Wer seinen Hund vor Angriffen anderer Hunde in Schutz nimmt, verliert nicht seinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung bei Arbeitsunfähigkeit

Wer seinen Hund vor Angriffen anderer Hunde in Schutz nimmt, verliert nicht seinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung bei Arbeitsunfähigkeit
10.06.20133548 Mal gelesen
Ein Arbeitnehmer führt nach Ansicht des Arbeitsgerichts Freiburg seine Arbeitsunfähigkeit nicht schuldhaft herbei, wenn er als Hundebesitzer in eine Hunderauferei eingreift, um seinen Hund aus einer Notlage zu befreien, und hierbei Bissverletzungen erleidet, die zu seiner Arbeitsunfähigkeit führen.

Seit dem Jahre 2007 arbeitet ein Fahrer für seinen Arbeitgeber. Im Juni 2009 besuchte er ein Vereinsfest. Unser Fahrer wurde dabei von seiner 8 Jahre alten Bernersennenmischung begleitet. Noch bevor das Fest begann, wurde der Hund unvermittelt von einer freilaufenden Dogge angegriffen. Die Dogge verbiss sich in den Hund des Fahrers und hielt diesen schließlich hängend in ihrem Maul. In dieser Situation griff der Arbeitnehmer ein und befreite seinen Hund. Dabei biss die Dogge den Arbeitnehmer in die linke Hand und verletzte ihn. Der Arbeitnehmer ließ zunächst die Wunden seines Hundes tierärztlich versorgen. Anschließend begab er sich selbst in ärztliche Behandlung. Der behandelnde Arzt bescheinigte ihm für den Zeitraum vom 19.06.2009 - 18.07.2009 Arbeitsunfähigkeit.

Unser Fahrer konnte den Halter der freilaufenden Dogge nicht in Erfahrung bringen.

Sein Arbeitgeber verweigerte ihm die Entgeltfortzahlung wegen Arbeitsunfähigkeit. Er habe sich seine Arbeitsunfähigkeit schuldhaft selbst beigefügt. Im Wissen um die Gefährlichkeit einer Dogge habe er versucht seinen Hund aus dem Maul der Dogge zu befreien. Diese Handlung hätte er unterlassen müssen. Er sei daher an seiner Arbeitsunfähigkeit selbst schuld und habe aus diesem Grunde auch keinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung bei Arbeitsunfähigkeit. Im Übrigen vermutet der Arbeitgeber, dass sein Fahrer den Halter der freilaufenden Dogge kenne und ihm Namen und Anschrift nur deshalb nicht mitteilen würde, um diesen vor einer Inanspruchnahme zu schützen. Auch aus diesem Grunde sei ihm keine Entgeltfortzahlung wegen Arbeitsunfähigkeit zu zahlen.

Unser Hundefreund kann diesen Argumenten nicht folgen und erhebt daher vor dem Arbeitsgericht Klage auf Entgeltfortzahlung.

Das Arbeitsgericht gab ihm Recht.

Eingangs führt das Arbeitsgericht aus, warum es nicht davon ausgehe, dass unser Hundefreund die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen seines Arbeitgebers gegenüber dem Halter der Dogge vereitelt hat. Sodann geht das Gericht auf die Frage ein, ob unser Hundefreund durch sein Eingreifen zur Rettung seines Hundes seine Arbeitsunfähigkeit selbst herbeigeführt und somit seinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung verloren habe.

Schuldhaft im Sinne des Entgeltfortzahlungsgesetzes handelt derjenige Arbeitnehmer, der gröblich gegen das von einem verständigen Menschen im eigenen Interesse zu erwartende Verhalten verstößt. Dies sei vorliegend nicht geschehen.

Das Gericht setzt voraus, dass ein verständiger Mensch sich nicht ohne Not der Gefahr aussetzt, von einer Dogge gebissen zu werden. Bei einem Eingreifen in eine Hundebeißerei sind aufgrund der Eigendynamik des Geschehens Bissverletzungen durch die beteiligten Hunde, gegebenenfalls auch durch den eigenen Hund, nie auszuschließen.  

Unser Hundefreund sah sich einem gegenwärtigen Angriff auf sein Sacheigentum  ausgesetzt: sein Hund hing im Maul der angreifenden Dogge. Ohne sein Eingreifen hätte die konkrete Möglichkeit bestanden, dass sein Hund größeren Schaden nimmt. Denn bereits in diesem Stadium des Angriffs erlitt der Hund des Klägers Bissverletzungen, die tierärztlich versorgt werden mussten.

Somit befand sich der Arbeitnehmer in einer Notlage: greift er in die Rauferei ein, riskiert er, selbst gebissen zu werden. Greift er nicht, müsste er eine weitere Verletzungen seines Hundes, und damit seines Sacheigentums sehenden Auges hinnehmen.

Somit habe sich der Arbeitnehmer nicht ohne Not, sondern vielmehr wegen der bestehenden, aber von ihm nicht verschuldeten, Notlage einer Gefahr ausgesetzt, die sich durch den Hundebiss auch realisiert hat.

Um ein Verhalten annehmen zu können, das gröblich gegen das von einem verständigen Menschen im eigenen Interesse zu erwartende Verhalten verstößt, müsste es eine sich jedem vernünftigen Menschen aufdrängende und zumutbare Handlungsalternative gegeben haben, die nicht zum Schadensfall geführt hätte.

Im vorliegenden Falle konnte dem Arbeitnehmer keine vernünftige und zumutbare Handlungsalternative aufgezeigt werden: aufgrund der gegenwärtigen Notsituation war weder das Abwarten noch das zu Hilfe holen Dritter dienlich oder zumutbar.

Wer in einer derartigen Notlage versucht, schlimmere Beschädigungen seines Eigentums abzuwehren, handelt nicht gröblich gegen das von einem verständigen Menschen im eigenen Interesse zu erwartende Verhalten.

Da mithin kein schuldhaftes Herbeiführen der Arbeitsunfähigkeit vorliegt, ist dem Arbeitnehmer die Entgeltfortzahlung zu gewähren.

 

(Quelle: Arbeitsgericht Freiburg, Urteil vom 13.01.2010; 2 Ca 215/09)

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