Keine fristlose Kündigung ohne vorherige Abmahnung auch nicht einen Tag vorm Ende des Arbeitsverhältnisses

Keine fristlose Kündigung ohne vorherige Abmahnung auch nicht einen Tag vorm Ende des Arbeitsverhältnisses
17.06.2013503 Mal gelesen
Das Abwerben von Mitarbeitern für eine eigene Firma kann nach Ansicht des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg grundsätzlich auch noch einen Tag vor Ende des Arbeitsverhältnisses nicht mit einer fristlosen Kündigung ohne vorherige Abmahnung beantwortet werden.

Ein bei einem Zeitarbeitsunternehmen beschäftigter Personaldisponent schloss mit seinem Arbeitgeber vor dem Arbeitsgericht am 22. Dezember 2011 einen Vergleich, nach dem das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis am 29. Februar 2012 ende. Bis zu diesem Zeitpunkt soll der Personaldisponent unter Fortzahlung seiner Vergütung von monatlich 5.000 € von jeglicher Arbeitsverpflichtung freigestellt sein. Ferner sollte er eine Abfindung in Höhe von 17.000 € erhalten.

Im Dezember 2011 beantragte unser Personaldisponent bei der Bundesagentur für Arbeit für sich eine Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung und erhielt diese auch. Er plante für den 1. April 2012 die Eröffnung eines eigenen Zeitarbeitsunternehmens. Verschiedene seiner Kollegen haben Anfang 2012 unseren Personaldisponenten gefragt, was er denn nach seiner Kündigung so mache. Nachdem sie erfuhren, dass unser Personaldisponent ein eigenes Zeitarbeitsunternehmen eröffnen werde, beschlossen drei Kollegen, zu ihm zu wechseln und kündigten am 26. Februar 2012 ihr Arbeitsverhältnis mit dem Zeitarbeitsunternehmen.

Nachdem das Zeitarbeitsunternehmen davon erfuhr, dass ihrer Mitarbeiter zum 1. April 2012 in die Neugründung ihres Personaldisponenten wechseln wollten, erklärte es am 28. Februar 2012, also einen Tag bevor das Arbeitsverhältnis sowieso geendet hätte, die fristlose Kündigung.

Unser Personaldisponent erhob Kündigungsschutzklage.

Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht gaben seiner Klage statt.

Während des rechtlichen Bestehens eines Arbeitsverhältnisses ist einem Arbeitnehmer jede Konkurrenztätigkeit zum Nachteil seines Arbeitgebers untersagt. Der Arbeitgeber soll vor Wettbewerbshandlungen seines Arbeitnehmers geschützt werden. Der Arbeitnehmer dürfe im Marktbereich seines Arbeitgebers Dienste nicht Dritten anbieten. Allerdings darf er schon vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses für die Zeit nach seinem Ausscheiden die Gründung eines eigenen Unternehmens vorbereiten. Verboten sei lediglich die Aufnahme einer werbenden Tätigkeit durch Vermittlung von Konkurrenzgeschäften oder aktives Abwerben von Kunden oder bisherigen Arbeitskollegen.

Es könne dahinstehen, ob der Personaldisponent seine Kollegen vor dem 1.3.2012 aktiv angesprochen habe, um sie für seine in Gründung befindliche eigene Firma zu gewinnen; denn ein Arbeitsverhältnis könne nur dann aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden könne.

Doch dies lässt das Gericht dahinstehen, denn eine außerordentliche Kündigung komme nur in Betracht, wenn es keinen angemessenen Weg gebe, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil dem Arbeitgeber sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sind. Als mildere Reaktionen seien hier insbesondere Abmahnung und ordentliche Kündigung [sic!] anzusehen.

Einer Abmahnung bedürfe es in Ansehung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nur in den Fällen nicht, in denen eine Verhaltensänderung in Zukunft selbst nach Abmahnung nicht zu erwarten seien oder wenn es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handle, dass eine Hinnahme durch den Arbeitgeber offensichtlich ausgeschlossen sei.

So ein Fall liege hier jedoch nicht vor.

Die Klage hatte somit Erfolg.

(Quelle:  Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 30.08.2012;  10 Sa 1198/12

Vorinstanz Arbeitsgericht Berlin, Urteil vom 15.05.2012;  34 Ca 3619/12)

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