alternativ) die Strecke der vorwerfbaren Abstandsunterschreitung mindestens 140m betragen hat."

Der Autofahrer wurde zu einer Geldbuße von 180 EUR verurteilt. Für die Ahndung eines Abstandsverstoßes sei es nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes wie auch der Obergerichte erforderlich, daß die Abstandsunterschreitung nicht nur ganz vorübergehend sei. Damit solle dem Umstand Rechnung getragen werden, daß es Situationen geben könne, wie z.B. das plötzliche Abbremsen des Vorausfahrenden oder einen abstandsverkürzenden Spurwechsel eines vorausfahrenden Fahrzeugs, die kurzzeitig zu einem sehr geringen Abstand führten, ohne daß dem Nachfahrenden allein deshalb eine schuldhafte Pflichtverletzung angelastet werden könne.

Bei der Frage, wann eine Abstandsunterschreitung nicht nur vorübergehend ist, stand für das Gericht die zeitliche Komponente im Vordergrund. Eine Abstandsunterschreitung für die Dauer von mehr als 3 Sekunden sei kein kurzfristiges Versagen des Fahrzeugführers mehr, wenn kurz zuvor erfolgte abstandsverkürzende, vom Betroffenen nicht zu vertretende Ereignisse wie vorliegend ausgeschlossen werden könnten, auf die der Betroffene noch keine Möglichkeit hatte, zu reagieren (z.B. Abbremsen des vorausfahrendes Fahrzeugs, abstandsverkürzender Fahrspurwechsel eines Dritten).

Auch unter angemessener Berücksichtigung üblicher Reaktionszeiten sei aber von jedem Betroffenen noch innerhalb einer Dauer der Abstandsunterschreitung von drei Sekunden ohne Dritteinwirkung einerseits das Bewußtsein zu verlangen, daß er handeln und den Sicherheitsabstand vergrößern müsse, sowie andererseits auch die Umsetzung dieser Maßnahmen.

Das Gericht hält bei schnell fahrenden Fahrzeugen auch eine Abstandsunterschreitung auf einer Strecke von 140 Metern unter den genannten Voraussetzungen (Ausschluss eines abstandsverkürzenden Ereignisses, auf das der Betroffene noch nicht reagieren konnte) für nicht nur vorübergehend.

Dies beruhe auf der Erwägung, daß derjenige, der die Richtgeschwindigkeit auf Autobahnen von 130 km/h deutlich überschreite und damit die Betriebsgefahr seines Fahrzeugs deutlich erhöhe, wegen der erhöhten durch ihn begründeten Gefahr bei einer Abstandsunterschreitung auch schneller wieder den erforderlichen Mindestabstand herstellen müsse. Eine solche auch haftungsrechtlich relevante Überschreitung der Richtgeschwindigkeit werde jedenfalls ab einer Geschwindigkeit von 160 km/h angenommen.

Es ist also von einem Autofahrer also zu verlangen, daß er bei einer Abstandsunterschreitung innerhalb von 3 Sekunden reagiert, um den vorgeschriebenen Sicherheitsabstands wieder herzustellen. Schnell fahrende Fahrzeuge müssen dagegen innerhalb von 140 Metern den Sicherheitsabstand wiederherstellen.

Dies dürfte auf den heutzutage dicht befahrenen Autobahnen jedoch kaum umsetzbar sein. Wenn z.B. ein Überholender wie oft zu sehen wenige Meter vor dem Überholten einschert, müßte dieser sofort eine den rückwärtigen Verkehr erheblich gefährdende Geschwindigkeitsverminderung einleiten.

Rechtsanwalt Holger Hesterberg

Bundesweite Tätigkeit. Mitgliedschaft im DAV.

Mail:kanzlei@anwalthesterberg.de