Inhaltskontrolle der VOB/B – Anmerkung zum Urteil des BGH vom 24. Juli 2008

Bauverordnung Immobilien
24.01.20101997 Mal gelesen

Die Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB/B) enthalten Vertragsbedingungen vom Typ Allgemeiner Geschäftsbedingungen. Aufgrund des Umstandes, dass sie von einem Gremium gestaltet wurden, bevorzugt die VOB/B nicht einseitig Auftraggeber- oder Auftragnehmerinteressen. Sie nimmt für sich deshalb in Anspruch, ausgewogen zu sein. Vor diesem Hintergrund hatte der BGH im Jahre 1982 entschieden, dass die Regelung der VOB/B der Inhaltskontrolle entzogen ist, sofern die VOB/B als Ganzes vereinbart wurde (BGH, Urteil vom 16.12.1982 - VII ZR 92/82).  

Der VII. Zivilsenat hat diese Rechtsprechung in seiner Entscheidung vom 22.01.2004 nochmals bestätigt (BGH, Urteil vom 22.01.2004 - Az. VII ZR 419/02). Im Rahmen dieser Entscheidung hatte der Senat aber auch ausdrücklich klargestellt, dass jede Einschränkung der VOB/B durch Abänderungen oder Erweiterungen dazu führt, dass die VOB/B nicht mehr als Ganzes vereinbart ist und damit der Inhaltskontrolle vollumfänglich unterliegt (BGH, Urteil vom 22.01.2004 - Az. VII ZR 419/02). Mit Rücksicht darauf, dass die VOB/B einen billigen Interessenausgleich zwischen Auftragnehmer und Auftraggeber darstellen, führt also jede inhaltliche Abweichung von der VOB/B zu der - um es mit den Worten des Senats zu sagen - "Störung des von ihr beabsichtigten Interessenausgleichs" mit der Folge, dass der Bauvertrag vollständig der Inhaltskontrolle unterliegt (BGH, Urteil vom 22.01.2004 - Az. VII ZR 419/02).
 
Mit Urteil vom 24.07.2008 hat der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes nunmehr die seit der Schuldrechtsreform intensiv diskutierte Frage entschieden, ob die Vorschriften der VOB/B nicht doch der Inhaltskontrolle gem. §§ 307 ff. BGB unterzogen werden müssen, wenn sie gegenüber Verbrauchern Verwendung finden. Der VII. Senat hat diese Frage im Urteil vom 24.07.2008 bejaht (BGH, Urteil vom 24.07.2008 - Az. VII ZR 55/07). Dementsprechend heißt es in den Leitsätzen der Entscheidung vom 24.07.2008 wörtlich:
 
"Wird die VOB Teil B gegenüber Verbrauchern verwendet, unterliegen ihre einzelnen Klauseln auch dann einer Inhaltskontrolle, wenn sie als Ganzes vereinbart ist."
 
Der Senat hält die Inhaltskontrolle der VOB/B bei mit Verbrauchern geschlossenen Bauverträgen für sachgerecht, weil die Verbraucher nicht im Deutschen Vergabe- und Vertragsausschuss - der die im amtlichen Teil des Bundesanzeigers veröffentlichte VOB/B Teile A und B 2002 verfasst hat - vertreten sind und daher keine Möglichkeit hätten, ihre Interessen bei der Gestaltung der VOB/B durchzusetzen (BGH, Urteil vom 24.07.2008 - Az. VII ZR 55/07). Durch diese grundlegende Entscheidung des BGH werden demzufolge Verträge, die mit Verbrauchern abgeschlossen und bei den die VOB/B-Regelungen als Ganzes vereinbart werden, nunmehr der vollen Inhaltskontrolle unterzogen.
 
Auf sämtliche Gesichtspunkte dieser Entscheidung kann hier nicht eingegangen werden. Es sei jedoch darauf hingewiesen, dass diese Entscheidung des VII. Senats auch Verträge betrifft, die vor dem Bekanntwerden des Urteils abgeschlossen wurden. Das wird nach meiner Ansicht zur Folge haben, dass bei Bauverträgen auf der Grundlage der VOB/B, bei denen Verbraucher Vertragspartner des Verwenders sind, auch in noch nicht rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren eine Inhaltskontrolle aller Klauseln der VOB/B erfolgt. Insoweit hatte der Bundesgerichtshof ausgeführt, dass Verwender der VOB/B Vertrauensschutz nicht in Anspruch nehmen könnten, da Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die sich aufgrund einer Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung als unwirksam erweisen, grundsätzlich keinen Vertrauensschutz vermitteln können (vgl. dazu bereits BGH, Urteil vom 05.03.2008 - Az. VIII ZR 95/07).
 
Festzuhalten bleibt, dass mit der Entscheidung vom 24.07.2008 zumindest vorläufig ein Schlussstrich unter die Diskussion um die Inhaltskontrolle der VOB/B bei mit Verbrauchern geschlossenen Bauverträgen gezogen sein dürfte. Es bleibt allerdings abzuwarten, ob die Klauseln der VOB/B der - nunmehr bei Verbrauchern durchzuführenden - Inhaltskontrolle Stand halten wird. Hierüber wird das Berufungsgericht zu befinden haben, an das die Sache zurückverwiesen wurde. Die Rechtsposition der Verbraucher wurde durch diese Entscheidung jedenfalls nicht unerheblich verbessert. Bauunternehmer sollten künftig sorgfältig prüfen, ob in Verträgen gegenüber Verbrauchern die VOB/B zugrunde gelegt oder aber - dies dürfte vielfach vorteilhafter sein - ob eigene Vertragsregelungen erstellt werden.
 
Rechtsanwalt Michael Struck
Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht
Fachanwalt für Arbeitsrecht