Urlaub und Arbeitsunfähigkeit - was gilt?

Arbeit Betrieb
15.03.2013 413 Mal gelesen
Erscheinung am 19.03.2013 in der Nordsee-Zeitung

Frau Müller arbeitet seit Anfang 2004 bei ihrem Arbeitgeber. Sie ist in Vollzeit beschäftigt und hat Anspruch auf den gesetzlichen Mindesturlaub von 4 Wochen pro Kalenderjahr. Im April 2008 erkrankt sie und ist seitdem arbeitsunfähig krankgeschrieben. Ihren damals geplanten Jahresurlaub hatte sie nicht antreten können. Auch danach hatte sie wegen ihrer Erkrankung keinen Urlaub mehr nehmen können. Seit Anfang 2010 ist sie als schwerbehindert anerkannt. Mit dem 28.2.2013 endete ihr Arbeitsverhältnis. Sie erinnert sich, gelesen zu haben, dass auch während einer längeren Krankschreibung ein Anspruch auf Urlaub entsteht. Sie fragt ihren Arbeitgeber, ob ihr nicht eigentlich für die Jahre seit 2008 ihr Urlaub noch zusteht, der ihr jetzt ausgezahlt werden müsste. Der Arbeitgeber winkt ab, sie sei lang genug krank gewesen, er sei nicht bereit, ihr nun noch Urlaub zu zahlen.

Tatsächlich hat sich in den letzten Jahren viel in der Rechtsprechung zum Urlaubsrecht getan. Frau Müller wendet sich an einen Rechtsanwalt, der sich mit Arbeitsrecht auskennt. Dieser erläutert ihr: Urlaubsjahr ist das Kalenderjahr. Urlaub soll möglichst im laufenden Urlaubsjahr genommen werden. Ist das nicht möglich, kann der Urlaub auf das Folgejahr übertragen werden. Wenn nichts anderes vereinbart ist, verfallen übertragene Urlaubsansprüche dann aber Ende März des Folgejahres ersatzlos, soweit sie bis dahin nicht verbraucht sind.

Allerdings gibt es inzwischen zugunsten arbeitsunfähiger Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wie Frau Müller wichtige Ausnahmen. Nach aktuellen Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes und des Bundesarbeitsgerichts verfallen Frau Müllers gesetzliche Urlaubsansprüche nicht 3 Monate, sondern erst 15 Monate nach Ablauf des Urlaubsjahres, weil sie aus gesundheitlichen Gründen an ihrer Arbeitsleistung und damit daran gehindert war, Urlaub zu nehmen. Das bedeutet, dass Frau Müllers Urlaubsanspruch auch während ihrer Erkrankung und damit unabhängig davon entstanden ist, ob sie arbeiten konnte oder nicht. Das gilt nicht nur für den gesetzlichen Mindesturlaub, sondern auch für den gesetzlichen Zusatzurlaub von 1 Woche im Urlaubsjahr für schwerbehinderte Menschen. Dieser steht Frau Müller wegen ihrer Anerkennung als schwerbehinderter Mensch seit Anfang 2010 ebenfalls zu.

Damit ist nun einerseits geklärt, dass Anspruch auf Urlaub auch bei langer Arbeitsunfähigkeit entsteht. Anderseits ist aber auch geklärt, dass Urlaubsansprüche auch bei langer Arbeitsunfähigkeit nicht unbegrenzt angesammelt werden können, sondern krankheitsbedingt nicht genommener Urlaub 15 Monate nach Ablauf des Urlaubsjahres verfällt.

Für Frau Müller bedeutet das, dass ihr Urlaubsanspruch aus 2008 ihr zwar zustand, aber bereits am 31.3.2010 verfallen ist. Ihr Urlaubsanspruch für 2009 und für 2010 ist ebenfalls bereits verfallen. Ihr Urlaubsanspruch für 2011 verfällt dagegen erst am 31.3.2013 und steht ihr daher noch zu, ebenso wie ihr Urlaubsanspruch für 2012 und ihr anteiliger Urlaubsanspruch für 2013.

Da ihr Arbeitsverhältnis Ende Februar endete, hat ihr Arbeitgeber Frau Müller den Urlaub für die Jahre 2011, 2012 und anteilig für 2013 auszuzahlen. Das gilt sowohl für den gesetzlichen Mindesturlaub von 4 Wochen pro Kalenderjahr als auch für den gesetzlichen Zusatzurlaub von 1 Woche im Urlaubsjahr für schwerbehinderte Menschen.

Walter Klemeyer, Rechtsanwalt und Notar in Bremerhaven, Fachanwalt für Arbeitsrecht und Sozialrecht, Mediator