Verzicht auf Erstattung von Reisekosten für Lehrkräfte

Verzicht auf Erstattung von Reisekosten für Lehrkräfte
19.10.2012495 Mal gelesen
Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden, dass eine Genehmigung von Klassenfahrten nicht davon abhängig gemacht werden kann, ob die teilnehmenden Lehrkräfte auf die Erstattung ihrer Reisekosten verzichten. Eine derartige Praxis verstößt gegen die Fürsorgepflicht des beklagten Landes.

BAG, Urteil vom 16. Oktober 2012 - 9 AZR 183/11 

Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden, dass eine Genehmigung von Klassenfahrten nicht davon abhängig gemacht werden kann, ob die teilnehmenden Lehrkräfte auf die Erstattung ihrer Reisekosten verzichten. Eine derartige Praxis verstößt gegen die Fürsorgepflicht des beklagten Landes.

Nach den "Wanderrichtlinien" des beklagten Landes sind Schulfahrten Bestandteile der Bildungs- und Erziehungsarbeit der Schulen. Für die Lehrkräfte gehört die Teilnahme an Schulfahrten zu den dienstlichen Aufgaben. In der Regel obliegt den jeweiligen Klassenlehrerinnen oder Klassenlehrern die Leitung der Schulfahrt. Die Schulfahrten und Dienstreisen müssen von den teilnehmenden Lehrkräften mit einem dafür vorgesehenen Formular bei der Schulleitung beantragt und von dieser genehmigt werden.

Die als Lehrerin an einer Gesamtschule des beklagten Landes tätige Klägerin beantragte als Klassenlehrerin für ihre Klasse die Genehmigung einer mehrtätigen Studienfahrt nach Berlin.  Das dafür vorgesehene Formular enthält u.a. mit Verweis auf die nicht ausreichenden Haushaltsmittel eine Verzichtserklärung der beantragenden Person auf Zahlung der Reisekosten. Es heißt darin wörtlich "da die Veranstaltung trotzdem durchgeführt werden soll, verzichte(n) ich/wir . auf die Zahlung der Reisekostenvergütung." Der Klägerin sind für die Schulfahrt Reisekosten in Höhe von 234,50 Euro entstanden. Das beklagte Land erstattete ihr lediglich 28,45 Euro und lehnte eine weitere Erstattung mit Verweis auf die Verzichtserklärung im Antragsformular ab.Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht gab der Klägerin Recht und sprach ihr den Differenzbetrag in Höhe von 206,05 Euro zu.

Die Revision war erfolgreich. Das Bundesarbeitsgericht kam zu dem Ergebnis, dass das beklagte Land sich unter dem Gesichtspunkt der unzulässigen Rechtsausübung wegen unredlichen Erwerbs der eigenen Rechtsstellung nicht auf die von ihm vorformulierte Verzichtserklärung der Klägerin berufen könne. Nach § 23 Abs. 4 des Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst der Länder für die Erstattung von Reisekosten finden zwar die für die Beamtinnen und Beamten des Arbeitgebers jeweils geltenden Bestimmungen entsprechende Anwendung. Allerdings sieht das Gesetz über die Reisekostenvergütung der Beamtinnen und Beamten des beklagten Landes insoweit vor, dass Dienstreisende vor Antritt einer Dienstreise schriftlich erklären können, keinen Antrag auf Reisekostenvergütung zu stellen. Mit einer generellen Bindung der Genehmigung von Schulfahrten an den Verzicht auf eine Erstattung von Reisekosten durch die angestellten Lehrer und Lehrerinnen verstößt das beklagte Land grob gegen seine Fürsorgepflicht. Denn die teilnehmenden Lehrkräfte werden damit unzulässig vor die Wahl stellt, ob die Schulfahren stattfinden oder nicht. Es liegt damit in der Hand der Lehrinnen und Lehrer, ob sie ihr Interesse an einer Reisekostenerstattung zurückstellen oder dafür verantwortlich sein sollen, dass als Bestandteil von Bildungs- und Erziehungsarbeit vorgesehene Schulfahrten nicht stattfinden.


Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Hamm, Urteil vom 3. Februar 2011 - 11 Sa 1852/10