Wer sittenwidrige Ausbildungsvergütungen zahlt, schuldet dem Auszubildenden die nach dem Tarifvertrag geschuldete Vergütung

Wer sittenwidrige Ausbildungsvergütungen zahlt, schuldet dem Auszubildenden die nach dem Tarifvertrag geschuldete Vergütung
27.05.20131329 Mal gelesen
Unterschreitet die Vereinbarung einer Vergütung nicht tarifgebundener Parteien eines Ausbildungsverhältnisses 80 % der nach dem einschlägigen Tarifvertrag zu zahlenden Vergütung, ist diese nach dem Sächsischen Landesarbeitsgericht als nicht mehr angemessen anzusehen und die Tarifvergütung zu zahlen.

Ein Schulabgänger hat mit einem KFZ-Service-Betrieb am 24. April 2006 einen Berufsausbildungsvertrag im Ausbildungsberuf Kfz-Mechatroniker mit Schwerpunkt Pkw-Technik, mit einer Ausbildungszeit von 42 Monaten, für die Zeit vom 01.09.2006 bis 28.02.2010 geschlossen. Als monatliche Ausbildungsvergütung haben die Parteien 230,00 € brutto für das erste Ausbildungsjahr, 280.00 € brutto für das zweite Ausbildungsjahr, 320,00 € brutto für das dritte Ausbildungsjahr und 390,00 € brutto für das vierte Ausbildungsjahr vereinbart.

Nur zu Vorlage für die Handwerkskammer zur Eintragung in die Lehrlingsrolle wurde am 14.8.2006 ein zweiter inhaltsgleicher, jedoch eine höhere Vergütung vorsehender Ausbildungsvertrag geschlossen. Hiernach sollten für das erste Ausbildungsjahr 308,00 € brutto, für das zweite Ausbildungsjahr 352,00 € brutto, für das dritte Ausbildungsjahr 396,00 € brutto und für das vierten Ausbildungsjahr 432,00 € brutto an Ausbildungsvergütung gezahlt werden. Dieser Vertrag wurde dann auch so in die Lehrlingsrolle eingetragen.

Unser Auszubildender bekam indes die Vergütung nach dem zuerst geschlossenen Vertrag bezahlt. Das Berufsausbildungsverhältnis endete einvernehmlich durch Abschluss eines gerichtlichen Vergleiches zum 31.Januar 2009. Der Auszubildende hat seine Ausbildung in einem anderen Betrieb fortgesetzt.

Am 4. März 2009 erhob unser Auszubildender Klage vor dem Arbeitsgericht Leipzig, auf Zahlung der Differenz zwischen der bereits gezahlten und der von der Innung des Kraftfahrzeughandwerkes der Region Leipzig  als angemessen, vorgegebenen Vergütung. Sein Ausbildungsbetrieb sei mittelbar über die Handwerkskammer Mitglied der Tarifgemeinschaft Mitteldeutsches Kraftfahrzeuggewerbe. Der Vertrag vom 14. August 2009 sei  nur ein Scheinvertrag. Im Übrigen habe er von diesem Ausbildungsvertrag auch keine Ausfertigung erhalten.

Der Ausbilder trägt vor, dass er nicht an den Tarifvertrag der Tarifgemeinschaft Mitteldeutsches Kraftfahrzeuggewerbe gebunden sei. Der Vertrag vom 24. April 2006 sei am 14. August 200  geändert worden, weil die Kraftfahrzeuginnung der Leipziger Region aus der Tarifgemeinschaft Mitteldeutsches Kraftfahrzeuggewerbe ausgeschieden sei. Unter Berücksichtigung des zuletzt geschlossenen Vertrages stehe seinem ehemaligen Auszubildenden indes noch ein Differenzbetrag von € 2.827,59 brutto zu, mehr aber auch nicht.

Das Arbeitsgericht sprach dem Auszubildenden dann auch genau diesen Betrag zu, mehr nicht. Es orientierte sich bei seiner Entscheidung am zweiten Ausbildungsvertrag, den es für wirksam und maßgeblich für die Vergütung hielt.

Das Landesarbeitsgericht gab der Klage des Auszubildenden jedoch in voller Höhe Recht und sprach ihm die Differenz zwischen der gezahlten Vergütung und der Vergütung zu, die nach dem einschlägigen Tarifvertrag geschuldet wäre.

Auszubildende haben nach dem Gesetz einen Anspruch auf Zahlung einer angemessenen Vergütung, die nach dem Lebensalter so zu bemessen sei, dass sie mit fortschreitender Berufsausbildung, mindestens jährlich, ansteigt. Diese Bestimmung sei zwingend und es dürfe nicht hiervon abgewichen werden.

Bei der Beurteilung der Frage, welche Vergütung angemessen sei, sei grundsätzlich auf den einschlägigen Tarifvertrag abzustellen. Unterschreitet die vertragliche Vereinbarung 80 % der nach dem Tarifvertrag zu zahlenden Ausbildungsvergütung, ist diese als nicht mehr angemessen anzusehen. Der Ausbilder hat dann im Streitfall nicht die auf 80 % zu erhöhende, sondern die tarifliche Vergütung zu zahlen.

Der einschlägige Tarifvertrag sah eine Vergütung von monatlich 400,00 € für das erste Ausbildungsjahr, 455,00 € für das zweite Ausbildungsjahr sowie von 510,00 € für das dritte Ausbildungsjahr vor. Gemessen daran sind die Vereinbarungen zur Vergütungshöhe in beiden Ausbildungsverträgen unangemessen.

Der Ausbilder schuldet somit dem Auszubildenden noch die Differenz zwischen der tariflichen Vergütung und der bereits zahlten.

(Quelle:  Sächsisches Landesarbeitsgericht, Urteil vom 16.11.2010; 7 Sa 254/10

Vorinstanz: Arbeitsgericht Leipzig, Urteil vom 05.03.2010; 3 Ca 1076/09)

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