Wussow - Informationen zum Versicherungs- und Haftpflichtrecht (Bsp. eines Beitrags aus dem Bereich der Berufsunfähigkeitsversicherung)

Landschaftsrecht
19.02.20061488 Mal gelesen

Thema

Umfang der Darlegungs- und Beweislast zum Eintritt einer Berufsunfähigkeit und zur Tätigkeit in einem Vergleichsberuf (§ 286 ZPO; § 2 BUZ)

 

Grundlagen

 

Zum Nachweis einer Berufsunfähigkeit i. S. von § 2 I BUZ hat der VN darzulegen und zu beweisen, daß er seinen Beruf in seiner bisherigen Ausgestaltung nicht mehr dauernd ausüben kann und daß er auch keine andere Tätigkeit mehr verrichten kann, die aufgrund seiner Ausbildung und Erfahrung von ihm ausgeübt werden könne und die seiner bisherigen Lebensstellung entspricht. Dieser Beweis wird dem VN durch die Vermutung gemäß § 2 III BUZ erleichtert. Danach wird die Berufsunfähigkeit nach sechsmonatiger Krankheitsdauer fingiert. Die Fortdauer des Krankheitszustandes ist allerdings vom VN zu beweisen (vgl. Benkel/Hirschberg, Berufsunfähigkeits- und Lebensversicherung, § 2 BUZ, Rdnr. 40, 41 m.w.N.).

 

Aktuelles

 

Zum Umfang der Darlegungs- und Beweislast des VN für die Voraussetzungen des § 2 BUZ hat der BGH in einem Urteil vom 22.09.2004 (VersR 2005, 676) folgende Feststellungen getroffen:

 

-          Bei der Beurteilung, ob der Versicherte bedingungsgemäß berufsunfähig geworden ist, sei vom Versicherten zunächst substantiiert vorzutragen und im Falle des Bestreitens zu beweisen, wie seine berufliche Tätigkeit genau aussieht. Als Sachvortrag genüge dazu nicht die Angabe des Berufstyps und der Arbeitszeit, vielmehr müsse eine ganz konkrete Arbeitsbeschreibung dargelegt und bewiesen werden mit der die anfallenden Tätigkeiten ihrer Art, ihres Umfangs wie ihrer Häufigkeit nach für einen Außenstehenden nachvollziehbar werden (BGHZ 119, 263 = VersR 1992, 1386).

-          Erst wenn dieser Sachverhalt feststeht, könne ein anschließend einzuschaltender Sachverständiger zur Frage der Berufsunfähigkeit sowie der möglichen Verweisung auf eine andere Tätigkeit Stellung nehmen.

-          Legt nach Vorlage des gerichtlichen Sachverständigengutachtens eine Partei ein privat eingeholtes medizinisches Gutachten vor, daß im Gegensatz zu den Erkenntnissen des gerichtlich bestellten Sachverständigen steht, so sei vom Tatrichter besondere Sorgfalt zu fordern (vgl. BGH, VersR 1994, 1054; VersR 1993, 899; VersR 1981, 752; VersR 1992, 722). Er dürfe in diesem Fall - wie auch im Fall sich widersprechender Gutachten zweier gerichtlich bestellter Sachverständiger - den Streit des Sachverständigen nicht dadurch entscheiden, daß er ohne einleuchtende und logisch nachvollziehbare Begründung einem von ihnen den Vorzug gebe (BGH, VersR 1993, 899; VersR 1987, 179; VersR 1992, 1015). Der Tatrichter habe den Vortrag der Parteien zur Kenntnis zu nehmen und in seine Erwägungen einzubeziehen.

-          Zwar treffe den VN grundsätzlich mit der Beweislast für den Eintritt der Berufsunfähigkeit auch die Beweislast dafür, daß keine andere Erwerbstätigkeit in einem die Berufsunfähigkeit ausschließenden Umfang ausgeübt werden könne. Diesen Negativbeweis könne der VN im Regelfall aber nur dann ordnungsgemäß antreten, wenn der Versicherer den von ihm beanspruchten Vergleichsberuf bezüglich der ihn prägenden Merkmale näher konkretisiere (BGH, VersR 1994, 1095; VersR 2000, 349). Denn nur dann könne der VN das Bestreiten von Berufsunfähigkeit mit substantiierten Beweisangeboten bekämpfen. Der Versicherer braucht jedoch nur diejenigen prägenden Merkmale des Vergleichsberufs näher konkretisieren, über welche der VN nicht bereits Kenntnis hat. Hat der VN z.B. bereits schon mal die als Vergleichsberuf in Anspruch genommene Tätigkeit tatsächlich ausgeübt, hat er - und nicht der Versicherer - Kenntnis davon, welche Anforderungen diese im einzelnen an ihn stellt. In einem derartigen Fall müsse der VN daher von Anfang an vortragen und erforderlichenfalls beweisen, daß und warum er diese Tätigkeit nicht ausüben kann oder warum sie sonst den bedingungsgemäßen Anforderungen an eine Vergleichstätigkeit nicht genüge (BGH, VersR 2000, 349; 1995, 159).

 

Im vorliegenden Fall hätten vor Beauftragung des gerichtlich bestellten Sachverständigen Feststellungen dazu getroffen oder Vorgaben dazu gemacht werden müssen, wie sich die berufliche Tätigkeit der Versicherten in ihrem Beruf als Krankenschwester zuletzt konkret gestaltete und welchen Anforderungen sie im einzelnen unterlag. Soweit die Versicherte angab, sie sei aufgrund einer Latexallergie berufsunfähig, hätten insbesondere Feststellungen dazu getroffen werden müssen, mit welcher Häufigkeit die Versicherte im Rahmen ihrer zuletzt ausgeübten Tätigkeit notwendigerweise mit dem Stoff Latex in Berührung kommen mußte.