Spätestens seit der Entscheidung des Bundesgerichtshofes I ZR 268/03 vom 01.06.2006 ist klar: Wenn ein Rechtsanwalt namens seines Mandanten einem anderen Rechtsanwalt eine Terminvertretung (gemeinhin Untervollmacht genannt) anträgt und dabei auf Berechnung niedrigerer als der gesetzlichen Gebühren durch den Terminvertreter drängt, handelt der Hauptbevollmächtigte sittenwidrig und damit wettbewerbswidrig im Sinne des § 1 UWG alter Fassung in Verbindung mit § 49 b Abs. 1 BRAO. Der BGH hat es für rechtswidrig angesehen, das anderen Rechtsanwälten Terminvertretungsmandate im Namen des jeweiligen Mandanten zu niedrigeren als den gesetzlichen Gebühren anzutragen oder zu erteilen.
Im Umkehrschluss: Wenn der Hauptbevollmächtigte selbst Auftraggeber werden will und sich der Hilfe des Terminsvertreters als seines "Erfüllungsgehilfen" bedient (so jedenfalls der Bundesgerichtshof), dann sei eine Vergütungsvereinbarung, die zu einem niedrigeren Umsatz als dem, der sich aus den gesetzlichen Gebühren ergäbe, zulässig. (Siehe AGS 2006, 471 ff mit Anmerkungen von Schons) Nun erteilt der Rechtsanwalt C. aus H. dem Rechtsanwalt B. aus E. im eigenen Namen den Auftrag, einen Termin vor dem Amtsgericht in E. wahrzunehmen und bittet darum, damit einverstanden zu sein, dass die Gebühren, die bei Tätigkeit nur eines Hauptbevollmächtigten entstehen würden, geteilt würden. Das ist - orientiert an der Entscheidung des Bundesgerichtshofes - eindeutig zulässig. Konsequenz: Der Rechtsanwalt B aus E hat seine Abrechnung aufzumachen nicht an den Mandanten des Rechtsanwalts C. aus H., sondern an den Rechtsanwalt C., denn der und nur der ist "Auftraggeber". Die Rechnung lautet dann:
1,3 Gebühr nach Nr. 3100 = € 130,00
1,2 Gebühren nach Nr. 3104 = € 120,00
Postgebühren pp. Nr. 7002 = € 20,00
Zwischensumme = € 270,00
Ermäßigt auf ½ = € 135,00
19 % Mehrwertsteuer aus € 139,00 = € 25,65Summe: € 160,65
Nun ist mit dieser Rechnungserteilung der Anwalt C. aus H. durchaus einverstanden, hat aber den Wunsch, dass ihm in vier weiteren Exemplaren zum Zwecke der Kostenfestsetzung eine an "den Mandanten" aufgemachte Rechnung übermittelt wird, die sich über die gesetzlichen Gebühren des Terminvertreters verhält, also über die
Gebühr Nr. 3401 in Höhe von 0,65 = € 65,00,
die Termingebühr Nr. 3402/3104 mit € 120,00,
die Postpauschale Nr. 7002 mit € 20,00,
zusammen € 205,00,
19 % Mehrwertsteuer aus € 205,00 = € 38,95Summe: € 243,95
Der Terminvertreter hat darauf dieses Schreiben an Rechtsanwalt C. aus H. gesandt:
"Ich kann mich nicht dazu bereit finden, eine Rechnung an die Partei aufzumachen über Gebühren, die auf unserer Seite definitiv nicht entstanden sind.
Warum? Der Bundesgerichtshof hat in I ZR 268/03 entschieden, dass nur dann die Teilung der Gebühren eines Anwalts keine unzulässige Gebührenunterbietung ist, wenn der den Termin wahrnehmende Rechtsanwalt namens und im Auftrag des Hauptbevollmächtigten tätig wird, also ein Auftragsverhältnis nur zwischen Hauptbevollmächtigtem und Terminvertreter zu Stande kommt.
Sie haben uns den Auftrag in Ihrem Namen erteilt (?für uns in Untervollmacht wahrzunehmen?), und nur deshalb haben wir den Auftrag zu diesen Bedingungen übernommen.
Hätten Sie uns den Auftrag namens der Partei erteilen wollen und dennoch Gebührenteilung verlangt, hätten wir
a) den Auftrag nicht nur nicht angenommen, sondern
b) Sie abgemahnt wegen wettbewerbswidrigem Verhaltens, nämlich der Verletzung des § 49 b BRAO.
Da kein Vertragsverhältnis zwischen Ihrer Mandantin und uns besteht, werde ich Ihrer Mandantin auch keine Rechnung über die gesetzlichen Gebühren schreiben, die tatsächlich nicht entstanden sind.
Ein Vertragsverhältnis besteht nur zwischen Ihnen und uns, und wir haben ausdrücklich eine Vergütung vereinbart, unter Abbedingung der von uns zu berechnenden gesetzlichen Gebühren.
Würde ich eine solche Rechnung über die halbe Verfahrensgebühr und die volle Terminsgebühr schreiben und, würden Sie diese und Ihre eigenen Rechnung über die volle Verfahrensgebühr zum Zwecke der Festsetzung bei Gericht anmelden, so liefe das auf versuchten Betrug hinaus, weil darin stillschweigend der Vortrag läge, diese Kosten seien jene, die der Mandantin erwachsen seien, und hinsichtlich dieser ihr erwachsenen Kosten verlange sie Erstattung.
Würden Sie unsere Rechnung zusammen mit Ihrer eigenen Rechnung auch der Mandantin übersenden mit der Bitte, die Summe der beiden Rechnungsbeträge an Sie zu überweisen, während Sie uns nur den halben Betrag der Gebühren des Prozessbevollmächtigen überweisen würden, dann würden Sie tatsächlich Ihrer Mandantin Gebühren berechnen, die auf Ihrer Seite gar nicht entstanden sind. Das könnte den Tatbestand der Gebührenüberhebung in Verbindung mit versuchtem Betrug (Vorspiegelung, wir hätten der Mandantin die gesetzlichen Gebühren in Rechnung gestellt) erfüllen, oder es wäre die Geltendmachung höherer als der gesetzlichen Gebühren, ohne dass es dafür eine schriftliche Vergütungs- oder Gebührenvereinbarung gäbe, ohne deren Abschluss sie aber von der Mandantin höhere als die von Ihnen verdienten gesetzlichen Gebühren nicht in Rechnung stellen dürften.
Der Anwalt also, der künftig im eigenen Namen Terminsvertreter einschaltet, muss wissen, dass
a) er für die mit dem Terminvertreter vereinbarte Vergütung persönlich haftet und das
b) er auch keine Berechnung der gesetzlichen Gebühren, adressiert an seine Mandantin, vom Terminvertreter erhält, die er dann zum Zwecke der externen Abrechnung mit der Mandantin verwenden kann, und/oder zum Zwecke der Festsetzung von Gebühren verwenden kann, die in dieser Höhe gar nicht aufgelaufen sind."
Antwort des Rechtsanwalts C. aus H.:
"Wir haben den von Ihnen an uns berechneten Betrag auf Ihr Konto überwiesen. Von einer weiteren Zusammenarbeit werden wir absehen."
Frage an das geschätzte Anwaltspublikum: Muss man es sich eigentlich folgenlos gefallen lassen, von bestimmten Kollegen als eine Art Fußabtreter behandelt zu werden, dem man auch Mitwirkung am Betrugsversuch zum Zwecke der eigenen Einkommensvermehrung zumuten kann?
(Dieser Aufsatz ist veröffentlicht in AnwaltsGebühren Spezial (AGS) 2008, 209 f)