Zum Recht von nächsten Angehörigen bzw. Erben auf Einsicht in die Patientenakte des Verstorbenen

Zum Recht von nächsten Angehörigen bzw. Erben auf Einsicht in die Patientenakte des Verstorbenen
20.01.2017660 Mal gelesen
Erben und nächste Angehörige haben Anspruch auf Akteneinsicht in die Patientenakte des Verstorbenen. Dies gilt auch, wenn der Patient zwangsweise in eine psychiatrische Einrichtung eingewiesen wurde und dort infolge eines krankheitsbedingten Suizidversuchs verstirbt.

Erben und nächste Angehörige haben Anspruch auf Akteneinsicht in die Patientenakte des Verstorbenen. Dies gilt auch, wenn der Patient zwangsweise in eine psychiatrische Einrichtung eingewiesen wurde und dort infolge eines krankheitsbedingten Suizidversuchs verstirbt.

Dies hat das Verwaltungsgericht Freiburg durch Urteil vom 29.10.2015 (6 K 2245/14)entschieden.

Folgendes war geschehen:

Der ledige und kinderlose Sohn der Klägerin, der zwangsweise aufgrund psychotischer Störungen und erheblicher Fremdgefährdungstendenz in das Psychatische Behandlungszentrum des Beklagten eingeliefert worden war, verstarb infolge irreversibler Hirnschäden nach einem dort vorgenommenen Suizidversuchs.

Die Staatsanwaltschaft stellte das wegen eines nicht natürlichen Todes aufgenommene Ermittlungsverfahren mangels Anhaltspunkten von Fremdverschulden ein.

Ein Akteneinsichtsgesuch der Klägerin zwecks Prüfung eines möglichen Behandlungsfehlers lehnte der Beklagte aus Datenschutzgründen ab. Zudem habe dieser in früheren Einzelgesprächen gegenüber Ärzten ohne Beisein der Klägerin geäußert, dass sie über Einzelheiten der Behandlung und der ärztlichen Feststellungen nicht unterrichtet werden solle.


Das VG Freiburg hat klageweise geltend gemachten Anspruch auf Akteneinsicht stattgegeben.

Eines Vorverfahrens habe es nicht bedurft, da die Klage jedenfalls als Untätigkeitsklage zulässig gewesen sei.

Ein Rechtsschutzbedürfnis der Klägerin sei gegeben, da ihr die Prüfung der Erfolgsaussichten eines Zivil- bzw. Strafprozesses auf einfachere Weise nicht möglich gewesen sei.

Der Anspruch sei auch aus einer analogen Anwendung des § 630g Abs. 3 BGB begründet. Hinsichtlich Erben und nächsten Angehörigen eines zwangsweise eingewiesenen Psychiatriepatienten bestehe in dieser Vorschrift eine Regelungslücke.

Die Voraussetzungen des § 630g ABs. 3 Satz 2 BGB in entsprechender Anwendung seien erfüllt. Die Klägerin sei nächste Angehörige ihres Sohnes.

Die Klägerin habe ein berechtigtes Interesse an der Akteneinsicht. Dem stehe nicht entgegen, dass die Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren eingestellt habe, zumal diese Ermittlungen ohne Beiziehung der Patientenakten erfolgt seien und sich nur auf die Vernehmung zweier Pflegerinnen und der Klägerin beschränkt hätten. Das berechtigte Interesse folge zudem aus dem Anliegen der Klägerin, ggf. einen Schmerzensgeldanspruch geltend machen zu wollen.

Dem Begehren der Klägerin auf Akteneinsicht stehe nicht der mutmaßliche Wille ihres verstorbenen Sohnes entgegen. Im Regelfall spreche nichts dafür, dass ein Verstorbener sich der Aufklärung möglicher Behandlungsfehler verschlossen haben würde. Damit spreche eine Regelannahme zugunsten einer Akteneinsicht von Erben und nächsten Angehörigen.

Es sei nicht ansatzweise zu erkennen, dass sich die Äußerung des Sohnes im ärztlichen Einzelgespräch, die Klägerin solle über Einzelheiten der Behandlung und der ärztlichen Feststellungen nicht unterrichtet werden, auch auf die gänzlich veränderte Sachlage seines Ablebens erstreckt haben soll. Zudem sei zu berücksichtigen, dass er im Zustand einer psychischen Erkrankung Selbstmord beging, was die Frage einer schuldhaften Mitverantwortung der Behandlungseinrichtung besonders nahe lege. Es dränge sich daher vielmehr auf, dass mutmaßlicher Wille des Sohnes in dieser Situation gewesen wäre, den Versuch einer Aufklärung des Geschehens zu unternehmen.

Das Recht der Klägerin erstrecke sich auf sämtliche Aufzeichnungen des ärztlichen und pflegerischen Personals.

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