Wer einen Fehler eines Arbeitskollegen übersieht, kann nicht gleich gekündigt werden

Wer einen Fehler eines Arbeitskollegen übersieht, kann nicht gleich gekündigt werden
11.06.2013279 Mal gelesen
Ein Fehler bei der Kontrolle eines Überweisungsträgers durch eine über 26 Jahre bei einer Bank angestellte Sachbearbeiterin rechtfertigt nach Ansicht des Hessischen Landesarbeitsgerichts weder eine fristlose, noch eine ordentliche Kündigung.

Eine 48-jährige Bankangestellte arbeitet seit 1986 bei einer Bank in Frankfurt am Main, zuletzt als Sachbearbeiterin im Zahlungsverkehr. Zu ihren Aufgaben gehört unter anderem die Überprüfung von Überweisungsbelegen und gegebenenfalls deren Korrektur. Am 2. April 2012 prüfte sie 603 Belege innerhalb von weniger als 1,4 Sekunden, 105 Belegen innerhalb von 1,5-3 Sekunden und nur 104 Belegen in mehr als 3 Sekunden. Dabei übersah sie bei einem Zahlungsbeleg eines Rentners, dass dieser durch einen Arbeitskollegen versehentlich von  62,40 € auf 222.222.222,22 € korrigiert worden war.

Wie sich im Nachhinein herausstellte, war der vorprüfende Arbeitskollege, der allerdings nicht für die Prüfung des Betragsfelds des Belegs zuständig war, bei einem Sekundenschlaf auf die Taste "2" der PC-Tastatur geraten und hatte diese länger gedrückt gehalten. Durch eine systeminterne Prüfungsroutine wurde der Fehler bemerkt und berichtigt.

Die Bank hat ihrer Mitarbeiterin eine vorsätzliche Täuschung über ihre Arbeitsleistungen vorgeworfen indem sie Belege nicht geprüft, sondern ohne Prüfung freigegeben habe.

Die Bank sprach daher die fristlose Kündigung, hilfsweise die ordentliche Kündigung aus.

Die Mitarbeiterin erhob Kündigungsschutzklage.

Sowohl Arbeitsgericht, als auch Landesarbeitsgericht gaben ihrer Kündigungsschutzklage statt.

Eine vorsätzliche Schädigung des Arbeitgebers oder eine vorsätzliche Manipulation des Arbeitsablaufs lägen nicht vor. Nach der Vorbearbeitung durch den Arbeitskollegen könne der Mitarbeiterin nur noch eine unterlassene Kontrolle des Überweisungsträgers vorgeworfen werden. Dies sei zwar ein schwerer Fehler gewesen, die für eine Kündigung aus verhaltensbedingten Gründen notwendige negative Prognose sei nach Abwägung aller Umstände aber nicht erkennbar. Deshalb sei der Bank hier eine Abmahnung statt einer Kündigung noch zumutbar gewesen.

Auch die von der Bank begehrte Auflösung des Arbeitsverhältnisses durch das Gericht hat das Hessische Landesarbeitsgericht zurückgewiesen. Die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür lägen nicht vor. Nach wie vor sei eine weitere den Betriebszwecken dienliche Zusammenarbeit möglich.

 

(Quelle: PM 7/13 des  Hessisches Landesarbeitsgericht, Urteil v. 07.02.2013; 9 Sa 1315/12

Vorinstanz Arbeitsgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 07.08.2012; 4 Ca 2899/12)

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