Der Rücktritt vom Erbvertrag bei Geschäftsunfähigkeit des Empfängers

Erbrecht Eigentum
25.04.2022 140 Mal gelesen
Kürzlich hat der BGH (XII ZB 450/20) ein interessantes Urteil verkündet, dem nachstehender Sachverhalt zugrunde liegt:

Kürzlich hat der BGH (XII ZB 450/20) ein interessantes Urteil verkündet, dem nachstehender Sachverhalt zugrunde liegt:

In einem notariellen Erbvertrag mit vertraglich vorgesehenem Rücktrittsrecht zu Lebzeiten der Eheleute, bedachten sich diese vertraglich bindend mit Vermächtnissen. Später erteilte die Ehefrau ihren beiden Kindern eine umfassende Vorsorgevollmacht. Ein paar Jahre später trat der Ehemann mit notarieller Urkunde von diesem Erbvertrag zurück. Zum Zeitpunkt des Rücktritts bestanden beim Ehemann Bedenken bezüglich der Geschäftsfähigkeit seiner Ehefrau. Der Ehemann regte daher beim Amtsgericht die Bestellung eines Betreuers für die Ehefrau zur Entgegennahme der Rücktrittserklärung an, die seitens des Amtsgerichtes abgelehnt wurde.

Der BGH bestätigte im Ergebnis die Entscheidung des Amtsgerichtes, weil eine Betreuung im Sinne des § 1896 Abs. 2 Satz 2 BGB nicht erforderlich sei. Die Rücktrittserklärung müsse gemäß § 2296 BGB gegenüber dem anderen Vertragsschließenden erfolgen und sei insoweit eine empfangsbedürftige Willenserklärung, die dem anderen Teil gemäß § 130 BGB zugehen müsse. Der Rücktritt könne auch gegenüber einem Geschäftsunfähigen erfolgen. Bei Geschäftsunfähigkeit muss die Rücktrittserklärung dem gesetzlichen Vertreter gemäß § 1902 BGB zugehen, also dem Betreuer im Rahmen des ihm übertragenen Aufgabenkreises. Der Vorsorgebevollmächtigte sei allerdings kein gesetzlicher Vertreter, sondern gewillkürter Vertreter. Die dem Vorsorgebevollmächtigten zugehende Rücktrittserklärung sei gemäß § 164 Abs. 3 BGB wirksam, da nach dieser Vorschrift eine gegenüber einem anderen abzugebende Willenserklärung, die dessen Vertreter gegenüber erfolgt, unmittelbar für und gegen den Vertretenen wirkt.

Diese Entscheidung ist von erheblicher praktischer Bedeutung, da sie nicht nur für den beurkundungspflichtigen Erbvertrag gilt, sondern gemäß § 2271 Abs. 1 BGB auch für den Widerruf des in Deutschland weit verbreiteten Ehegattentestaments, was keiner notariellen Beurkundung bedarf.

Rechtsanwalt Lücker aus Aachen, Fachanwalt für Erb- und Familienrecht, steht Ihnen für eine Beratung im Erbrecht zur Verfügung. Bitte vereinbaren Sie zuvor telefonisch oder per E-Mail einen Termin.