Schrottimmobilien und Staatshaftung

Kredit und Bankgeschäfte
22.12.2006 2049 Mal gelesen

Insbesondere in den 90er Jahren versuchten Kreditinstitute und Immobilienverkäufer, außerhalb ihrer Geschäftsräume Immobilien sowie deren Finanzierung an Verbraucher zu vermitteln. Dabei suchte der Anlagevermittler Verbraucher ohne vorherige Bestellung in ihrer Privatwohnung auf und warb für eine Immobilienanlage im Rahmen eines Steuersparmodells. Finanziert werden sollte diese Anlage durch ein Darlehen eines Kreditinstituts. Geworben wurde insbesondere damit, dass die Verbraucher kein Eigenkapital einbringen mussten. Zur Zahlung von Tilgung und Zinsen sollte der Verbraucher später durch die zu erwirtschaftenden Mieteinnahmen und die Steuerersparnis in der Lage sein. Da das Immobilieneigentum nicht die prognostizierten Mieteinnahmen erbrachte, konnten die Anleger das Darlehen nicht mehr zurückzahlen. Die Kreditinstitute verlangen nun von den Verbrauchern die Rückzahlung der Darlehensvaluta. Daraufhin widerriefen zahlreiche Anleger ihre Darlehensverträge. Ein solcher Widerruf nützt dem Darlehensnehmer allerdings wenig, da er zur sofortigen Rückzahlung der Darlehensvaluta zuzüglich Zinsen verpflichtet ist (§ 3 Abs. 1 Satz 1 HWiG bzw. §§ 357 Abs. 1 Satz 1, 346 Abs. 1 BGB nF.). Dies ist dem Darlehensnehmer jedoch in der Regel nicht möglich, da ihm der Darlehensbetrag nicht mehr zur Verfügung steht. Auch ein Widerruf des Kaufvertrages scheidet nach dem Haustürwiderrufsgesetz wegen § 1 Abs. 2 Nr. 3 HWiG aus. Dies führt dazu, dass der Widerruf des Darlehensvertrages dem Darlehensnehmer in der Regel keinen Vorteil bringt.

Nach Artikel 4 Satz 3 RL 85/577/EWG muss das nationale Recht bei einem Verstoß des Gewerbetreibenden über das Widerrufsrecht zu belehren geeignete Maßnahmen zum Schutz des Verbrauchers vorsehen. Geeignete Maßnahmen sind solche, die dem Verbraucher eine freie und selbst bestimmte Entscheidung über die Ausübung seines Widerrufsrechts ermöglichen. Wurde der Verbraucher nicht über sein Widerrufsrecht belehrt, so hat er meist keine Kenntnis von dem Widerrufsrecht und kann dies deswegen auch nicht frei ausüben. Bei späterer Kenntniserlangung vom Widerrufsrecht ist eine freie Ausübung dieses Rechts bezüglich eines Darlehensvertrages nur dann möglich, wenn der Verbraucher die Darlehensvaluta noch nicht verwendet hat. Um den Zweck des Widerrufsrechts, eine freie Entscheidung herbeizuführen, zu erreichen, können geeignete Maßnahmen nur solche sein, die verhindern, dass die zwischenzeitlichen Veränderungen die Entscheidungsfreiheit des Verbrauchers beeinträchtigen. Deswegen muss die Bundesrepublik Deutschland in ihrem nationalen Recht eine Vorschrift vorsehen, die bei einem Verstoß gegen die Belehrungspflicht das Darlehensverwendungsrisiko auf den Darlehensgeber überträgt. Das Darlehensverwendungsrisiko auf den Darlehensgeber zu übertragen, besteht auch dann, wenn der Immobilienkaufvertrag zeitlich vor dem Darlehensvertrag abgeschlossen wurde. Diesbezüglich ist eine Vorlage an den EuGH durch nationale Gerichte zur Klärung dieser Rechtsfrage angezeigt.

Am unproblematischsten sind die Fälle, in denen der Darlehensvertrag zeitlich vor dem Kaufvertrag geschlossen wurde (erste Gruppe). Danach folgen die Fälle, in denen der Darlehensvertrag zwar zeitlich nach dem Kaufvertrag abgeschlossen wurde, der Immobilienkaufvertrag jedoch entweder unwirksam ist oder anfechtbar war (zweite Gruppe). Daran schließen sich die Fälle an, in denen der Darlehensvertrag zwar zeitlich nach dem Kaufvertrag abgeschlossen wurde, der Immobilienkaufvertrag durch einen Stellvertreter des Verbrauchers auf der Grundlage eines Treuhandvertrages abgeschlossen wurde (dritte Gruppe). Für diese Fälle ist eine verbreitete Meinung der Auffassung, diese Kaufverträge seien gem. § 134 BGB i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 1 RBerG nichtig. Danach folgen die Fälle, in denen der Darlehensvertrag zwar zeitlich nach dem Kaufvertrag abgeschlossen wurde, die Abgabe der Willenserklärung des Verbrauchers jedoch zeitlich vor dem Abschluss des Immobilienkaufvertrages erfolgte (vierte Gruppe). In diesen Fällen kommt es darauf an, dass der Auffassung gefolgt wird, wonach es nicht auf den Abschluss des Vertrages (Zeitpunkt der letzten Willenserklärung) ankommt, sondern auf den Zeitpunkt der Willenserklärung des Verbrauchers. Hieran schließen sich die Fälle an, in denen die zum Abschluss des Darlehensvertrages erforderliche Willenserklärung des Verbrauchers zwar zeitlich nach dem Kaufvertrag abgegeben wurde, und in denen der Beweis geführt werden kann, dass der Verbraucher die Immobilie innerhalb der (gedachten) ordnungsgemäßen Widerrufsfrist hätte veräußern können und damit zumindest einen Teil des Darlehens im Falle eines Widerrufs desselben hätte zurückzahlen können (fünfte Gruppe).  Innerhalb jeder Gruppe kann bezogen auf die Erfolgsaussichten noch danach differenziert werden, ob der Verbraucher gar nicht oder nur nach dem Verbraucherkreditgesetz belehrt wurde. Wurde der Verbraucher nicht belehrt, so kann eine Haftung leichter begründet werden. 

Weitere Hinweise, insbesondere zu dem Thema können der Homepage des Verfassers www.kanzlei-verbraucherrecht.de unter "Aktuelles" entnommen werden.

  

Der Autor ist Rechtsanwalt in Freiburg und Mitglied im Rechtsforum Finanzdienstleistung e.V.