Zugewinn: BGH zu Fragen der Bewertung von Praxen, Immobilien, Wertpapieren

Familie und Ehescheidung
28.11.2012432 Mal gelesen
Der Bundesgerichtshof hat sich in seinem Urteil vom 09.02.2011 (XII ZR 40/09), welches nun veröffentlicht wurde, erneut mit der Frage der Bewertung einer freiberuflichen Praxis im Zugewinnausgleichsverfahren beschäftigt und seine Auffassung dazu konsequent fortgeführt:

Entscheidend bei der Bewertung ist die Frage, ob einer freiberuflichen Praxis über den reinen Substanzwert hinaus ein immaterieller Wert zukommt, der sog. good will. Der BGH bejahte dies in der Vergangenheit, und zwar auch für kleinere Unternehmen, deren Erfolg ganz wesentlich von den Fähigkeiten des Inhabers abhängt. Der good will soll nach Auffassung des BGH allein dort entfallen, wo Ruf und Ansehen des Praxisinhabers von "überragender Bedeutung für ihren Erfolg" sind.

Abzustellen ist dabei grundsätzlich auf einen potentiellen Erwerber: Dieser würde für den Erwerb der Praxis nur dann mehr als den Substanzwert zahlen, wenn er die Fortführung der bestehenden Kunden- / Patienten- bzw. Mandatsverhältnisse für realisierbar hält. Hier werden Faktoren wie Standort, Art und Zusammensetzung des Kundenstammes sowie Ruf und Ansehen des Praxisinhabers maßgeblich sein.

Im Hinblick auf die Wahl der Bewertungsmethode bestätigt der BGH zwar, dass dies Sache des jeweiligen Tatrichters sei, der sich einen entsprechenden Sachverständigen zu Hilfe zu holen hat. Allerdings spricht er sich klar für die modifizierte Ertragswertmethode aus und verwirft die reine Ertragswert- und die reine Umsatzwertmethode. Darüber hinaus gibt er Vorgaben für deren Anwendung: Auszugehen sei von den durchschnittlichen Erträgen der letzten drei Kalenderjahre, von denen der Unternehmerlohn sowie die latente Steuerlast abzusetzen ist.

Der BGH stellt klar, dass der Unternehmerlohn nicht pauschal, sondern individuell zu beziffern sei: Zugrunde zu legen ist danach zunächst der jeweilige Tariflohn, erhöht um die Lohnnebenkosten, wobei der konkrete Arbeitseinsatz sowie die persönlichen Fähigkeiten des Inhabers zu berücksichtigen sind.  

Aufgrund des grundsätzlichen Abzugs des Unternehmerlohns ist sicher gestellt, dass die Einbeziehung des Praxiswerts im Endvermögen nicht dem Verbot der Doppelbewertung zuwider läuft: Das Einkommen, welches im Unterhaltsrecht heran gezogen wird, wird so nicht nochmals im Zugewinnausgleichsverfahren berücksichtigt.

Da bei der modifizierten Ertragswertmethode auf einen hypothetischen Verkauf des Unternehmens abgestellt wird, hält der BGH konsequenterweise an seiner Rechtsprechung fest, nach der von dem so festgestellten Ertragswert des Unternehmens anschließend die latente Steuerlast in Abzug zu bringen ist. Wegen der damit verbundenen Auflösung der stillen Reserven verbleibt dem Verkäufer wirtschaftlich nur der um die Steuern geschmälerte Erlös. Die Höhe der Steuer ist bezogen auf die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse zum Stichtag zu berechnen.

Allerdings begegnet der BGH der in diesem Zusammenhang geäußerten Kritik und stellt in Aussicht, dass aus Gründen der Gleichbehandlung auch bei der Bewertung anderer Vermögensgegenstände, wie Grundstücke, Wertpapiere, Lebensversicherungen, auf die Verhältnisse am Stichtag abzustellen sei, so dass eine Steuerlast grundsätzlich wertmindernd zu berücksichtigen sei, sofern die Veräußerung zum Stichtag eine Steuerpflicht auslösen würde und die Bewertung auf den erzielbaren Veräußerungserlös abstellt.

Für die Praxis bedeutet die Fortführung der Rechtsprechung des BGH zur Bewertung freiberuflicher Praxen eine Erhöhung der Rechtsicherheit. Die konsequente Klarstellung, dass bei einer Bewertung nach der modifizierten Ertragswertmethode grundsätzlich auf den Stichtag, also die Zustellung des Scheidungsantrags beim anderen Ehepartner, abzustellen ist, ist insbesondere interessant bei der Bewertung von Immobilien und Wertpapieren innerhalb der steuerlichen Spekulationsfrist. Unabhängig davon, ob der Ehepartner einen Verkauf beabsichtigt, ist die Steuerlast abzuziehen, sofern die Veräußerung zum Stichtag eine solche auslösen würde.

Bei der Einleitung des Scheidungsverfahrens wird dies zukünftig zu berücksichtigen sein, da es im Ergebnis zu erheblichen Wertdifferenzen kommen wird, abhängig davon, ob der Stichtag vor oder nach Ablauf der Spekulationsfrist liegt.