Gemeinschaftspraxis oder verstecktes Angestelltenverhältnis- Anforderungen an die Ausübung der ärztlichen Tätigkeit „in freier Praxis“ und mögliche Konsequenzen

Gesundheit Arzthaftung
26.10.20101545 Mal gelesen

Zentrales Element für die Berufsausübung in "freier Praxis" ist, dass die vertragsärztliche Tätigkeit in beruflicher und persönlicher Selbstständigkeit gesichert sein muss, erhebliche Einflussnahmen Dritter müssen ausgeschlossen sein, insbesondere darf nicht in Wahrheit ein verstecktes Angestelltenverhältnis vorliegen.

I.          Für das Maß an Selbstständigkeit und Eigenverantwortlichkeit, das einem Arzt bei der von ihm bei seinem Antrag auf Zulassung geplanten und dann ausgeübten vertragsärztlichen Tätigkeit verbleibt, können zivilrechtliche Vereinbarungen, die er bezogen auf die Arztpraxis getroffen hat, Bedeutung haben. Von entscheidender Bedeutung, ob die Tätigkeit "in freier Praxis" oder in einem versteckten Anstellungsverhältnis erfolgt, sind das wirtschaftliche Risiko (1), die Beteiligung an der Verwertung des von ihm erarbeiteten Praxiswertes (2) und sonstiger Einschränkung in der Dispositionsfreiheit des Arztes (3).

1.a)Das Erfordernis, dass es beim Vertragsarzt "maßgebend von seiner Arbeitskraft abhängen" muss, in welchem Umfang seine freiberufliche Tätigkeit Einkünfte erbringt, ihn also im positiven wie im negativen Sinne die Chancen und das Risiko des beruflichen Erfolges oder Misserfolges persönlich treffen müssen, ist der Notwendigkeit geschuldet, den Status des Vertragsarztes von dem Status des angestellten Arztes abzugrenzen. Nur dann ist das Merkmal beruflicher und persönlicher Selbstständigkeit gegeben und liegt nicht ein (verstecktes) Angestelltenverhältnis vor.

b) Für das Vorliegen eines verdeckten Anstellungsverhältnisses können folgende Klauseln sprechen: Vereinbaren eines Festgehaltes ("regelmäßige Vergütung pro Arbeitswoche"), Freistellen im Innenverhältnis von allen Honorarkürzungs- und Regressansprüchen, Abrechnung von Privatpatienten allein durch den Praxisinhaber usw.

2.a) Für die Annahme einer gemeinschaftlichen Berufsausübung im Rahmen einer Gemeinschaftspraxis ist, unabhängig von der Frage einer Beteiligung der Partner an den Investitionen und Kosten der Praxis, grundsätzlich eine Beteiligung am immateriellen Wert der Praxis(dem sog. "Goodwill") erforderlich, da dies Ausfluss der mit einer Tätigkeit in "freier Praxis" verbundene Chancen ist. Dabei kann die vertragliche Ausgestaltung im Einzelfall unterschiedlich sein.

b) Für das Vorliegen eines verdeckten Anstellungsverhältnisses können Klauseln sprechen, die bestimmen, dass der "Freie Mitarbeiter" den Gemeinschaftspraxis- Anteil nur im Außenverhältnis erwirbt und hieraus keine Rechte herleiten kann; oder wenn er den Anteil bei einem Ausscheiden unentgeltlich auf die Gemeinschaftspraxis zu übertragen hat.

3.         a) Die ausreichende Dispositionsfreiheit in beruflicher und persönlicher Hinsicht hat zum Inhalt, dass erhebliche Einflussnahmen Dritter bei der Gestaltung des medizinischen Auftrages und bei der Disposition über das Hilfspersonal ausgeschlossen sein müssen. Der Arzt muss die Befugnis haben, den medizinischen Auftrag nach eigenem Ermessen zu gestalten sowie über die räumlichen und sächlichen Mittel, ggfls. auch über den Einsatz von Hilfspersonal zu disponieren oder jedenfalls an der Disposition mitzuwirken.

b) Von Bedeutung, ob ein verstecktes Anstellungsverhältnis vorliegt, sind Klauseln, die eine fehlende Weisungsbefugnis gegenüber nichtärztlichem Personal niederlegen, oder die das Recht versagen, über die Organisation des Inventars und der sächlichen Hilfsmittel, der Materialwirtschaft die kaufmännische und administrative Ausgestaltung der Praxis (mit-) zubestimmen.

II.        Mögliche Konsequenz eines solchen verkappten Anstellungsverhältnisses ist die formal rechtswidrige Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung. Ein die Zulassungsvoraussetzungen nicht erfüllender Arzt, der Arzt, der sich die Vertragsarztzulassung unter Vorspiegelung falscher Tatsachen verschafft hat, kann nicht unter Berufung auf den dadurch erworbenen formalrechtlichen Status vertragsärztliche Leistungen erbringen und abrechnen. Dies gilt auch im Falle einer missbräuchlichen Nutzung von Gestaltungsformen, der immer in Fällen vorliegt, wenn rechtlich in Praxisgemeinschaft verbundene Ärzte die Patienten wie Mitglieder einer Gemeinschaftspraxis behandeln, und auch in den Fällen, in denen die formal gewählte Rechtsform nicht den tatsächlichen Gegebenheiten entspricht. In diesen Fällen kann die zuständige Kassenärztliche Vereinigung auf die tatsächlichen Verhältnisse zurück greifen.