Ein Griff in den Schritt rechtfertigt eine außerordentliche Kündigung

Kündigungsschutz Abfindung
11.09.2017123 Mal gelesen
Ein Mitarbeiter hat einem Kollegen während der Arbeit von hinten schmerzhaft in den Schritt gegriffen. Das BAG entschied, dass eine Kündigungsschutzklage auch dann erfolglos ist, wenn der Übergriff nicht vordergründig sexuell motiviert war, sondern anderen Motiven galt.

Griff in den Schritt und "Du hast aber dicke Eier"-Kompliment

Der Gekündigte war zusammen mit zwei Leiharbeitnehmern in der Verpackung und Etikettierung von Bandstahlrollen tätig. Der Gekündigte trat in der Vergangenheit öfters gewalttätig auf. Im Oktober 2014 griff der Gekündigte einem der Leiharbeiter schmerzhaft von hinten in den Schritt mit der anschließenden Bemerkung "du hast aber dicke Eier". Danach hatte er behauptet, die Bemerkung sei positiv als Anerkennung seiner Maskulinität gemeint. Der Leiharbeiter musste danach wegen starker Schmerzen vorsorglich in ein Krankenhaus gebracht und untersucht werden.

Als der Arbeitgeber von dem Vorfall erfuhr, hörte er den Mitarbeiter an und kündigte ihm gemäß § 626 BGB außerordentlich fristlos. Der gekündigte Arbeitnehmer wollte dies nicht hinnehmen und klagte vor dem Arbeitsgericht Bremen-Bremerhaven. Das Landesarbeitsgericht Bremen hielt die Kündigung für unrechtmäßig, eine Abmahnung wäre nach Ansicht des Gerichts ausreichend gewesen.

BAG: Übergriff muss nicht direkt sexuell orientiert sein

Bei einer außerordentlichen Kündigung bedarf eines wichtigen Grundes. Dabei darf es dem Arbeitgeber nicht mehr zumutbar sein, den Arbeitnehmer bis zum Ende der ordentlichen Kündigungsfrist zu beschäftigen. Der Kündigungsgrund liegt hier im Verhalten des Arbeitnehmers, die arbeitsvertraglichen Pflichten verletzt zu haben. Pflicht des Arbeitsvertrags ist es, auf die Kollegen des Betriebs Rücksicht zu nehmen und sie insbesondere nicht vorsätzlich zu verletzen oder zu belästigen. Der Arbeitgeber hat ein schützenswertes Interesse daran, dass die Arbeitnehmer sowie Fremdarbeitnehmer in seinem Betrieb vor sexuellen Übergriffen geschützt werden.

Das BAG (BAG, Urteil vom 29.06.2017 - Az.: 2 AZR 302/16) stellte fest, dass eine sexuelle Belästigung Ausdruck von Hierarchie und Machtausübung und weniger von sexueller Lust bestimmt sei, auch wenn dabei ein Eingriff in den Intimbereich vollzogen werde. Maßgebend sei die Würde des Arbeitnehmers. Der Griff in den Schritt sowie die anschließende Bemerkung demütigen den Leiharbeitnehmer in einer nicht mehr hinnehmbaren Weise. Unbeachtlich sei es, dass der Gekündigte keinesfalls sexuell belästigen wollte und dass das Opfer nicht deutlich gemacht habe, es wüsche das Veralten nicht.

Konsequente Fortführung der Rechtsprechung

Das BAG führt seine konsequente Rechtsprechung zu sexuellen Übergriffen fort. Insoweit werden die Beschäftigten in Deutschland konsequent vor sexuellen Übergriffen ihrer Kollegen geschützt.

Im vorliegenden Fall ist vom Landesarbeitsgericht Bremen nun noch zu entscheiden, ob es gewichtige soziale Gründe gibt, den Gekündigten bis zum Ende der Kündigungsfrist zu beschäftigen, die im Rahmen einer Interessenabwägung für den Gekündigten sprechen und dem Interesse des Arbeitgebers an einer Kündigung überwiegen. Insoweit bleibt der Fall abzuwarten.

Weiterführende Informationen finden Sie unter: https://www.rosepartner.de/arbeitsrecht/kuendigungsgruende.html