Trotz Bezeichnung als „Freier Mitarbeiter“ kann eine Cutterin Arbeitnehmerin sein

24.06.2013 346 Mal gelesen
Eine nicht programmgestaltende Cutterin ist nach Ansicht des Landesarbeitsgerichts München als Arbeitnehmerin anzusehen, wenn sie in fachlicher Hinsicht den Redakteuren gegenüber und wegen der erforderlichen Nutzung des technischen Apparats in den Räumen der Rundfunkanstalt weisungsgebunden ist.

Eine Cutterin war bei der Rundfunkanstalt von September 1972 bis April 1982 als Arbeitnehmerin mit Arbeitsvertrag angestellt. Die Cutterin kündigte, da sie Mutter wurde. Seit dem 12. Februar 1985 arbeitet sie wieder bei der Rundfunkanstalt. Diesmal wurde kein schriftlicher Arbeitsvertrag geschlossen. Die Cutterin wurde bei der Rundfunkanstalt als "Gagenempfänger" geführt. Sie gehörte dem Produktionsbetrieb der Rundfunkanstalt an. Sie arbeitete in den Räumen der Rundfunkanstalt und war auf eigenen Wunsch nicht beim Schnitt kurzer Beiträge, sondern nur solcher von 20 bis 45 Minuten Läge eingesetzt worden.

Am 11. November 2011 ging die Cutterin in den Altersruhestand.

Wenige Tage zuvor hat sie beim Arbeitsgericht Klage eingereicht. Das Arbeitsgericht sollte ihre Arbeitnehmereigenschaft feststellen. Für den Fall ihrer Arbeitnehmereigenschaft beantragte sie Leistungen aus der betrieblichen Altersversorgung der Rundfunkanstalt.

Sowohl Arbeitsgericht, als auch Landesarbeitsgericht gaben ihrer Klage statt.

Arbeitnehmer sei, wer aufgrund eines privatrechtlichen Vertrages im Dienste eines Anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist. Ob ein Arbeitsverhältnis, oder eine freie Mitarbeit vorliege, bestimme sich nicht nach der von den Parteien gewählten Bezeichnung, sondern nach dem wirklichen Geschäftsinhalt. Dabei sei zu sehen, dass sich nahezu alle Tätigkeiten sowohl im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses als auch im Rahmen eines freien Mitarbeiterverhältnisses erbringen lassen.  Maßgeblich sei jeweils ihre Verbindung, also die Intensität und die Häufigkeit ihres Auftretens im konkreten Einzelfall; im Ergebnis kommt es auf das Gesamtbild der jeweiligen Vertragsgestaltung und Vertragsdurchführung an. Diese Grundsätze gelten auch im Bereich Funk und Fernsehen.

Nichtprogrammgestaltende Tätigkeiten würden regelmäßig im Rahmen von Arbeitsverhältnissen durchgeführt. Nur in Ausnahmefällen bleibt die Vereinbarung eines freien Mitarbeiterverhältnisses möglich. Eine Cutterin ist grundsätzlich als nichtprogrammgestaltende Mitarbeiterin einer Rundfunkanstalt anzusehen. Wenngleich die Tätigkeit eines Cutters auch künstlerische Elemente beinhaltet, wirken diese Personen nur technisch an der Verwirklichung eines Filmes mit.

Das Gericht sieht die Cutterin somit als Arbeitnehmerin an.

Da die Cutterin Arbeitnehmerin ist, hat sie Anspruch auf die betriebliche Altersversorgung der Rundfunkanstalt. Es spiele dabei keine Rolle, dass sie bisher als Selbstständige angesehen wurde und somit keine Vergütung, sondern eine "Gage" erhalten habe, denn Scheinselbständige haben Anspruch auf betriebliche Altersversorgung nach dem im Unternehmen auf alle Arbeitnehmer angewandten Tarifvertrag für die Altersversorgung. Eine darüber hinausgehende Differenzierung zwischen Arbeitnehmerin und als "Gagenempfänger" bezeichneten Scheinselbständigen sei nicht angebracht.

(Quelle:  Landesarbeitsgericht München, Urteil vom 09.04.2013; 6 Sa 605/12

Vorinstanz: Arbeitsgericht München, Urteil vom 25.06.2012; 8 Ca 12227/11)

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