Eine Entscheidung gegen den Datenschutz?

Datenschutzrecht
05.10.2017158 Mal gelesen
Videoaufzeichnungen in Bussen und Bahnen verstoßen nicht gegen das Datenschutzrecht. Dies hat das Oberverwaltungsgericht in Lüneburg entschieden und damit im Ergebnis die Aufhebung einer datenschutzrechtlichen Anordnung bestätigt.

Das Beweisinteresse gibt den Ausschlag

Geklagt hatte der Hannoversche Verkehrsbetrieb "ÜSTRA", der in zahlreichen seiner Busse und Bahnen festinstallierte Videokameras aufgestellt hatte. Damit konnten durchgehend Aufzeichnungen vom Innenraum der Fahrzeuge aufgezeichnet werden. Diese Aufzeichnungen wurden anschließend nach 24 Stunden gelöscht.


Der Verkehrsbetrieb hatte diese Maßnahme mit dem Interesse der Beweissicherung begründet. Die Aufzeichnungen sollten der Verfolgung von Straftaten und Vandalismusschäden dienen.
Die Landesdatenschutzbeauftragte hatten dem ÜSTRA, gestützt auf das Bundesdatenschutzgesetz aufgegeben, die Videoüberwachung einzustellen und erst wieder aufzunehmen, wenn ein Konzept für eine differenziertere Videoaufzeichnung ausgearbeitet wurde oder wenn dargelegt werden könne, dass eine uneingeschränkte Aufzeichnung erforderlich sei. Gegen diese Verfügung hatte der Verkehrsbetrieb geklagt.

Verwaltungsgericht hält Gesetz für nicht einschlägig

In der ersten Instanz hatte das Verwaltungsgericht Hannover der Klage mit der Begründung stattgegeben, dass die auf dem Bundesdatenschutzgesetz gestützte Verfügung für die ÜSTRA nicht anwendbar sei. Bei der ÜSTRA handele es sich um eine öffentliche Stelle des Landes Niedersachsen, für die das Datenrecht durch Landesgesetz besonders geregelt sei. Das Landesgesetz wiederum enthalte keine Ermächtigung, auf die die Verfügung der Landesdatenschutzbeauftragte gestützt werden könne.  

Das Oberverwaltungsgericht hat nun die Entscheidung der Vorinstanz im Ergebnis bestätigt. Allerdings erklärten die Richter in Lüneburg das Datenschutzrecht auch für die ÜSTRA für anwendbar. Mit den Videoaufnahmen verfolge die ÜSTRA die Wahrnehmung berechtigter Interessen, insbesondere die Verfolgung von Straftaten. Damit falle auch der Verkehrsbetrieb unter die Datenschutzvorschriften.
Allerdings falle eine Abwägung zugunsten der Interessen des Verkehrsbetriebes aus.
Entscheidend dafür könnte insbesondere sein, dass die Aufzeichnungen nach einem relativ kurzen Zeitraum gelöscht werden und damit nicht mehr abrufbar sind und dass es dem Verkehrsbetrieb dabei allein um die Verhinderung von Straftaten geht, die ein hohes Schutzgut der ÜSTRA betreffen. Dahinter fallen die schutzwürdigen Interessen der von der Überwachung betroffenen Personen zurück.

Gibt es bald eine Totalüberwachung?

Die Entscheidung lässt eine Tendenz erahnen, die zu einer ausgeprägten Überwachung des öffentlichen Raumes führen kann.
Andere Länder haben es uns bereits vorgemacht: London gilt als die "CCTV"-Hauptstadt. An fast jeder Straßenecke befindet sich eine Kamera, ganz gleich, ob auf öffentlichen Plätzen, in der U-Bahn oder in Geschäften. Laut Schätzungen gab es bereits 2013 ca. 6 Millionen Überwachungskameras im Stadtgebiet - und die Tendenz ist steigend. Viele der Kameras werden auch privat betrieben, zum Beispiel von Shop-Inhabern.

Der Sinn der Kameras ist aber nicht nur in Großbritannien teilweise umstritten.
Die Befürworter stützen sich auf zahlreiche Festnahmen durch Videoaufzeichnungen und plädieren für eine verbesserte Sicherheit der Bevölkerung. Ob durch Videoaufzeichnungen Kriminalität eingedämmt wird, kann aber tatsächlich nicht mit Zahlen belegt werden.

Was aber in jedem Fall mit den Überwachungskameras einhergeht, ist die tiefgreifende Überwachung der Bevölkerung im öffentlichen Raum. Gerade Datenschützer schreien daher immer wieder auf, wenn es um den Ausbau der Videoaufzeichnungen auch in Deutschland geht. Die Persönlichkeitsrechte jedes Einzelnen werden durch Überwachungsmaßnahmen betroffen, die Frage ist nur zu welchem Preis? Heiligt der Zweck wirklich die Mittel?


Jedenfalls für die Richter in Lüneburg scheint diese Überlegung Einfluss auf ihre Entscheidung gehabt zu haben.

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