Mythos "gemeinsamer Anwalt"

Familie und Ehescheidung
19.04.20101190 Mal gelesen
Häufig kommen trennungs- und scheidungswillige Mandanten, die an einer gütlichen Auseinandersetzung der zu regelnden Angelegenheiten interessiert sind. Sie wollen den Unterhalt für Ehegatten und Kinder einvernehmlich regeln. Diese Einstellung ist (schon im Hinblick auf die Kinder!) sehr zu begrüßen. Regelmäßig taucht dann immer wieder die Frage auf, ob das Paar einen gemeinsamen Anwalt nehmen kann, denn „Freunde/Kollegen/Verwandte hatten bei deren Trennung auch nur einen Anwalt“. Noch immer ist der Mythos des gemeinsamen Anwaltes bei Mandanten weit verbreitet.
Aber: Einen Rechtsanwalt für beide Parteien kann es naturgemäß nicht geben. Der Anwalt ist aufgrund seines Berufsbildes (im Gegensatz zu einem Richter) gerade nicht (!) neutral, sondern parteiisch zugunsten seines Mandanten. Er ist also ein einseitiger Interessenvertreter: Der Anwalt kann nicht einerseits dem Mann raten, er solle noch schnell eine private Altersvorsorgeversicherung in Höhe von 4 % seines Bruttoeinkommens abschließen, damit die Exfrau weniger Unterhalt erhält und andererseits seiner Frau raten, sie habe angesichts ihres Alters/des Alters der Kinder/Krankheit usw. keine Erwerbsobliegenheit. Dass hier Interessenkollisionen vorprogrammiert sind, liegt auf der Hand.
 
Allergrößste Vorsicht ist geboten, wenn der (Ex-)Partner sagt, er habe den Unterhalt von seinem Rechtsanwalt ausrechnen lassen, der für beide eine "maßgeschneiderte" Lösung gefunden hätte, so dass der andere keinen Anwalt brauche. Hier empfiehlt sich besondere Vorsicht und Kontrolle, die der andere bei den komplexen Berechnungen im Unterhalt und Zugewinnausgleich nicht alleine vornehmen kann. Sie können sicher sein, dass der Anwalt des Partners den Unterhalt für seinen Mandanten (=Auftraggeber und Rechnungsempfänger) wohlwollend gerechnet und dessen Interessen berücksichtigt hat!
 
Es gibt nur einen denkbaren Fall, wo ein Partner nicht unbedingt einen Anwalt benötigt: Bei einer Scheidung, bei der alle Folgesachen (Unterhalt, Vermögensfragen, Sorge- und Umgangsrecht) bereits geregelt sind, mag es ausreichen, dass man der Scheidung (ohne Anwalt) zustimmt, wenn der Partner durch seinen Anwalt vorher die Scheidung bei Gericht beantrag hat. In einem solchen Fall kann man also der Scheidung zustimmen, aber mangels Anwalt keinen eigenen Antrag stellen. Das heißt, wenn die Gegenseite (aus welchen Gründen auch immer) den Scheidungsantrag durch seinen Anwalt zurücknimmt, hat man selbst in diesem Moment keine Handhabe, einen eigenen Scheidungsantrag zu stellen. Das Verfahren ist dann somit beendet.
 
Simone Graute
Fachanwältin für Familienrecht