Zum Sachverhalt:
Die vorbezeichnete Entscheidung des OLG München befasst sich mit der Auslegung eines Erbvertrages, den die 2018 verstorbene Erblasserin mit ihrem vorverstorbenen Ehemann im Jahre 1965 abgeschlossen hatte. Der Erbvertrag beinhaltete unter andere folgende Passage:
„Im Wege des Erbvertrags vereinbaren wir in einseitig unwiderruflicher Weise: Wir setzen uns hiermit gegenseitig zu alleinigen und ausschließlichen Erben ein. Erbe des Längstlebenden von uns soll sein der Sohn des Ehemannes. Diese Erbeinsetzung ist jedoch nicht die Anordnung einer Vor- und Nacherbschaft. Sonst wollen wir nichts bestimmen.“
Der zum Erben bestimmte Sohn des Ehemannes verstarb vor der Erblasserin. Dieser Sohn hatte allerdings zwei Kinder. Eines dieser Kinder war von seiner Ehefrau geschieden. Die Erblasserin errichtete im Jahre 2015 ein notarielles Testament, in dem sie die geschiedene Ehefrau zu ihrer Alleinerbin einsetzte.
Das zuständige Nachlassgericht wies den Erbscheinsantrag der beiden Kinder zurück und gab dem Erbscheinsantrag der geschiedenen Ehefrau als Alleinerbin statt. Das OLG München hat die dagegen eingelegte Beschwerde der Kinder als unbegründet zurückgewiesen.
Zu den Gründen:
Zutreffend weist das OLG München darauf hin, dass die Eheleute sich in dem Erbvertrag aus dem Jahre 1965 in einseitig unwiderruflicher Weise – und damit vertragsmäßig – gegenseitig als Alleinerben eingesetzt und den Sohn des Ehemannes aus 1. Ehe als Erben des Längstlebenden eingesetzt haben. Aufgrund § 2289 Abs. 1 Satz 2 BGB trat insoweit eine Bindung der Erblasserin in Bezug auf die Erbeinsetzung des Sohnes des Ehemannes ein. Diese Bindung entfällt allerdings, wenn der Bedachte – wie hier der Sohn – wegfällt, es sei denn, dass dessen Abkömmlinge als Ersatzerben berufen sind.
Die Problematik war also, ob die Ehegatten in dem hier allein maßgeblichen Zeitpunkt der Errichtung des Erbvertrages eine Ersatzerbfolge für den Fall des Vorversterbens des Bedachten getroffen haben. Da der Erbvertrag eine ausdrückliche diesbezügliche Regelung nicht enthielt, legte das OLG München den Erbvertrag ergänzend aus.
Aus der Formulierung des Erbvertrages „sonst nichts bestimmen wollen“ folgerte das OLG München letztlich, dass bei Abfassung des Erbvertrages keine Ersatzerbenregelung seitens der Eheleute gewollt und nach Überzeugung des OLG München eine Ersatzerbenregelung bewusst nicht in den Erbvertrag aufgenommen worden war. Konsequent schließt das OLG München daraus, dass keine Bindung der Erblasserin aus dem Erbvertrag zu Gunsten des Sohnes des vorverstorbenen Ehemannes mehr bestanden hat und die Erblasserin frei zu Gunsten der geschiedenen Ehefrau testieren konnte.
Die Entscheidung des OLG München ist in sich zwar konsequent, aber dennoch im Hinblick auf § 2069 BGB nicht unproblematisch. § 2069 BGB besagt, dass im Zweifel anzunehmen ist, dass die Kinder eines zunächst bedachten Kindes, welches nach Errichtung des Testamentes wegfällt, als Ersatzerben anzusehen sind. Diese Vorschrift gilt gemäß § 2279 Abs. 1 i.V. mit § 2069 BGB auch für Erbverträge.
Nach § 2069 BGB kämen also die Kinder des vorverstorbenen Sohnes des Ehemannes, also seine Enkel, als Ersatzerben in Betracht, wenn man entgegen dem OLG München die Formulierung „sonst nichts bestimmen wollen“ nicht als bewusste Entscheidung gegen eine Ersatzerbenregelung interpretieren würde.
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